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Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Beschluss vom 25.04.2006 - 6 G 1061/05 (2) - Keine MPU-Anordnung wegen Tatsachen aus der Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis

VG Frankfurt am Main v. 25.04.2006: Keine MPU-Anordnung wegen Tatsachen aus der Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis




Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.04.2006 - 6 G 1061/05 (2) ) hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wieder hergestellt:

   Das Gericht hält auch in Ansehung der vom 2. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vertretenen gegenteiligen Ansicht an seiner Auffassung fest, dass nach dem Erwerb einer EU-Fahrerlaubnis die Anordnung einer MPU nicht rechtmäßig ist, wenn damit Eignungszweifel beseitigt werden sollen, die auf Tatsachen aus der Zeit vor der Erteilung der EU-Fahrerlaubnis gestützt werden.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Die Nutzungsuntersagung bzw. Nichtanerkennung einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland

Zum Sachverhalt:


Das Amtsgericht Hanau hat mit Urteil vom 04.06.1992 den Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 8 Monaten verhängt. Dem Antragsteller wurde unter dem 02.02.2005 eine tschechische Fahrerlaubnis erteilt. Mit Schreiben vom 25.01.2006 wurde der Antragsteller aufgefordert, sich einer MPU zu unterziehen. Da dieser der Aufforderung nicht nachkam, wurde ihm mit Bescheid vom 16.02.2006 die Fahrerlaubnis entzogen (? gemeint ist möglicherweise: die Nutzung seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Inland untersagt).

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers und sein - erfolgreicher - Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Antrag des Antragstellers, gerichtet auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis und die Zwangsmittelandrohung in der Verfügung des Antragsgegners vom 16.02.2006 ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig; er ist auch in der Sache begründet. Das Gericht ist bei der im Eilverfahren allein in Betracht kommenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Entziehung der Fahrerlaubnis im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen wird mit der Folge, dass das Aufschubinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an dem Sofortvollzug des Bescheides überwiegt.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. § 46 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung - FeV) vom 18.08.1998 (BGBl. 1 Seite 2214) hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 3 FeV finden die §§ 11 - 14 FeV entsprechende Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Dies schließt die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter den genannten Voraussetzungen ein (vgl. § 11 Abs. 3 FeV). Verweigert der Betroffene die Durchführung der Untersuchung oder legt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht vor, so darf die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV). Dieser ist gem. § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV bei der Anordnung auf diese mögliche Schlussfolgerung hinzuweisen.

Die in § 11 Abs. 8 FeV normierte Schlussfolgerung kann die Verwaltungsbehörde allerdings nur dann ziehen, wenn die Anordnung der Beibringung eines derartigen Gutachtens zu Recht erfolgte. Dies ist hier nicht der Fall, da der Antragsgegner nicht berechtigt war, von dem Antragsteller die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern.




Der Antragsgegner hat die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung des Antragstellers mit Schreiben vom 25.01.2006 damit begründet, dass dem Antragsteller vom Amtsgericht Hanau mit Urteil vom 04.06.1992 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von 8 Monaten verhängt worden war. Die aus diesem Vorfall resultierenden Eignungsbedenken kann der Antragsgegner dem Antragsteller jedoch nicht mehr vorhalten und zum Anlass nehmen, von ihm ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern. Denn dem Antragsteller wurde unter dem 02.02.2005, also nach Ablauf der Sperrfrist, eine tschechische Fahrerlaubnis erteilt. Diese Fahrerlaubnis ist von den deutschen Behörden gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 FeV anzuerkennen mit der Folge, dass von der Geeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis auszugehen ist.

Das Gericht hat sich bereits mehrfach mit den im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Fragen im Zusammenhang mit der Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen durch deutsche Behörden befasst. Dabei ist das Gericht in Fallkonstellationen, die der des Antragstellers vergleichbar sind, zu dem Ergebnis gelangt, dass eine EU-Fahrerlaubnis, die nach Ablauf einer für die Wiedererteilung von einem deutschen Gericht festgesetzten Sperrfrist erteilt worden ist, von deutschen Behörden ohne inhaltliche Überprüfung anzuerkennen ist.

Zur Begründung hat das Gericht dazu ausgeführt (vgl. z. B. Beschl. v. 01.09.2005, Az.: 6 G 2273/05 (2)):

   "Dem steht auch nicht § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV entgegen. Nach dieser Vorschrift gilt die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV unter anderem nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht entzogen worden ist. Dieser Personenkreis kann gem. § 28 Abs. 5 S. 1 FeV von der EU-Fahrerlaubnis im Inland nur dann Gebrauch machen, wenn ihm das Recht hierzu auf Antrag erteilt wurde, was voraussetzt, dass die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen. Die Vorschrift des § 28 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 S. 1 FeV kann jedoch nur hinsichtlich der Fortgeltung einer vor den innerstaatlichen Maßnahmen erteilten EU-Fahrerlaubnis gelten, sie kann nicht angewendet werden in jenen Fällen, in denen die EU-Fahrerlaubnis nach den in § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV genannten Maßnahmen und nach Ablauf der Sperrfrist erteilt wurde. Denn dies widerspräche der Führerscheinrichtlinie des Rates 91 - 439 EWG vom 29.07.1991 (Amtsblatt Nr. L237) in der Auslegung, die sie durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil Kapper, vom 29.04.2004 C 476/01, DAR 2004, 333 ff., NJW 2004, 1725 ff.) erhalten hat.




