Das Verkehrslexikon

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OLG Düsseldorf Urteil vom 30.09.2002 - 1 U 43/02 - Mithaftung des bei frühem Rot in die Kreuzung einfahrenden Geradeausfahrers von 40 % bei Kollision mit Linksabbieger, wenn keine Abbiegepfeile vorhanden sind OLG Düsseldorf v. 30.09.2002: Mithaftung des bei frühem Rot in die Kreuzung einfahrenden Geradeausfahrers von 40 % bei Kollision mit Linksabbieger, wenn keine Abbiegepfeile vorhanden sind

Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 30.09.2002 - 1 U 43/02) hat entschieden:
Der Linksabbieger muss grundsätzlich damit rechnen, dass ihm entgegenkommende Fahrer bei Gelblicht oder sogar bei beginnendem Rotlicht noch in die Kreuzung einfahren. Seine Wartepflicht besteht daher grundsätzlich auch im Verhältnis zu solchen Fahrern des Gegenverkehrs, die verbotswidrig noch bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich einfahren. Stehen sich ein Rotlichtverstoß und ein Linksabbiegerverschulden gegenüber, kann es deshalb im Rahmen der Gesamtabwägung zu einer Haftungsverteilung von 60:40 zu Lasten des Linksabbiegers kommen.


Siehe auch Grüner Abbiegepfeil - Räumungspfeil - strittige Ampelschaltung


Zum Sachverhalt: Zum Sachverhalt: Am 23. 11. 2000 in der Mittagszeit befuhr der Kl. mit seinem PKW die K-Straße von P. kommend in Fahrtrichtung Hauptbahnhof. Er beabsichtigte, auf dem mit einer Lichtzeichenanlage geregelten W--Platz nach links in die E-Straße abzubiegen, ordnete sich zu diesem Zweck auf der hierfür vorgesehenen Fahrspur ein und hielt zunächst an. Der Bekl. zu 1) befuhr im gleichen Zeitraum die K-Straße in Gegenrichtung, also aus 0. kommend in Fahrtrichtung „Am W” und beabsichtigte die Kreuzung W-Platz geradeausfahrend zu passieren.

Aus Gründen, die zwischen den Parteien im Streit stehen, kam es sodann und zwar während des Abbiegevorganges des Kl. zu einem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge, wobei der PKW des Kl. vorne rechts (Kotflügel und vordere rechte Seitenfront) von der Front des Bekl. zu 2) erfasst wurde.

Der Haftpflichtversicherer des Kl. hat die Schadenersatzansprüche der Bekl. zu 2) in vollem Umfang reguliert.

Das LG hat eine Haftungsverteilung von 60:40 zum Nachteil des Kl. vorgenommen. Die Berufung des Kl. führte zu keiner Veränderung der Haftungsgründe.


Aus den Entscheidungsgründen:

...

1. Der Senat legt wie das LG eine Haftungsverteilung von 60:40 zu Lasten des Kl. zu Grunde.

Zu dieser Haftungsverteilung kommt der Senat bei der gebotenen Gesamtabwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge zu dem Unfallereignis, hinsichtlich-dessen Unabwendbarkeit für einen der beteiligten Fahrer und auch fehlendes Verschulden des Bekl. zu 1) nicht feststehen (§§ 7, 17, 18 StVG). Dabei dürfen zu Lasten einer Partei nur solche -unfallursächliche Tatsachen berücksichtigt werden, auf welche die Partei sich entweder selbst berufen hat oder die unstreitig oder bewiesen sind.

a) Die Bekl. belastet ein Rotlichtverstoß des Bekl. zu 1) (§ 37 I Nrn. 5 und 7 StVO). Der Bekl. zu 1) fuhr aus der K-Straße in die Kreuzung durch, nachdem die Ampel „unmittelbar vor seiner Windschutzscheibe” (so der Zeuge W) auf Rotlicht umgeschaltet hatte, anstatt, wie Fahrer auf dem benachbarten Fahrstreifen, bei der Umschaltung der Ampel auf Gelblicht und sodann auf Rot-licht vor der Kreuzung anzuhalten.

b) Den -Kl. belastet demgegenüber ein Linksabbiegerverschulden (§ 9 III StVO). Der Kl. musste grundsätzlich damit rechnen, dass ihm entgegenkommende Fahrer bei Gelblicht oder sogar bei beginnendem Rotlicht noch in die Kreuzung durchfuhren. Seine Wartepflicht als Linksabbieger bestand daher grundsätzlich auch im Verhältnis zu solchen Fahrern des Gegenverkehrs, die verbotswidrig noch bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich einfuhren.

Der Kl. hatte keine sicheren Anzeichen dafür, dass die Ampel für den Gegenverkehr bereits Rotlicht abstrahlte. Zwar waren auf zwei von drei Fahrstreifen der K-Straße. Fahrzeuge des Gegenverkehrs zum Stillstand gekommen. Das allein war aber noch kein sicheres-Anzeichen für Rotlicht, weil es Fahrer gibt, die bei Beginn der Gelbphase sofort anhalten.

Der 1(1. durfte mithin trotz der beiden stehenden Fahrzeuge nicht darauf vertrauen, dass auf dem von Fahrzeugen zunächst noch freien dritten Fahrstreifen der K-Straße nicht noch ein weiteres Fahrzeug auftauchen und bei spätem Gelblicht oder beginnendem Rotlicht durchfahren werde.

Es war auch nicht so, dass der Bekl. erst kurz vor dem Erreichen der Ampel auf den einzigen noch freien Fahrstreifen der K-Straße hinübergewechselt wäre und damit entgegenkommende Linksabbieger wie den Kl. überrascht hätte. Der Bekl. zu 1) hatte vielmehr nach der Beobachtung des Zeugen W seinen Fahrstreifen beibehalten.

Soweit der Kl. darauf verweist, an der auf gleicher Höhe befindlichen Fußgängerampel hätten Fußgänger gewartet, kann er daraus zu seinen Gunsten nichts herleiten. Wenn Fußgänger warteten, dann hatten diese jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Beobachtung noch kein Grünlicht und dann war folglich, anders als bei die Fußgängerfurt bereits überqueren-den Personen, ein sicherer Schluss auf Rotlicht für den Gegenverkehr nicht möglich.

c) Da sich nach alledem ein Rotlichtverstoß des Bekl. zu 1) und ein Linksabbiegerverschulden des Kl. gegenüber stehen, ist nicht zu beanstanden, dass das LG im Rahmen der Gesamtabwägung zu einer Haftungsverteilung von 60:40 zu Lasten des Kl. gekommen ist. Der Vorfahrtverstoß des Kl. ist stärker -zu gewichten. Dem Rotlichtverstoß ist mit dem erheblichen Haftungsanteil-von- 40% ausreichend Rechnung getragen. ...



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