Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil vom 17.04.2009 - 15 K 1085/08 - Zur Anwendung der Tilgungshemmung für Verstöße in der Überliegefrist auch bei Alteintragungen

VG Hamburg v. 17.04.2009: Zur Anwendung der Tilgungshemmung für Verstöße in der Überliegefrist auch bei Alteintragungen


Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urteil vom 17.04.2009 - 15 K 1085/08) hat entschieden:
Nach § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG hindern neue Verstöße innerhalb der Tilgungsfrist vorheriger, die in der 1jährigen Überliegefrist eingetragen werden, den Eintritt der Tilgungsreife der alten. Dies gilt auch, wenn die früheren Verstöße bereits aus der Zeit vor Inkrafttreten der Vorschrift resultieren.


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der Beklagten, mit dem er zu Kosten für eine Verwarnung herangezogen wird.

Der Kläger ist im Besitz einer Fahrerlaubnis. Mit Schreiben vom 22. Januar 2008 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Beklagten mit, dass für den Kläger im Verkehrszentralregister vier mit insgesamt 10 Punkten bewertete Eintragungen erfasst seien. In das Verkehrszentralregister wurden folgende Verkehrsverstöße eingetragen:
  1. Tattag: 22. November 2003; Entscheidung: 10. Februar 2004; Rechtskraft: 27. Februar 2004; 3 Punkte

  2. Tattag: 29. März 2004; Entscheidung: 15. Juni 2004; Rechtskraft: 26. August 2005; 1 Punkt

  3. Tattag: 2. Juni 2004; Entscheidung: 25. August 2005; Rechtskraft: 18. November 2005; 3 Punkte

  4. Tattag: 11. April 2007; Entscheidung: 29. November 2007; Rechtskraft: 4. Januar 2008; 3 Punkte.
Die Beklagte verwarnte den Kläger daraufhin und setzte zugleich mit Bescheid vom 7. Februar 2008 eine Gebühr in Höhe von 20,10 EUR fest.

Am 11. Februar 2008 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. Februar 2008 und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung: Die Verwarnung sei rechtswidrig. Die bis März 2004 begangenen Verstöße seien zu tilgen, da zwischen diesen und dem zuletzt eingetragenen Verstoß mehr als drei Jahre lägen. Damit sei für ihn nur ein Verstoß mit 3 Punkten registriert. Die Tat sei auch nicht vor Ablauf der Überliegefrist eingetragen worden. Es sei im Übrigen unzulässig einerseits auf die Rechtskraft, andererseits auf den Tattag abzustellen. Entscheidend sei vielmehr, dass er mehrere Jahre keinerlei Verkehrsverstöße begangen habe. Die Eintragung des Delikts vom 11. April 2007 sei mehr als zwei Jahre nach der letzten Tat am 29. April 2004 begangen und eingetragen worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Die Verwarnung des Klägers und der Gebührenbescheid seien rechtmäßig. Der im streitgegenständlichen Gebührenbescheid geltend gemachte Gebührentatbestand sei auf Grundlage von § 6a Abs. 1 Nr. 1 lit. a Straßenverkehrsgesetz – StVG – i.V.m. Nr. 209 der Anlage zu § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – durch die zugrundeliegende Verwarnung erfüllt. Die gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG erfolgte Eintragung der am 18. November 2005 rechtskräftig gewordenen Gerichtsentscheidung bezüglich der Zuwiderhandlung vom 2. Juni 2004 habe zwar der zweijährigen Tilgungsfrist des § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG ab Rechtskraft (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG) unterlegen, die mit Ablauf des 17. November 2007 endete. Die Tilgung sei jedoch durch die am 18. Januar 2008 in das Verkehrszentralregister erfolgte Eintragung der die Zuwiderhandlung vom 11. April 2007 ahndenden und am 4. Januar 2008 rechtkräftig gewordenen Gerichtsentscheidung vom 29. November 2007 gemäß § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG in der seit dem 1. Februar 2005 geänderten Fassung (Art. 11 des 1. JuMoG vom 24. August 2004) gehemmt worden. Nach dieser Vorschrift trete eine Ablaufhemmung – neben der Hemmungsregelung des § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG – auch ein, wenn eine neue Tat vor dem Ablauf der Tilgungsfrist nach Abs. 1 begangen werde und bis zum Ablauf der Überliegefrist nach Abs. 7 zu einer weiteren Eintragung führe. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Da im vorliegenden Fall die dem Eintritt der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung vom 25. August 2005 am 28. November 2005 nachfolgende zweijährige Tilgungsfrist am 27. November 2007 ende und zu diesem Zeitpunkt bereits die am 1. Februar 2005 erfolgte Rechtsänderung eingetreten sei, seien auch die neuen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden.

