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OLG Düsseldorf Urteil vom 12.06.2006 - I -1 U 156/05 - Zur unbedingten Anweisung an die Versicherung, die Reparaturkosten direkt an die Werkstatt zu zahlen

OLG Düsseldorf v. 12.06.2006: Zur unbedingten Anweisung an die Versicherung, die Reparaturkosten direkt an die Werkstatt zu zahlen


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.06.2006 - I -1 U 156/05) hat entschieden:
Wird eine Versicherung in einem Reparaturkosten-Übernahme-Formular unwiderruflich angewiesen, die Reparaturkosten für den Fall der Bestätigung des Haftpflichtschadenfalls direkt an den Reparaturbetrieb zu zahlen, liegt darin eine Ermächtigung, mit befreiender Wirkung gegenüber dem Geschädigten direkt an die Werkstatt zu leisten; der Anspruch des Geschädigten auf den auf Ersatz von Reparaturkosten erlischt durch die Zahlung.


Siehe auch Reparaturkosten und Reparaturkosten-Übernahmebestätigung


Zum Sachverhalt: Nach einem Verkehrsunfall, den der Kläger mit seinem Renault Espace am 14.08.2004 erlitten hat, ging es im zweiten Rechtszug nur noch um den Ersatz von Reparaturkosten. Das vom Kläger mit der Reparatur beauftragte Autohaus K ließ sich vor Beginn der Arbeiten eine sogenannte Reparaturkosten-Übernahmebestätigung (im folgenden nur noch: RKÜ) erteilen. Deren Text entspricht dem vom Z. D. K. e.V. (ZDK) empfohlenen Muster. Ob der Kläger zusätzlich ein separates Formular "Sicherungsabtretung" unterzeichnet hat, ist ungeklärt geblieben.

Auf der Grundlage der RKÜ und unter Berufung auf eine ihr vorliegende Zession zahlte die zweitbeklagte Versicherung nach Vorlage der Werkstattrechnung die Reparaturkosten in voller Höhe (4.396,96 €) unmittelbar an das Autohaus K.. Nur der Betrag für die Wertminderung wurde direkt an den Kläger bzw. seinen Anwalt überwiesen.

Der Kläger lässt die Bezahlung der Reparaturkosten durch die beklagte Versicherung nicht gegen sich gelten. Er beruft sich vor allem auf die Unwirksamkeit der angeblichen Zession nach § 134 BGB in Verbindung mit Art. 1 § 1 RBerG. Im Übrigen ist er der Ansicht, die beklagte Versicherung sei an die zeitlich vorrangige Inkassovollmacht seines Anwalts gebunden. Als Grund dafür, dass er den Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten gegen die Beklagten weiterverfolge, macht der Kläger folgendes geltend:

Das Autohaus habe seinen Wagen nicht ordnungsgemäß repariert. So habe man Arbeiten in Rechnung gestellt, die gar nicht ausgeführt worden seien. Nachbesserung habe er nicht mehr erreichen können, nachdem das Autohaus sein Geld von der Versicherung erhalten habe.

Demgegenüber berufen sich die Beklagten auf die Erfüllungswirkung ihrer Direktzahlung an das Autohaus K., dem sie den Streit verkündet haben.

Das Landgericht hat die Klage auf Ersatz der strittigen Reparaturkosten abgewiesen.

Hiergegen richtete sich die erfolglose Berufung des Klägers.

Aus den Entscheidungsgründen:

"... Das Landgericht hat den Klageanspruch auf Ersatz von Reparaturkosten zu Recht verneint. Im Hinblick auf die zweitinstanzlichen Darlegungen des Klägers ist nur noch folgendes auszuführen:

Ausgangspunkt ist die Frage, ob der Anspruch des Klägers auf Ersatz seines Fahrzeugschadens (Reparaturkosten) durch die Zahlung der zweitbeklagten Versicherung an das Autohaus K. erloschen ist. Das ist mit dem erstinstanzlichen Richter zu bejahen.

1. Ein Anspruch kann auch dadurch erlöschen, dass der Schuldner zum Zwecke der Erfüllung an einen Dritten leistet (§§ 362 Abs. 2, 185 BGB). Befreiende Wirkung hat die Leistung an einen Dritten, wenn er vom Gläubiger zur Entgegennahme der Leistung ermächtigt ist.

