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Amtsgericht Ludwigsburg Urteil vom 02.11.2007 - 4 C 1536/07 - Hinweispflicht des Betreibers einer Autowaschanlage auf drohende Schäden bei vorhandenem Dachspoiler

AG Ludwigsburg v. 02.11.2007: Hinweispflicht des Betreibers einer Autowaschanlage auf drohende Schäden bei vorhandenem Dachspoiler


Das Amtsgericht Ludwigsburg (Urteil vom 02.11.2007 - 4 C 1536/07) hat entschieden:
Ein Autowaschanlagenbetreiber ist bei bestimmten Ausstattungen bzw. Formgebungen, wie etwa einem Dachspoiler, verpflichtet, auf Risiken und Gefahren bei der Benutzung der Waschanlage hinzuweisen. Dies kann durch einen gut sichtbaren allgemeinen Hinweis auf einer Warntafel am Eingang der Waschanlage oder des Betriebsgeländes geschehen.


Zum Sachverhalt: Der Kläger machte Schadenersatz wegen der Beschädigung seines Pkw in der von der Beklagten betriebenen Waschanlage geltend.

Der Kläger war Halter und Eigentümer des Fahrzeuges Mitsubishi Pajero Pinin mit dem amtlichen Kennzeichen LB-... 44. Am 11.09.2006 ließ er den Pkw durch seine Lebenspartnerin … in der Waschanlage der Beklagten in der Porschestraße 3 in Ludwigsburg reinigen. Es handelt sich bei der Anlage um eine sogenannte „Waschstraße“, in welcher der Kunde nach der selbsttätigen Einfahrt auf einem Förderband durch die Waschanlage geschleppt wird und aus welcher er, am Ende der Waschstraße, selbsttätig wieder ausfahren muss. Die in der Anlage verwendeten Reinigungsvorrichtungen sind mit textilen Lappen, aus sogenanntem Moosgummi, bestückt.

Während der Benutzung der Waschstraße durch die … kam die Anlage mehrfach zum Stillstand und es wurde der serienmäßig auf dem Pkw des Klägers angebrachte Dachheckspoiler herausgerissen, wodurch Lackschäden und Beulen am Fahrzeugdach entstanden.

Der Kläger war der Auffassung, dass Schadensursache eine nicht ordnungsgemäße Funktion der Waschanlage gewesen sei. Außerdem hafte die Beklagte bereits, weil sie nicht darauf hingewiesen habe, dass bei der Benutzung durch den klägerischen Pkw Schäden wie der Vorliegende drohen können.

Die Beklagte beantragt trug vor, dass ein Abstoppen der Anlage während des Waschvorganges kein Indiz für eine Fehlfunktion sei. Seit Inbetriebnahme sei es zu keinem nennenswerten Sachschaden an einem Fahrzeug gekommen, wofür die Hochwertigkeit der Anlage und die Umstellung von Bürsten- auf Lappenwäsche garantiere.

Die Klage war erfolgreich.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Leistung von Schadenersatz in Höhe von 1 165,84 Euro, weil die Beklagte Verpflichtungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag gemäß § 631 ff BGB, welchem die Reinigung des Pkws des Klägers in der Waschanlage der Beklagten zu Grunde lag, verletzt hat. Der Anspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282, 241 Abs. 2 i.V.m. § 631 BGB.

Die Beklagte hat die aus dem Vertrag resultierende Hinweis-/Sorgfaltspflicht insoweit verletzt, als dass sie nicht auf eine Schadensmöglichkeit bei Benutzung der gegenständlichen Waschanlage durch den klägerischen Pkw hingewiesen hat, wozu sie verpflichtet war.