In dem genannten Urteil hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie, wonach ein Mitgliedstaat es ablehnen kann, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Abs. 2 genannten Maßnahmen (Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis) angewendet wurde, eng auszulegen ist (Rdnr. 72). Der EuGH hat in jener Entscheidung zunächst klargestellt, dass das gemeinschaftsrechtliche Erfordernis des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsstaat ausschließlich von den Behörden des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats überprüft werden darf (Rdnr. 46), da das Gemeinschaftsrecht dem Ausstellungsstaat die ausschließliche Zuständigkeit zuweist, über das Vorliegen des Erfordernisses des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsstaat zu befinden (Rdnr. 48) - was gleichzeitig bedeutet, dass den Behörden des Anerkennungsstaates eine solche Befugnis nicht zukommt. Der Anerkennungsstaat hat die Entscheidung des Ausstellungsstaates zu akzeptieren und kann lediglich im Rahmen eines Informationsaustausches dem Ausstellungsstaat ernsthafte Zweifel mitteilen.

Darüber hinaus hat der EuGH in der Entscheidung Erläuterungen zu der in Art. 8 der Richtlinie vorgesehenen Befugnis des Anerkennungsstaates, unter bestimmten Bedingungen einem von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein die Gültigkeit zu versagen, gegeben. Er führt aus, dass dann, wenn die zusätzlich zu der fraglichen Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates abgelaufen ist, Art. 1 Abs. 2 i. V. m. Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie diesem Mitgliedstaat verbietet, die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins, der dem Betroffenen später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist, abzulehnen. Ein Mitgliedstaat dürfe sich nicht auf Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie berufen, um einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine solche Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer früher erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der möglicherweise später von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde (Rdnr. 76).

Nach dem Kerngehalt der Ausführungen des EuGH ist die Entscheidung eines EU-Mitgliedstaates, einem EU-Bürger die Fahrerlaubnis zu erteilen, grundsätzlich zu akzeptieren. Insbesondere aus der Interpretation des Art 8 der Führerscheinrichtlinie durch den EuGH folgt für die Kammer, dass § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV dann nicht anwendbar ist, wenn die EU-Fahrerlaubnis erteilt wurde, nachdem die im Anerkennungsstaat durchgeführten Maßnahmen, einschließlich einer angeordneten Sperrfrist, beendet sind (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 18.08.2004, Az.: 11 K 4476/03; Hentschel, Die Entwicklung des Straßenverkehrsrechts im Jahre 2004, NJW 2005, 641, 644; Otte/Kühner, Führerscheintourismus ohne Grenzen?, NZV 2004, 321, 328).




Nach Auffassung der Kammer kommt es auch nicht in Betracht, die EuGH-Entscheidung dahingehend "restriktiv" zu verstehen, dass eine generelle Pflicht zur Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis kraft Vorrang des Gemeinschaftsrechtes nur in jenen Fällen gelten könne, in denen das nationale Fahrerlaubnisrecht nach Ablauf der Sperrfrist keine weiteren Anforderungen an die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stelle (so Geiger, Aktuelle Rechtsprechung zum Fahrerlaubnisrecht, DAR 2004, 690, 691) oder es für jeden Mitgliedstaat auch nach Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis bei der Möglichkeit verbleiben müsse, bei noch bestehenden Eignungszweifeln in seinem Hoheitsgebiet seine nationalen Vorschriften über den Entzug, die Aussetzungen und die Aufhebung der Fahrerlaubnis zur Anwendung kommen zu lassen (so VG München, Beschluss v. 13.01.2005, Az.: M 6b S 04.5543, NJW 2005, 1818). Zur Begründung jener Auffassungen wird angeführt, dass die Richtlinie im Hinblick auf materielle Eignungsvoraussetzungen nur Mindestvoraussetzungen festlege, sodass Raum für eigenständige nationale Regelungen bliebe. Eine solche Auslegung des EuGH-Urteils widerspricht jedoch gerade dem vom EuGH in den Vordergrund gerückten Prinzip der unbedingten gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine. In Rdnr. 77 des Urteils wird ausdrücklich festgestellt: "Wie der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre es die Negation des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine selbst, wenn man einen Mitgliedstaat für berechtigt hielte, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins unter Berufung auf seine nationalen Vorschriften unbegrenzt zu verweigern." Die sich im Hinblick auf unterschiedliche nationale Ausgestaltungen ergebenden Probleme sind solche der Harmonisierung der Verwaltungspraktiken der Mitgliedstaaten; sie können nicht zur Folge haben, das Anerkennungsprinzip des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie einzuschränken.

