Das Verkehrslexikon

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VGH München Urteil vom 07.05.2001 - 11 B 99.2527 - Zur Anordnung einer MPU bei Alkohol unterhalb von 1,60 ‰ und schweren Verkehrsverstößen

VGH München v. 07.05.2001: Zur MPU-Anordnung bei einmaliger Trunkenheitsfahrt zusammen mit anderen schwerwiegenden Verkehrsverstößen


Der VGH München (Urteil vom 07.05.2001 - 11 B 99.2527) hat entschieden:
  1. Auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt unter 1,6 ‰ kann die Führerscheinbehörde ihr Ermessen dahingehend ausüben, dass eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet wird, wenn der Fahrerlaubnisinhaber durch andere schwerwiegende Verkehrsverstöße aufgefallen ist.

  2. Für den Fall der Neuerteilung der Fahrerlaubnis bestimmt § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV, dass die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung von Eignungszweifeln dann verlangt werden kann, wenn die Fahrerlaubnis wiederholt entzogen worden war - eine Konstellation, die hier nicht vorliegt - oder der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach Nr. 4 der genannten Vorschrift beruhte. Das ist hier der Fall. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Klägerin die Fahrerlaubnis wegen einer Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr entzogen wurde, nämlich wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem Blutalkoholgehalt von 1,49 0/00, weshalb ein Fall des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV gegeben ist. Der Senat hält diese Norm anders als das Verwaltungsgericht im Falle der Klägerin für einschlägig. Ihre Anwendung ist nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, deshalb ausgeschlossen, weil § 13 Nr. 2 Buchst. c, d FeV der Wille des Verordnungsgebers zu entnehmen ist, von Ersttätern erst bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 0/00 oder mehr ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern.

Siehe auch MPU und Alkoholproblematik und Stichwörter zum Thema Fahrerlaubnis und Führerschein


Tatbestand:

Die im Jahre 1973 geborene Klägerin, der nach einer Trunkenheitsfahrt (BAK 1,49 0/00) die Fahrerlaubnis der vormaligen Klasse 3 entzogen worden war, beantragte am 1. März 1997 beim Landratsamt R. deren Wiedererteilung. Auf Anfrage des Landratsamts teilte das Kraftfahrtbundesamt mit Schreiben vom 26. März 1997 mit, im Verkehrszentralregister seien bezüglich der Klägerin folgende Eintragungen vorhanden:
  1. Strafbefehl des Amtsgerichts P. vom 3. Juli 1995 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort; Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen zu 65,00 DM, ein Monat Fahrverbot;

  2. Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle V. vom 24. Oktober 1994 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h; 100,00 DM Bußgeld;

  3. Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 19. August 1996 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr; Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen zu 70,00 DM, Entzug der Fahrerlaubnis, Sperrfrist für die Wiedererteilung 10 Monate.
Das Landratsamt R. nahm diese Eintragungen im Verkehrszentralregister zum Anlass, die Klägerin aufzufordern, ein Gutachten einer amtlich anerkannten psychologisch-​medizinischen Untersuchungsstelle (Begutachtungsstelle für Fahreignung) beizubringen, um die gegen ihre Fahreignung bestehenden Bedenken auszuräumen. Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt werden müsse, wenn das genannte Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt werde. Mit Erklärung vom 15. April 1997 teilte die Klägerin ihr Einverständnis mit der vorgesehenen Begutachtung mit.

Die Begutachtungsstelle für Fahreignung beim TÜV-​Medizinisch-​Psychologisches Institut GmbH - in P. sandte die ihr übermittelten Verwaltungsakten mit Schreiben vom 19. Juni 1997 zurück und teilte mit, die Klägerin habe trotz Aufforderung bislang keine Zahlungen geleistet. Ein Begutachtungsauftrag sei nicht erteilt worden.

