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Landgericht Saarbrücken Urteil vom 26.03.2010 - 13 S 243/09 - Die Fraunhofer-Studie ist eine geeignete Schätzgrundlage für den Mietwagennormaltarif

LG Saarbrücken v. 26.03.2010:Die Fraunhofer-Studie ist eine geeignete Schätzgrundlage für den Mietwagennormaltarif


Das Landgericht Saarbrücken (Urteil vom 26.03.2010 - 13 S 243/09) hat entschieden:
Die Erhebung "Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008" des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation erweist sich bei den hiesigen regionalen Verhältnissen als geeignete Grundlage für die Schätzung eines Normaltarifs zur Anmietung eines KFZ (Ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. etwa Urteil vom 16.10.2009, Az.: 13 S 171/09).


Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am ... auf der Landstraße ... in Richtung ... ereignete. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht außer Streit.

Umstritten ist lediglich der Ersatz der von der Klägerin verlangten Mietwagenkosten. Das Fahrzeug der Klägerin, ein Mazda 3 1,6 CD Sport Top, war infolge des Unfalls nicht mehr fahrbereit. Für den Zeitraum 31.10. bis 12.11.2008 mietete die Klägerin bei der Firma ... einen Mazda 2 1,4 Active an. Ihr wurden Mietwagenkosten in Höhe von 1.817,43 Euro berechnet, die sich aus 13 x Vermietung gemäß Normalpreisliste in Höhe von 1.365,- EUR abzüglich Langzeitrabatt 15 % in Höhe von 204,75 EUR, 13 x Vollkasko in Höhe von 312,- EUR und Zustellung/Abholung in Höhe von 55,- EUR, jeweils zuzüglich 19 % MwSt, zusammensetzen. Die Beklagte erstattete der Klägerin hierauf lediglich einen Betrag von 569,46 Euro. Die Klägerin begehrt mittels Klage die restlichen Mietwagenkosten in Höhe von 1.247, 97 Euro nebst Zinsen.

Die Klägerin hat behauptet, die geltend gemachten Mietwagenkosten seien erforderlich im Sinne des § 249 BGB gewesen. Das verunfallte Fahrzeug der Klägerin habe der Klasse 5 nach Schwacke-Mietpreisspiegel 2006, das angemietete Fahrzeug habe der Klasse 4 angehört. Die berechneten Mietwagenkosten lägen im Rahmen des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 für das Postleitzahlengebiet .... Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 sei als geeignete Schätzgrundlage der gerichtlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO zugrunde zu legen. Anhaltspunkte, dass der Klägerin ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich gewesen wäre, seien von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Die Beklagte hat behauptet, die Mietwagenkosten seien der Höhe nach übersetzt. Die von der Beklagten erfolgte Zahlung in Höhe von 569,46 Euro entspreche dem gemäß § 249 BGB erforderlichen Aufwand. Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 sei als Schätzgrundlage nicht verwertbar, da er strukturelle Schwächen aufweise. Als Schätzgrundlage zugrunde zu legen sei vielmehr die Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeit, Wirtschaft und Organisation Stuttgart. Diese lege für das Postleitzahlengebiet ... bei Internetanbietern in der Mietwagengruppe 5, der das klägerische Fahrzeug entspreche, für eine 14-tägige Anmietung einen Betrag von 569,46 Euro zugrunde. Hiervon habe sich die Klägerin eine Eigenersparnis von 10 % in Abzug bringen zu lassen. Die Klägerin habe darzulegen, dass ihr kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen sei. Bei der Rechnung der Firma ... sei unverständlich, warum 13 Tage berechnet worden seien, da das Fahrzeug seitens der Klägerin am 13. Tag bereits um 10:00 Uhr zurückgegeben worden sei.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es führt im Urteil aus, eine Schadenschätzung sei gemäß § 287 ZPO auch auf der Grundlage von Listen und Tabellen möglich. Der Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 stelle insoweit eine geeignete Schätzgrundlage dar. Der Mietpreisspiegel sei dem Gericht von der beweisbelasteten Klägerin jedoch trotz Hinweises nicht zugänglich gemacht worden, auch sei kein weiterer Beweis für die Angemessenheit der geltend gemachten Kosten angeboten worden. Da die Klägerin mithin beweisfällig geblieben sei, sei die Klage abzuweisen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren aufrecht erhält. Sie behauptet, die von ihr vorgetragenen Mietpreise nach Schwacke seien von der Beklagten nicht bestritten worden. Damit sei eine Beweisbedürftigkeit entfallen. Zumindest aber hätte das Gericht nochmals einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Einreichung der Liste erteilen müssen, da der Hinweis lediglich im Rahmen der Güteverhandlung erfolgt sei. Im Übrigen werde nunmehr Sachverständigenbeweis dazu angeboten, dass die Mietwagenkosten unfallbedingt erforderlich gewesen seien. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.