Der Kläger hat am 17. April 2008 Klage erhoben.

Der Kläger wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend an, die Eintragung für die in den Jahren 2003 und 2004 begangenen Verstöße, die mit 7 Punkten bewertet wurden, seien zu tilgen. Zwischen dem letzten Verstoß am 11. April 2007 und den vorausgehenden Verstößen lägen mehr als 2 ½ Jahre. Die Berechnung des Tilgungszeitpunkts verstoße ferner gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es würde willkürlich einerseits auf den Zeitpunkt der Tatbegehung und andererseits auf den Zeitpunkt der Rechtskraft abgestellt. Die Eintragung sei jedenfalls zu tilgen, wenn zwischen den Verstößen mehr als zwei Jahre lägen. Die Berechnung verstoße auch gegen das Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 GG). In dem letzten Bußgeldverfahren habe er im Vertrauen darauf, dass etwaige Verstöße getilgt worden seien, keine weiteren Rechtsmittel eingelegt. Das Amtsgericht Stralsund habe in seinem Urteil vom 29. November 2007 festgestellt, dass er nach Auskunft des Verkehrszentralregisters verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten sei. Im Übrigen werde der Eintritt der Tilgung durch die Regelung letztlich an die zufällige Verfahrensdauer geknüpft.

Der Kläger hat ursprünglich angekündigt zu beantragen, die Verwarnung und den Gebührenbescheid vom 7. Februar 2008 sowie den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2008 aufzuheben. Mit Schriftsatz vom 4. April 2008 hat der Kläger seinen Antrag „reduziert“, soweit er die Verwarnung betrifft.

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,
den Gebührenbescheid vom 7. Februar 2008 sowie den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, die Richtigkeit des Urteils des Amtsgerichts Stralsund vom 29. November 2007 dürfe aufgrund der Bindungswirkung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 StVG nicht mehr geprüft werden. Dass zum Zeitpunkt der Verhandlung am 29. November 2007 keine Voreintragungen im Verkehrszentralregister vorhanden gewesen seien, habe im Hinblick auf die Systematik des § 29 StVG nur so verstanden werden können, dass keine noch ungetilgten Eintragungen vorhanden gewesen seien, deren Tilgung indes im Hinblick auf die einjährige Überliegefrist – die erst am 17. November 2008 geendet habe – unter dem Vorbehalt der Tilgungshemmung nach § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG gestanden habe.

Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 18. März 2009 und 26. März 2009 auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Sachakte der Beklagten Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO). Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 23. Februar 2009 übertragen worden ist (vgl. § 6 Abs. 1 VwGO).

Das Gericht legt die Erklärung des Klägers, er wolle seinen Antrag – soweit er die Verwarnung betreffe – reduzieren, als teilweise Klagerücknahme aus (§ 88 VwGO). Insoweit ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Soweit der Kläger die Klage aufrechterhalten hat, ist diese als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Bescheide vom 7. Februar 2008 und 13. März 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Satz 1 StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 GebOSt sind für Amtshandlungen nach diesem Gesetz und nach den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften Kosten und Gebühren zu erheben. Voraussetzung einer Gebührenerhebung ist, dass die der Gebühr zugrundeliegende Amtshandlung ihrerseits rechtmäßig ist. Dies ist vorliegend der Fall. Die der Gebührenerhebung zugrundeliegende Verwarnung als gebührenpflichtige Amtshandlung im Sinne von § 6a StVG ist zu Recht erfolgt.

Nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde den Inhaber einer Fahrerlaubnis zu verwarnen, wenn gegen ihn 8, aber nicht mehr als 13 Punkte im Verkehrszentralregister erfasst sind. Zum Zeitpunkt des hier maßgeblichen Widerspruchsbescheides waren gegen den Kläger 10 Punkte erfasst. Zu Recht hat die Beklagte nämlich auch die Punkte hinsichtlich der Vorfälle vom 22. November 2003, 29. März 2004 und 2. Juni 2004 berücksichtigt. Diese waren noch nicht getilgt.