2. Eine derartige Ermächtigung sieht das Landgericht in der zu den Akten gereichten RKÜ. Das ist bei isolierter Betrachtung dieser Urkunde zutreffend. Denn der Kläger hat darin die Versicherung (unwiderruflich) angewiesen, die Reparaturkosten für den Fall der Bestätigung nach Maßgabe der Erklärung unter B. 3. ("Haftpflichtschadenfall") direkt an den Reparaturbetrieb zu zahlen. Die Zahlung soll auf den Anspruch des Geschädigten angerechnet werden, so der ausdrückliche Zusatz im Anschluss an die vorformulierte Anweisung. Im Kontext enthalten diese Erklärungen die Ermächtigung der Werkstatt durch den Kläger, die Zahlung der Versicherung entgegenzunehmen, wodurch in gleicher Weise wie bei einer unmittelbaren Zahlung an den Geschädigten Erfüllung eintreten soll ("... wird angerechnet").

Forderungsinhaber bleibt nach der RKÜ der Geschädigte. Konzeptionell ist mit der RKÜ, wie sie dem Senat vorliegt, keine Abtretung verbunden, auch nicht in Form einer Sicherungsabtretung (siehe auch Minoggio/Lohmann/Otting, Unfallschadenabwicklung von A - Z, 5. Auflage, Stichwort "Reparaturkosten-Übernahmebestätigung"; Klein/Schmarsli/Fischer, Praxisbuch Verkehrsunfall, 2. Auflage, S. 241). Dass eine RKÜ gelegentlich mit einer (Sicherungs-)Abtretung gleichgesetzt bzw. verwechselt wird, ist dem Senat nicht erst durch die Schriftsätze der Beklagten bekannt (vgl. z.B. LG Frankfurt, NJW 2004, 3430). Rechtlich ist indes zwischen beiden Instituten scharf zu trennen.

3. Ob das Autohaus K. sich nur durch die RKÜ abgesichert hat oder ob es zusätzlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich die Forderung des Klägers auf Bezahlung der Reparaturkosten zur Sicherheit abzutreten, hat der Senat letztlich nicht klären können. Weder der Kläger noch die Beklagten habe eine fallbezogene "Sicherungsabtretung" zu den Akten gereicht. Auf der anderen Seite hat die Beklagte zu 2. sich wiederholt darauf berufen, der Kläger habe eine "Zession" erteilt (so schon im vorgerichtlichen Schreiben vom 06.10.2004). Daran muss sie sich festhalten lassen, zumal es nach der Erfahrung des Senats nicht ungewöhnlich ist die verbandsempfohlenen Formulare "RKÜ" und "Sicherungsabtretung" in Kombination einzusetzen, was im Interesse der Werkstätten liegt.

4. Auch wenn man von einem Nebeneinander von RKÜ und Sicherungsabtretung ausgeht, kann die Berufung keinen Erfolg haben. Insbesondere sticht nicht das Argument, die Vorgehensweise der Werkstatt verstoße gegen Art. 1 § 1 RBerG, was die Unwirksamkeit der Ermächtigung und/oder der Abtretung zur Folge hätte.

a) Dass die Verwendung des ZDK-empfohlenen Formulars "Reparaturkosten-Übernahmebestätigung" in der Fassung, wie es dem Senat vorliegt, für sich allein in der Regel noch keine erlaubnispflichtige Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit darstellt, steht für den Senat nicht ernsthaft in Frage (siehe auch Minoggio/Lohmann/Otting, a.a.O., Stichwort "Rechtsberatungsgesetz"; OLG Nürnberg, Urteil vom 23.04.1993, 3 U 1254/93, zitiert nach Hanel, Rechtsfragen der Kfz-Werkstatt, 6. Auflage, S. 118; OLG Karlsruhe 6 U 244/94, zitiert nach Reinking/Schmidt/Woyte, Die Autoreparatur, Rn. 348).

b) Anders können die Dinge liegen, wenn die RKÜ abweichend von ihrer Zweckbestimmung eingesetzt wird oder wenn sie - wovon hier auszugehen ist - in Verbindung mit einer Sicherungsabtretung steht. Das ist eine Frage des Einzelfalls und nach den Kriterien zu beurteilen, die der Bundesgerichtshof für vergleichbare Fälle entwickelt hat (zuletzt Urteil vom 04.04.2006, VI ZR 338/04, noch unveröffentlicht). Geht es dem Unternehmen im wesentlichen darum, die ihm durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt es keine Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit, so der BGH in ständiger Spruchpraxis.

Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, wann genau und in welcher Weise die Werkstatt an die beklagte Versicherung herangetreten ist, um Zahlung für die Reparaturarbeiten zu erlangen. Davon, dass sie ihre Forderung zunächst gegenüber dem Kläger geltend gemacht hat, kann nach Lage der Dinge nicht ausgegangen werden. Die RKÜ sollte sie ja gerade in die Lage versetzen, das Geld direkt und ohne weiteres von der Versicherung zu erhalten. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass das Autohaus K. seine Bitte um Bezahlung auf die RKÜ gestützt hat. Diese schlichte Einziehungstätigkeit zur Vereinfachung der Schadensabwicklung ist unter dem Blickwinkel des RBerG nicht zu beanstanden. Das Autohaus hat im wesentlichen eine eigene Angelegenheit besorgt. Es ist nicht für den Kläger rechtlich tätig geworden. Dafür spricht auch dessen Erklärung in der RKÜ, "die Schadensregulierung selbst durchzusetzen". In Konsequenz dessen ist ihm die Reparaturkostenrechnung zugeschickt worden.

5. Gleichfalls ohne Erfolg bleibt der Einwand der Berufung, die "Abtretung" sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Dass die beklagte Versicherung in kollusivem Zusammenwirken mit der Werkstatt den Kläger hat schädigen wollen, wird nicht behauptet. Dafür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte. Die vom Kläger für die Annahme von Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB ins Feld geführten Argumente können den Senat auch bei der gebotenen Gesamtschau nicht überzeugen.

6. Auch sonst sieht der Senat keine tragfähige Grundlage dafür, der vom Kläger erteilten Ermächtigung die Rechtswirksamkeit abzusprechen. Bedenkenswert ist freilich seine Argumentation, soweit es dem Kläger um sein Interesse geht, seinen Fahrzeugschaden fachgerecht und vollständig beseitigen zu lassen. Im Rahmen seiner Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB hat er durch Beauftragung der Werkstatt sein Integritätsinteresse unter Beweis gestellt. Durch die angeblich unvollständige Reparatur sieht er dieses Interesse als verletzt an. Andernfalls, so seine glaubhafte Darstellung, hätte er nicht auf Reparaturkostenersatz geklagt. Dazu ist folgendes auszuführen:

a) In tatsächlicher Hinsicht unterstellt der Senat, dass die Reparaturarbeiten in der behaupteten Weise unvollständig sind. Gleichwohl muss der Kläger die Zahlung der vollen Reparaturkosten durch die Versicherung gegen sich gelten lassen, so als hätte die Versicherung unmittelbar an ihn gezahlt.

b) Bei dieser Bewertung verkennt der Senat nicht, dass die Bestätigung der Beklagten zu 2. nach Maßgabe B. 3. der RKÜ eine Zahlung vorsieht
"nach ordnungsgemäßer Durchführung der Reparatur und Vorlage der Rechnung bei der Versicherung".
Die unwiderrufliche Anweisung des Geschädigten an die Adresse der Versicherung nimmt ausdrücklich auf diese Bestätigung Bezug. Damit soll der Geschädigte davor geschützt werden, dass sein Anspruch auf Reparaturkostenerstattung nach § 249 Abs. 2 BGB erlischt, bevor sein Reparaturauftrag vertragsgemäß erledigt ist. Sichergestellt werden soll eine Abwicklung ohne Benachteiligung des Geschädigten. Er soll im Ergebnis nicht schlechter gestellt sein als im Fall eigener Bezahlung der Werkstattrechnung mit Bevorschussung bzw. Erstattung durch die Versicherung.

