Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss v. 12.10.1999 - 5 VG 2069/99 - Zur Rechtswidrigkeit einer Prüfung am Ort einer Ferienfahrschule

VG Hamburg v. 12.10.1999: Zur Rechtswidrigkeit einer Prüfung am Ort einer Ferienfahrschule


Das Verwaltungsgericht Hamburg (Beschluss v. 12.10.1999 - 5 VG 2069/99) hat entschieden:
Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz und ist nicht gemeinschaftsrechtswidrig, dass in § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV aus sicherheitsrechtlichen Erwägungen bestimmt wird, dass der Bewerber die praktische Prüfung am Ort seine Hauptwohnung oder am Ort seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung, seines Studiums oder seiner Arbeitsstelle abzulegen hat.


Siehe auch Fahrschule / Fahrlehrer / Fahrschüler


Zum Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, Prüfaufträge für Fahrerlaubnisprüfungen Hamburger Bürger, die sich in einer auswärtigen Ferienfahrschule ausbilden lassen, nur noch an den Technischen Überwachungsverein (TÜV) Hamburg zu vergeben.

Der Antragsteller zu 2) ist Fahrlehrer und Geschäftsführer einer Ferienfahrschule in Bad Oldesloe, der Antragstellerin zu 1). In dieser Fahrschule werden auch Fahrschüler, die im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin wohnen, in Intensivkursen auf die Fahrprüfung vorbereitet.

Bisheriger Verwaltungspraxis entsprach zum einen, dass die Antragsgegnerin Bewerbern um eine Erweiterung der Fahrerlaubnis, die in Hamburg wohnhaft waren, die Durchführung der theoretischen und praktischen Prüfung regelmäßig am Ort der Ferienfahrschule gestattete. Bei in Hamburg gemeldeten Erst- und Wiederbewerbern um eine Fahrerlaubnis erteilte die Antragsgegnerin bei Vorliegen eines berechtigten Interesses die Zulassung zur Prüfung am Ort der theoretischen und praktischen Ausbildung.

Nach Inkrafttreten der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom 18.8.1998 (BGBl. 1998 S. 2214) stellte die Antragsgegnerin ihre Praxis dahin um, dass Prüfaufträge für Fahrerlaubnisprüfungen von Bewerbern, die im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin gemeldet sind und bei einer Ferienfahrschule ihre theoretische und praktische Ausbildung erfahren haben, einer außerhalb Hamburgs tätigen Prüfstellen nicht mehr zugeleitet werden.

Die Antragsteller haben am 28.5.1999 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Der Antrag blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Antrag ist jedoch unbegründet. Denn die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach der in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist es wenig wahrscheinlich, dass durch die geänderte Verwaltungspraxis Rechte der Antragsteller beeinträchtigt werden.

In § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV ist bestimmt, dass der Bewerber die praktische Prüfung am Ort seine Hauptwohnung oder am Ort seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung, seines Studiums oder seiner Arbeitsstelle abzulegen hat. Dieser Bestimmung liegen sicherheitsrechtliche Erwägungen zugrunde. Der Verordnungsgeber will erreichen, dass ein Fahranfänger möglichst dort ausgebildet und geprüft wird, wo er nach Erwerb der Fahrerlaubnis hauptsächlich am Verkehr teilnimmt, nämlich an seinem Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsort (vgl. amtliche Begründung zu § 17 Abs. 3 FeV, VkBl. 1998, S. 1073). Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV nicht gemeinschaftsrechtswidrig (aa). § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV verletzt auch keine Grundrechte der Antragsteller aus Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG (bb).

aa) § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV ist nicht gemeinschaftsrechtswidrig, insbesondere ist eine Unvereinbarkeit mit der sog. 2. EGFührerscheinrichtlinie vom 29.7.1991 (Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.7.1991 über den Führerschein) nicht festzustellen:

