Das Verkehrslexikon

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VGH Mannheim Beschluss vom 30.10.1991 - 10 S 2544/91 - Zur Frage, wer im Sinne des § 31a StVZO der Halter eines Fahrzeugs ist

VGH Mannheim v. 30.10.1991: Zur Frage, wer im Sinne des § 31a StVZO der Halter eines Fahrzeugs ist


Der VGH Mannheim (Beschluss vom 30.10.1991 - 10 S 2544/91) hat entschieden:
Halter im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften ist, wer ein Kraftfahrzeug für eigene Rechnung benutzt und die Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt. Ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat derjenige, der die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten dafür bestreitet. Die rechtlich vorausgesetzte Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Ziel und Zeit seiner Fahrten selbst bestimmen kann. Entscheidend ist nicht, in welche rechtlichen Bezüge das Fahrzeug hineingestellt ist. Vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeugs ankommt. Dies schließt indes nicht aus, dass bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage - Fahrtenbuch führen und Fahrzeughalter


Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig. Sie ist auch begründet. Anders als das Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 15.7.1991 das Interesse des Antragstellers überwiegt, einstweilen kein Fahrtenbuch für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... führen zu müssen. Soweit sich dies mit den beschränkten Erkenntnismitteln des summarischen Verfahrens beurteilen lässt, haftet der angefochtenen Fahrtenbuchauflage kein Mangel an, der die Rechtmäßigkeit in Frage stellt.

Nach § 31 a StVZO kommt als Adressat der Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, nur der Fahrzeughalter in Betracht. Beim derzeitigen Erkenntnisstand wiegen die Gesichtspunkte, die dafür sprechen, dass die Verfügung vom 15.7.1991 dieser Regelung Rechnung trägt, schwerer als die vom Antragsteller dagegen erhobenen Bedenken. Freilich lässt sich nicht mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit, den das Landratsamt erhebt, der Grundsatz aufstellen, dass als Halter derjenige anzusehen ist, auf dessen Namen ein Fahrzeug zugelassen ist. Der Halterbegriff hat nicht nur für die Haftungsvorschrift des § 7 StVG Bedeutung. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil v. 20.2.1987, Buchholz 442.16 § 23 StVZO Nr. 3) ist vielmehr geklärt, dass er einheitlich für das gesamte Straßenverkehrsrecht gilt (vgl. z. B. § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 5 S. 1, § 23 Abs. 5, § 24 S. 3, § 27 Abs. 1 und 5, § 29, § 31 Abs. 2, § 47 a Abs. 1 und 5 sowie § 57 b StVZO; vgl. ferner § 1 PflVG). § 31 a StVZO macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Auch er knüpft nicht an die Zulassung, sondern an die Haltereigenschaft an. Hieran ändert der vom Landratsamt hervorgehobene Umstand nichts, dass es mitunter Schwierigkeiten bereiten kann, den Halter zu ermitteln.

Halter im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften ist, wer ein Kraftfahrzeug für eigene Rechnung benutzt und die Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1983, BGHZ 87, 133; BVerwG, Urteile v. 16.2.1968, BVerwGE 29, 136, und v. 20.2.1987, a.a.O.). Ein Fahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat derjenige, der die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten dafür bestreitet. Die rechtlich vorausgesetzte Verfügungsgewalt übt derjenige aus, der Ziel und Zeit seiner Fahrten selbst bestimmen kann (vgl. BayObLG, Beschl. v. 23.4.1976, DAR 1976, 219). Entscheidend ist nicht, in welche rechtlichen Bezüge das Fahrzeug hineingestellt ist. Vielmehr ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angebracht, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeugs ankommt (vgl. BGH, Urteil v. 22.3.1983, a.a.O.). Dies schließt indes nicht aus, dass bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist. Den verkehrsrechtlichen Vorschriften lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber den im Fahrzeugregister enthaltenen Eintragungen bei der Halterbestimmung erhebliches Gewicht beimisst. Der durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28.1.1987 eingefügte § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVG legt ebenso wie § 32 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StVG die Annahme nahe, dass der Fahrzeughalter mit demjenigen identisch ist, dem ein Kennzeichen für das Fahrzeug zugeteilt oder ausgegeben wird. Diese Verknüpfung ist schon deshalb sinnvoll, weil das Straßenverkehrsrecht nahezu alle aus der Zulassung und dem Betrieb eines Fahrzeugs folgenden Pflichten ausdrücklich dem Halter auferlegt. Das Fahrzeugregister dient, wie aus § 32 Abs. 2 StVG erhellt, nicht zuletzt dem Zweck, jederzeit schnell und zuverlässig Auskunft über das Fahrzeug und seinen Halter zu geben. Dies schließt freilich nicht aus, dass nachträglich infolge einer Änderung der tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Haltereigenschaft vom Zulassungsinhaber auf einen anderen Verantwortlichen übergehen kann (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.2.1987, a.a.O.).

