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Amtsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 25.10.2006 - 920 Cs - 213 Js 23993/06 - Zur Ausnahme bestimmter Fahrzeuge von der Führerscheinsperre

AG Frankfurt am Main v. 25.10.2006: Zur Ausnahme bestimmter Fahrzeuge von der Führerscheinsperre




Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 25.10.2006 - 920 Cs - 213 Js 23993/06) hat entschieden:

   Von der Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis können Müllwagen sowie Abroll- und Absetzkipper ausgenommen werden, wenn besondere Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel hierdurch nicht gefährdet wird. Dies kann der Fall sein, wenn der Fahrzeugführer bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, keine Eintragungen im Verkehrszentralregister aufweist, keine Anhaltspunkte für eine Trunksucht ersichtlich sind und die Tat abends während des Urlaubs bei einer Privatfahrt begangen wurde und somit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der festgestellte Charaktermangel in dem konkreten Lebensbereich "Arbeitsplatz/Müllentsorgung" auswirken wird.

Siehe auch
Entziehung der Fahrerlaubnis - Führerscheinentzug
und
Ausnahmen vom Fahrverbot bzw. von der Entziehung der Fahrerlaubnis für bestimmte Fahrzeuge

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen (§ 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB). Ihm war daher die Fahrerlaubnis zu entziehen. Sein Führerschein war einzuziehen. Darüber hinaus war eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis anzuordnen (§ 69a Abs. 1 StGB), die das Gericht unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich verstrichenen Zeitraums mit weiteren sechs Monaten als angemessen erachtet hat.

Von der Sperre waren gemäß § 69a Abs. 2 StGB bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen, nämlich Müllwagen sowie Abroll- und Absetzkipper, auszunehmen, weil vorliegend besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel hierdurch nicht gefährdet wird. Hierbei handelt es sich nämlich um Fahrzeuge, von deren Führung durch den Angeklagten trotz dessen genereller Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen keine Gefahren für die Allgemeinheit, insbesondere für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu befürchten ist.




Zwar kommt beim Fehlen der charakterlichen Zuverlässigkeit des Angeklagten - wie hier - eine Ausnahme gemäß § 69a Abs. 2 StGB in der Regel nicht in Betracht (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 04.08.1976 - 2 Ss 344/76 - , zit. nach juris). Auch wird nicht verkannt, dass es nur in ganz besonderen Fällen angeht, bei einer auf charakterliche Mängel gestützten Fahrerlaubnisentziehung gerade solche Fahrzeuge, deren Führung - wie hier - wegen der von ihnen ausgehenden höheren Betriebsgefahr ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein - auf dessen Mangel die Entziehung der Fahrerlaubnis beruht - erfordert, von der Sperre auszunehmen (BayObLG, Beschluss vom 31.05.1991 - RReg 1 St 63/91 - , zit. nach juris; vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 53. A., § 69a RN 33 m. w. N.; Sch/Sch-Stree, StGB, 27. A., § 69a RN 3 m. w. N.).

Andererseits schließt auch ein Vergehen der Trunkenheit im Verkehr nicht zwingend aus, bestimmte Arten von Fahrzeugen von der Festsetzung einer Sperrfrist auszunehmen. Die Vorschrift des § 69a Abs. 2 StGB ist insoweit besonders gedacht für Berufskraftfahrer, die die Anlasstat nicht während der Berufs- oder Arbeitszeit und nicht mit ihrem beruflich genutzten Kraftfahrzeug begangen haben (LG Frankenthal, Beschluß vom 13.02.1998 III Qs 50/98 - , zit. nach juris [Orientierungssatz]). Besondere Umstände können eine Ausnahme bei einem langjährigen Führerscheininhaber sogar noch bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,24 Promille rechtfertigen (LG Köln, NZV 1991, 245). Solche Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn es sich um eine erstmalige Trunkenheitsfahrt eines bisher verkehrsrechtlich unbelasteten Berufskraftfahrers mit seinem Privatfahrzeug handelt, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer Trunkenheitsfahrt mit seinem Dienstfahrzeug als äußerst gering zu veranschlagen ist (OLG Hamburg, Beschluß vom 11.10.1991 - 603 Qs 769/91 -; Beschluß vom 17.07.1992 - 603 Qs 524/92 -; vgl. AG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.04.1982 - 97 Cs 8 Js 9719/92 - [Orientierungssatz], alle zit. nach juris). Dies ist hier der Fall.

Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Auch im Verkehrszentralregister sind Eintragungen nicht vorhanden. Es handelt sich - soweit ersichtlich - um die erstmalige und einmalige Trunkenheitsfahrt des Angeklagten. Anhaltspunkte für eine Trunksucht sind ersichtlich nicht vorhanden. Die Blutalkoholkonzentration von zur Tatzeit in 0,81 Promille entspricht etwa 1,2 I Bier, also allenfalls drei Bier ä 0,5 I oder vier Bier ä 0,33 I. Ein solcher Konsum, zumal während einer Fußball-Übertragung im Fernsehen, liegt erkennbar noch im Rahmen das sozial Üblichen, ohne dass sich hieraus irgendwelche Schlussfolgerungen im Hinblick auf ein Alkoholproblem ziehen lassen. Dies gilt auch für den von dem Angeklagten geschilderten üblichen Alkoholkonsum von gelegentlich ein oder zwei Bier abends. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Tat während des Urlaubs Angeklagten erfolgte, also zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestand, am nächsten Tag wieder ein Dienstfahrzeug führen zu müssen. Die Trunkenheitsfahrt erfolgte in der Nacht mit dem Privatfahrzeug des Angeklagten. Anhaltspunkte dafür, dass ein Dienstfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt werden könnte, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist er damit zu rechnen, dass dem Angeklagten für Privatfahrten unter Alkoholeinfluss ein Müllwagen oder ein Abroll- oder Absetzkipper zur Verfügung stehen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Berufstätigkeit unter Alkoholeinfluss eines der genannten Fahrzeuge führen wird, als daher als äußerst gering zu veranschlagen. Es liegen somit im vorliegenden Fall ausnahmsweise besondere Umstände vor, aus denen sich nach der Überzeugung des Gerichts ergibt, dass trotz fortbestehender genereller Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen das Führen gerade der genannten Fahrzeuge durch den Angeklagten keine Gefährdung der Allgemeinheit, die über die allgemeine Betriebsgefahr eines solchen Fahrzeugs hinausgeht, befürchten lässt und dass der festgestellte Charaktermangel sich nicht in dem konkreten Lebensbereich "Arbeitsplatz/Müllentsorgung" auswirken wird.


Bei den genannten Fahrzeugen handelt es sich auch um Fahrzeugarten im Sinne des § 69 a Abs. 2 StGB, die - vergleichbar Feuerlöschfahrzeugen, Straßenwachtfahrzeugen und Rettungswagen (vgl. BayObLG, a. a. 0.; LG Hamburg, a. a. O.) - für eine Ausnahme in Betracht kommen. An dieser Voraussetzung fehlt es, soweit der Angeklagte darüber hinaus eine Ausnahme hinsichtlich sämtlicher Fahrzeuge seines Arbeitgebers begehrt hat (vgl. Tröndle/Fischer, a. a. O., RN 31). ..."

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