Das Verkehrslexikon

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OLG Rostock Beschluss vom 27.08.2004 - 6 U 228/0 - Zum Pflichtenumfang des Fahrlehrers bei der Kradausbildung

OLG Rostock v. 27.08.2004: Zum Pflichtenumfang des Fahrlehrers bei der Kradausbildung


Das OLG Rostock (Beschluss vom 27.08.2004 - 6 U 228/03) hat entschieden:
Der Fahrlehrer darf einen Motorradfahrschüler erst nach ausreichender Vorbereitung auf Fahrsituationen, wie sie sich dem Motorradfahrer auf öffentlichen Straßen stellen, am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen lassen. Er darf dem Fahrschüler keine Aufgaben stellen, die dieser nicht oder noch nicht meistern kann, weil sie seinem Ausbildungsstand und seinen Fähigkeiten nicht oder noch nicht entsprechen. Gleichzeitig ist er jedoch gehalten, den Fahrschüler auch an schwierige Verkehrssituationen heranzuführen und ihn an selbständiges Handeln zu gewöhnen. Der Fahrschüler ist durch die Anwesenheit des Fahrlehrers nicht jeder Eigenverantwortlichkeit enthoben; das Maß der von ihm zu verlangenden Sorgfalt ist nach dem Stand seiner Ausbildung zu bemessen.


Siehe auch Fahrschule / Fahrlehrer / Fahrschüler


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Grundlage für einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld kann vorliegend allein eine Pflichtverletzung der aus dem Ausbildungsvertrag resultierenden Aufklärungs- und Schutzpflichten (§ 280 Abs. 1 BGB n.F.) oder eine Verwirklichung der §§ 823 ff., 831 BGB sein (vgl. KG, NZV 1989, 150 ff. m.w.N.). Die Haftung der Versicherung ergibt sich bei Vorliegen einer dieser Anspruchsgrundlagen aus § 10 AKB (vgl. OLG Saarbrücken, NZV 1998, 247). Der Kl. hat für das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen bzw. keinen Beweis angetreten.

a) Der Fahrlehrer darf einen Motorradfahrschüler erst nach ausreichender Vorbereitung auf Fahrsituationen, wie sie sich dem Motorradfahrer auf öffentlichen Straßen stellen, am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen lassen (LG Osnabrück, NZV 2004, 94 ff.). Dabei ist zum Schutz der Verkehrsteilnehmer und des Fahrschülers selbst ein strenger Maßstab anzulegen. Der Fahrlehrer darf dem Fahrschüler keine Aufgaben stellen, die dieser nicht oder noch nicht meistern kann, weil sie seinem Ausbildungsstand und seinen Fähigkeiten nicht oder noch nicht entsprechen (OLG Saarbrücken, NZV 1998, 247 m.w.N.). Er hat die Pflicht, den Fahrschüler ständig im Auge zu behalten, dessen Fahrweise sorgfältig zu überwachen und ggf. auch einzugreifen, wenn die Fahrweise des Fahrschülers dies erfordert, wobei diese Verpflichtung bei der Motorradausbildung noch gesteigert ist, weil der Fahrlehrer mit dem Fahrschüler nicht im gleichen Fahrzeug sitzt (KG, NZV 2004, 93 m.w.N.). Gleichzeitig ist er jedoch gehalten, den Fahrschüler auch an schwierige Verkehrssituationen heranzuführen und ihn an selbständiges Handeln zu gewöhnen (KG, NZV 1989, 151). Der Fahrschüler ist durch die Anwesenheit des Fahrlehrers nicht jeder Eigenverantwortlichkeit enthoben; das Maß der von ihm zu verlangenden Sorgfalt ist nach dem Stand seiner Ausbildung zu bemessen (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 27). Der Ausbildungsstand ist auch das Kriterium für das Maß der Überwachungspflichten; ein Fahrschüler, der durch bisherige Übungsfahrten gezeigt hat, dass er die Bedienung des Fahrzeugs beherrscht, bedarf geringerer Aufsicht und Anweisung. Insbesondere ergeben sich beim praktischen Unterricht stets erstmalig Situationen, die vom Fahrschüler zu bewältigen sind. Wollte man jede Gefährdung des Fahrschülers, die sich aus der Ausbildung auf Krafträdern ergibt und somit in der Natur der Sache begründet ist, ausschließen, müsste man in der Konsequenz diese Ausbildung insgesamt einstellen (vgl. KG, NZV 1989, 152).

b) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der vertraglichen objektiven Pflichtverletzung trägt grundsätzlich der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs, während den Schuldner diese Last im Hinblick auf das Nichtvertretenmüssen (= fehlendes Verschulden) trifft (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 280 Rdn. 34 m.w.N.). Dabei muss der Gläubiger, auch wenn die Pflichtverletzung in einem Unter-lassen — etwa wie hier einer behaupteten fehlenden Aufklärung — liegt, den vollen Beweis erbringen. Der Schuldner ist aber gehalten, im Einzelnen darzulegen, in welcher Weise er seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Kommt er dem nach, ist wiederum der Gläubiger gehalten, die objektive Pflichtverletzung zu beweisen (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O.; Kunschert, Anm. zu KG NZV 1989,153). Ein Anscheinsbeweis kommt nur dann in Betracht, wenn die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners stammen kann (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 280 Rdn. 37 m.w.N.).

