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OLG Hamm Urteil vom 03.04.2004 - 13 U 162/03 - Keine abstrakte Nutzungsentschädigung beim Ausfall von Behördenfahrzeugen

OLG Hamm v. 03.04.2004: Keine abstrakte Nutzungsentschädigung beim Ausfall von Behördenfahrzeugen


Das OLG Hamm (Urteil vom 03.04.2004 - 13 U 162/03) hat entschieden, dass eine lediglich abstrakte Nutzungsentschädigung für Behördenfahrzeuge nicht in Betracht kommt und dazu im einzelnen den Sach- und Streitstand wie folgt wiedergegeben:
Eine lediglich abstrakte Nutzungsentschädigung kommt für Behördenfahrzeuge nicht in Betracht.


Siehe auch Nutzungsausfall und Nutzungsausfall oder Vorhaltekosten bei gewerblich bzw. geschäftlich oder gemischt privat-geschäftlich genutzten Fahrzeugen


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung gemäß § 249 BGB. Mit Blick auf die Nutzungsentschädigung bei Kraftfahrzeugen sind drei Gruppen zu unterscheiden, und zwar gewerblich genutzte PKW, privat genutzte PKW und Behördenfahrzeuge. Nachdem der Kläger seine Satzung vorgelegt hat (Bl. 306 ff d.A.; § 48), dürfte endgültig feststehen, dass er nicht gewerblich tätig ist, so dass hier von einem Behördenfahrzeug auszugehen ist. Das ergibt sich auch schon aus der Rechtsstellung des Klägers als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 1 BRK-Gesetz (Bl. 309 d.a.9). Die Ersatzfähigkeit des Nutzungsausfalls stellt sich für die drei Fahrzeuggruppen und insbesondere für die Behördenfahrzeuge wie folgt dar:

Beim Ausfall eines privat genutzten PKW steht dem Geschädigten regelmäßig unter folgenden Voraussetzungen eine abstrakte Nutzungsentschädigung zu: dem Geschädigten muss ein „fühlbarer Schaden,, entstanden sein, der Geschädigte müsste während der Ausfallzeit zur Nutzung des Fahrzeuges willens und fähig gewesen sein.

Beim Ausfall eines gewerblich genutzten Fahrzeuges bemisst sich der Schaden nach dem entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges. In dieser Fallgruppe ist streitig, ob der Geschädigte Nutzungsentschädigung verlangen kann, wenn sich der Ausfall wegen besonderer Anstrengungen des Geschädigten weder gewinnmindernd noch kostensteigernd ausgewirkt hat. Nach der früheren Rechtsprechung des BGH (BGHZ 70, S. 203; NJW 1985, S. 2471) und einem Teil der Literatur (Becker/Böhme/Biela, Kraftverkehr-Haftpflichtschäden, 22. Aufl., Rz. D 75; Geigel-Rixecker, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 3, Rz. 94) soll in dieser Ausnahmekonstellation eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung möglich sein.

Demgegenüber lehnt ein Teil der Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, VersR 1995, S. 1321; OLG Schleswig, VersR 1996, S. 866; OLG Köln VersR 1997, S. 506; OLG Hamm, 9. Senat, NJW RR 2001, S. 165 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) und die überwiegende Literatur (Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Rz. 24a; Wussow-Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, 15. Aufl., Kap. 41, Rz 44; Greger Haftpflichtrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl, Anh. l, Rz 129) eine abstrakte Entschädigung gänzlich ab. Diese Auffassung wird mit der Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 09.07.1986 (BGHZ 98, S. 212 ff) begründet.

Dort sind der erwerbswirtschaftliche produktive Einsatz gewerblicher Fahrzeuge mit der Möglichkeit konkreter Ausweisung des Ausfalls und der eigenwirtschaftliche Einsatz privater Kraftfahrzeuge, die sich nicht in einem Gewinnentgang niederschlagen, einander gegenübergestellt; zugleich wird die abstrakte Entschädigung nur für letztere wegen ihrer zentralen Bedeutung für die eigenen - private - Lebenshaltung begründet. Nach dieser Ansicht kann ein vorübergehender Ausfall gewerblicher Fahrzeuge regelmäßig nur nach dem entgangenen Gewinn (§ 252 BGB), den Vorhaltekosten eines Reservefahrzeuges oder der Miete eines Ersatzfahrzeuges bemessen werden.