Nach Art. 189 Abs. 3 EGV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Das im vorstehenden Sinne Ziel einer Richtlinie meint die Beschreibung eines von den Mitgliedstaaten anzustrebenden rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Erfolges, der sich zwar im Rahmen der vom EGV als "Ziele des Vertrages" gekennzeichneten Konzeption hält, gleichzeitig jedoch eine Aufschlüsselung dieser Konzeption enthalten kann und in der Regel auch enthalten wird. Demgegenüber sind unter "Mitteln" Maßnahmen oder Gegenstände zu verstehen, welche die Mitgliedstaaten als Adressaten der Richtlinie ergreifen oder bewirken, um das "zu erreichende Ziel" zu verwirklichen (vgl. Bleckmann, Europarecht, 6. Auflage, 1997, Rn. 423; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 455). Diese sog. gestufte Verbindlichkeit von Richtlinien entspricht dem Sinn und Zweck des Art. 189 Abs. 3 EGV, der ein Mindestmaß an staatlicher Autonomie und an Möglichkeit eigenverantwortlicher Entscheidung, das nicht nur die Form, sondern auch den materiellen Inhalt der Maßnahme betrifft, gewährleistet. Lediglich wenn die Richtlinie neben allgemeinen Zielbestimmungen bis ins Detail ausgeformte Normierungen (sog. Modell-Regelungen) hervorbringt, schrumpft die Wahlfreiheit des Mitgliedstaates zum Gebot perfekter Umsetzung zusammen (vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 459).

Das Ziel der 2. EG-Führerscheinrichtlinie besteht darin, einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat als dem niedergelassen haben, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sollen u.a. die Vorschriften für die Fahrprüfung und die Ausstellung des Führerscheins harmonisiert werden. Es sollen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen festgelegt, die Fahrprüfung aufgrund dieser Erfordernisse geregelt und die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Eignung zum Führen der Fahrzeuge festgeschrieben werden (vgl. Text zur 2. EG-Führerscheinrichtlinie).

Der Umsetzung dieser Ziele, namentlich der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr, dient § 17 FeV. Den Mitgliedsstaaten wird durch Art. 7 Abs. 1 lit. a) der 2. EGFührerscheinrichtlinie aufgegeben, die Ausstellung des Führerscheins vom Bestehen einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen, vom Bestehen einer Prüfung der Kenntnisse und von der Erfüllung gesundheitlicher Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III abhängig zu machen. In diesen Anhängen ist sodann weiter ausgeführt, welche Mindestanforderungen an die Fahrprüfungen zu stellen sind, etwa welche Fähigkeiten und Verhaltensweisen "bei normalen Verkehrsverhältnissen" (Anhang II, Ziffer 8.2.3) während der Prüfung zu prüfen sind (Anhang II, Ziffer 8.2). Darüber hinaus wird den Mitgliedsstaaten in bezug auf den "Prüfungsort" vorgegeben, dass die Beurteilung der Verhaltensweisen im Verkehr nach Möglichkeit auf Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften, auf Schnellstraßen und Autobahnen sowie auf Stadtstraßen mit den verschiedenartigen Schwierigkeiten, auf die ein Fahrer stoßen kann, stattfinden soll (Anhang II, Ziffer 13). Diese Detailregelungen der Richtlinie sind vom Bundesgesetzgeber durch § 17 Abs. 1 und 4 FeV präzise umgesetzt worden.

Durch die 2. EG-Führerscheinrichtlinie wird dagegen nicht vorgegeben, durch welche Prüfstelle die Prüfung abzunehmen ist. Prüfungsort im Sinne der Ziffer 13 des Anhangs II zur Richtlinie einerseits und Prüfort nach Maßgabe von § 17 Abs. 3 FeV andererseits sind nicht deckungsgleich. Während der im Anhang II der Richtlinie erwähnte Prüfungsort Detailregelungen zu der Frage enthält, auf welchen Straßen und unter welchen Verkehrsverhältnissen die praktische Prüfung erfolgen soll, folglich die Prüfstrecke festlegt, gibt § 17 Abs. 3 FeV lediglich Aufschluss darüber, vor welcher innerstaatlichen Organisation die Prüfung abzulegen ist. Die in der Ziffer 13 des Anhangs II der Richtlinie aufgestellten Regelungen hinsichtlich des Prüfungsortes gelten unabhängig davon, welcher Ort Prüfort im Sinne des § 17 Abs. 3 FeV ist. Auch wenn die Prüfung beispielsweise an einem im Sinne des § 17 Abs. 3 FeV "nahegelegenen" oder "anderen" Prüfort abgelegt wird, muss sie den Vorgaben der Richtlinie gerecht werden.

