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Bouska/Laeverenz: Zum Wohnsitz-Erfordernis beim EU-Führerschein

Bouska / Laeverenz: Zum Wohnsitz-Erfordernis




Siehe auch
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein
und
Das Wohnsitzprinzip bei der Erteilung eines EU-Führerscheins

Die Stellen der 2. EU-Führerschein-Richtlinie zum Wohnsitz lauten:

Artikel 7

(1) Die Ausstellung des Führerscheins hängt außerdem ab
  1.  . . .

  2.  vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student - während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten - im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats.

Artikel 9

   Im Sinne dieser Richtlinie gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

Als ordentlicher Wohnsitz eines Führerscheininhabers, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufhalten muß, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Diese Voraussetzung entfällt, wenn sich der Führerscheininhaber in einem Mitgliedstaat zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer aufhält. Der Besuch einer Universität oder einer Schule hat keine Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes zur Folge.

Es heißt also eindeutig "wohnt" und nicht "gewohnt hat"!


Bouska / Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. 2004, Nrn. 1 und 2 zu § 7 FeV kommentieren das Wohnsitzerfordernis wie folgt:

   "1. Ein ordentlicher Wohnsitz ist in folgenden Fällen anzunehmen:

a) Der Antragsteller hat seit mindestens 185 Tagen im Inland gewohnt. Dies setzt voraus, daß er eine „Wohnung” hatte und noch hat (Eigentumswohnung, Mietwohnung, Wohnen bei Verwandten oder Bekannten, Wohnen im Hotel oder einem entsprechenden Apartmenthaus, Unterkunft für Asylbewerber). Indiz für einen ordentlichen Wohnsitz ist die Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Persönliche und/oder berufliche Bindungen werden in solchen Fällen i. d. R. vorhanden sein (persönliche Bindungen i. S. d. Vorschrift bestehen auch bei Asylbewerbern). Kurzfristige Abwesenheiten vom Wohnort, z. B. Reisen im In- oder Ausland, lassen den ordentlichen Wohnsitz unberührt, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, daß der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse stets im Inland bestanden hat und noch besteht. Dagegen ist nur ein Scheinwohnsitz, der nicht als ordentlicher Wohnsitz i. S. d. Vorschrift zu bewerten ist, gegeben, wenn der Betreffende zwar eine „Adresse” im Inland hat (auch z. B. als Eigentumswohnung), jedoch hier nicht oder jedenfalls nicht wenigstens die Hälfte des Jahres (einschl. kurzfristiger Abwesenheiten) tatsächlich wohnt (zu den Sonderfällen der Sätze 3 und 4 vgl. Buchst. c).

b) Begründet eine Person infolge von „Bindungen” i. S. d. Satzes 2 im Inland einen Wohnsitz, der erkennbar ernsthaft auf eine Dauer von mindestens 185 Tagen ausgerichtet ist (z. B. auf Grund eines Arbeitsvertrages oder auf Grund einer Heirat mit einem im Inland Wohnenden), so beginnt der ordentliche Wohnsitz i.S.d. Satzes 1 nicht erst mit dem 186. Tag des Wohnens im Inland, sondern von Anfang an. Dies steht nicht in Widerspruch zu Art. 9 der EU-Führerschein-Richtlinie, die zwar voraussetzt, daß der FE-Bewerber bzw. -inhaber mindestens 185 Tage im Jahr in einem bestimmten Staat „wohnt”, nicht aber, dass er über einen solchen Zeitraum dort bereits „gewohnt haben” muss, um die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie und damit des § 7 Abs. 1 Satz 1 FeV zu erfüllen (a. M. offenbar die amtl. Begr., VkBl 1998 S. 1066, die davon ausgeht, dass die Wohnsitzbegründung erst im Nachhinein eindeutig festgestellt werden kann; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rz. 4 zu § 7 FeV). Andernfalls könnte z. B. eine Person, die ihren bisherigen ordentlichen Wohnsitz in einem ausländischen Staat aufgibt und aus Gründen der genannten Art einen auf Dauer - jedenfalls auf mehr als 185 Tage - angelegten Wohnsitz im Inland begründet, während der ersten 185 Tage dieses Wohnsitzes eine FE im neuen Wohnsitzstaat allenfalls im Ausnahmeweg (§ 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV) erwerben (so die Lösung der amtl. Begr., VkBl 1998, S. 1066; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rz. 5 zu § 7 FeV).

Diese Folge lässt sich aus der EU-Richtlinie nicht ableiten.

