Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 15.05.1972 - 12 U 1022/70 - Zum Mitverschulden eine Radfahrers bei Befestigung schwerer Ladung am Lenker während der Fahrt

KG Berlin v. 15.05.1972: Zum Mitverschulden eine Radfahrers bei Befestigung schwerer Ladung am Lenker während der Fahrt


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 15.05.1972 - 12 U 1022/70) hat entschieden:
Ein mitwirkendes Verschulden kommt in Betracht, wenn ein durch Mitführen eines schweren Beutels an der Lenkstange behinderter Radfahrer sich beim Vorbeifahren an einem haltenden Kfz nicht darauf einrichtet, dass dessen Tür zur Fahrbahn hin geöffnet werden kann.


Siehe auch Radfahrer im Verkehrsrecht und Stichwörter zum Thema Fahrrad und Radfahrer


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Kl. hat diejenige Sorgfalt außer acht gelassen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch unter den gegebenen Umständen zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dadurch, dass sie einen etwa 5 kg schweren Beutel an der Lenkstange ihres Fahrrades mitgeführt hat, hat sie die bei einem Zweiradfahrzeug ohnehin gegebene Unsicherheit bei der Bewahrung des Gleichgewichts noch verstärkt. Der an dem Lenkrad hängende Beutel hat anders als eine etwa auf dem Gepäckständer angebrachte Last auf das Gleichgewicht und die Lenkfähigkeit des Fahrrades eingewirkt. Bei einer Ausweichbewegung nach links wirkte er durch seine Fliehkraft auf den Lenker ein, so dass es schwierig oder unmöglich war, das Fahrrad im Gleichgewicht zu halten. Die Kl. hätte aber auch ihr Fahrverhalten so einrichten müssen, dass sie nicht durch das Öffnen der Fährzeugtür einen Schreck bekommen hätte. Ein Radfahrer darf nicht zu dicht an haltenden Kfz vorbeifahren; er muss, wenn nicht das Kfz erkennbar unbesetzt ist, damit rechnen, dass die Tür zur Fahrbahn hin geöffnet wird (vgl. Floegel - Hartung-Jagusch aaO). Demgemäß ist es anerkannt, dass den Radfahrer, der zu nahe an einem haltenden Kfz vorbeifährt, eine Mitschuld trifft, wenn er infolge des Öffnens der Fahrzeugtür verletzt wird (vgl. OLG Koblenz VRS 4, 489; Floegel - Hartung - Jagusch § 9 StVG Anm. 5 c). Die Abwägung der Betriebsgefahr auf seiten der Bekl. und des mitwirkenden Verschuldens der Kl. lässt in Anbetracht des im einzelnen nicht aufklärbaren Geschehensablaufs eine Verteilung des Schadens je zur Hälfte als gerechtfertigt erscheinen, ..."