Zwar wäre für die vorletzte Eintragung betreffend den Vorfall vom 2. Juni 2004 gemäß § 29 StVG an sich mit Ablauf des 17. November 2007 Tilgungsreife eingetreten, weil für Ordnungswidrigkeiten nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVG eine Tilgungsfrist von zwei Jahren gilt, die gemäß § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG mit der Rechtskraft der Entscheidung beginnt. Eine Tilgung der vorgenannten Eintragung ist hier aber gemäß § 29 Abs. 6 Satz 2, Abs. 7 Satz 1 StVG in der durch Art. 11 des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) geänderten und seit dem 1. Februar 2005 geltenden Fassung zu Recht nicht erfolgt. Die Vorschrift des § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG sieht nunmehr eine Ablaufhemmung auch für den Fall vor, dass eine neue Tat vor Ablauf der Tilgungsfrist nach Abs. 1 begangen wird und bis zum Ablauf der einjährigen Überliegefrist zu einer weiteren Eintragung führt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat vor Eintritt der Tilgungsreife am 18. November 2007, nämlich am 11. April 2007, eine weitere Verkehrszuwiderhandlung begangen. Die daraufhin ergangene rechtskräftige Entscheidung ist am 18. Januar 2008 und damit innerhalb der einjährigen Überliegefrist eingetragen worden.

Der Anwendung des § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG steht – anders als der Kläger meint – nicht entgegen, dass die Tat vom 2. Juni 2004 noch vor Inkrafttreten der Neuregelung begangen worden ist. Die Rechtmäßigkeit eines Gebührenbescheides richtet sich nach dem im Zeitpunkt seines Erlasses (bzw. des Erlasses des Widerspruchsbescheides) geltenden Recht. Eine Übergangsregelung für Taten, die vor Inkrafttreten der Neuregelungen des § 29 Abs. 6 StVG begangen worden sind, gibt es nicht.

Gegen die Anwendbarkeit des § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Neuregelung steht insbesondere mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot im Einklang. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass die in Rede stehende Vorschrift keine echte Rückwirkung darstellt, da nicht gestaltend in einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt eingegriffen wird; die mit der Neuregelung verbundenen Änderungen bei der Tilgung der Eintragungen im Verkehrszentralregister sollen erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 eintreten und knüpfen lediglich tatbestandlich (auch) an Ereignisse vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens an. Eine solche unechte Rückwirkung erfordert nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfG Urt.v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 [182] ) eine Abwägung zwischen der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl und dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange.

Danach ergeben sich keine Bedenken. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung des § 29 Abs. 6 Satz 2, Abs. 7 StVG das Ziel, die Verteidigungsstrategie, Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten – notfalls durch die Einlegung von Rechtsmitteln – bis zur Tilgungsreife von Voreintragungen hinauszuzögern, zu verhindern (vgl. BT-Drs. 15/1508, S. 36 f.). Mit Eintritt der Rechtskraft erst nach Tilgungsreife der Voreintragung(en) konnte damit nämlich der Punktestand des Betroffenen auf Null reduziert werden. Gelang es, sogar die Hauptverhandlung erst nach der Tilgungsreife stattfinden zu lassen, so konnte darüber hinaus in denjenigen Fällen, in welchen die Bußgeldstelle eine gegenüber der Regelbuße erhöhte oder ggf. ein Fahrverbot nur deshalb verhängt hat, weil der Betroffene Voreintragungen hatte, die Ahndung wieder auf die für Ersttäter geltende Regelbuße reduziert und ggf. ein Fahrverbot verhindert werden (vgl. VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 10.10.2005 – Au 3 K 05.00864 – zitiert nach Juris; Pinkerneil, DAR 2005, 57 f.). Durch die neu eingeführte Tilgungshemmung und die auf ein Jahr verlängerte Überliegefrist wird diese Praxis erheblich erschwert bzw. unterbunden (vgl. auch VG Augsburg, a.a.O.). Die Neuregelung trägt somit zur Sicherheit des Straßenverkehrs bei, da nunmehr durch die Einflussnahme auf die Dauer von Ordnungswidrigkeitenverfahren keine „Gestaltung“ des Punktestandes mehr möglich ist und damit Gefahren, die von wiederholt gegen Verkehrsvorschriften verstoßenden Fahrzeugführern und -haltern ausgehen, begegnet wird. Demgegenüber fällt ein Vertrauen auf den Fortbestand der alten Rechtslage nicht erheblich ins Gewicht. Zunächst ist ein Vertrauen darauf, Verkehrsverstöße begehen zu können, ohne mit Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde rechnen zu müssen, per se nicht schutzwürdig (vgl. hierzu auch VG Augsburg, a.a.O.). Das Vertrauen des Klägers besteht im Übrigen vornehmlich darin, dass das Verkehrszentralregister zu einem bestimmten Zeitpunkt frei von Eintragungen sein würde; durch die Neuregelung wird dieser Zeitpunkt ggf. verzögert.