Anzeichen, die hinreichend verlässlich darauf hindeuten, dass die Registereintragung zur Halterermittlung nichts Wesentliches beizutragen vermag, sind indes bei dem Pkw mit dem Kennzeichen ... nicht vorhanden. Der Antragsteller räumt ein, dass dieses Fahrzeug in Übereinstimmung mit den von ihm im Zulassungsantrag gemachten Angaben auf ihn zugelassen wurde. Er bestreitet auch nicht, eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen und damit der Pflicht genügt zu haben, die § 1 PflVG dem Halter des Fahrzeugs auferlegt. Irrelevant ist, dass bei ihm offenbar nicht sämtliche für die Haltereigenschaft wesentlichen Beurteilungselemente zusammenfallen. Mehrere Personen können zugleich Halter sein. In diesem Falle versteht sich von selbst, dass die für die Haltereigenschaft wesentlichen Merkmale nicht gebündelt in einer von ihnen vereinigt sein können. Keine entscheidende Rolle spielt, dass nicht der Antragsteller, sondern sein Bruder ... Eigentümer des Pkw ist. Die Eigentumsverhältnisse können zwar gewisse Rückschlüsse zulassen, ihnen kommt jedoch allenfalls Indizwirkung zu, da schwergewichtig auf die in erster Linie durch wirtschaftliche Momente geprägte tatsächliche Situation abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 16.2.1968, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 16.7.1975, DAR 1976, 25). Auch der Einwand, das Fahrzeug, mit dem am 9.3.1991 der Verkehrsverstoß begangen wurde, nicht für eigene Rechnung in Gebrauch zu haben, greift beim derzeitigen Stand der Dinge nicht durch. Der Antragsteller beteuert zwar, die Verfügungsgewalt über dieses Kfz, mit dem er selbst noch nie gefahren sei, stehe allein seinem Bruder ... zu. Von der Richtigkeit dieser Behauptung vermag der Senat sich jedoch nicht zu überzeugen. Die Angaben des Antragstellers stehen in offenbarem Widerspruch zu den tatsächlichen Gegebenheiten. Auch durch die Bekundungen seiner Mutter werden sie eher widerlegt als bestätigt. Nach seinem eigenen Vortrag kann es nicht zutreffen, dass der Pkw dem jederzeitigen Zugriff seines Bruders ... ausgesetzt ist. Als Fahrzeugstandort nennt er selbst seinen Wohnsitz .... Dort aber ist der Pkw dem Einflussbereich des Bruders ..., der sich zur Ableistung seines Wehrdienstes vorwiegend im Raum ... aufhält, weitgehend entzogen. Die Möglichkeit, sich des Fahrzeugs tatsächlich zu bedienen, haben vorzugsweise die Familienmitglieder, die sich ständig in ... aufhalten. Die Benutzung mag davon abhängig sein, dass der Bruder als Eigentümer in sie einwilligt. An den tatsächlichen Zuordnungsverhältnissen ändert sich hierdurch jedoch nichts. Dass auch der Antragsteller aus dieser Situation für sich Nutzen zieht, folgert der Senat aus der von seiner Mutter im Rahmen der polizeilichen Anhörung gemachten Angabe, das Fahrzeug werde im Regelfall von allen Familienangehörigen, also unter Einschluss des Antragstellers, gefahren. An diese faktische Nutzungsmöglichkeit anzuknüpfen, verbietet sich nicht deshalb, weil der Antragsteller in Abrede stellt, die Kosten für die Fahrzeugunterhaltung zu bestreiten. Er beteuert, die fixen Kosten würden von seinem Bruder ... getragen. Er hat indes keine Belege beigebracht, die es ermöglichen, die Richtigkeit seiner Angaben zu überprüfen. Auf wessen Rechnung die Kfz-Steuer geht, ist nicht dargetan. Der Antragsteller hat sich bisher damit begnügt, einen Kontoauszug vorzulegen, dem zu entnehmen ist, dass sein Bruder eine Kfz-Versicherungsprämie überwiesen hat. Damit ist jedoch noch nicht der Nachweis erbracht, dass die Versicherungskosten laufend zu Lasten seines Bruders gehen. Nicht zu übersehen ist, dass der von ihm zu den Akten gegebene Einzelbeleg vom 13.6.1991 stammt und mithin eine Zahlung dokumentiert, die zu einer Zeit erbracht wurde, als er nach Einleitung des mit Verfügung vom 15.7.1991 abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens allen Anlass hatte, dem Eindruck entgegenzuwirken, er sei der Halter des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen .... Es bleibt dem Antragsteller überlassen, glaubhaft zu machen, dass es sich bei der Überweisung vom 13.6.1991 um mehr als einen isolierten Einzelbeitrag seines Bruders zu den Betriebskosten des Pkw handelte. Auch die vom Landratsamt mitgeteilte zwischenzeitliche Umschreibung des Fahrzeugs auf ... nötigt zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie kann freilich ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass der Antragsteller sich jedenfalls seit dem 15.10.1991 nicht mehr darauf verweisen lassen muss, im Sinne der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften Halter des Kfz mit dem Kennzeichen ... zu sein. Letztlich wird sich indes erst dann, wenn anhand von aussagekräftigen Belegen nachvollziehbar ist, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse entwickelt haben, ein Urteil darüber abgeben lassen, ob die Umschreibung einen realen Hintergrund hat oder lediglich taktische Erwägungen widerspiegelt.