c) Gemessen an den vorstehenden Ausführungen kann nicht erkannt werden, dass der Bekl. zu 1. den Kl. mit einer Verkehrssituation konfrontiert hat, die diesen überforderte. Der Kl. hatte zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls acht Übungseinheiten ä 45 min absolviert. Die Grundausbildung, in der auch umfangreiche Bremsübungen gemacht wurden, war abgeschlossen; der K1. hatte bereits Fahrten im Stadtverkehr von 90 min und im Überlandverkehr von ebenfalls 90 min. absolviert. Dabei dürfte nach der Lebenserfahrung das Heranfahren an den stehenden bzw. abbremsenden Verkehr vor LZA und das Abbremsen des Motorrades bereits mehrfach geübt worden sein, so dass von einem grundsätzlichen Beherrschen der Fahrtechnik ausgegangen werden kann. Wie der Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem LG erklärte, waren auch die Straßen bereits zu den Übungsstunden am Vormittag regennass gewesen, so dass auch anzunehmen ist, dass der Kl. mehrfach bei regennassen Straßen Bremsmanöver durchgeführt hafte. Dass es diesbezüglich irgendwelche Probleme des Kl. gegeben habe, ist nicht ersichtlich. Dass die am Unfalltag gefahrene Strecke besondere Gefahrenmomente aufwies, ist ebenfalls nicht erkennbar. Auch ist zu berücksichtigen, dass sich der Kl. bereits im Besitz der Fahrerlaubnis für Pkw befand.

Soweit der Kl. behauptet, es habe an diesem Tag stark geregnet, ist der Vortrag nicht hinreichend substantiiert — und auch nicht unter Beweis gestellt worden -, um anzunehmen, eine Motorradfahrstunde hätte gar nicht absolviert werden dürfen. Auch für die Annahme, der Bekl. zu 1.) sei aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse verpflichtet gewesen, die Übungsstunde abzubrechen, fehlt es an Anhaltspunkten. Bei dieser Sachlage bestand für den Bekl. zu 1.) keine Veranlassung zu der Annahme, den Kl. würde die Durchführung einer Übungseinheit bei Nässe im öffentlichen Straßenverkehr überfordern (vgl. auch KG, a.a.O.). Auch ist nicht er-sichtlich, dass vorliegend eine Gefahrenbremsung durchgeführt werden musste; dementsprechend geht der Senat davon aus, dass es sich vielmehr um ein Augenblicksversagen des Kl. handelte, das — bedauerlicherweise — zu dem Unfall geführt hat.

d) Soweit der Kl. meint, der Bekl. habe nicht ausreichend über die einzuhaltende Geschwindigkeit aufgeklärt, vermag der Senat eine Kausalität zwischen dem vorgeworfenen Pflichtenverstoß und dem Unfall des Kl. nicht zu erkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass die von dem 1(1. mit dem Motorrad gefahrene Geschwindigkeit den Witterungs- und Straßenverhältnissen nicht angepasst war. Der Kl. selbst hat vorgetragen, dass der Unfall auf ein fehlerhaftes Bremsverhalten zurückzuführen sei. Dass die Geschwindigkeit oder der zum Vorausfahrenden eingehaltene Abstand nicht ausreichend waren, kann nicht erkannt werden.

e) Dass eine fehlerhafte Aufklärung über das Fahrverhalten bei Regen vorliege, hat der insoweit beweisbelastete Kl. (s.o.) nicht unter Beweis gestellt. Eine Umkehr der Beweislast kommt nicht in Betracht, da der Unfall ebenso auf einem Augenblicksversagen beruhen kann und dementsprechend nicht anzunehmen ist, allein die fehlerhafte Aufklärung könne Ursache sein.

f) Es besteht auch kein Grund zu der Annahme, der Bekl. zu 1.) habe durch einen Hinweis unmittelbar vor dem Unfall diesen zu verhindern oder zu mildem vermocht. Das fehlerhafte Bremsverhalten des Kl. war aus den genannten Gründen für den Bekl. zu 1.) nicht vorhersehbar. Dass irgendwelche Anweisungen den Unfall noch nach Erkennen der Gefahrensituation hätten abwenden können, ist nicht zu begründen; es ist gerichtsbekannt, dass ein Überbremsen eines Motorrades aufgrund der damit einhergehenden Gewichtsverlagerungen regelmäßig zum Sturz des Motorrades führt (vgl. hierzu auch Schal, Motorradbremsungen, NZV 2004, 14 ff. ). ..."



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