Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Meiningen (Urteil vom 18.10.2000 - 2 K 416/99.Me - Zur Weitergeltung einer Parkuhr trotz Aufstellung mobiler Haltverbotsschilder

VG Meiningen v. 18.10.2000: Zur Weitergeltung einer Parkuhr trotz Aufstellung mobiler Haltverbotsschilder


Das Verwaltungsgericht Meiningen (Urteil vom 18.10.2000 - 2 K 416/99.Me) hat entschieden:
1. Eine aufgestellte Parkuhr verliert nicht allein durch das nachträgliche Aufstellen eines mobilen Halteverbotszeichens seine Wirksamkeit.

2. Ein nachträglich aufgestelltes Halteverbotszeichen entfaltet seine räumliche Wirksamkeit - Verbotsstrecke - bis zur nächsten Regelung in Form eines wirksamen Verkehrszeichen, einer wirksamen Verkehrseinrichtung oder dem Ende der Straße.

Siehe auch Kfz-Umsetzung und Abschleppkosten bei verbotswidrigem Parken an Parkuhren oder Parkscheinautomaten und bei nicht vorschriftsmäßig ausgelegten Parkscheiben und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Zum Sachverhalt:

In der Stadt S fand in der Zeit vom 20.09.1997 bis 06.10.1997 ein "Schützenfest" statt, in dessen Verlauf am Sonntag, dem 28.09.1997, ein Festumzug stattfand, der u.a. durch die G-straße, eine Einbahnstraße, führte.

Bereits am 25.09.1997 hatte die Beklagte an der Einfahrt der vorbenannten Straße das Verkehrszeichen Nr. 283 (Halteverbot) mit dem Zusatz "ab 28.09.1997, 8.00 Uhr" aufgestellt. Am 27.09.1997 stellte der Kläger im weiteren Verlauf der Einbahnstraße sein Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... an einer nicht abgedeckten Parkuhr am rechten Fahrbahnrand ab.

Die Beklagte veranlasste am 28.09.1997, dass der Pkw des Klägers um 11.22 Uhr von der G-straße in die Straße "A" versetzt wurde.

Mit Bescheid vom 18.10.1997 forderte die Beklagte den Kläger auf, Kosten der Umsetzung in Höhe von 163,01 DM, Gebühren in Höhe von 30,-- DM und Auslagen in Höhe von 11,-- DM zu begleichen.

Der Widerspruch blieb erfolglos. Die Klage hatte Erfolg.





Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom April 1999 ist rechtswidrig, was sich als Folge einer rechtswidrigen Umsetzung des Pkw des Klägers ergibt, und verletzt den Kläger in seinen Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ).

a) Rechtsgrundlagen für die geltend gemachten Kosten sind die Regelungen des § 12 Abs. 2 OBG in Verbindung mit § 53 Abs. 1, Abs. 2 OBG, § 1 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 ThürOBKostV. Entstehen demzufolge den Ordnungsbehörden durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten (Gebühren und Auslagen), so sind die nach §§ 10 oder 11 Verantwortlichen als Gesamtschuldner zum Ersatz verpflichtet.

b) Unstreitig kommt der Kläger allein sowohl als Fahrer nach § 11 Abs. 1 OBG als auch als Halter nach § 11 Abs. 2 OBG als verantwortliche Person in Betracht.

c) Die weitere Voraussetzung für die Entstehung der Verpflichtung des Verantwortlichen, nämlich die Rechtmäßigkeit der unmittelbaren Ausführung der Maßnahme nach § 12 Abs. 1 OBG, liegt jedoch nicht vor, da der Kläger seinen Pkw nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 a StVO in unzulässiger Weise in der G-straße abgestellt hat.