Bereits nach dem wechselseitigen Vortrag der Parteien stand fest, dass der serienmäßige Dachheckspoiler auf dem Pkw des Klägers in der Waschanlage der Beklagten bei einem Waschvorgang am 11.09.2006 herausgerissen wurde. Dies wurde bereits durch die Beklagte nicht eindeutig bestritten, zumal der abgerissene Spoiler offenbar in der Waschanlage vorgefunden wurde. Die Lebensgefährtin des Klägers, die als Zeugin vernommene …, konnte den abgerissenen Spoiler außerdem am Folgetag in der Waschanlage der Beklagten abholen.

Nach der Beweisaufnahme steht weiter fest, dass die Beschädigung des klägerischen Fahrzeuges nicht auf eine Fehlfunktion der Waschanlage zurückzuführen ist. Insoweit ist der Benutzer einer Waschanlage, zumindest bei sogenannten „Waschstraßen“, nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung im Hinblick auf das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung des Waschanlagenbetreibers und deren Ursächlichkeit für den Eintritt eines Schadens darlegungs- und beweisbelastet. Eine Garantiehaftung des Waschanlagenbetreibers besteht insoweit grundsätzlich nicht.

Der durch das Gericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. J. R. hat im Rahmen seines Gutachtens hierzu ausgeführt, dass eine Fehlfunktion der Waschanlage im eigentlichen Sinne, welche das vorliegende Schadensbild schlüssig erklären könnte, nicht vorlag. Diese Ausführungen des Sachverständigen sind als absolut nachvollziehbar und schlüssig anzusehen. Der Kläger konnte den Nachweis einer Pflichtverletzung insoweit also nicht führen.

Allerdings hat der Sachverständige weiter herausgefunden, dass das Abheben des serienmäßigen Dachheckspoilers auf dem Fahrzeug des Klägers durch dessen Formgebung und die übrige Beschaffenheit des Fahrzeuges des Klägers im Zusammenspiel mit der Wirkungsweise der Waschanlage zu erklären ist.

Neben dem Dachspoiler ist das Fahrzeug mit einer sogenannten Dachreling an beiden Dachkanten in Fahrrichtung ausgerüstet, welche, genauso wie der Dachspoiler, über dem Dachblech stehen. Zwischen Dachblech und Spoilerunterkante existiert ein sich zum seitlichen Ende des Fahrzeuges verjüngender Spalt.

Offenbar wurden die Textilstreifen der Dachwalzen durch die Dachreling auf beiden Seiten beim Überziehen des Fahrzeugdaches geteilt, weshalb an beiden Außenseiten der Reling eine Bündelung der Textilstreifen stattgefunden hat. Nach dem Ende der Dachreling wird diese Bündelung aufgehoben und es kann, bei ungünstiger Bündelung, dazu kommen, dass ein Textilstreifenbündel in den angesprochenen Luftspalt zwischen dem sich unmittelbar anschließenden Spoiler und der Dachoberfläche eindringt, was wiederum eine Verhakung bewirken kann. Dies ist bei dem streitgegenständlichen Waschvorgang offenbar geschehen und die entstehende Kraft hat zum Ausreißen des Dachspoilers geführt.

Eine Vorschädigung oder Lockerheit des Dachspoilers hat der Sachverständige plausibel ausgeschlossen, weil keinerlei Materialermüdungserscheinungen im Bereich der Befestigung zu erkennen waren.

Zwar mag es sein, dass, zumindest bei nicht serienmäßigen Sonderausstattungen von Fahrzeugen, keine Verpflichtung des Waschanlagenbetreibers besteht, die Anlage für jeden Fall so auszustatten bzw. einzustellen, dass Beschädigungen ausgeschlossen sind. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass eine Verpflichtung des Anlagenbetreibers besteht, bei bestimmten Ausstattungen bzw. Formgebungen der Benutzerfahrzeuge auf Risiken und Gefahren bei der Benutzung der Waschanlage hinzuweisen, welche durch die Beklagte vorliegend verletzt wurde. Dies kann gegebenenfalls auch durch einen gut sichtbaren allgemeinen Hinweis auf einer Warntafel am Eingang zur Waschanlage bzw. zu dem Betriebsgelände geschehen. Auch ein solcher Hinweis ist vorliegend nicht erteilt worden.

