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VGH Mannheim Urteil vom 09.12.2003 - 10 S 1908/03 - Zur Überprüfung der Fahreignung vor Umschreibung eines ausländischen Führerscheins

VGH Mannheim v. 09.12.2003: Zur Überprüfung der Fahreignung vor Umschreibung eines ausländischen Führerscheins




Der VGH Baden-Württemberg in Mannheim (Urteil vom 09.12.2003 - 10 S 1908/03) hat hinsichtlich der Auswirkungen des Fahrerlaubnisentzugs auf eine ausländische Fahrerlaubnis und einer "Umschreibung" derselben entschieden:

   Auch vor der Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis im Wege der Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis ist die Behörde berechtigt, Zweifeln an der Eignung des Bewerbers mit den Mitteln der Fahrerlaubnis-Verordnung nachzugehen. Wurde dem Betroffenen vor der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis die deutsche Fahrerlaubnis entzogen, kann er sich nicht auf die Berechtigung nach § 4 Abs. 1 IntVO berufen.

Siehe auch
Ausländische Fahrerlaubnis - Auslandsführerschein
und
EU-Fahrerlaubnis / EU-Führerschein

Zum Sachverhalt:


Dem Kläger war die deutsche Fahrerlaubnis durch Strafbefehl vom April 1995 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (2,76 Promille) entzogen worden. Eine Neuerteilung wurde 1996 versagt, nachdem zwei medizinisch-psychologische Gutachten die Fahreignung des Klägers verneint hatten. In der Folgezeit hielt sich der Kläger aus beruflichen Gründen für längere Zeit in den USA im Bundesstaat Texas auf und erwarb dort eine Fahrerlaubnis. Nachdem er seinen Wohnsitz wieder auf Dauer nach Deutschland verlegt hatte, beantragte er die „Umschreibung“ der texanischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Kläger auf, die aufgrund seines Verhaltens vor der Ausreise in die USA nach wie vor bestehenden Zweifel an seiner Fahreignung durch eine medizinisch-psychologische Beurteilung auszuräumen. Dem kam der Kläger u.a. mit der Begründung nicht nach, die Behörde müsse ohne weiteres von seiner Fahreignung ausgehen, weil er bereits im Besitz einer texanischen Fahrerlaubnis sei. Daraufhin lehnte die Behörde die begehrte „Umschreibung“ ab.




Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart, die Fahrerlaubnisbehörde zu verpflichten, ihm eine deutsche Fahrerlaubnis zu erteilen und ihm wegen Mittellosigkeit Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht im Juli 2003 mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Die Beschwerde hiergegen war erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der beantragten Neuerteilung der Fahrerlaubnis steht § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV entgegen. Nach § 22 Abs. 2 Satz 4 FeV verfährt die Fahrerlaubnisbehörde nach §§ 11 bis 14 FeV, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers begründen. Aufgrund der Strafbefehls vom 10.04.1995 - Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Vergehens der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr (2,76 Promille) - und des hinsichtlich der Fahreignung des Klägers negativen Gutachtens vom 22.10.1996 waren solche Anhaltspunkte gegeben. Das Landratsamt war deshalb nach § 13 Nr. 2c FeV berechtigt, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Da der Kläger das Gutachten nicht fristgerecht beigebracht hat, darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis auf die Nichteignung des Klägers schließen.