II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet soweit die Klägerin Zahlung von 210,65 EUR zuzüglich Zinsen begehrt.

1. Im Ansatz zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Geschädigte eines Verkehrsunfalls auf der Grundlage von §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG vom Haftpflichtversicherer des Schädigers nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGHZ 160, 377, 383 f ). Ein höherer Tarif als der Normaltarif ist nur erstattungsfähig, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadenbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH aaO). In diesem Fall muss der Geschädigte darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen kein wesentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – zugänglich war (vgl. BGH VersR 2007, 516, m.w.N.).

2. Mit Recht wendet sich die Berufung indes gegen den Ansatz des Erstgerichts zur Ermittlung des zu ermittelnden Normaltarifs. Anders als das Amtsgericht im Wege der grundsätzlich zulässigen Schätzung ( § 287 ZPO ) festgestellt hat, bewegen sich die in Rechnung gestellten Mietwagenkosten nicht im Bereich des Normaltarifs, also des Tarifs der regelmäßig für Selbstzahler Anwendung findet und daher unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird (vgl. hierzu BGH VersR 2005, 239). An der dahingehenden Feststellung des Amtsgerichts, das zur Bemessung des Normaltarifs den Schwacke Mietpreisspiegel 2006 zugrunde gelegt hat, hegt die Kammer, wie sie bereits wiederholt ausgeführt hat (vgl. zuletzt etwa Urteil vom 26.02.2010 – 13 S 240/09 m.w.N.) durchgreifende Zweifel. a) Erhebliche Bedenken gegen die Eignung des Schwacke Mietpreisspiegels zur Abbildung des regionalen Marktes werden im vorliegenden Fall bereits dadurch begründet, dass der Wochentarif für die hier maßgebliche Klasse 5 am Sitz der Geschädigten von 413,- Euro im Jahr 2003 um rund 36 % auf 560,- Euro im Jahr 2006 angestiegen ist. Dieser Preissprung lässt sich mit der allgemeinen Preisentwicklung im Bereich Verkehr nicht mehr überzeugend in Einklang bringen (vgl. Richter VersR 2007, 620).

b) Überdies leidet die offene Preiserhebung des Schwacke-Mietpreisspiegels an einem grundlegenden, strukturellen Problem, das grundsätzlich gegen dessen Eignung als verlässliche Schätzungsgrundlage für die üblichen Mietwagenpreise in der hier maßgeblichen Region spricht. Die zugrunde liegenden offenen Erhebungen lassen den Verwendungszweck der Preisanfragen klar erkennen und unterliegen damit der besonderen Manipulationsgefahr (vgl. OLG Köln NJW-RR 2009, 1678 ff.; OLG Jena RuS 2009, 181; OLG München RuS 2008, 439; LG Fulda, Urteil vom 19.6.2009 - 1 S 15/09; vgl. weitere Nachweise bei BGH NJW 2009, 58 ff.). Dass demgegenüber von Teilen der Rechtsprechung auch weiterhin auf den Schwacke-Mietpreisspiegel zurückgegriffen wird und der Bundesgerichtshof wiederholt die grundsätzliche Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 als Schätzungsgrundlage zur Ermittlung des Normaltarifs im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens gem. § 287 ZPO bejaht hat (vgl. zuletzt etwa BGH, Urteile vom 2.2.2010 – VI ZR 139/08 und VI ZR 7/09 ), führt vorliegend zu keiner anderen Bewertung. Der Bundesgerichtshof hat insoweit stets darauf hingewiesen, dass die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, der Klärung bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken ( BGH, Urteil vom 2.2.2010 – VI ZR 7/09 m.w.N.). So liegt es hier für den hiesigen regionalen Bereich. Neben den bereits oben dargelegten, die Eignung des Schwacke Mietpreisspiegels im Streitfall in Frage stellenden Umständen, führt eine offene Erhebung in der hier maßgeblichen Region auch tatsächlich zu deutlich überhöhten Tarifangaben. Wie die Kammer bereits wiederholt ausgeführt hat, ergibt sich dies aus verschiedenen Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen ... und ... in unterschiedlichen Verfahren (vgl. die Nachweise im Urteil vom 26.2.2010 aaO), in denen die Sachverständigen – gerichtlich beauftragt – nach einem Verkehrsunfall jeweils die üblichen Mietwagenpreise im Saarland ermittelt haben und dabei bei offener Anfrage von den saarländischen Mietwagenunternehmen bis nahezu doppelt so hohe Preisangaben erhielten wie bei der anschließenden verdeckten Anfrage (vgl. die Nachweise im Urteil vom 26.2.2010 aaO). Vor diesem Hintergrund erscheint der Schwacke Mietpreisspiegel in der hiesigen Region nicht als geeignete Schätzungsgrundlage.