Für die hier vertretene Auffassung spricht auch, dass sowohl die EU-Richtlinie als auch das deutsche FE-Recht davon ausgehen, dass in Fällen, in denen hinsichtlich der Anerkennung ausländischer FE Mindestzeiträume für Aufenthalte vorausgesetzt werden (z. B. bei Studenten und Schülern), ein wirksamer Erwerb der FE während des Mindestzeitraums, nicht erst nach Ablauf des Mindestzeitraums, möglich und sogar als „Normalfall” angenommen wird (vgl. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der EU-Richtlinie, § 4 Abs. 3 Nr. 2 VOInt, § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV).

Im Hinblick auf die nach der FeV gegebene Möglichkeit, im Einzelfall nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 FeV eine Ausnahme von § 7 Abs. 1 Satz 1 FeV zu genehmigen (wie das die amtl. Begr. vorschlägt), z. B. wenn die ernsthafte Absicht eines länger als 185 Tage dauernden Aufenthalts nachgewiesen oder jedenfalls glaubhaft gemacht wird, könnte die Unterschiedlichkeit der Auffassungen als nur „theoretisch” angesehen werden; im Hinblick auf das Risiko, dass eine deutsche FE, die ohne „ordentlichen Wohnsitz” des Bewerbers nur mittels einer Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, im Ausland nicht anerkannt wird, aber auch im Hinblick auf die weiteren aufgezeigten rechtlichen Konsequenzen, ist jedoch die hier vertretene Auffassung (Beginn des „ordentlichen Wohnsitzes” mit seiner Begründung, sofern der Wohnsitz erkennbar ernsthaft auf mehr als 185 Tage angelegt ist) vorzuziehen (vgl. auch BayObLG, NZV 2000, S. 261, Bouska, DAR 1996, S. 276, 277).

Wird ein so begründeter „ordentlicher Wohnsitz” entgegen der ursprünglichen, erkennbar ernsthaften längerfristigen Anlage vor Ablauf von 185 Tagen vorzeitig beendet (z. B. durch vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, Trennung oder Scheidung von Partnern einer Ehe), so bleibt die deutsche FE nicht nur national wirksam, sondern muss auch weiter im Rahmen der internationalen Vorschriften (EU-Richtlinie bzw. Übereinkommen von 1968) anerkannt werden.

Allerdings kann die deutsche FE-Behörde die FE nach Maßgabe des § 48 VwVfG (bzw. der entsprechenden Vorschriften der Länder) zurücknehmen, z. B. wenn die FE durch unrichtige Angaben oder arglistige Täuschung „erschlichen” wurde (zur Rücknahme vgl. auch amtl. Begr, VkBl 1998, S. 1066; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rz. 5 zu § 7 FeV). Wohnt der Betroffene seit mindestens 185 Tagen tatsächlich im Inland, kommt es jedoch auf die subjektiven Vorstellungen bei Wohnungsnahme (die z. B. auf eine geringere Aufenthaltsdauer gerichtet gewesen sein können, nicht mehr an (vgl. Erl. Buchst. a; vgl. auch VG Gießen v. 9. 7. 2003, 6 E 1677/02 (zu § 31 FeV, Berechnung der 3-Jahres-Frist))."



Auch das BayObLG NZV 2000, 261 f. = VRS 98, 378 ff. = DAR 2000, 322 ff. (Beschl. v. 25.02.2000 - 1St RR 273/99) hat entschieden:

   "Nimmt man die Anknüpfung des Begriffs des ständigen Aufenthalts an den des ordentlichen Wohnsitzes hinzu, folgt hieraus, daß zumindest für die Frage der Beendigung des ständigen Inlandsaufenthalts nicht allein auf die Frist von mindestens 185 Tagen abgestellt werden darf und daß daher der Inlandsaufenthalt unter bestimmten Voraussetzungen auch schon dann beendet sein kann, wenn seit der Aufgabe des inländischen ordentlichen Wohnsitzes die Mindestfrist noch nicht verstrichen ist. Die Richtigkeit dieses Verständnisses findet in der Entstehungsgeschichte der Regelung ihre Bestätigung. Nach der Amtlichen Begründung zu § 4 IntVO a. F. (aaO) kann ein ständiger Aufenthalt auch dann angenommen werden, wenn der Zeitraum zwar kürzer war, der Betreffende aber glaubhaft machen kann, daß er mehr als 185 Tage wohnen bleiben wollte. Die gleiche Meinung wurde in der Literatur vertreten (Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 34. Aufl. 1997 § 15 StVZO Rn. 9, 13, 25; Bouska DAR 1993, 241/242 f.; Himmelreich/Hentschel aaO Rn. 199). Soweit bei Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 35. Aufl. nunmehr in Rn. 4 zu § 7 FeV die Auffassung vertreten wird, ein ordentlicher Wohnsitz bestehe dann, wenn das Wohnen mindestens 185 Tage angedauert hat, vermag das weder in der Begründung noch im Ergebnis zu überzeugen; im übrigen betrifft sie nicht die damalige Rechtslage (vgl. dort aber auch Rn. 5)."

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