dass in der 2. EG-Führerscheinrichtlinie keine Regelungen betreffend den Prüfort enthalten sind, hindert den Bundesgesetzgeber nicht, seinerseits diesen Punkt gesetzlich auszugestalten. Da die Richtlinie Verbindlichkeit lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels entfaltet, den Mitgliedstaaten aber die Wahl der für die Erreichung dieses Ziels geeigneten Mittel überlässt, muss die in § 17 Abs. 3 FeV bezüglich des Prüfortes getroffene Regelung sich nur innerhalb der durch die Ziele der 2. EG-Führerscheinrichtlinie vorgegebenen Konzeption halten, also der Verbesserung der Sicherheit des Straßenverkehrs zu dienen bestimmt sein. dass sich indes die Vorschrift des § 17 Abs. 3 FeV innerhalb dieses Rahmens bewegt, dürfte auch von der Antragstellerin zu 1) nicht angezweifelt werden.

bb) § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Antragsteller werden durch diese Vorschrift nicht in ihren Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG verletzt:

(1) Es bedarf in diesem Verfahren keiner vertieften Erörterung, ob und inwieweit das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist (vgl. hierzu Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 14, Rn. 18). Selbst wenn man unterstellt, dass der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden Sachen und Rechte von der Eigentumsgarantie erfasst werde, erstreckt sich dieser Schutz nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls nicht auf bloße Gewinn- und Umsatzchancen und tatsächliche Gegebenheiten wie die bestehenden Geschäftsverbindungen, den erworbenen Kundenstamm oder die Marktstellung (vgl. nur BVerfGE 81, 208, 217 f; 77, 84, 118). Umsatz- und Gewinnchancen und tatsächliche Gegebenheiten sind zwar für ein Unternehmen von erheblicher Bedeutung, sie werden vom Grundgesetz jedoch eigentumsrechtlich nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Unternehmens zugeordnet. Entsprechendes gilt für eine dem Unternehmen günstige Gesetzeslage. Auch hierbei handelt es sich um einen Vorteil, der einem Unternehmen Umsatz- und Gewinnchancen eröffnet, dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG indes nicht unterfällt. dass nach bislang geltender Verwaltungspraxis in Hamburg wohnhafte Fahrerlaubnisbewerber bei Vorliegen eines berechtigten Interesses am Orte der Ferienfahrschule die praktische Fahrprüfung ablegen konnten, stellt mithin eine rechtliche Gegebenheit dar, die nicht vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfasst ist, auch wenn Fahrschüler aus dem Bereich der Freien und Hansestadt Hamburg für den Betrieb der Fahrschule der Antragstellerin zu 1) von Bedeutung waren und sind.

Allerdings hat die Rechtsprechung von dem Grundsatz, dass die Garantie des Art. 14 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen bietet, dass sich die allgemeinen tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten, innerhalb derer ein Unternehmen seine Tätigkeit entfaltet, zu seinem Nachteil ändern, eine Ausnahme insoweit als gegeben angenommen, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand entstanden war, aufgrund dessen sich das Unternehmen auf das unveränderte Fortbestehen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse - zumindest für eine gewisse Zeit verlassen und einrichten durfte und auch hierauf verlassen und eingerichtet hat (vgl. BGHZ 78, 41, 45; 45, 83, 87 f). Ein solcher Vertrauenstatbestand, der Unternehmensvorteile vor einem abrupten und übergangslosen Entzug ausnahmsweise dem Schutz der Eigentumsgewährleistung unterstellt, kann auf bestimmten Vereinbarungen, Zusagen oder sonstigen vertrauensstiftenden Verhaltensweisen basieren, für die vorliegend jedoch kein Anhaltspunkt besteht. Vielmehr war es nach bisheriger Rechtslage bereits so, dass nicht alle Fahrerlaubnisbewerber die praktische Fahrprüfung am Orte ihrer Ferienfahrschule absolvieren konnten. Bedeutet daher die neue Rechtslage für die Antragsteller keine gravierende Verschlechterung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Situation, so bedarf sie schon vor diesem Hintergrund keines Schutzes vor einer abrupten und übergangslosen Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

(2) § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV verstößt ferner nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, dessen Trägerin als inländische juristische Person des Privatrechts auch die Antragstellerin zu 1) sein kann.

Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der Schutz dieses Grundrechts ist einerseits umfassend angelegt, wie die Erwähnung von Berufswahl, Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz und Berufsausübung zeigt. Andererseits schützt es aber nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Es genügt also nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfaltet. Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit liegt vielmehr erst dann vor, wenn die streitgegenständliche Norm oder Maßnahme eine objektiv berufsregelnde Tendenz hat (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 95, 267, 302; 70, 191, 214).

