Das Verkehrslexikon

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OLG Köln Urteil vom 13.02.1973 - 15 U 214/72 - Zu den Sorgfaltsanforderungen beim Hineintasten des Wartepflichtigen bei einem Lückenunfall

OLG Köln v. 13.02.1973: Zu den Sorgfaltsanforderungen beim Hineintasten des Wartepflichtigen bei einem Lückenunfall


Siehe auch Lückenunfälle - Überholen einer haltenden Kolonne




Von einem sog. Lückenunfall mit anteiliger Mithaftung des Bevorrechtigten geht die Rechtsprechung nur dann aus, wenn der Wartepflichtige seinerseits die ihm trotz der Lückenbildung verbleibenden Sorgfaltspflichten gewissenhaft erfüllt hat. Dazu gehört insbesondere, dass er sich äußerst vorsichtig in den vorfahrtberechtigten für ihn ja überhaupt nicht einsehbaren Bereich hineingetastet hat, vgl. OLG Köln (Urteil vom 13.02.1973 - 15 U 214/72):
Verzichtet der vorderste Fahrer einer auf einer vorfahrtberechtigten Straße rechts haltenden Kolonne einem von rechts kommenden Fahrer gegenüber durch einen entsprechenden Wink auf seine Vorfahrt, so ist der von rechts kommende Fahrer verpflichtet, sich in die Vorfahrtstraße so vorsichtig hineinzutasten, dass er Einblick in die zweite Fahrspur gewinnen und notfalls auf der Stelle halten kann.


Hineintasten bedeutet nicht etwa langsam hineinfahren, sondern jeweils ein Vorsetzen des Fahrzeugs um nur einige Zentimeter mit anschließendem Anhalten und wiederum ein Vorsetzen usw. (es geht dabei ja nicht darum, dass der Wartepflichtige Sicht gewinnt, sondern vor allem darum, dass das langsam auftauchende Vorderteil des Fahrzeugs für den Bevorrechtigten sichtbar wird, bevor es eine akute Gefahr darstellt, damit er sich darauf einstellen kann).

Selbstverständlich muss das Vorliegen eines solchen Eintast-Vorgangs vom Wartepflichtigen in vollem Umfang bewiesen werden, da er ja den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis entkräften muss. Davon, dass dies im vorliegenden Fall zu beweisen wäre, kann überhaupt keine Rede sein; vielmehr muss mangels vorhandener Gegenbeweise hier davon ausgegangen werden, dass das wartepflichtige Fahrzeug einfach langsam in den Sichtbereich des Vorfahrtberechtigten hineingerollt ist, was noch lange nicht die Grundsätze über den sog. Lückenunfall zum Tragen kommen lässt.

Wie das Sich-in-eine-Vorfahrtstraße-Hineintasten zu geschehen hat, ist im Urteil des Kammergericht Berlin v. 27.07.1998 - 12 U 3625/97 beschrieben.