Das Verkehrslexikon

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OLG Nürnberg Urteil vom 20.07.2000 - 8 U 4357/99 - Ohne Fremdschaden keine Wartepflicht, um Alkoholprobe zu ermöglichen

OLG Nürnberg v. 20.07.2000: Ohne Fremdschaden keine Wartepflicht, um Alkoholprobe zu ermöglichen


Das OLG Nürnberg (Urteil vom 20.07.2000 - 8 U 4357/99) hat entschieden:
Ist bei einem Unfall weder Fremdschaden entstanden und gibt es keinen anderen Unfallbeteiligten, so besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, sich auf eine nach einem Verkehrsunfall stets denkbare Alkoholkontrolle durch die Polizei einzustellen und etwa jede Alkoholaufnahme solange zu unterlassen, bis nicht mehr ernsthaft mit einer polizeilichen Kontrolle gerechnet werden muss. Anders verhält es sich dann, wenn der Versicherungsnehmer/Repräsentant nach einem Unfall, wenn auch ohne Drittbeteiligung und ohne Fremdschaden, den Nachtrunk in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes zu sich nimmt, um den Sachverhalt zu verschleiern oder die Tatsache des Nachtrunks zu einer solchen Verschleierung ausnützt.


Siehe auch Nachtrunk - Alkoholkonsum nach dem relevanten Ereignisk


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Gemäß § 7 I Abs. 2 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands erforderlich sein kann. Die Pflicht umfasst auch das Unterlassen von Handlungen, welche die Verschleierung des Sachverhalts oder der Begleitumstände bezwecken (vgl. BGH VersR 67, 593).

Der Versicherungsnehmer hat gegenüber dem Versicherer für das Verhalten seines Repräsentanten, hier des Geschäftsführers Fröhlich der Klägerin, einzustehen (vgl. Prölss-Martin 26. Aufl., § 6 VVG Rn. 57) und sich dessen Obliegenheitsverletzungen zurechnen zu lassen wie eigene.

4.1. Zur Verschleierung des Sachverhalts geeignet ist es grundsätzlich, wenn der Fahrer des unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs nach dem Unfall Alkohol zu sich nimmt, weil dadurch die Feststellung der möglichen Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß § 61 VVG erheblich erschwert wird in Beziehung auf die Frage, ob der Versicherungsfall durch Alkoholeinfluss des Fahrers und damit grob fahrlässig verursacht ist. Dies bedeutet aber nicht etwa, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer gegenüber verpflichtet sei, nach dem unter seiner Beteiligung stattgefundenen Verkehrsunfall den Konsum von Alkohol zu unterlassen. Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Regelung der am Vertragsverhältnis Beteiligten (vgl. BGH VersR 76, 84, 85), die hier jedoch nicht besteht. Eine entsprechende Verpflichtung des Versicherungsnehmers setzt voraus, dass er sich aufgrund einer Rechtspflicht für eine polizeilich angeordnete, nicht durch Nachtrunk verfälschte Blutentnahme bereit halten muss, nämlich dann, wenn ein anderer an dem Unfall beteiligt war oder Fremdschaden entstanden ist. Denn das polizeiliche Ermittlungsergebnis kommt dem Aufklärungsinteresse des Versicherers zugute.

Bei dem streitgegenständlichen Unfall ist hingegen weder Fremdschaden entstanden, noch gibt es einen anderen Unfallbeteiligten. In solchen Fällen besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, sich auf eine nach einem Verkehrsunfall stets denkbare Alkoholkontrolle durch die Polizei einzustellen und etwa jede Alkoholaufnahme solange zu unterlassen, bis nicht mehr ernsthaft mit einer polizeilichen Kontrolle gerechnet werden muss. Anders verhält es sich dann, wenn der Versicherungsnehmer/Repräsentant nach einem Unfall, wenn auch ohne Drittbeteiligung und ohne Fremdschaden, den Nachtrunk in der Erwartung eines polizeilichen Einsatzes zu sich nimmt, um den Sachverhalt zu verschleiern oder die Tatsache des Nachtrunks zu einer solchen Verschleierung ausnützt (BGH a.a.O., Urteil des Senats vom 05.05.1983 in ZfS 87, 118).

4.2. Die Anwendung dieser Grundsätze lässt vorliegend nicht die Feststellung einer Obliegenheitsverletzung durch den Fahrer der Klägerin zu.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung die Beklagte trifft. ..."