c) Als eine solche erweist sich dagegen die Erhebung „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation aus dem Jahr 2008, der gerade eine verdeckte Datenerhebung zugrunde lag. Zwar werden auch von Teilen der Rechtsprechung (vgl. etwa Saarländisches Oberlandesgericht aaO; OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 1540 ff.; vgl. aber auch OLG Stuttgart NJW-Spezial 2009, 570) Einwendungen gegen die Erhebung des Fraunhofer-Instituts vorgebracht, die sich teilweise auch nach Auffassung der Kammer als beachtenswert erweisen. Den berechtigten Einwendungen kann jedoch nach Auffassung der Kammer angemessen Rechnung getragen werden, ohne dass die generelle Eignung der Fraunhofer-Erhebung als Ausgangspunkt für die Ermittlung des hier maßgeblichen regionalen Marktpreises entfiele.

aa) Dass der Auftrag für die Studie vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. erteilt wurde, kann angesichts der angewandten, transparenten und nachvollziehbaren Methoden keinen relevanten Einwand gegen den Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland begründen.

bb) Auch der Umstand, dass die Fraunhofer-Studie Aufschläge und Zuschläge für Sonderleistungen sowie Nebenkosten – mit Ausnahme der bereits berücksichtigten Kosten für eine Haftungsreduzierung mit typischer Selbstbeteiligung sowie unbegrenzte Laufleistung – bewusst zu vermeiden sucht, spricht nicht generell gegen die Verwendung der Fraunhofer-Studie. Insoweit besteht die Möglichkeit, im Einzelfall konkret notwendige Zuschläge hinzuzusetzen, wie dies auch bei Verwendung der Schwacke-Liste geschieht.

cc) Soweit teilweise beanstandet wird, dass die Erhebung des Fraunhofer-Instituts nicht auf dreistellige, sondern auf zweistellige Postleitzahlengebiete abstellt, wird die damit verbundene Pauschalierung zur Überzeugung der Kammer für den hier maßgeblichen regionalen Markt durch die Sicherstellung einer höheren statistischen Relevanz weitgehend ausgeglichen, ohne dass der Bezug zum regionalen Markt verloren ginge. So bestehen etwa im vorliegenden Fall Bedenken hinsichtlich der statistischen Relevanz der Schwacke-Erhebung, die sich im hier maßgeblichen PLZ-Bereich ... (... und Umgebung) im Jahr 2008 auf drei bzw. fünf Nennungen und im Jahr 2009 auf drei Nennungen stützt. Verstärkt werden die Bedenken noch dadurch, dass benachbarte PLZ-Bereiche laut Schwacke teilweise deutlich schwankende Normaltarife ausweisen, wie der Kammer aus einem anderen Verfahren bekannt ist (Urt. der Kammer vom 26.2.2010 – 13 S 240/09).

dd) Soweit kritisiert wird, die Studie habe einen für Unfallsituationen untypischen Anmietzeitpunkt mit einer Woche Vorlauf gewählt, hat das Fraunhofer IAO in einer Untersuchung festgestellt, dass der Anmietzeitpunkt nur in äußerst seltenen Fällen einen Einfluss auf den Preis hat (Marktpreisspiegel Mietwagen-Deutschland 2008, S. 15), im Einzelfall jedoch zu einem Preisanstieg von bis zu 4,2 % führen kann. In seiner Erhebung 2009 kommt das Fraunhofer IAO zu dem Ergebnis, dass eine sofortige Anmietung im Durchschnitt zu einer Preiserhöhung von lediglich 2,1 % führt (Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2009, S. 97 f.).