Nach nochmaliger Überprüfung der Angelegenheit, deren Ergebnis den Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 6. August 1997 mitgeteilt wurde, lehnte das Landratsamt R. den Antrag der Klägerin auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der (vormaligen) Klasse 3 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 15 c Abs. 3 Satz 1 StVZO sei in der Regel vor der Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn dem Bewerber die Fahrerlaubnis entzogen worden sei, weil er wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder Strafgesetze verstoßen habe. Ein solcher Fall liege hier zwar nicht vor. Denn der Entzug der Fahrerlaubnis sei ausschließlich wegen einer Trunkenheitsfahrt erfolgt. Jedoch stelle § 15 c Abs. 3 Satz 1 StVZO klar, dass die Regelung des § 12 Abs. 1 StVZO unberührt bleibe. Danach könne die Verwaltungsbehörde die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten psychologisch-​medizinischen Untersuchungsstelle fordern, wenn Tatsachen bekannt würden, die Bedenken gegen die Fahreignung begründeten. Das sei hier der Fall. Denn Art, Zahl und Schwere sowie zeitlicher Zusammenhang der Verkehrszuwiderhandlungen, die die Klägerin begangen habe, stellten Tatsachen dar, die Bedenken gegen ihre Fahreignung begründeten. Ihr Vorbringen, sich aus finanziellen Gründen nicht der Begutachtung unterziehen zu können, könne im Interesse der Verkehrssicherheit keine Berücksichtigung finden. Im Übrigen sei die Klägerin nun - nach anwaltschaftlicher Beratung - auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mehr bereit, den von ihr geforderten Eignungsnachweis zu erbringen. Es bestehe daher unter Berücksichtigung der Verkehrsvorgeschichte Anlass zu der Annahme, dass sie durch ihr Verhalten die Fahreignung ausschließende Mängel verbergen wolle. Dieses Verhalten berechtige die Behörde zur Versagung der Fahrerlaubnis.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 8. Dezember 1997 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 2. Februar 1998 begründete. Die Regierung von Niederbayern wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1998 zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, durch die Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens habe die Klägerin gezeigt, dass sie nicht gewillt sei, die Zweifel an ihrer Fahreignung auszuräumen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 15. Juni 1998 ließ die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben und beantragen,
"das Landratsamt R. zu verurteilen, ihr die Fahrerlaubnis der Klasse 3 zu erteilen."
Die Klage wurde im wesentlichen wie folgt begründet: Die von der Behörde vorgebrachten Bedenken gegen die Fahreignung seien unbegründet. Die Klägerin sei am 26. Juli 1996 im Straßenverkehr wegen fahrlässiger Trunkenheit aufgefallen, wobei ihr Blutalkoholgehalt unter 1,6 0/00 gelegen habe. Dies sei also kein sehr schwerwiegender Verstoß gewesen. Die übrigen Verkehrszuwiderhandlungen der Klägerin könnten von vornherein keine grundsätzlichen Bedenken gegen ihre Fahreignung begründen. Nach alldem lägen keine Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Klägerin sei zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet.

Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er verwies zur Begründung auf die seines Erachtens zutreffenden Gründe des Ausgangs- und Widerspruchsbescheides.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stellte die Klägerin zuletzt den Antrag,
den Bescheid des Landratsamts R. vom 10. November 1997 sowie den Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 13. Mai 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
Mit Urteil vom 7. Juli 1999 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landratsamts R. vom 10. November 1997 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 13. Mai 1998 auf und verpflichtete den Beklagten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Entscheidung beruht im wesentlichen auf der Erwägung, dass die Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde, ein Fahreignungsgutachten vorzulegen, rechtswidrig gewesen sei, weshalb aus der Weigerung der Klägerin, dieses Gutachten beizubringen, nicht der Schluss nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gezogen werden dürfe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Auf Antrag des Beklagten ließ der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Dezember 1999 die Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zu.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 16. September 1999,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,
und verwies zur Begründung auf seine Ausführungen im Zulassungsantrag. Dort hatte er folgendes ausgeführt: Für die Entscheidung maßgeblich sei das seit dem 1. Januar 1999 geltende (neue) Fahrerlaubnisrecht. Das Verwaltungsgericht begründe seine Entscheidung mit der Erwägung, die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens könne nicht auf § 13 FeV gestützt werden, weil Anzeichen für eine Alkoholabhängigkeit nicht vorlägen und der Grenzwert der Nr. 2 Buchst. c (1,6 0/00) nicht überschritten sei. Das Gutachtenverlangen könne auch nicht auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV gestützt werden, weil auf diesem Wege bei einer Neuerteilung § 13 Nr. 2 Buchst. c FeV umgangen werde, obwohl der dort genannte Alkoholwert nicht vorliege; die damit verbundene Bevorzugung von Bewerbern um eine Neuerteilung gegenüber Erstbewerbern müsse hingenommen werden. Bei dieser Auffassung übersehe das Verwaltungsgericht, dass der Verordnungsgeber grundsätzlich die Gleichbehandlung beider Personengruppen gewollt habe. Gegenüber Erstbewerbern eröffne § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV lediglich eine zusätzliche Möglichkeit für die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens. Dies werde aus § 20 FeV deutlich. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift gälten die Vorschriften für die Ersterteilung grundsätzlich uneingeschränkt auch für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Neben bestimmten Ausnahmen verweise § 20 Abs. 3 FeV darüber hinaus ausdrücklich auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV. Deshalb sei neben § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV ohne weiteres auch § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV anwendbar. Selbst wenn man der einschränkenden korrigierenden Auslegung des Verwaltungsgerichts folgen wolle, sei hier § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV anwendbar. Deshalb könne das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Die Klägerin beantragte,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schloß sich der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung an.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof wiederholten die Parteien ihre schriftsätzlich gestellten Anträge und begründeten sie. Im Übrigen teilte die Klägerin mit, dass sie geheiratet habe und jetzt den Namen S. führe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen sowie im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landratsamts R. vom 10. November 1997 und den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1998 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Berufung des Beklagten führt daher zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass bei der Beurteilung der Begründetheit der hier gegenständlichen Verpflichtungsklage, hier also der Frage der Rechtswidrigkeit der Versagung der Fahrerlaubnis, darauf abzustellen ist, ob im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. im Zeitpunkt der Entscheidung ein Rechtsanspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts besteht. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts über eine Verpflichtungsklage sind nämlich grundsätzlich die Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen. Irgendwelche Gesichtspunkte, die hier ausnahmsweise eine andere Betrachtungsweise zuließen, sind nicht ersichtlich. Maßgeblich für den zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit ist somit das seit dem 1. Januar 1999 geltende Fahrerlaubnisrecht, insbesondere die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-​Verordnung -​FeV-​- vom 18. August 1998, BGBl I S. 2214, geändert durch VO vom 25.2.2000, BGBl I S. 141).

Der Beklagte hat die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zutreffend auf die Erwägung gestützt, dass die Klägerin das von ihr geforderte medizinisch-​psychologische Fahreignungsgutachten nicht beigebracht habe und dass aus diesem Verhalten auf die Ungeeignetheit der Klägerin zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden müsse, weil davon auszugehen sei, sie wolle durch die Nichtbeibringung oder Nichtvorlage des Gutachtens einen fahreignungsrelevanten Mangel verbergen. Diese Rechtsauffassung findet nach dem neuen Fahrerlaubnisrecht ihre Stütze in § 11 Abs. 8 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung eines Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen darf, wenn dieser sich weigert, ein angefordertes Gutachten beizubringen oder vorzulegen. Allerdings ist für diesen Schluss Voraussetzung, dass die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens rechtmäßig ist. Das kommt zwar nicht im Wortlaut des § 11 Abs. 8 FeV zum Ausdruck, ergibt sich aber aus der Bezugnahme der Verordnungsbegründung auf die (frühere) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 11 FeV RdNrn. 5, 22,24). Die genannte Voraussetzung ist im hier gegenständlichen Rechtsstreit im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts erfüllt.

Ausgangspunkt für die Gutachtensaufforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde war der Umstand, dass die Klägerin in der zurückliegenden Zeit mehrfach erheblich gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hatte, wie durch die Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes vom 26. März 1997 belegt ist. Die von der Klägerin begangenen drei Verkehrsverstöße haben bereits jeder für sich allein betrachtet nicht unerhebliches Gewicht und sind in ihrer Gesamtheit geeignet, Zweifel an der Fahreignung der Klägerin zu wecken.

Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG ist es Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde zu ermitteln, ob ein Antragsteller, der die Erteilung einer Fahrerlaubnis begehrt, geeignet und befähigt ist, Kraftfahrzeuge zu führen. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung eines Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 2 Abs. 8 StVG unter anderem anordnen, dass der Antragsteller ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung innerhalb einer angemessenen Frist beizubringen hat. Diese grundsätzliche Regelung wird durch §§ 11 ff FeV für Ersterteilungen der Fahrerlaubnis präzisiert und weiter ausgestaltet, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Nach § 20 Abs. 1 FeV sind für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht die Vorschriften für die Ersterteilung anzuwenden, wobei allerdings § 20 Abs. 3 FeV bestimmt, dass die Anordnung einer medizinisch-​psychologischen Untersuchung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV unberührt bleibt.

§ 11 Abs. 1 FeV bestimmt, dass Bewerber um eine Fahrerlaubnis die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen müssen, was nicht der Fall ist, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. Außerdem dürfen Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so dass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird. § 11 Abs. 2 FeV legt fest, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen aufgrund bekannt gewordener Tatsachen Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers bestehen. In diesen Fällen kann die Behörde die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens fordern. Die Fälle, in denen die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden kann, sind in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 FeV erschöpfend aufgezählt. Soweit es um die Klärung von Eignungszweifeln aufgrund einer bestehenden Alkoholproblematik geht, trifft § 13 FeV nähere Regelungen.

Die Bestimmungen des § 13 Nr. 2 FeV sind im hier zur Entscheidung stehenden Fall für die Klägerin nicht einschlägig. Nach Buchst. a, b, c dieser Vorschrift hat die Fahrerlaubnisbehörde - ohne dass ihr insoweit irgendein Ermessensspielraum zusteht - zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis anzuordnen, dass ein medizinisch-​psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen, wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden oder ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 0/00 oder mehr geführt wurde. Keine dieser Voraussetzungen ist bei der Klägerin erfüllt. Ferner ist nach § 13 Nr. 2 Buchst. d, e FeV die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der vorgenannten Gründe entzogen war oder wenn sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht, was hier gleichfalls nicht zutrifft. Damit scheidet § 13 Nr. 2 FeV als Rechtsgrundlage für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens hier offensichtlich aus, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat.

Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht vertritt der Verwaltungsgerichtshof jedoch die Auffassung, dass im hier zur Entscheidung stehenden Fall das Verlangen der Fahrerlaubnisbehörde nach Vorlage eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens auf den über § 20 Abs. 3 FeV anwendbaren § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV gestützt werden kann.

Für den Fall der Neuerteilung der Fahrerlaubnis bestimmt § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV, dass die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung von Eignungszweifeln dann verlangt werden kann, wenn die Fahrerlaubnis wiederholt entzogen worden war - eine Konstellation, die hier nicht vorliegt - oder der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach Nr. 4 der genannten Vorschrift beruhte. Das ist hier der Fall. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Klägerin die Fahrerlaubnis wegen einer Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr entzogen wurde, nämlich wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einem Blutalkoholgehalt von 1,49 0/00, weshalb ein Fall des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV gegeben ist. Der Senat hält diese Norm anders als das Verwaltungsgericht im Falle der Klägerin für einschlägig. Ihre Anwendung ist nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, deshalb ausgeschlossen, weil § 13 Nr. 2 Buchst. c, d FeV der Wille des Verordnungsgebers zu entnehmen ist, von Ersttätern erst bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 0/00 oder mehr ein medizinisch-​psychologisches Gutachten zu fordern. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Während die Fahrerlaubnisbehörde in den Fällen des § 13 Nr. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens anzuordnen hat, ihr also kein Ermessensspielraum eingeräumt ist, eröffnet die Bestimmung des § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV einen derartigen Ermessensspielraum, weil nach dieser Vorschrift die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Klärung von Eignungszweifeln in den nachgenannten Fällen angeordnet werden "kann". Der unterschiedlichen Ausgestaltung als gebundene Entscheidung oder als Ermessensentscheidung entspricht es, dass die Voraussetzungen des § 13 Nr. 2 FeV anders als diejenigen des § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV gefasst sind. Die Voraussetzungen insbesondere des § 13 Nr. 2 Buchst. c, d FeV sind wegen des Abstellens auf eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 0/00 oder mehr enger als die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV. Diese normative Regelung lässt darauf schließen, dass § 13 Nr. 2 Buchst. c, d FeV nur bei einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 0/00 oder mehr eine eine Ermessensentscheidung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV ausschließende Spezialvorschrift ist, bei einer Trunkenheitsfahrt mit einer niedrigeren Blutalkoholkonzentration der Rückgriff auf letztere Vorschrift aber zulässig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, wie im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil klarstellend zu bemerken ist, ob neben einer Trunkenheitsfahrt weitere Verkehrszuwiderhandlungen vorliegen. Wenn eine Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,60 0/00 oder mehr gegeben ist, hat die Straßenverkehrsbehörde gemäß § 13 Nr. 2 Buchst. c, d FeV auch dann ein medizinisch-​psychologisches Gutachten anzufordern, wenn zu der Trunkenheitsfahrt weitere Verkehrszuwiderhandlungen hinzutreten. Umgekehrt ist dies bei einer Trunkenheitsfahrt mit einer geringeren Blutalkoholkonzentration keine Voraussetzung für eine nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV zu treffende Ermessensentscheidung. Hinge der Rückgriff auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV davon ab, ob außer einer Alkoholproblematik im Sinne des § 13 Nr. 2 FeV weitere Umstände Zweifel an der Kraftfahreignung erwecken, hätte dies die mit dem Sinn und Zweck der normativen Regelung nicht vereinbare Folge, dass zwar bei lediglich einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 0/00 oder mehr die Beibringung eines medizinisch-​psychologischen Gutachtens angeordnet werden müsste, beim Hinzutreten weiterer Verkehrszuwiderhandlungen aber eine Ermessensentscheidung hierüber getroffen werden könnte.