Diesem Gesichtspunkt kommt aber bereits deshalb keine besondere Bedeutung zu, weil es der Kläger durch zukünftiges vorschriftsmäßiges Verhalten im Straßenverkehr selbst in der Hand hat, weitere Eintragungen – und damit auch den Entzug der Fahrerlaubnis – zu vermeiden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Neuregelung am Tattag des 11. April 2007 bereits in Kraft getreten war. Schutzwürdiges Vertrauen ergibt sich zudem auch nicht im Hinblick auf das Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 29. November 2007. Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, er habe aufgrund der Urteilsbegründung – ausweislich derer eine Auskunft des Verkehrszentralregisters vom 5. Oktober 2007 ergeben habe, dass er verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten sei – auf die Löschung sämtlicher Eintragungen vertraut. Denn die vorgenannte Feststellung im Urteil des Amtsgerichts Stralsund entspricht der Vorschrift des § 29 Abs. 7 Satz 1 HS 1 StVG, wonach während der Überliegefrist der Inhalt von Eintragungen nicht übermittelt werden darf. Die Vorschrift dient dem Schutz des Betroffenen dahingehend, dass Eintragungen nach Eintritt der Tilgungsreife nicht mehr zu seinen Lasten – etwa im Rahmen der Strafzumessung – berücksichtigt werden können. Dementsprechend ergibt sich bereits aus der Gesetzessystematik, dass die Auskunft im Rahmen eines Bußgeldverfahrens gerade keine abschließende Aussage über den tatsächlichen Stand der Eintragungen im Verkehrszentralregister trifft. Der Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, hätte sich zur Vermeidung dieses Irrtums nur über die zu diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen informieren müssen und kann sich allein deshalb nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Hinzu kommt, dass der Kläger jederzeit bei dem Kraftfahrt-Bundesamt eine Auskunft über seinen tatsächlichen Punktestand hätte einholen können (vgl. § 29 Abs. 7 Satz 1 HS 2 StVG).

Die Bestimmungen in § 29 StVG über die Tilgung und Löschung von Eintragungen in das Verkehrszentralregister verstoßen auch nicht gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichheitssatz. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Gesetz hinsichtlich des Beginns der Tilgungsfrist auf den Tag der Rechtskraft der Entscheidung und hinsichtlich der Voraussetzungen der Ablaufhemmung gemäß § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG auf den Tattag und den Tag der Eintragung abstellt. Es fehlt insoweit bereits an vergleichbaren Sachverhalten, die Gegenstand einer Ungleichbehandlung sein könnten (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschl.v. 18.06.1975 – 1 BvL 4/74 –, BVerfGE 40, 121 [139]; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 9. Aufl., Art. 3 Rn. 4). Denn bei der Tilgungsfrist und ihrer Bemessung nach § 29 Abs. 1 und 4 StVG einerseits und der Ablaufhemmung während der Überliegefrist nach § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG andererseits handelt es sich um zwei klar voneinander abgrenzbare, vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsinstitute mit unterschiedlicher Funktion und Rechtsfolge. Die Tilgungsbestimmung geht vom Grundgedanken der Bewährung durch rechtmäßiges Verkehrsverhalten aus und bestimmt wertungsneutral in § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG den Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung als Beginn der Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 StVG. Die in § 29 Abs. 6 Satz 1 und 2 StVG bestimmte Ablaufhemmung trifft dagegen eine Sonderregel für den Fall, dass mehrere Eintragungen über eine Person vorliegen, wodurch eine Beurteilung des Verkehrsverhaltens von wiederholt auffällig gewordenen Kraftfahrern ermöglicht werden soll (Janker, in: Jagow/Burmann/Heß, StVR, 20. Aufl., § 29 StVG Rn. 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.



Datenschutz    Impressum