Aufgrund des EuGH-Urteils vom 29.04.2004 ist nach Auffassung der Kammer auch jene Auslegung der Richtlinie ausgeschlossen, wonach § 28 Abs. 4 Nr. 3 i. V. m. Abs. 5 FeV als nationale Ausgestaltung des Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie anzusehen sei und dementsprechend auch derjenige, dem vor der Erteilung seiner EU-Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland die Fahrerlaubnis entzogen worden war, vor Anerkennung seiner später erworbenen EU-Fahrerlaubnis ein Antragsverfahren nach § 28 Abs. 5 FeV zu durchlaufen habe (so VGH Mannheim, Urteil von 12.10.2004, Az.: 10 S 1346/04, VRS 108,141; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 11.03.2005, Az.: 4 L 389/05). Würde man ein solches Verfahren nach § 28 Abs. 5 FeV, mit dem festgestellt werden soll, ob die Gründe für die Entziehung mittlerweile nicht mehr bestehen, auch für jene Konstellationen für zulässig erachten, in denen die EU-Fahrerlaubnis erst nach Ablauf der innerstaatlichen Maßnahme erteilt wurde, so widerspräche dies im Ergebnis ebenfalls dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Denn Befugnis und Kompetenz des Ausstellungsstaates, die Eignung des Betreffenden zum Führen von Kraftfahrzeugen festzustellen, würde in Abrede gestellt. Eine solche Vorgehensweise wäre nicht mit dem vom EuGH herausgestellten Zweck der Richtlinie vereinbar (so OVG Koblenz, Beschluss v. 15.08.2005, Az.: 7 B 11021/05) Der EuGH hat, wie dargestellt, nach Ablauf der Sperre die Anerkennung der nachträglich erteilten EU-Fahrerlaubnis verlangt. Ein besonderes Zuerkennungsverfahren nach § 28 Abs. 5 FeV stünde dem entgegen, da gemäß § 28 Abs. 5 Satz 2 FeV i. V. m. § 20 Abs. 3 FeV die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt ist, unter bestimmten Voraussetzungen von dem Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. Bei fortgesetzt negativen medizinisch-psychologischen Gutachten käme eine solche Vorgehensweise der vom EuGH für unzulässig erachteten Verweigerung der Anerkennung ohne zeitliche Limitierung gleich.

Das OVG Koblenz hat in seinem Beschluss vom 15.08.2005 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Richtlinie gemäß der Auslegung des EuGH vom Anerkennungsstaat verlangt, das Ergebnis einer Eignungsprüfung beim Verfahren der Erteilung der Fahrerlaubnis im Ausstellungsstaat hinzunehmen. Die entsprechende Kontrolle der allgemeinen Verfahrensrichtigkeit wird, soweit dazu Anlass bestehen sollte, die Kommission im Wege der Staatenklage zu übernehmen haben. Ein erneutes Auffälligwerden nach Erteilung der EU-Fahrerlaubnis wird dagegen für die zuständige nationale Verwaltungsbehörde Anlass sein, die vorgesehene Maßnahme nach der FeV auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie zu ergreifen mit der Folge, dass gegebenenfalls der Gebrauch der EU-Fahrerlaubnis im Inland untersagt wird.

Gegen die von der Kammer vertretene Rechtsansicht kann auch nicht eingewandt werden, die europäische Kommission gehe ersichtlich davon aus, dass § 28 Abs. 4 u. 5 FeV, soweit die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis nach einer im Inland erfolgten Entziehung einer Fahrerlaubnis geregelt sei, mit der Vorgabe der Richtlinie im Einklang stehe, weil die Regelung in der Antragsschrift vom 29.08.2003 im Vertragsverletzungsverfahren C 372103, in welcher die Kommission die Bereiche aufgeführt hat, in denen die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie nach ihrer Ansicht nicht entsprechend umgesetzt habe, nicht genannt würde (so VGH Mannheim, Urteil vom 10.12.2004, a. a. 0.) Denn eine solche, zunächst durchaus vertretbare Auslegung des Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie kommt durch die nach jenem Antragsverletzungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH aus den oben genannten Gründen nicht mehr in Betracht."