Danach ist das Halten unzulässig soweit es durch das Verkehrszeichen Halteverbot (Zeichen 283) verboten ist; die Umsetzung wäre nur dann gerechtfertigt.

aa) Verkehrszeichen und damit auch Halteverbotszeichen stellen unstreitig Verwaltungsakte nach § 35 ThürVwVfG in Form von Allgemeinverfügungen dar (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 35. Aufl., StVO, § 41, Rdnr. 247 m.w.N.). Nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 Satz 7 b) StVO gelten sie nur bis zur nächsten Kreuzung oder bis zur nächsten Einmündung auf der gleichen Straßenseite. Dies stellt die räumliche Obergrenze der Verbotsstrecke dar und lässt den Schluss zu, dass ein Halteverbot nach Verkehrszeichen 283 auch für einen räumlich abgegrenzten Teil der betreffenden Straße möglich ist. Dies wird belegt durch Ziffer IV 3 der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 283 und 286, die unter anderem regelt, dass das Ende der Halteverbotsstrecke stets zu kennzeichnen ist, wenn die Verbotsstrecke vor der nächsten Kreuzung oder Einmündung endet (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 41, Rdnr. 160).

Nach § 41 Abs. 2 Nr. 8 Satz 7 c) StVO kann der Anfang der Verbotsstrecke durch einen zur Fahrbahn weisenden waagrechten weißen Pfeil im Schild ( § 39 Abs. 2 Satz 2 StVO - Zusatzzeichen 1000-10), das Ende durch einen solchen von der Fahrbahn wegweisenden Pfeil ( § 39 Abs. 2 Satz 2 StVO - Zusatzzeichen 1000-20) gekennzeichnet sein. Eine abschließende Regelung mit der Folge, dass das Ende einer Halteverbotsstrecke ausschließlich durch das Verkehrszeichen 283 mit Zusatzschild 1000-20 festgelegt wird, lässt sich aus dieser Formulierung nicht entnehmen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz gilt vielmehr in seinem Anwendungsbereich ergänzend und lückenschließend soweit nicht spezielle Rechtsvorschriften inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten ( OVG Münster, U.v. 12.01.1996, NJW 1996, S. 3024 m.w.N.). Da ein zwingend vorgeschriebenes Verkehrszeichen für das Ende der Halteverbotsstrecke in der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehen ist (vgl. diesbezüglich Zeichen 307 - Ende der Vorfahrtsstraße), ist ergänzend die Regelung des § 43 Abs. 2 VwVfG heranzuziehen, wonach ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. So kann einerseits eine durch Aufstellen eines Halteverbotszeichens begründete Verbotsstrecke im Wege des actus contrarius durch Entfernung des Zeichens vollständig oder nach einer gewissen räumlichen Geltung des Zeichens durch ein anderen Verwaltungsakt aufgehoben werden. Damit ist nur im räumlichen Geltungsbereich eines Halteverbotsschildes (Zeichen 286) nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 a StVO das Halten unzulässig.

bb) Parkuhren sind als Verkehrseinrichtungen nach § 43 Abs. 1 StVO (BVerwG, B.v. 26.01.1988, BayVbl. 1989, S. 248) ebenfalls Verwaltungsakte nach § 35 ThürVwVfG in Form von Allgemeinverfügungen ( BVerfG, B.v. 24.02.1965, NJW 1965, S. 2395 ), die ein eingeschränktes Halteverbot aussprechen, wobei die Parkzeitregelungen auf bestimmte Stunden oder Tage beschränkt sein können ( § 13 StVO ). Sie erhalten ihre Wirksamkeit mit ihrer Einrichtung (BVerwG, B.v. 26.01.1988, a.a.O.).

cc) Der ursprünglich durch das Aufstellen eines Halteverbotszeichens (Zeichen 286) Beginn der Verbotsstrecke wird nach § 43 Abs. 2 VwVfG durch eine räumlich nachfolgend eingerichtete Parkuhr aufgehoben, mit der Folge, dass im Geltungsbereich der Parkuhren das Halten nach der Bestimmung des § 13 StVO gestattet ist. Eine Bestimmung dergestalt, dass die Regelung einer Parkuhr subsidiär zu einer Regelung eines Halteverbotszeichens ist, lässt sich der Straßenverkehrsordnung nicht entnehmen (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 13, Rd. 8 - Parkuhr und im gleichen Bereich aufgestelltes Halteverbotszeichen mit abweichender Parkzeit sind widersprüchliche Regelungen).

