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OLG Köln Urteil vom 25.06.1998 - 1 U 20/98 - Zum Nutzungsausfall bei längerer Ersatzteilbeschaffungsdauer

OLG Köln v. 25.06.1998: Zum Nutzungsausfall bei längerer Ersatzteilbeschaffungsdauer


Das OLG Köln (Urteil vom 25.06.1998 - 1 U 20/98) hat entschieden:
Ein Verkehrsunfallgeschädigter kann auch für eine länger dauernde Zeit der Ersatzteilbeschaffung für ein ausländisches Fahrzeug Nutzungsausfallentschädigung verlangen (hier: Reparaturzeit von 75 Tagen für einen amerikanischen Van mit Sonderausstattung).


Siehe auch NutzungsAusfall.php und Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Dem Kläger steht gemäß §§ 823 BGB, 7, 17 StVG, 3 PflVG ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von weiterer 6.528,-- DM gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten zu.

Der vom Schädiger gemäß § 249 BGB zu ersetzende Schaden erfasst auch die entgangenen Gebrauchsvorteile des beschädigten Kraftfahrzeugs (BGHZ 98, 212; BGH NJW 1982, 1519; OLG Düsseldorf OLGR 1992, 129; OLG Düsseldorf OLGR 1991, 10). Der Geschädigte hat grundsätzlich für die Dauer, in der er sein Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen kann, einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Voraussetzung dieses Anspruchs ist zwar, dass der Geschädigte einen Nutzungswillen und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit hat. Dies wird jedoch vermutet. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht beabsichtigte, das Fahrzeug zu nutzen, sind nicht ersichtlich. Die verhältnismäßig geringe, aber keineswegs ungewöhnliche Kilometerleistung des Fahrzeugs spricht nicht gegen den Nutzungswillen des Klägers.

Die von den Beklagten erstinstanzlich erhobene und im Berufungsverfahren nicht weiter vertiefte Behauptung, der Kläger hätte noch andere Fahrzeug zur Verfügung gehabt, ist nicht geeignet, den Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Fortfall zu bringen. An einer fühlbaren Beeinträchtigung, die für die schadensersatzrechtliche Berücksichtigung entgangener Gebrauchsvorteile erforderlich ist, fehlt es zwar dann, wenn die Verwendung des Zweitwagens möglich und zumutbar ist (BGH NJW 1976, 286). Dies setzt aber voraus, dass der einsetzbare Zweitwagen dem geschädigten Fahrzeug entspricht. Der Kläger hat hier unbestritten den siebensitzigen Van für die Beförderung seiner fünfköpfigen Familie und seiner drei Hunde beschafft. Die Beklagten haben nichts dafür vorgetragen und es ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass der Kläger ein für diesen Beförderungsbedarf ebenso geeignetes Fahrzeug zur Verfügung gehabt hätte.

Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht fest, dass sich die Dauer der Reparatur infolge von Umständen verzögerte, die der Kläger nicht zu vertreten hatte. Grundsätzlich hat der Geschädigte so lange einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, wie er unfallbedingt auf sein Fahrzeug verzichten muss. Dies bedeutet, dass sich der Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens insbesondere auch auf die Dauer der Ersatzteilbeschaffung erstreckt (BGH NJW 1982, 1519; OLG Düsseldorf OLGR 1991, 10). Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Ersatzteilen sind damit grundsätzlich ein Risiko des Schädigers. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht kann dem Geschädigten bei Verzögerungen der Reparatur nur dann vorgehalten werden, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung deren Durchführung unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nutzungsausfallschadens erkennbar unvernünftig ist. Den Auftrag zur Reparatur erteilt zu haben, war hier jedoch nicht ökonomisch unbedacht, da die Lieferschwierigkeiten nicht von Anfang an in ihrem vollen Umfang absehbar waren und nach dem von der Beklagten zu 2 eingeholten Gutachten der Instandsetzungsaufwand erheblich unter dem Wiederbeschaffungswert lag.

Der Zeuge H. hat anlässlich seiner Vernehmung anschaulich und detailliert geschildert, dass sich die Beschaffung der Rundumverspoilerung für das amerikanische Fahrzeug deshalb ungewöhnlich verzögerte, weil diese Teile in den USA nicht sofort beschafft werden konnten. Der von ihm eingeschaltete und nach seiner Einschätzung für gewöhnlich besonders zügig liefernde Importeur in B. habe im vorliegenden Fall nicht schneller liefern können. Die Angaben des Zeugen werden insofern bestätigt durch die zu den Akten gereichte Bescheinigung der Firma A., nach der die von der Firma H. GmbH bereits am 09.01.1997 bestellten Ersatzteile extra angefertigt werden mussten (Schreiben vom 12.03.1998 und 16.12.1997).