§ 17 Abs. 3 Satz 1 FeV kommt keine objektiv berufsregelnde Tendenz zu. Zwar wirkt sich diese Bestimmung auf die Berufstätigkeit von Fahrschulen insofern aus, als sie den Aufbau von sog. Ferienfahrschulen unattraktiv erscheinen lässt. Darin liegt aber noch keine Berufsregelung. Denn spezifische Fragen der Berufstätigkeit werden durch § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV nicht aufgeworfen. Auch werden die Rahmenbedingungen, unter denen der Beruf des Fahrlehrers ausgeübt werden kann, nicht verändert.

(3) § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV verstößt schließlich nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG.

Allerdings ist der Schutzbereich dieses Grundrechts, das als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit schützt, berührt. Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die aus der allgemeinen Handlungsfreiheit folgende wirtschaftliche Betätigungsfreiheit wird nicht vorbehaltlos gewährleistet. Sie findet ihre Schranken gemäß Art. 2 Abs. 1 GG vielmehr unter anderem in der verfassungsmäßigen Ordnung, worunter alle Rechtsnormen zu verstehen sind, die formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen. Die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV verletzt folglich Art. 2 Abs. 1 GG nur dann, wenn sie sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen kann, die ihrerseits verfassungsmäßig ist - was aber auch von den Antragstellern nicht in Zweifel gezogen wird -, oder wenn sie dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht genügt. Das ist indes nach der Überzeugung des beschließenden Gerichts nicht der Fall:

Der Gesetzgeber verfolgt mit § 17 Abs. 3 FeV den Zweck, von der Allgemeinheit Gefahren abzuwenden, die von ungeeigneten oder nicht hinreichend mit den örtlichen Verkehrsverhältnissen vertrauten Fahranfängern ausgehen. Deshalb ist in dieser Vorschrift im Grundsatz bestimmt, dass Fahranfänger dort ausgebildet und geprüft werden sollen, wo sie nach Erwerb der Fahrerlaubnis hauptsächlich am Verkehr teilnehmen, nämlich an ihrem Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsort. Dieses Interesse an möglichst wirklichkeitsnahen Prüfungsbedingungen ist anzuerkennen und lässt sich auf andere, die Antragsteller weniger spürbare Weise nicht verwirklichen. Denn insbesondere das Befahren des Straßennetzes einer Großstadt wie das der Freien und Hansestadt Hamburg erfordert ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration, die nur im Rahmen einer in der Großstadt stattfindenden Fahrprüfung überprüft werden kann. Hat der Bewerber dagegen nur in einem dünn besiedelten ländlichen Gebiet seine Fahrprüfung ablegen müssen, ist nicht verlässlich davon auszugehen, dass er nunmehr selbständig das Fahrzeug auch in schwierigen großstädtischen Verkehrslagen verkehrsgerecht und sicher führen und seine Fahrweise dem jeweiligen Verkehrsfluss anpassen kann. dass einem Fahrerlaubnisbewerber der dichte Stadtverkehr ein sog. Mitschwimmen erleichtern soll (vgl. Bl. 13 der Antragsschrift), vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Es ist vielmehr allgemein bekannt, dass der dichte Großstadtverkehr eine Erhöhung des Stressfaktors mit sich bringt, den nicht nur Fahranfänger deutlich spüren. Stellt aber selbst für routinierte Fahrzeugführer die Hektik des Großstadtverkehrs mit ihren vielfältigen unvermittelten Gefahren- und Reaktionsmomenten eine besondere Belastungssituation dar, gilt dies erst recht für einen Fahranfänger, der deshalb in einer praktischen Fahrprüfung unter Beweis zu stellen hat, dass er im Großstadtverkehr ein Fahrzeug führen kann, ohne sich und andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden.

