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VGH Mannheim Beschluss vom 22.01.2001 - 10 S 2032/00 - Zur Zulässigkeit einer MPU-Anordnung zur Überprüfung von Alkoholmissbrauch

VGH Mannheim v. 22.01.2001: Zur Zulässigkeit einer MPU-Anordnung zur Überprüfung von Alkoholmissbrauch


Der VGH Mannheim (Beschluss vom 22.01.2001 - 10 S 2032/00) hat entschieden:
Zur Rechtmäßigkeit einer Anordnung der Verkehrsbehörde, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Frage beizubringen, ob bei einem Fahrerlaubnisinhaber Alkoholmissbrauch anzunehmen ist. Das Trinken einer wegen eines Alkoholdelikts vorbelastete Frau in Begleitung ihres 4-jährigen Kindes in einer Gaststätte ohne Verkehrsteilnahme rechtfertigt die Anordnung einer MPU.


Siehe auch Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU)


Zum Sachverhalt:: Die Antragstellerin hielt sich am 09.07.1999 in der Zeit zwischen 23.00 und 24.00 Uhr in Begleitung ihres vierjährigen Kindes in offensichtlich stark alkoholisiertem Zustand mit erheblichen Ausfallerscheinungen in einer Bar auf. Der Lokalinhaber sah sich veranlasst, die Polizei zu rufen, um dem Kind die gebotene Fürsorge zukommen zu lassen. Der eintreffenden Polizei gegenüber verhielt sich die Antragstellerin aggressiv. Eine exakte Alkoholfeststellung wurde nicht durchgeführt. Jedoch hatte die Antragstellerin im Jahre 1991 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,79 ‰ ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt, weshalb ihr damals die Fahrerlaubnis vom Strafrichter entzogen, später allerdings von der Straßenverkehrsbehörde nach einer Untersuchung durch das Gesundheitsamt neu erteilt worden war, weil dieses von einer lediglich vorübergehenden Alkoholproblematik aufgrund eines psychisch labilen Zustandes ausging.

Aufgrund des Vorfalls und der Vorgeschichte schöpfte die Stadt Freiburg den Verdacht auf Alkoholmissbrauch der Antragstellerin. Sie forderte diese deshalb auf, zur Abklärung des Verdachts nicht nur ein ärztliches, sondern ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Die Antragstellerin weigerte sich, weshalb ihr die Fahrerlaubnis entzogen wurde.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Das Verwaltungsgericht dürfte zutreffend angenommen haben, dass sich die Antragstellerin voraussichtlich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erwiesen hat, weil sie der berechtigten Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nicht nachgekommen ist (§ 11 Abs. 8 FeV). Auch nach Auffassung des Senats dürfte es nicht zu beanstanden sein, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen der §§ 46 Abs. 3,13 Nr. 2 Buchstabe a Alternative 2 FeV als gegeben angesehen hat. Danach ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürften Tatsachen vorliegen, die bei ihr die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.

Es dürfte - anders als die Antragstellerin meint - bei ihr nicht nur um Alkoholkonsum gehen. Vielmehr dürfte bei dem Vorfall vom 09.07.1999, der der Antragsgegnerin Anlass zum Einschreiten gegeben hat, in der Öffentlichkeit deutlich geworden sein, dass die Antragstellerin aufgrund Alkoholkonsums wohl nicht in der Lage ist, sich sozial verantwortungsgerecht zu verhalten. Dies zeigt sich darin, dass sie sich nach dem Bericht des Polizeireviers F. zur Nachtzeit (zwischen 23.00 und 24.00 Uhr) in Begleitung eines vierjährigen Kindes in wohl erheblich alkoholisiertem Zustand in einem Lokal aufgehalten hat. Eine außenstehende Person, nämlich der Lokalinhaber, hat sich veranlasst gesehen, die Polizei einzuschalten, um dem Kind die gebotene Fürsorge (durch den Großvater) zukommen zu lassen. Zudem hat sich die Antragstellerin wohl in Folge ihres alkoholisierten Zustandes nach Eintreffen der Polizei dieser gegenüber in der Öffentlichkeit aggressiv verhalten. Unter diesen Umständen kann es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als ihre Privatsache angesehen werden, in einer Bar dem Alkohol zuzusprechen. Vielmehr dürfte das alkoholbedingt ihrem Kind gegenüber gezeigte wenig verantwortungsbewusste Verhalten ein wesentliches Indiz dafür sein, dass es auch fraglich ist, ob die Antragstellerin zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol in Bezug auf den Straßenverkehr in der Lage ist. Diese Zweifel werden dadurch erhärtet, dass die Antragstellerin bereits im Jahre 1991 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,79 Promille ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, weshalb ihr damals die Fahrerlaubnis vom Strafrichter entzogen worden ist. All dies dürften Tatsachen sein, die auf Alkoholmissbrauch hindeuten.

Dem kann die Antragstellerin nicht entgegenhalten, dass eine verkehrsrechtlich erhebliche Alkoholisierung aufgrund des Vorfalls vom Juli 1999 nicht ohne eine exakte Alkoholfeststellung angenommen werden dürfe. Denn die polizeilich festgestellten Umstände, die die Antragstellerin als solche nicht in Abrede gestellt hat, dürften für sich sprechen. Auch unauffällige Leberwerte sind nach der Rechtsprechung des Senats nicht geeignet, von vornherein eine Alkoholproblematik auszuschließen.

...

Der Antragstellerin dürfte nicht darin zu folgen sein, dass die Antragsgegnerin von ihr allenfalls eine fachärztliche Untersuchung hätte verlangen dürfen. Eine solche ist nämlich nach § 13 Nr. 1 FeV nur für den Verdacht der Alkoholabhängigkeit vorgesehen, deren Beurteilung eine primär medizinische Frage ist. Dagegen dürfte für die Beurteilung der Frage des Alkoholmissbrauchs, um den es hier geht, eine zusätzliche psychologische Beurteilung unverzichtbar sein, da hier insbesondere eine Prognose darüber anzustellen ist, ob der Betroffene von seiner Persönlichkeitsstruktur her zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol, insbesondere zu einem kontrollierten Alkoholkonsum und zum Trennen von Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs, in der Lage ist (vgl. hierzu die Amtliche Begründung zur Fahrerlaubnisverordnung BR-Drucks. 443/98 S. 260, abgedruckt in: Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., 1999 , § 13 FeV RdNr. 1 f.). ..."



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