An diesem Ergebnis hält das Gericht auch in Ansehung der vom 2. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vertretenen gegenteiligen Ansicht (vgl. z.B. HessVGH, Beschl. v. 25.01.2006, Az.: 2 TG 2768/05) fest. Seine Auffassung, die Aussichten einen Widerspruchs in Fällen wie dem vorliegenden seien bis zu einer erneuten Entscheidung des EuGH allenfalls als offen anzusehen, begründet der HessVGH im Wesentlichen damit, dass nicht auszuschließen sei, dass dem EuGH bei seiner Entscheidung vom 29.04.2004 die Besonderheiten des deutschen Rechts in Form der "Dualität des Maßnahmensystems" nicht hinreichend vor Augen gestanden hätten. Deshalb sei es zweifelhaft, dass der EuGH die Berücksichtigung von gravierenden Eignungsmängeln bei der Anerkennung ausländischer Führerscheine nach Ablauf einer Sperrfrist generell habe ausschließen wollen. Solche Eignungsmängel, besonders wenn sie auf eine Alkohol oder Drogenproblematik beruhten, seien vielfach zeitlich nicht limitiert. Darüber hinaus fehle es bislang an einer gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung der materiellen Voraussetzungen für die Fahrerlaubniserteilung durch die einzelnen Mitgliedstaaten sowie an einem zentralen europäischen Register.

Diese Überlegungen rechtfertigen nach Auffassung des erkennenden Gerichts keine Änderung des bisher von ihm gefundenen Ergebnisses. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen (vgl. Beschluss vom 23.03.2006, Az.: 6 G 42/06 [V]):

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2004 die EU-Führerscheinrichtlinie ausgelegt und ihr bestimmte Prinzipien und Grundsätze entnommen. An dieser Interpretation der EU-Führerscheinrichtlinie durch den EuGH ist das nationale Recht und seine Anwendung zu messen, nicht umgekehrt. Der EuGH hat in der genannten Entscheidung klar herausgestellt, dass die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis grundsätzlich anzuerkennen ist und Ausnahmen vom Grundsatz der Anerkennung eng auszulegen ist. Diesem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen vom Prinzip der wechselseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen widerspricht die Überlegung des HessVGH, wenn er mit dem OVG Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 04.11.2005, DAR 2006, 43) es für zweifelhaft hält, dass der EuGH die Berücksichtigung von gravierenden Eignungsmängeln bei der Anerkennung ausländischer Führerscheine generell habe ausschließen wollen. Zunächst geht es im hier zu entscheidenden Fall, wie auch in vielen übrigen Fällen, nicht um die „Berücksichtigung von gravierenden Eignungsmängeln”, sondern um Zweifel an oder Bedenken gegen diese Eignung, denen mit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nachgegangen werden soll. Solche Zweifel und Bedenken, dürfen allerdings, folgt man dem Grundsatz der Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen, nicht auf Ereignisse und Vorgänge gestützt werden, die vor Erteilung einer solchen EU-Fahrerlaubnis lagen. Würde man nämlich zulassen, dass behördliche Aufklärungsmaßnahmen zur Frage der Eignung auf Zweifel und Bedenken gestützt werden, die vor Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis entstanden sind, so würde damit generell für diese Fälle die Anerkennung der EU-Fahrerlaubnisse verweigert. Denn damit würde die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis in diesen Fällen davon abhängig gemacht werden, dass zunächst eine Eignungsprüfung nach nationalem Fahrerlaubnisrecht stattfindet, ehe die ausländische Fahrerlaubnis anerkannt wird.



Dieses Ergebnis, das der HessVGH dahingehend formuliert, "dass EU-Fahrerlaubnisse außerhalb der erwähnten Sperrfristfälle nur dann automatisch („ohne jede Formalität") anzuerkennen sind, wenn das jeweilige nationale Fahrerlaubnisrecht keine weiteren - insbesondere materiellen - Anforderungen an die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stellt", ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts mit der EU-Fahrerlaubnisrichtlinie und der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 nicht vereinbar. Denn es führt, indem die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis davon abhängig gemacht wird, dass zugleich die nationalen Voraussetzungen für eine Wiedererteilu ng der Fahrerlaubnis erfüllt sind, zu einer Umkehr des Regel-/ Ausnahmeverhältnisses, wie es der EuGH formuliert hat. Damit würde zugleich geltendes EU-Recht unter den Vorbehalt des nationalen Rechts gestellt, ein Ergebnis, das mit grundlegenden gemeinschaftsrechtlichen Prinzipien nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht zu vereinbaren wäre.

Da sich nach alledem die Fahrerlaubnisentziehung im Hauptsacheverfahren vermutlich als rechtswidrig erweisen wird, kommt dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs größeres Gewicht zu als dem von der Antragsgegnerin angeführten auf öffentlichen Vollzugsinteresse, da an der Vollziehung eines mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrigen Verwaltungsakts ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Gleiches gilt für die Androhung von Zwangsmitteln, sodass auch insofern die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen war. ..."

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