Auch die übrigen gegen die Verfügung vom 15.7.1991 erhobenen Einwände geben keinen Anlass, den Antragsteller von der ihm auferlegten Verpflichtung vorläufig freizustellen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 a StVZO sind erfüllt. Es hat sich trotz erheblichen Ermittlungsaufwandes nicht aufklären lassen, auf wessen Konto die Verkehrsverfehlung vom 9.3.1991 geht. Obwohl in die Untersuchungen außer dem Antragsteller auch der Bruder ... und die Mutter einbezogen wurden, blieben die Nachforschungen nach dem verantwortlichen Fahrzeugführer erfolglos.

Es deutet nichts darauf hin, dass das Landratsamt von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerhaften Gebrauch gemacht haben könnte. Es hat nicht verkannt, dass nur eine gewichtige Zuwiderhandlung gegen eine Verkehrsvorschrift eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt. Mit dem Fahrzeug ... wurde am 9.3.1991 auf der Bundesstraße ... die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 27 km/h überschritten. Eine solche Überschreitung kann, auch wenn es sich um einen erstmaligen Verstoß handelte und kein anderer Verkehrsteilnehmer konkret gefährdet wurde, nicht als so geringfügig abgetan werden, dass kein Bedürfnis vorhanden ist, mit Hilfe einer Fahrtenbuchauflage für die nähere Zukunft sicherzustellen, dass präventive Maßnahmen, die sich im Interesse der Verkehrssicherheit als erforderlich erweisen, uneingeschränkt greifen können (vgl. BVerwG, Urteil v. 17.12.1982, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12, sowie Senatsbeschl. v. 9.4.1991, NZV 1991, 328).

Schließlich verstößt die angefochtene Fahrtenbuchauflage nicht deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sich ihre Geltungsdauer auf ein Jahr erstreckt. Erscheint der Verkehrsbehörde zur Erreichung des mit § 31 a StVZO erstrebten Zwecks bei einem Verkehrsverstoß, der unbeschadet des Merkmals der Erstmaligkeit von einem beachtlichen Mangel an Verkehrsdisziplin zeugt, ein Zeitraum von einem Jahr ausreichend, aber auch notwendig, so halten sich die Belastungen, die sich hieraus für den Betroffenen ergeben, in aller Regel noch im Rahmen des Zumutbaren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.6.1989, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 20, sowie Senatsurteil v. 18.6.1991 - 10 S 938/91 -). Dass der Fall des Antragstellers durch Besonderheiten geprägt ist, die eine abweichende Würdigung nahelegen, ist weder vorgetragen worden noch sonst aus den Umständen ersichtlich.