ee) Schließlich wird gegen die Studie des Fraunhofer IAO vorgebracht, dass Internet-Angebote, die nicht jedermann zugänglich seien, in die Preisermittlung eingeflossen seien. Da die Internet-Angebote ausweislich der Erhebungen des Fraunhofer IAO jedoch nicht als Sondermarkt mit grundsätzlich günstigeren Tarifen eingestuft werden können und sie die Marktpreise insgesamt beeinflussen, sieht die Kammer keine Bedenken dagegen, dass Internet-Angebote grundsätzlich Berücksichtigung finden. Ohne dass die Gewichtung von Telefon- und Internetangeboten im Einzelnen der Überprüfung bedürfte, haben die Ergebnisse des Fraunhofer IAO jedenfalls gezeigt, dass die Unterschiede zwischen beiden Kategorien sich in einem begrenzten Rahmen halten. So lagen etwa für die hier maßgebliche Klasse 5 bei einer Anmietdauer von einer Woche die telephonisch eingeholten Angebote 2008 um 16,7 % (Marktmietpreisspiegel Mietwagen 2008, S. 95) und 2009 um 2,7 % (Marktmietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2009, S. 109) über den Internet-Angeboten. In den meisten anderen Kategorien fallen die Unterschiede deutlich geringer aus. Der größte Unterschied lag 2008 in Klasse 6 bei einer Differenz von 17,1 %. In Klasse 8 lag der Mittelwert für Internet-Angebote umgekehrt sogar um 1,5 % über dem der Telefon-Angebote.

ff) Die hiernach verbleibenden Einwendungen gegen die Fraunhofer-Studie sind nach Einschätzung der Kammer zwar beachtlich, da die ermittelten Werte tendenziell unter den für einen Unfallgeschädigten typischerweise realisierbaren Mietkosten liegen. Sie führen nach Auffassung der Kammer jedoch für den hier maßgeblichen regionalen Markt nicht zur gänzlichen Ungeeignetheit der Erhebung des Fraunhofer-Instituts als Grundlage für eine Marktpreisermittlung. Vielmehr erscheint der Kammer im Wege des nach § 287 ZPO gebotenen Schätzungsermessens ein Zuschlag von rund 15 % auf die vom Fraunhofer-Institut ermittelten Normaltarife als angemessen. Dieser Zuschlag berücksichtigt neben örtlichen Schwankungen zum einen den zu erwartenden Preisanstieg für die sofortige Verfügbarkeit eines Mietwagens, zum anderen den Umstand, dass Telefon-Angebote durchschnittlich etwas teurer als Internet-Angebote sind. Dass die Erhebung des Fraunhofer-Instituts – zumal unter Anwendung eines solchen Zuschlags – im hier maßgeblichen regionalen Markt nicht zu irreal niedrigen Tarifen führt, wird auch durch die bereits oben aufgezeigten Gutachten der Sachverständigen ... und ... bestätigt. Die von ihnen bei anonymer Anfrage regional ermittelten Mietwagenkosten liegen im Bereich dessen, was das Fraunhofer-Institut festgestellt hat.

gg) Da die Kammer in mehreren Prozessen aufgrund einer Auswertung beider Erhebungen sowie unter Berücksichtigung der oben zitierten Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel Werte enthält, die den hier maßgeblichen regionalen Marktpreis nur unvollkommen abbilden, während die ermittelten Preise der Fraunhoferstudie jedenfalls den hiesigen regionalen Markt sehr viel realistischer wiedergeben, sieht sich die Kammer auch daran gehindert, den marktüblichen Normaltarif aus einem arithmetischen Mittel beider Erhebungen zu gewinnen, wie es teilweise favorisiert wird (vgl. etwa Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22.12.2009 – 4 U 294/09 – 83 ). Insofern hat die Kammer Bedenken, auf eine Tabelle als Schätzungsgrundlage nach § 287 ZPO zurückzugreifen, die nach den bisherigen Erkenntnissen für die Zwecke der vorzunehmenden Schätzung im hiesigen regionalen Bereich nicht geeignet ist.

3. Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin über die bereits erbrachten Zahlungen hinaus lediglich weitere 210,65 EUR ersetzt verlangen, da sie ihr Fahrzeug nicht zum Normaltarif anmietete und sie auch nicht nachgewiesen hat, dass ihr eine Anmietung zum Normaltarif nicht möglich war.