Dem Kläger kann auch nicht gemäß § 254 BGB vorgehalten werden, den Schaden nicht durch rechtzeitige Bestellung der benötigten Teile und zügige Beauftragung der Reparatur gemindert zu haben.

Da der Kläger nach den zu den Akten gereichten Unterlagen den Reparaturauftrag der Firma H. GmbH bereits am 07.01.1997 erteilt hat und diese bereits am 09.01.1997 die benötigten Ersatzteile bei der Firma A. orderte, hat der Kläger das Erforderliche zur alsbaldigen Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit unverzüglich unternommen. Es kann deshalb sogar dahinstehen, ob er allein im Hinblick auf die mündliche Einschätzung des Sachverständigen, die der Zeuge H. bei seiner Vernehmung schilderte, zur Erteilung eines Reparaturauftrags verpflichtet war oder angesichts der schweren Schäden das schriftliche Gutachten zur Reparaturwürdigkeit abwarten durfte. Das von der Beklagten zu 2) in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten datiert erst vom 20.01.1997. Erst nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens stand letztlich fest, dass kein wirtschaftlicher Totalschaden vorlag. Das Risiko, voreilig eine wirtschaftlich nicht vertretbare Reparatur in Auftrag zu geben, wird der Geschädigte in Fällen, in denen bei vernünftiger Betrachtung Anhaltspunkte für einen Totalschaden vorliegen, grundsätzlich nicht zu übernehmen haben.

Die zur Darlegung des Mitverschuldenseinwands verpflichteten Beklagten haben auch nichts dazu vorgetragen, dass in der fraglichen Zeit die zur Wiederherstellung des Fahrzeugs benötigten Ersatzteile bei einem anderen Händler in Deutschland vorrätig waren und alsbald geliefert werden konnten. Die allgemeine Erwägung, angesichts des Stands der Logistik könnten auch bei ausländischen Fabrikaten "sämtliche Ersatzteile innerhalb von 24 bis 28 Stunden beschafft werden", genügt zur schlüssigen Darlegung des Mitverschuldenseinwands nicht. Selbst wenn diese Erfahrung grundsätzlich zutreffen sollte, besagt sie angesichts der vom Kläger vorgetragenen und vom Zeugen H. bestätigten besonderen Schwierigkeiten zur der im vorliegenden Fall objektiv benötigten Beschaffungszeit nichts. Bei dem geschädigten Van handelte es sich zudem um eine nicht verbreitete Sonderanfertigung, bei der naturgemäß Engpässe bei der Ersatzteilversorgung auftreten können. Es kann daher auch dahinstehen, ob etwaige Versäumnisse der mit der Reparatur beauftragten, auf amerikanische Fahrzeuge spezialisierten Firma H. GmbH bei der Ersatzteilbeschaffung dem Kläger rechtlich überhaupt zugerechnet werden können.

Schließlich kann dem Kläger auch nicht vorgehalten werden, das Fahrzeug ohne Einbau der Ersatzteile, deren Lieferung sich verzögerte, nicht genutzt zu haben. An einer erheblichen Beeinträchtigung, die die Erstattung von Gebrauchsvorteilen gebietet, wird es zwar fehlen, wenn lediglich für die Optik bedeutsame, unwesentliche Teile nachgerüstet werden müssen. Es ist dann dem Geschädigten zumutbar, bis zu deren Eintreffen das Fahrzeug in nur teilrepariertem Zustand einzusetzen. Dies setzt jedoch voraus, dass keine für die Fahrsicherheit relevanten Bauteile betroffen sind. Dies war nach den überzeugenden Bekundungen des Zeugen H. aber gerade der Fall. Ohne die Rundumverspoilerung, deren Beschaffung sich verzögerte, war ein Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr nicht zumutbar. Der Zeuge hat insofern nämlich nach Vorhalt der Lichtbilder des beschädigten Fahrzeugs einleuchtend darauf hingewiesen, dass die bei dem Unfall nicht abgerissenen Reste der Verspoilerung scharfkantig vom Fahrzeug abstanden, so dass sie eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer darstellten. Nach der überzeugenden Schilderung des Zeugen konnte dieser Zustand nur durch die Wiederherstellung der vollständigen Verspoilerung beseitigt werden. Ein Einsatz des Fahrzeugs ohne Spoiler kam wegen der überbreiten Reifen nicht in Betracht. Es kam daher für die Entscheidung des Falles nicht darauf an, ob neben der Verspoilerung auch noch die hinteren Blattfederpakete nur mit ungewöhnlicher Verzögerung geliefert werden konnten. ..."



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