Hätte der Kläger den Reparaturauftrag ohne Unterzeichnung der RKÜ erteilt, wäre er gleichfalls dem Risiko ausgesetzt gewesen, für eine mangelhafte Reparaturleistung den vollen Rechnungsbetrag zu zahlen und nur mit Hilfe seiner Gewährleistungsansprüche, hier vor allem den Anspruch auf Nachbesserung, sein Interesse an einer vertragsgemäßen Reparatur verfolgen zu können. Bei Reparaturarbeiten in der Größenordnung von rund 4.400,00 € hätte die Werkstatt das Fahrzeug des Klägers vermutlich nicht ohne Bezahlung herausgegeben.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht einzusehen, dass der Kläger von der Last, sich mit der Werkstatt wegen Reparaturmängel auseinandersetzen zu müssen, dadurch befreit sein soll, dass er ungeachtet der mit seiner Einwilligung erfolgten Zahlung der Versicherung weiterhin einen Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten in voller Höhe der Werkstattrechnung haben soll. Durch die vom Senat unterstellte Mangelhaftigkeit der Reparatur wird die im Voraus erteilte RKÜ-Ermächtigung des Klägers nicht hinfällig. Sie steht nicht etwa unter der aufschiebenden Bedingung einer fehlerfreien Reparaturleistung (siehe auch LG Frankfurt NJW 2004, 3430, wo aber nur in der Reparatur als solcher, nicht in deren Fehlerfreiheit, eine aufschiebende Bedingung gesehen wird).

Nach Abnahme entdeckte Reparaturmängel berechtigen den Geschädigten auch nicht dazu, die mit der RKÜ erteilte Ermächtigung wegen Irrtums anzufechten. Es handelt sich allenfalls um einen unbeachtlichen Motivirrtum.

Wenn in der RKÜ von "ordnungsgemäßer Durchführung der Reparatur" die Rede ist, dann ist damit nicht Fehlerfreiheit im Sinne von § 633 Abs. 2 BGB gemeint. Das wäre ein zu enges Verständnis. Die RKÜ, die nicht nur der Werkstatt, sondern auch dem Geschädigten Vorteile bietet, wäre in ihrer praktischen Effizienz zu stark eingeschränkt. Auch dem KH-Versicherer würde die nötige Regulierungssicherheit genommen. Sobald er die Werkstattrechnung in Händen hat, darf er in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte von der Durchführung der Reparatur ausgehen. Insoweit bedarf es keiner ausdrücklichen Vergewisserung beim Geschädigten oder bei der Werkstatt. Wenn ihm nichts Abweichendes mitgeteilt wird, darf der Versicherer ferner unterstellen, dass der Geschädigte wieder im Besitz seines Fahrzeuges ist, die Reparaturarbeiten abgenommen und damit im wesentlichen gebilligt hat. Das versteht der Senat unter "ordnungsgemäßer Durchführung der Reparatur". Dem Versicherer obliegt es nicht, nach Eingang der Rechnung in eine eigene Prüfung einzutreten und sei es auch nur in Form einer Rückfrage bei dem Geschädigten. Zu erwägen ist allenfalls die Annahme einer Wartefrist, um dem Geschädigten Gelegenheit zu geben, etwaige Beanstandungen der Reparaturarbeiten der Versicherung anzuzeigen. Diese Frage muss hier nicht entschieden werden. Wann genau die Zweitbeklagte an das Autohaus K. gezahlt hat, steht nicht fest. Jedenfalls war es nach Übermittlung der Rechnung vom 08.09.2004 und vor dem 06.10.2004. Dass der Anwalt des Klägers in diesem Zeitraum unter Vorlage der Werkstattrechnung (Original oder Kopie) die Reparaturkosten geltend gemacht hat, musste die Zweitbeklagte nicht als Hinweis auf Unregelmäßigkeiten bei der Reparaturausführung verstehen. Dafür gibt das Anwaltsschreiben vom 09.09.2004 nichts her. Die Beklagte zu 2. hatte auch keine Veranlassung, den Anwalt des Klägers auf die RKÜ hinzuweisen, bevor sie die vom Autohaus erbetene Zahlung zur Anweisung brachte. Ein irgendwie geartetes Verschulden der Beklagten zu 2., das der Berufung auf die Erfüllungswirkung ihrer Zahlung entgegenstehen könnte, kann der Senat nicht erkennen. ..."