a) Die Klägerin hat vorliegend nicht zu den Bedingungen eines Normaltarifs angemietet, auch wenn der von ihr in Anspruch genommene Tarif seitens des Mietwagenunternehmens als solcher bezeichnet wurde. Unter Anwendung des Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2008 des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation hätte die Klägerin unter Zugrundelegung einer Anmietdauer von 13 Tagen im Postleitzahlengebiet ... bei Zugrundelegung der (tatsächlich in Anspruch genommenen) Fahrzeugklasse 4 lediglich 1 x 265,90 EUR (7-Tage-Preis) und 2 x 184,49 EUR (3-Tage-Preis) = 634,88 EUR zzgl. pauschal 15 % (95,23 EUR), entsprechend insgesamt 730,11 EUR zahlen müssen. Daneben sind Kosten für Zustell- und Abholservice in Höhe von 50,- EUR erstattungsfähig. Es ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin geringere Kosten entstanden wären, wenn sie das Fahrzeug selbst abgeholt und zurückgebracht hätte. Die erstattungsfähigen Kosten sind insoweit, mangels anderer verfügbarer Grundlage, auf die Bundesdurchschnittswerte des Schwacke-Mietpreisspiegels 2006 zu begrenzen. Die Kosten für die gewährte Vollkaskoversicherung sind demgegenüber nicht erstattungsfähig, da sie in den vom Fraunhofer Institut ermittelten und der Schadensberechnung zugrunde zu legenden Mietwagenpreisen bereits enthalten sind (Mietpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008, Seite 16). Insgesamt ergaben sich damit nach dem Normaltarif ersatzfähige Mietwagenkosten der Klägerin in Höhe von 780,11 EUR. Abzüglich bereits gezahlter 569,46 EUR verbleibt ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 210,65 EUR.

b) Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorzunehmen. Richtig ist zwar, dass die ersparten Kosten des eigenen Fahrzeugs im Wege des Vorteilsausgleichs von den Mietwagenkosten abzuziehen sind, wenn ein Mietwagen nicht nur für kurze Zeit und für eine unterdurchschnittliche Fahrstrecke in Anspruch genommen wird ( BGH NJW 1963, 1399). Mietet der Geschädigte jedoch wie hier ein klassentieferes Fahrzeug an und vermeidet dadurch Mietwagenkosten in Höhe der ersparten Eigenbetriebskosten, braucht er keinen Abzug hinzunehmen, da die Vorteilsausgleichung den Schädiger nicht unbillig entlasten soll ( OLG Hamm NJW-RR 1999, 1119 m.w.N.).

c) Soweit die Beklagte die Mietwagenkosten des 13. Tages mit der Begründung angreift, das Fahrzeug sei bereits um 10:00 Uhr zurückgegeben worden, vermag dies nicht zu überzeugen. Aus der Mietwagenrechnung vom 17.11.2008 ergibt sich, dass das Fahrzeug am 31.10.2008 um 08:00 Uhr übernommen und am 12.11.2008 um 10:00 Uhr zurückgegeben wurde. Da halbe Tage oder auch nur Stundentarife von Mietwagenunternehmen üblicherweise nicht angeboten werden, bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Mietwagenunternehmen hier für den 13. Tag der Vermietung, der bereits angebrochen war, ebenfalls in vollem Umfang Mietzins berechnet hat.

d) Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren erstmals vorsorglich zum Nachweis der Richtigkeit ihrer Behauptung, die entstandenen Mietwagenkosten seien unfallbedingt erforderlich gewesen, die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hat, sieht die Kammer ungeachtet der Frage, ob dieses Beweisangebot gem. § 531 ZPO überhaupt zulässig ist, für die Einholung eines solchen Gutachtens keine Veranlassung. Denn im Rahmen der gerichtlichen Schadenschätzung nach § 287 ZPO steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, die Begutachtung durch einen Sachverständigen anzuordnen. Können – wie hier – für die Schätzung geeignete Listen und/oder Tabellen Verwendung finden, bedarf es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht.

e) Die Klägerin – der entgegen ihrer Auffassung insoweit die Darlegungslast obliegt – kann sich im Übrigen nicht darauf berufen, dass ihr in der konkreten Unfallsituation kein günstigerer Normaltarif zugänglich gewesen sei. Dass sie ihrer Verpflichtung, sich vor der Anmietung nach dem Mietpreis und günstigeren Angeboten zu erkundigen ( BGH NJW 2008, 15, 19 f; VR 2006, 986; VR 2005, 850, 851), nachgekommen wäre, ist nicht vorgetragen. Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine Not- und Eilsituation, die ein sofortiges Anmieten ohne Nachfrage gerechtfertigt hätte, vorgelegen hätte. Überdies zeigt die Klägerin keine Besonderheiten im hier maßgeblichen regionalen Markt auf, die es generell erlaubt hätten, das Einholen von Vergleichsangeboten zu unterlassen.


III.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, die Kostenentscheidung auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts ( § 543 Abs. 2 ZPO ).



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