Dem steht nicht entgegen, dass sog. Pendlern, die im Umland eines Ballungszentrums wohnhaft sind und täglich mit dem Fahrzeug ihre in der Großstadt gelegene Arbeitsstelle aufsuchen, an ihrem Wohnort die Prüfung ablegen und sogleich am Großstadtverkehr teilnehmen können. Es macht einen Unterschied, ob ein Fahrerlaubnisbewerber, der in einer Großstadt seinen Lebensmittelpunkt hat, seine Ausbildung und Prüfung im ländlichen, außerstädtischen Bereich absolviert, oder ob ein sog. Pendler an seinem Wohnort ausgebildet und geprüft wird. Ein stadtflüchtiger Fahrerlaubnisbewerber ist unmittelbar nach Ablegung der Prüfung mit den besonderen Verkehrsverhältnisse der Großstadt konfrontiert. Demgegenüber kann der Pendler die erworbene Fahrerlaubnis zunächst unter heimischen Verkehrsverhältnissen nutzen und weitere praktische Erfahrungen sammeln. dass es unter den Pendlern einige wenige Fahranfänger geben mag, die die erworbene Fahrerlaubnis nutzen werden, um sogleich auch am Großstadtverkehr teilzunehmen, schließt das Gericht nicht aus. Es dürfte sich hierbei indes um Ausnahmefälle handeln, die die generelle Eignung und Erforderlichkeit der Regelung des § 17 Abs. 3 FeV nicht in Frage stellen.

Es ist im übrigen auch nicht inkonsequent, dass nach der Regelung des § 17 Abs. 3 FeV nur die Prüfung, nicht aber auch die Ausbildung an dem Orte stattfinden soll, wo der Bewerber nach Erwerb der Fahrerlaubnis hauptsächlich am Verkehr teilnehmen wird. Zwar wäre es wünschenswert, dass auch die Ausbildung in dem Umfeld stattfindet, wo der Fahrerlaubnisbewerber überwiegend ein Fahrzeug zu führen beabsichtigt. Unter Abwägung der betroffenen Interessen, namentlich auch dem Interesse der Fahrschulen an der Möglichkeit, auch Bewerber ausbilden zu können, die nicht im unmittelbaren Umkreis ihrer Einrichtung wohnen, erscheint es als erforderlich und angemessen, dass lediglich die Prüfung im Interesse des Verkehrssicherheit unter möglichst wirklichkeitsnahen Bedingungen erfolgt. Im übrigen geht das beschließende Gericht ohnehin davon aus, dass für verantwortungsbewusste Fahrschüler und Fahrschulen nicht das Bestreben im Vordergrund steht, durch eine leichtere Prüfung schneller und kostengünstiger in den Genuss der Fahrerlaubnis zu kommen. Vielmehr werden beide Seite um ihre Verantwortung für andere Verkehrsteilnehmer wissen und vor diesem Hintergrund bewusst auch darauf achten, dass die Ausbildung auch unter Verkehrsbedingungen stattfindet, die später für den Fahrerlaubnisbewerber zu seinem Alltag gehören.

Das beschließende Gericht hält des weiteren dafür, dass die Antragsteller durch die Regelung des § 17 Abs. 3 FeV nur unwesentlich in ihrer wirtschaftlichen Situation beeinträchtigt werden. Bisheriger Verwaltungspraxis entsprach es, dass Fahrerlaubnisbewerber am Orte ihrer Ferienfahrschule die praktische Fahrprüfung nur ablegen konnten, wenn sie entweder dort wohnhaft waren oder ein berechtigtes Interesse nachweisen konnten. Gemessen an dieser Praxis bedeutet die neue Rechtslage sicherlich eine Verschärfung der Anforderungen, eine gravierende Verschlechterung der Rahmenbedingungen bewirkt sie indes nicht, zumal es nach § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. 3 FeV möglich bleibt, bei der Fahrerlaubnisbehörde die Zulassung zu einer auswärtigen Prüfung zu beantragen. Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang zudem, dass die in Rede stehenden Änderungen des Fahrerlaubnisrechts für die Fahrschulen nicht überraschend kamen. Seit vielen Jahren wurden strengere Anforderungen diskutiert. Die Fahrerlaubnisverordnung setzt eine EG-Richtlinie um, die mittlerweile acht Jahre alt ist. Nicht nur die Antragsteller, sondern auch andere Ferienfahrschulen hätte sich deshalb durch Umstrukturierungen ihres Geschäftsbetriebs und entsprechende Werbemaßnahmen auf die geänderten Rahmenbedingungen einstellen können und müssen. Schließlich bleibt es den Antragstellern unbenommen, in Hamburg eine Ferienfahrschule zu eröffnen und so dem Bedürfnis nach einer intensiven und konzentrierten Fahrausbildung in den Ferien oder während des Urlaubs Rechnung zu tragen.

cc) Die Antragsgegnerin dürfte auch nicht verpflichtet sein, Anträge von in Hamburg wohnhaften Bewerbern auf Durchführung der praktischen Prüfung der am Sitz der Antragstellerin zu 1) zuständigen Prüfstelle als "nahegelegenen" bzw. "anderen" Prüfort zuzuleiten.

