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BayObLG Urteil vom 20.07.1993 - 2St RR 81/93 - Fristbeginn mit Rechtskraft des zweiten Fahrverbots, wenn Führerschein schon in amtlicher Verwahrung ist

BayObLG v. 20.07.1993: Zur Festlegung des Beginns der Fahrverbotsfrist, wenn sich der Führerschein bereits in amtlicher Verwahrung befindet


Das BayObLG (Urteil vom 20.07.1993 - 2St RR 81/93) hat entschieden:
Wird der Ausspruch über ein Fahrverbot während der Zeit rechtskräftig, in der der Führerschein des Betroffenen wegen eines anderen Fahrverbots amtlich verwahrt ist, so beginnt die Verbotsfrist zu diesem Zeitpunkt.


Siehe auch Stichwörter zum Thema Fahrverbot


Zum Sachverhalt: Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde gegen den Angeklagten durch die Bußgeldbescheide vom 7.8.1991 - rechtskräftig seit 1.11.1991 -, 8.10.1991 - rechtskräftig seit 12.11.1991 - und 30.12.1991 - rechtskräftig seit 11.2.1993 - u.a. jeweils ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Die Vollstreckung der mit den Bußgeldbescheiden vom 7.8. und 8.10 1991 festgesetzten Fahrverbote erfolgte in der Weise, daß die Polizei aufgrund entsprechender Anordnungen am 30.1.1992 den Führerschein des Angeklagten beschlagnahmte und dabei u.a. schriftlich mitteilte, daß das Fahrverbot am 29.3.1992 ende. An diesem Tage erhielt der Angeklagte seinen Führerschein zurück. Das mit Bußgeldbescheid vom 30.12.1991 verhängte Fahrverbot wurde in der Weise vollstreckt, daß der Angeklagte am 15.4.1992 der Vollstreckungsbehörde seinen Führerschein übersandte und diesen am 14.5.1992 zurück erhielt. Am 24.3.1992 fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw auf öffentlichen Straßen.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots zur Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten angeordnet. Dieses Urteil hat das Landgericht auf die Berufung des Angeklagten aufgehoben und diesen freigesprochen.

Hiergegen richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die erfolglos blieb.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Das Landgericht hat den Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf, am 24.3.1992 trotz Fahrverbots gefahren zu sein, damit begründet, daß am Tattag keines der Fahrverbote wirksam gewesen sei. Die mit den Bußgeldbescheiden vom 7.8., 8.10. und 30.12.1991 verhängten Fahrverbote von je 1 Monat seien mit dem jeweiligen Eintritt der Rechtskraft am 1. und 12.11.1991 und am 11.2.1992 wirksam geworden. Da gemäß § 25 Abs.2 Satz 2 StVG der Führerschein des Angeklagten für die Dauer des jeweiligen Fahrverbots "amtlich zu verwahren" und die Verbotsfrist gemäß § 25 Abs.5 Satz 1 StVG vom Tag dieser Verwahrung an zu berechnen seien, habe die Verbotsfrist bezüglich der mit Bußgeldbescheiden vom 7.8. und 8.10.1991 verhängten Fahrverbote mit Ablauf eines Monats seit dem 30.1.1992 geendet. Die einmonatige Verbotsfrist bezüglich des mit Bußgeldbescheid vom 30.12.1991 verhängten Fahrverbots habe mit der Rechtskraft dieses Bescheids am 11.2.1992 begonnen und am 10.3.1992 geendet, da sich der Führerschein bei Eintritt der Rechtskraft bereits zum Vollzug der beiden anderen Fahrverbote in amtlicher Verwahrung befunden und diese bis zum 10.3.1992 angedauert habe. Werde nämlich die Fahrerlaubnis amtlich verwahrt, würden mehrere, in verschiedenen Verfahren angeordnete Fahrverbote ab Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung nebeneinander und nicht nacheinander vollstreckt.

Der Senat folgt dieser Ansicht.

Gemäß § 25 Abs.2 Satz 1 StVG und § 44 Abs.3 Satz 1 StGB wird ein Fahrverbot mit der Rechtskraft der es anordnenden Entscheidung wirksam, so daß sich der Verurteilte strafbar macht, wenn er ab diesem Zeitpunkt ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Ist der Verurteilte im Besitz eines von einer deutschen Behörde erteilten Führerscheins, wird dieser für die Dauer des Fahrverbots amtlich verwahrt (§ 25 Abs.2 Satz 2 StVG. § 44 Abs.3 Satz 2 StGB) und die Verbotsfrist wird erst von dem Tage der Verwahrung ab gerechnet (§ 25 Abs.5 Satz 1 StVG, § 44 Abs.4 Satz 1 StGB), so daß eine Verzögerung der Herausgabe die Verbotsdauer verlängert.

