Das Verkehrslexikon

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Die Rettungskosten zur Vermeidung eines Haarwildzusammentoßes in der Fahrzeugversicherung

Die Rettungskosten zur Vermeidung eines Haarwildzusammentoßes in der Fahrzeugversicherung


Siehe auch Rettungskosten in der Fahrzeugversicherung und Wildschäden





Gem. den §§ 62, 63 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ist der Versicherungsnehmer (VN) verpflichtet, vor, bei und nach einem Versicherungsfall dafür zu sorgen, dass der Schaden, den das Versicherungsunternehmen (VU) zu ersetzen hat, möglichst verhindert bzw. zumindest so gering wie möglich gehalten wird.

Etwaige hierbei entstehenden Kosten - die sog. Rettungskosten - muss das VU dem VU auch dann erstatten, wenn der Versuch, den Schaden zu vermeiden, vergeblich war.

In der Kfz-Versicherung (allerdings nur dann, wenn der VN eine Fahrzeugversicherung - Voll- oder Teilkasko - abgeschlossen hat), sind als Rettungskosten diejenigen Schäden am Fahrzeug des VN zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass er bei einer drohenden Kollision mit einem wilden Tier in einer Abwehr- und Ausweichreaktion oder durch gewaltsames Bremsen die Kontrolle über das Fahrzeug verloren und dadurch einen Fahrzeugschaden erlitten hat (Personenschäden kommen hier nicht in Betracht, weil lediglich das Fahrzeug in der Fahrzeugversicherung versichert ist).

Hierzu hat der BGH entschieden, dass die Rettungspflicht nicht bereits den Eintritt eines Versicherungsfall voraussetzt, sondern es ausreicht, dass ein Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht (Vorerstreckungstheorie, vgl. BGH VersR 1991, 459; VersR 1994, 1181).

Außerdem unmittelbaren Bevorstehen einer Wildkollision muss der VN - aus seiner augenblicklichen Sicht - eine Abwägung vorgenommen haben, dass das Schadensrisiko seiner Reaktion in einem vernünftigen Verhältnis zu dem Schaden steht, der durch einen Zusammenstoß des Fahrzeugs mit dem Wild verursacht werden würde; schließlich darf der VN mit seiner Reaktion auch nicht grobfahrlässig im Sinne des § 61 VVG handeln, weil dies zum Verlust des Versicherungsschutzes führen würde (Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 2. Aufl,, 2002, § 12 AKB Rdnr. 99).

Bezweckt der VN mit seiner Reaktion lediglich, sich selbst vor Schaden an Leib und Leben zu bewahren, so dass die Vermeidung eines Fahrzeugschadens sich lediglich als ein völlig unbeabsichtigter Nebenreflex darstellt, dann handelt es sich nicht um erstattungsfähige Rettungskosten (BGH VersR 1994, 1181).

Was eine wirtschaftlich angemessene Reaktion ist, bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere außer nach der konkreten Gefahr auch nach der Größe des plötzlich auftauchenden Haarwildes. So ist das Risiko des Eintritts eines erheblichen Fahrzeugschadens schon wegen der tierischen Körpermasse bei Reh-, Rot- und Schwarzwild groß, zumal bei einem derartigen Zusammenstoß das Fahrzeug gleichfalls erheblich aus seiner Bahn geworfen werden und damit unkontrollierbar werden kann (vgl. OLG Karlsruhe ZfS 1993, 308; OLG Frankfurt ZfS 1995).

Hingegen ist die Rechtssprechung bei sog. Niederhaarwild (Fuchs, Hase, Wildkaninchen) nicht einheitlich (siehe hierzu die zahlreichen Nachweise bei Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 2. Aufl,, 2002, § 12 AKB Rdnr. 100). Während einerseits die Auffassung vertreten wird, dass eine Gewaltbremsung vor derartigen kleineren Tieren unangemessen, unverhältnismäßig und grob fahrlässig sei, folgen andere Gerichte der Auffassung, dass auch eine Kollision mit einem kleineren Tier erhebliche Schäden am Fahrzeug verursachen kann und der VN nicht gezwungen werden solle, ein Tier zu töten.

Der BGH (VersR 1997, 351 = NJW 1997, 1012)hat entschieden, dass der Versicherer nicht zum Ersatz von Rettungskosten verpflichtet ist, wenn der Kfz-Führer (Pkw) bei einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h einem Hasen ausweicht, weil es grob fahrlässig, bei einer derartigen Geschwindigkeit das hohe Risiko einer plötzlichen Fahrtrichtungsänderung in Kauf zu nehmen.

Dass es allerdings einen erheblichen Unterschied bei der Beurteilung ausmachen kann, ob ein Kfz-Führer mit einem Pkw oder mit einem Krad eine Bremsung oder einen Ausweichversuch vor einem kleineren Tier unternimmt, verdient in diesem Zusammenhang ausdrückliche Erwähnung.

Die vom VU zu ersetzenden Rettungskosten umfassen den Fahrzeugschaden und weiterhin auch adäquate Folgekosten (Zinsverlust, Ertragsausfall), nicht jedoch Verlust an Freizeit (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. 1998, § 63 Rdnr. 15).

In der Kaskoversicherung ist der Ersatz der Rettungskosten auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs begrenzt (§ 13 Abs. 1 AKB).







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