In § 17 Abs. 3 Satz 2 FeV ist bestimmt, dass die Prüfung nach Bestimmung durch die Fahrerlaubnisbehörde an einem "nahegelegenen" Prüfort abzulegen ist, wenn die in Satz 1 dieser Bestimmung in Bezug genommenen Orte keine Prüforte sind. Aus dieser Regelung vermögen die Antragsteller freilich schon vor dem Hintergrund keine ihnen günstige Rechtsposition herzuleiten, dass die Freie und Hansestadt Hamburg selbst Prüfort ist (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 3 FeV).

Allerdings heißt es in § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV, dass die Fahrerlaubnisbehörde auch zulassen kann, dass der Bewerber die Prüfung an einem "anderen" Prüfort ablegt. Die Bedeutung und Reichweite dieser Bestimmung ist durch einen Vergleich mit dem in § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV normierten Grundsatz zu ermitteln, wonach Fahranfänger grundsätzlich dort ausgebildet und geprüft werden sollen, wo sie nach Erwerb der Fahrerlaubnis überwiegend am Verkehr teilnehmen werden. Normiert somit § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV eine Ausnahme von der Grundregel des § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV, müssen in jedem Einzelfall Gründe gegeben sein, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, dass ein Fahrerlaubnisbewerber, der in der Großstadt wohnt und lebt, die Prüfung außerhalb seines Lebensmittelpunktes ablegen darf. Es kommt schließlich, wie ein Blick in die Materialien zeigt (vgl. VkBl. 1998, S. 1073), hinzu, dass die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu prüfen hat, ob Sicherheitsbedenken einer Verlagerung des Prüfortes entgegenstehen. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich indes nicht pauschal für eine unbestimmte Zahl von Fahrerlaubnisbewerbern, die gegenwärtig oder zukünftig (eventuell) bei der Antragstellerin zu 1) ihre Ausbildung durchlaufen werden, beantworten. Erfordert aber die Ausnahmevorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV ausnahmslos eine von der Fahrerlaubnisbehörde durchzuführende Einzelfallprüfung, kann dem mit dem Hilfsantrag geltend gemachten (Pauschal-) Begehren der Antragsteller ersichtlich kein Erfolg beschieden sein. Dies gilt im übrigen unabhängig davon, ob die von der Antragsgegnerin zur Zeit praktizierte Ermessensausübung zu beanstanden ist oder nicht.

dd) Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand dürften die Antragsteller auch nicht die Feststellung beanspruchen können, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, Anträge von Bewerbern um Wiedererteilung bzw. Erweiterung der Fahrerlaubnis der am Sitz der Antragstellerin zu 1) örtlich zuständigen Prüfstelle zuzuleiten.

Ein solcher Anspruch lässt sich insbesondere nicht aus § 17 Abs. 3 Satz 1 FeV herleiten, da diese Vorschrift in nicht zu beanstandender Weise auch hinsichtlich der Wiedererteilung bzw. Erweiterung einer Fahrerlaubnis die am Sitz der Fahrschule zuständige Prüfstelle als die zur Abnahme der Prüfung berufene Prüfstelle nur bestimmt, wenn der Bewerber hier auch seinen Wohn-, Ausbildungs- oder Arbeitsort hat. Die der Regelung des § 17 Abs. 3 FeV zugrundeliegenden sicherheitsrechtliche Erwägungen treffen grundsätzlich auch auf die Wiedererteilung und Erweiterung einer Fahrerlaubnis zu. In Einzelfällen durch diese generalisierende Regelung entstehende Härten und Ungerechtigkeiten können über die Ausnahmevorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV abgemildert werden. Freilich wird die Zulassung einer auswärtigen Prüfung nach § 17 Abs. 3 Satz 3 FeV weniger für die Wiedererteilung als für die Erweiterung einer Fahrerlaubnis in Betracht kommen, geht es doch bei letzterem "nur" um den vom Fahrerlaubnisbewerber zu erbringenden Nachweis, dass er den für die weitere Fahrerlaubnisklasse zu stellenden Anforderungen genügt. dass die Antragsteller schließlich nicht die generelle Feststellung beanspruchen können, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, Anträge von Fahrerlaubnisbewerbern entsprechend § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. 3 FeV zu behandeln, hat das Gericht bereits im einzelnen dargelegt. Auch in diesem Kontext gilt nichts anderes. ..."



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