Nach alledem genügt auch der Entzug der Fahrerlaubnis wegen nur einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 0/00, um die Behörde zu befugen, ein Fahreignungsgutachten anzufordern. Allerdings muss die Fahrerlaubnisbehörde in diesem Falle ihr Ermessen ausüben, was vorliegend ersichtlich geschehen ist. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Landratsamts R. an die Klägerin vom 10. April 1997, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Klägerin wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßen habe, darunter einmal unter Alkoholeinfluss. Die begangenen Verkehrsverstöße wurden im Einzelnen aufgeführt; die Fahrerlaubnisbehörde hat hieraus Zweifel an der Fahreignung der Klägerin hergeleitet. Indem bei der Aufforderung, das Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen, alle drei verkehrsrechtlich relevanten Verstöße der Klägerin in den Blick genommen wurden, erfolgte die im Falle des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV notwendige Ermessensbetätigung auch sonst in fehlerfreier Weise.

Wenn - wie hier vertreten - die Forderung nach einem medizinisch-​psychologischen Gutachten auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b FeV gestützt wird, so bedeutet dies im Ergebnis nicht, dass die Klägerin ausschließlich wegen ihrer Trunkenheitsfahrt vom 26. Juli 1996 das Gutachten beizubringen hätte. Zwar beruht der Entzug der Fahrerlaubnis nur auf dieser Trunkenheitsfahrt, es kommen jedoch hier noch andere Verkehrsverstöße hinzu, die in die Ermessenserwägungen der Fahrerlaubnisbehörde miteingeflossen sind und sie bei sachgerechter Ausübung ihres Ermessens befugten, das verlangte Gutachten anzufordern. Deshalb kann auch keine Rede davon sein, dass die nicht im Zusammenhang mit Alkohol stehenden Verkehrsverstöße, die die Klägerin begangen hat, "gleichsam als Einfallstor für die Anwendung des § 11 FeV" neben der Regelung des § 13 FeV genutzt werden, um dann innerhalb des § 11 FeV doch nur auf die Trunkenheitsfahrt zurückzugreifen.

Ist nach alldem die an die Klägerin ergangene Aufforderung, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen, rechtmäßig, so durfte der Beklagte aus der Tatsache, dass sich die Klägerin geweigert hat, das von ihr geforderte Gutachten vorzulegen, nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung der Klägerin schließen. Auf die Möglichkeit, dass ein solcher Schluss gezogen werden könne, ist die Klägerin im Voraus hingewiesen worden.

Andere Gründe, aus denen der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 11. November 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 1998 rechtswidrig sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Diese Bescheide erweisen sich vielmehr als rechtmäßig, weshalb der Berufung der Erfolg nicht versagt bleiben konnte. Die Klage war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Als unterlegene Partei hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Der Ausspruch über die Vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.