dd) Damit entfaltete das von der Beklagten am 27.09.1997 aufgestellte Halteverbotszeichen Nr. 283 mit dem Zusatzschild "ab 28.09.1997 - 8.00 Uhr" seine räumliche Wirksamkeit für diese Zeit bis zu der Stelle, an der die Parkuhren eingerichtet waren. Die Frage, ob neben den Parkuhren das Verkehrszeichen 314 (Parkplatz) aufgestellt gewesen war, bedarf keiner weiteren Klärung, da hierdurch jedenfalls kein Halteverbot begründet wird.

ee) Entgegen der Ansicht der Beklagten hebt das von ihr aufgestellte Halteverbotsschild (Zeichen 283) mit Zusatzschild "ab 28.09.1997 - ab 8.00 Uhr" umgekehrt nicht die Wirksamkeit der Regelungen der Parkuhren, wonach das Parken von Samstag Abend bis einschließlich Sonntag erlaubt sei, auf. Denn die Parkuhren wurden - wie ausgeführt - mit deren Errichtung wirksam und wurden im fraglichen Zeitraum nicht abgedeckt. Im Bereich der Straßenverkehrsordnung gilt für Verkehrszeichen grundsätzlich der Sichtbarkeitsgrundsatz. So bleibt selbst ein Verkehrszeichen, dessen Aufstellung befristet angeordnet worden ist, mangels Entfernung auch nach Ablauf der Frist verbindlich, selbst wenn die Anordnung nicht verlängert worden ist (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 41, Rd. 247). In Ziffer III Nr. 15 der Verwaltungsvorschrift zu §§ 39 bis 43 Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen ist weiter geregelt, dass Verkehrszeichen, die nur zu gewissen Zeiten gelten sollen, sonst nicht sichtbar sein dürfen. Diese Regelung gewährleistet das in Ziffer I Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift verankerte Gebot, dass Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen einander nicht widersprechen sollen (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 39 Rd. 5 ff). Dieser Grundsatz gilt auf Grund des vergleichbaren Regelungsinhalts entsprechend für Verkehrseinrichtungen mit der Folge, dass Parkuhren mit ihrer Einrichtung wirksam sind, solange sie nicht abgedeckt oder entfernt werden. Davon geht grundsätzlich wohl auch die Beklagte aus, da ausweislich der Behördenakte (S. 14) für den Bereich der G-straße das Abdecken von Verkehrszeichen vorgesehen war.

Damit ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten aus dem Zusatzschild "ab 28.09.1997 - ab 08.00 Uhr" lediglich eine zeitliche Beschränkung jedoch keine Regelung hinsichtlich des Endes des räumlichen Geltungsbereichs.

Demzufolge hat der Kläger im fraglichen Zeitpunkt nicht in unzulässiger Weise seinen Pkw im Bereich der Parkuhren abgestellt, so dass die Umsetzung rechtswidrig war.

d) Die Rechtmäßigkeit der Umsetzung im vorliegenden Fall unterstellt, stünde der Geltendmachung der Kosten der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen.

Für den Kläger hat sich eine Situation ergeben, wonach für ihn nicht eindeutig die Verkehrssituation erkennbar war. Ein Verkehrsteilnehmer darf auf ordnungsgemäße Beschilderung vertrauen; Verkehrseinrichtungen müssen so beschaffen sein, dass ihre Anordnungen bei zumutbarer Aufmerksamkeit im Fahren durch beiläufigen Blick erfasst, verstanden und befolgt werden können. Unklarheiten gehen nicht zu Lasten des Verkehrsteilnehmers (Jagusch, Straßenverkehrsrecht, a.a.O., § 39 Rdnr. 33 f.). Der in die G-Straße, an deren Beginn das Halteverbotschild mit Zusatzschild aufgestellt war, einfahrende Kläger durfte, nachdem er eine räumlich nicht unerhebliche Strecke zurückgelegt hat, darauf vertrauen, dass im Bereich der von ihm wahrgenommenen Parkuhren das Abstellen seines Pkw gestattet war. Eine Inanspruchnahme des Klägers für eine in der konkreten Situation möglicherweise sachlich gerechtfertigten Umsetzung entspräche nicht mehr der Zweck-/Mittelrelation im engeren Sinne. ..."

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