Werden also gegen einen Kraftfahrer, der keinen Führerschein besitzt, in verschiedenen Verfahren mehrere Fahrverbote gleichzeitig oder kurz hintereinander angeordnet, so können sie je nach Eintritt der Rechtskraft gleichzeitig oder sich überschneidend wirksam werden und die Verbotsfrist beginnt jeweils mit der Rechtskraft der einzelnen Bescheide. Diese sich aus § 25 Abs.2 Satz 1 StVG bzw. § 44 Abs.3 Satz 1 StGB ergebende eindeutige Rechtslage kann sich aber nicht allein dadurch ändern, daß der Verurteilte Inhaber eines Führerscheins ist. Die Vollstreckungsregelungen des § 25 StVG und § 44 StGB, wonach die Fahrverbotsfrist - wie vorliegend - im Falle amtlicher Verwahrung erst von deren Beginn an gerechnet wird, dienen nämlich lediglich der Überwachung des Fahrverbots und damit seiner Sicherung, ergeben aber nichts für die Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer gleichzeitig oder sich überschneidend wirksamer Fahrverbote. Wenn in solchen Fällen der Führerschein amtlich verwahrt ist, muß daher die Dauer jeden Fahrverbots, das während dieser Verwahrzeit rechtskräftig wird, vom Zeitpunkt der Rechtskraft ab gerechnet werden (vgl. OLG Celle NZV 1993, 157; AG Augsburg NZV 1990, 244 ff.; LG Münster NJW 1980, 2481; BayObLGSt 1976, 58/61; Mühlhaus/Janiszewski StVO 13. Aufl. § 44 StGB Rn.13; Schönke/Schröder StGB 24. Aufl. § 44 Rn.21; SK 5. Aufl. § 44 Rn.16; Lackner StGB 20. Aufl. § 44 Rn.11; Janiszewski Verkehrsstrafrecht 3. Aufl. Rn.674 a; Karl NJW 1987, 1063; Widmaier NJW 1971, 1158 ff.).

Die Gegenmeinung (vgl. LG Flensburg NJW 1965, 2309; LK 10.Aufl. § 44 Rn.43; Dreher/Tröndle StGB 46.Aufl. § 44 Rn.2; Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 32. Aufl. § 25 StVG Rn.17; Rüth/Berr/Berz Straßenverkehrsrecht 2. Aufl. § 25 StVG Rn.22; KK-OWiG/Boujong § 90 Rn.46; Rebmann/Roth/Herrmann OWiG 2. Aufl. § 90 Rn.41 a; Göhler OWiG 10.Aufl. § 90 Rn.31 b; Pohlmann/Jakob Strafvollstreckungsordnung 6.Aufl. § 59 a Rn.24; Himmelreich/Hentschel Fahrverbot-Führerscheinentzug 7. Aufl. Rn.294; Bouska Fahrerlaubnisrecht 1987 § 25 StVG Anm.7; Hentschel NZV 1990, 245 ff.), die - soweit sie begründet wird - insbesondere aus Ziel und Zweck des Fahrverbots als "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" folgert, daß die Verbotsfrist bei mehreren Fahrverboten jeweils erst von dem Tage an gerechnet wird, an dem der Führerschein aufgrund der jeweiligen das Fahrverbot anordnenden Entscheidung amtlich verwahrt wird, findet dagegen im Gesetz keine Stütze. Hätte der Gesetzgeber eine solche Regelung gewollt, hätte er entsprechend der Bestimmung in § 25 Abs.5 Satz 2 StVG bzw. § 44 Abs.4 Satz 2 StGB angeordnet, daß in die Verbotsfrist diejenige Zeit nicht eingerechnet wird, in der der Führerschein des Verurteilten wegen eines Fahrverbots in einer anderen Sache verwahrt wird. Die Argumentation aus Ziel und Zweck des Fahrverbots verliert außerdem weiter an Gewicht, wenn man sich nochmals vor Augen hält, daß bei einem führerscheinlosen Verurteilten sich die Dauer der Verbotsfrist nach der Rechtskraft der Entscheidung richtet und damit durchaus mehrere Fahrverbote gleichzeitig nebeneinander wirksam werden können.

Da somit das Landgericht zu Recht davon ausgegangen ist, daß am 24.3.1992 kein Fahrverbot mehr bestand, ist seine Entscheidung, den Angeklagten vom Vorwurf des vorsätzlichen Fahrens trotz Fahrverbots freizusprechen, nicht zu beanstanden. ..."



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