Die Rechtsprechungslage zu dieser Frage gestaltet sich als äußerst uneinheitlich, zumal jeweils die Besonderheiten der Einzelfälle zu berücksichtigen sind. Es ist demnach bei der Beurteilung der Frage des Entstehens einer entsprechenden Hinweispflicht zunächst eine Abwägung der wechselseitigen Interessen, Kenntnisse und Möglichkeiten vorzunehmen.

Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, dass Bedingung für die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen, profitablen Geschäftsbetriebs eines Waschanlagenbetreibers ein schneller, stockungsfreier Ablauf und eine entsprechende Bedienung der Kunden sind. Ansonsten könnten die verhältnismäßig günstigen Preise derartiger Waschstraßen nicht gehalten werden. Auch ist zutreffend, dass die Anforderungen an den Betreiber nicht überspannt werden dürfen.

Allerdings kann der zahlende Waschanlagenkunde erwarten, dass jedenfalls ein Mindestmaß an Schadenssicherung durch den Betreiber vorgenommen wird. Die, möglicherweise verhältnismäßig verbreitete, allgemeine Kenntnis des durchschnittlichen Waschanlagenkunden, dass hervorstehende, nachträglich angebrachte und nicht serienmäßige Teile eine Schadensentstehung begünstigen können, kann nicht einschränkungslos auf den Inhaber eines serienmäßig mit einem Spoiler ausgestatteten Fahrzeuges übertragen werden, welcher in der Regel keine überlegte Entscheidung einschließlich einer Abwägung von Nutzen und Risiken des Ausstattungsmerkmales vorgenommen haben dürfte.

Weiter verfügt der Waschanlagenbetreiber aufgrund seiner eigenen Erfahrung, des Austausches mit Kollegen, der Erkenntnisse des Verbandes und der Kenntnis von Forschungsergebnissen zu den einzelnen Waschanlagentypen über ein, im Verhältnis zum Kunden, überlegenes Wissen. Der Sachverständige ... hat ausgeführt, dass es hinsichtlich der durchaus öfter vorkommenden Formgebung von sich zur Fahrzeugoberfläche hin verjüngender Spalte Erfahrungswerte zur Beschädigungsneigung gibt.

Auch die Vielzahl von bereits ergangenen Urteilen, welche oftmals ähnlich gelagerte Sachverhalte und Fahrzeugbeschaffenheiten behandelten, spricht eine deutliche Sprache. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass bereits Erkenntnisse auch bei der streitgegenständlichen Herstellerfirma vorliegen müssten. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten vorbrachte, selbst nicht positiv über die Kenntnis von solchen Vorfällen zu verfügen, ändert nichts daran, dass er aufgrund seiner Stellung als Waschanlagenbetreiber die Möglichkeit und Verpflichtung hatte, sich solche Kenntnisse zu verschaffen.

Außerdem führt die Verpflichtung zur Anbringung einer übersichtlichen und inhaltlich klar gestalteten Hinweistafel nicht zu einer Überspannung der Verpflichtung des Waschanlagenbetreibers. Es werden weiter im Einfahrtsbereich zur Waschanlage zwei Mitarbeiter eingesetzt, welche das Fahrzeug einschäumen und abspritzen, die ebenfalls, ohne besonders großen Aufwand, das Fahrzeug optisch untersuchen können und gegebenenfalls noch einen mündlichen Hinweis erteilen können. Eine eingehende, langwierige Fahrzeuguntersuchung ist hierzu nicht erforderlich, da es sich bei den gefahrgeneigten Formen regelmäßig um deutlich sichtbare hervorstehende Fahrzeugteile handelt.

Neben dem vertraglichen Anspruch aus Pflichtverletzung besteht auch ein Anspruch des Klägers gemäß § 823 Abs. 1 BGB. ..."