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Zum Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf Sozialhilfeträger

Groß DAR 1999, 337 ff.: Zum Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf Sozialhilfeträger


Siehe auch Forderungsübergang auf die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger und Forderungsübergang im Schadensfall




Zum Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf Sozialhilfeträger finden sich bei Groß, Forderungsübergang im Schadensfall, DAR 1999, 337 ff. (341/342) folgende Ausführungen:
"Da die Sozialhilfeträger mit Wirkung vom 1. Juli 1983 ausdrücklich in die Vorschrift des § 116 Abs. 1 SGB X aufgenommen wurden, könnte man meinen, dass damit auch für den Zeitpunkt des Forderungsüberganges ein Gleichlauf mit den Sozialversicherungsträgern herbeigeführt worden wäre. Dafür spräche der mit der Legalzession erklärtermaßen verfolgte Zweck eines möglichst frühzeitigen Forderungsübergangs. Andererseits besteht jedoch bei der Sozialhilfe das Problem, dass deren Gewährung nicht lediglich an ein - in der Regel leicht feststellbares Rechtsverhältnis wie das Sozialversicherungsverhältnis anknüpft, sondern ganz anderen Voraussetzungen, insbesondere dem Nachweis der Bedürftigkeit, unterliegt. Deshalb muss hier das besondere Band des Sozialversicherungsverhältnisses, das zwischen dem Versicherungsträger und dem bei ihm Versicherten den Boden für den Forderungsübergang schafft und es ermöglicht, an die Vorhersehbarkeit künftiger Versicherungsleistungen nur geringe Anforderungen zu stellen, durch andere Umstände ersetzt werden.


Die Literatur stellt insoweit überwiegend auf das Entstehen der konkreten Bedürftigkeit nach dem Bundessozialhilfegesetz ab. Das würde dazu führen, den Forderungsübergang der tatsächlichen Gewährung von Sozialhilfeleistungen zeitlich anzunähern. Ein Forderungsübergang schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses wäre danach allenfalls dann denkbar, wenn unmittelbar durch den Schadensfall schon die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit ausgelöst wird.

Die neuere Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH - beginnend mit der auch in anderer Hinsicht grundsätzlichen Entscheidung vom 12. Dezember 1995 (BGHZ 131, 274) favorisiert demgegenüber einen anderen, tendenziell eher auf eine zeitliche Vorverlagerung hinauslaufenden Ansatz. Danach geht der Schadensersatzanspruch des Verletzten auf den Sozialhilfeträger über, sobald infolge des schädigenden Ereignisses aufgrund konkreter Anhaltspunkte, auch für eine Bedürftigkeit des Geschädigten, mit der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ernsthaft zu rechnen ist. Sei dies beim Eintritt des Schadens noch nicht der Fall, so würde nach Ansicht des Senats ein dennoch schon an diesen Zeitpunkt anknüpfender Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger in einer Vielzahl von Fällen, in denen es nie zu Sozialleistungen kommt, ohne sachlichen Grund eine Schadensregulierung, insbesondere in Form eines Abfindungsvergleichs, unmöglich machen oder zumindest erheblich erschweren. Andererseits sei es mit dem Wortlaut und der gesetzgeberischen Zielsetzung des § 116 Abs. 1 SGB X aber auch nicht zu vereinbaren, einen Forderungsübergang erst bei tatsächlicher Erblindung von Sozialleistungen anzunehmen (BGHZ 127, 120, 126; BGHZ 132, 39, 44; BGHZ 133, 129, 134; BGHZ 133, 192, 197).

Der Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf den Träger der Sozialhilfe ist somit in jedem Einzelfall nach dessen konkreten Umständen zu bestimmen. Je nach der gegebenen Sachlage kann sich der Anspruchsübergang bereits im Unfallzeitpunkt, möglicherweise aber auch erst erheblich später vollziehen.

Der möglichst frühzeitige Forderungsübergang auf den Sozialhilfeträger wirft indessen eine neue Frage auf, die sich mit dem in § 2 BSHG normierten sozialhilferechtlichen Nachrangprinzip verbindet. In der Sache handelt es sich dabei um einen - allerdings letztlich nur scheinbaren - Zielkonflikt, weil § 2 BSHG eigentlich dafür streitet, den Forderungsübergang hinauszuschieben, um so dem Geschädigten die Möglichkeit der Selbsthilfe durch - die Bedürftigkeit ausschließende - Realisierung seines Anspruchs lange zu erhalten, während § 116 Abs. 1 SGB X umgekehrt auf einen möglichst frühen Forderungsübergang ausgerichtet ist, wodurch dann aber im Gegenzug die Bedürftigkeit des Geschädigten sogar gezielt ausgelöst würde.

Diesen scheinbaren normativen Gegensatz der beiden Vorschriften hat der VI. Zivilsenat des BGH durch das bereits erwähnte Grundsatzurteil vom 12. Dezember 1995 (BGHZ 131, 274) dadurch aufgelöst, dass er dem Zusammenspiel dieser Vorschriften eine Einziehungsermächtigung für den Geschädigten entnommen hat, die es diesem trotz des Anspruchsübergangs ermöglichen soll, die Schadensersatzleistung weiterhin selbst und in eigenem Namen einzufordern und so Leistungen des Sozialhilfeträgers von vornherein unnötig zu machen. Deshalb kann auch die - das sozialhilferechtliche Nachrangprinzip noch verstärkende - Regelung des § 116 Abs. 3 Satz 3 SGB X einem Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger nicht entgegengehalten werden, wonach bei nur quotenmäßiger Haftung des Schädigers ein Anspruchsübergang ausgeschlossen wird, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfsbedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes würden.

Der Frage nach dem konkreten Zeitpunkt des Forderungsübergangs auf den Sozialhilfeträger - wie auch auf den Sozialversicherungsträger - kommt vor allem im Hinblick darauf praktische Bedeutung zu, ob der Sozialleistungsträger Verfügungen, die der Geschädigte über seine Schadensersatzforderung getroffen hat, gegen sich gelten lassen muss. Das ist ohne Frage etwa der Fall, wenn der Geschädigte mit dem Schädiger vor Übergang der Forderung einen Abfindungsvergleich geschlossen hat. Erfolgt dagegen eine solche Verfügung erst nach dem Forderungsübergang, dann muss der Sozialleistungsträger diese entsprechend § 407 BGB nur hinnehmen, wenn der Schädiger in Unkenntnis der Legalzession gehandelt hat. Dabei schadet dem Schädiger allerdings nur positive Kenntnis.

In der Rechtsprechung wird in Sozialrechts-FäIlen jedoch vergleichsweise großzügig eine Kenntnis des Schädigers vom Forderungsübergang angenommen, weil anderenfalls der Schutz der sozialen Leistungsträger durch die Behauptung fehlenden Wissens vom Gläubigerwechsel unterlaufen werden könnte. Es ist auf die Kenntnis der Tatsachen abzustellen, die den frühen Rechtsübergang bewirken und damit Sozialleistungen nahelegen."



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