Auch die vom Kläger im Bundesstaat Texas, USA, erworbene Fahrerlaubnis führt nicht dazu, dass dem Kläger ein Anspruch auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zusteht. Die „Umschreibung“ einer im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis ist rechtlich als Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis auf der Grundlage einer ausländischen Fahrerlaubnis zu behandeln und setzt entsprechend § 2 Abs. 2 Nr. 3 StVG die Eignung des Bewerbers zum Führen von Kraftfahrzeugen voraus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.03.1996 - 11 B 9.96 -, NZV 1996, 292 f.). Dass die Fahrerlaubnisbehörde Bedenken gegen die Eignung des Inhabers einer ausländischen Fahrerlaubnis, der die Umschreibung beantragt, mit den Mittel der Fahrerlaubnis-Verordnung nachgehen kann, ergibt sich normativ auch daraus, dass die Bestimmungen der § 11 Abs. 2 und § 22 Abs. 2 FeV in § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 FeV, die die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis im Wege der Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis regeln, nicht für unanwendbar erklärt werden. Auch verpflichten die internationalen Abkommen über den Straßenverkehr die Vertragsstaaten lediglich dazu, Fahrerlaubnisse solcher Personen anzuerkennen, die sich vorübergehend im Inland aufhalten. Diese Verpflichtung besteht nicht mehr, sobald die betreffende Person im Inland einen Wohnsitz begründet. Für diesen Fall sind die Vertragsstaaten berechtigt, die Bedingungen festzulegen, unter denen die Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse am Verkehr teilnehmen dürfen (vgl. BR-Drucks. 443/98). Wie oben ausgeführt, darf die Fahrerlaubnisbehörde wegen der Nichtbeibringung des Gutachtens aber von der Nichteignung des Klägers ausgehen.

Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, § 4 Abs. 3 der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IntVO) in der derzeit geltenden Fassung heranzuziehen. Denn diese Fassung erhielt diese Bestimmung der Verordnung bereits durch Artikel 3 Nr. 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2214). Damit galt diese Fassung bereits zum Zeitpunkt der Beantragung der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis durch den Kläger im Juli 2000, so dass insoweit nicht von einer Rückwirkung gesprochen werden kann. § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntVO steht aber der Erteilung einer Fahrerlaubnis an den Kläger aufgrund der im Bundesstaat Texas erworbenen Fahrerlaubnis entgegen. Denn dem Kläger war durch ein Gericht im Inland im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntVO die Fahrerlaubnis entzogen worden. Damit kann sich der Kläger nicht auf die Berechtigung nach § 4 Abs. 1 IntVO berufen, so dass auch die Voraussetzungen von § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 FeV nicht gegeben sind. Ferner war der Bundesstaat Texas weder in der bis zum 31.08.2002 geltenden Fassung der Anlage 11 zu den §§ 28 und 31 FeV aufgeführt noch wird er in der ab dem 01.09.2002 geltenden Fassung der Anlage 11 zu § 31 FeV genannt. Dementsprechend wären gemäß § 31 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 FeV lediglich die Vorschriften über die Ausbildung nicht anzuwenden. Die Erteilung einer Fahrerlaubnis auf der Grundlage dieser ausländischen Fahrerlaubnis setzte damit die Ablegung der vollständigen theoretischen und praktischen Prüfung voraus (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 31 FeV, Rn. 10), die der Kläger aber noch nicht nachgewiesen hat. Ferner fehlt dem Kläger wegen der Nichtbeibringung des Gutachtens die Eignung, die, wie ausgeführt, auch bei der Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis mit den Mitteln der Fahrerlaubnis-Verordnung zu prüfen ist.



Auch auf § 4 Abs. 4 IntVO kann der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Neuerteilung einer deutschen Fahrerlaubnis Klasse B nicht stützen. § 4 Abs. 4 IntVO eröffnet nach seinem Wortlaut die Möglichkeit, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift überhaupt Fälle erfasst, in denen die ausländische Fahrerlaubnis erst nach der Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis erworben worden ist. Denn selbst wenn § 4 Abs. 4 IntVO auf den Kläger angewendet würde, wäre der Kläger nur berechtigt, von der in Texas erworbenen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Für die vom Kläger begehrte Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis hätte dies lediglich zur Folge, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 FeV gegeben wären („zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt“). Wie oben bereits ausgeführt, sind dann aber nur die Vorschriften über die Ausbildung nicht anzuwenden. Ferner steht der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis die fehlende Eignung des Klägers entgegen. ..."

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