Ebenfalls streitig wird in der Rechtsprechung und Literatur die Frage diskutiert, ob beim Ausfall eines Behördenfahrzeuges die Möglichkeit der abstrakten Nutzungsentschädigung besteht.

Der BGH hat noch in seiner Entscheidung vom 26.03.1985 (NJW 1985, S. 2471) vor Erlaß der Entscheidung des Großen Senats (BGHZ 98, 212) ausgeführt, dass eine Entschädigung für Nutzungsausfall nicht nur für private Fahrzeuge gewährt wird. Vielmehr komme eine solche Entschädigung für zeitweise entzogene Gebrauchsvorteile durchaus auch nach der Beschädigung von gewerblich genutzten Fahrzeugen, Behördenfahrzeugen oder Fahrzeugen gemeinnütziger Einrichtungen in Betracht, falls sich deren Gebrauchsentbehrung nicht unmittelbar in einer Minderung des Gewerbeertrages (entweder in entgangenen Einnahmen oder über die mit der Ersatzbeschaffung verbundenen Unkosten) niederschlägt. Liegt aber kein konkret bezifferbarer Verdienstentgang vor, so ist es dem Geschädigten grundsätzlich nicht verwehrt, anstelle des Verdienstentganges eine Nutzungsentschädigung zu verlangen, wenn dessen Voraussetzungen im Übrigen vorliegen. Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um das Vorliegen eines fühlbaren wirtschaftlichen Nachteils sowie des Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit.

Diese Ansicht wird auch nach der Entscheidung des BGH vom 09.07.1986 nur noch von dem OLG München (NZV 1990, S. 348 ff) sowie teilweise in der Literatur (Becker/Böhme/Biela a.a.O.; Geigel-Rixecker a.a.O.) vertreten.

In der Literatur wird jedoch überwiegend - ebenfalls mit Hinweis auf die Entscheidung des großen Senats für Zivilsachen vom 09.07.1986 (BGHZ 98, S. 212 ff) - vertreten, dass eine abstrakte Nutzungsentschädigung für Behördenfahrzeuge nicht (mehr) möglich sei (Wussow-Karczewski, Unfallhaftpflichtrecht, a.a.O., Rz. 43; Palandt-Heinrichs, a.a.O. Rz. 24; Greger a.a.O.). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 09.07.1986 dargestellt, dass die abstrakte Nutzungsentschädigung im BGB nur ausnahmsweise zugelassen sei (§§ 288, 290, 849 BGB).

Aus diesem Grunde legte er auch Wert auf die Feststellung, dass in Anlehnung an den Grundgedanken, der der Rechtsprechung der KFZ-Nutzungsentschädigung zugrunde liege, eine Ergänzung der Regelungen des BGB zur abstrakten Nutzungsentschädigung auf Sachen beschränkt bleiben müsse, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei (BGH a.a.O. S. 222).

Der BGH hat darauf abgestellt, dass die Sache für die eigene Lebenshaltung so von Bedeutung sein müsse, dass sich der Funktionsverlust im Vermögen des Betroffenen niederschlage; der Ersatz für Verluste des eigenen Gebrauchs müsse grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirke.

Legt man diese Grundsätze des BGH zugrunde, kann es für Behördenfahrzeuge nicht die Möglichkeit der abstrakten Nutzungsentschädigung geben. Denn die vom BGH dargestellten Auswirkungen treten in dieser Form letztlich nur bei Privatpersonen auf.

Dieser Ansicht tritt der Senat bei. Für sie spricht außerdem, dass sie im Einklang mit den Grundgedanken des Schadensersatzrechts steht, wonach ein Schaden definiert ist mit einer konkreten Vermögenseinbuße; diese Vermögenseinbuße wiederum wird anhand der Differenzhypothese mittels des Vergleichs der Vermögenslage vor und nach dem Schadensereignis ermittelt. Eine abstrakte Nutzungsentschädigung kann bei dem Ausfall von Behördenfahrzeugen nicht an die Stelle einer konkreten Schadensbemessung treten. ..."



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