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Landgericht Heidelberg Urteil vom 17.12.2009 - 23 C 384/09 - Zur Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels für die Ermittlung des Mietwagen-Normaltarifs

LG Heidelberg v. 17.12.2009: Zur Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels für die Ermittlung des Mietwagen-Normaltarifs


Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 17.12.2009 - 23 C 384/09) hat entschieden:
Das Gericht hält die Schwacke-Liste mangels Vorliegens besserer Mietpreiserhebungen jedoch nach wie vor für eine hinreichende Schätzgrundlage. Die Mietpreisliste ist aufgrund ihrer lokalen Preiserhebung und der Vielzahl der ermittelten Preise der Mietpreisliste des Fraunhofer Institutes vorzuziehen, der zwar die realistischere Preiserhebungsmethodik zugute zu halten ist die aber auf der anderen Seite die Vielzahl lokaler Autovermieter bei der Erhebung der Mietpreise vernachlässigt hat.


Siehe auch Mietwagenkosten und Unfallersatztarif


Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der beklagten Versicherung aus abgetretenem Recht den Ersatz restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 918,39 €.

Am 31.05.2008 ereignete sich in Heidelberg ein Verkehrsunfall zwischen dem PKW des Herrn … und dem PKW des Herrn …, welcher bei der Beklagten versichert ist. Die Eintrittspflicht der Beklagten für sämtliche aus diesem Verkehrsunfall resultierenden Schadensersatzansprüche ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der geschädigte Herr … mietete sich in Folge des Unfalls bei der Klägerin für die Dauer von 13 Tagen ein Ersatzfahrzeug zum Preis von 1 675,27 €. Seine Ersatzansprüche gegen die Beklagte trat der Geschädigte in Höhe dieser Mietwagenkosten an die Klägerin ab. Die Abtretung wurde der Beklagten mit Schreiben vom 02.06.2008 angezeigt.

Die Beklagte übernahm daraufhin lediglich Mietwagenkosten in Höhe von 756,88 € und lehnte eine weitergehende Zahlung an die Klägerin ab. Die Parteien streiten sich daher um den Differenzbetrag in Höhe von 918,39 €.

Die Klägerin geht davon aus, dass die Mietwagenkosten, die nur geringfügig über dem Normaltarif nach der Schwacke-Liste liegen, vollumfänglich von der Beklagten zu zahlen seien.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 918,39 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 04.08.2008 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert.

Weiterhin geht die Beklagte davon aus, dass die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten deutlich über dem Normaltarif lägen und daher nicht als ein zur Schadensbehebung erforderlicher Betrag anzusehen seien. Diese Ansicht stützt die Beklagte auf eigene Ermittlungen, sowie auf den „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nicht mittels der „Schwacke-Liste“, sondern unter Zugrundelegung des „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer IAO zu ermitteln seien.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadenersatzanspruch aus abgetretenem Recht gem. § 115 I Nr. 1 VVG i.V.m. §§ 7 I, 17 StVG, § 823 I BGB i.V.m. § 398 BGB in Höhe von 866,75 € zu.

1. Die Klägerin ist zur Geltendmachung der restlichen Mietwagenkosten aktivlegitimiert Gegen die Wirksamkeit der auf A.S. 19 in Kopie vorgelegten Abtretungserklärung zwischen Herrn … und der … Autovermietung OHG bestehen seitens des Gerichts keine Bedenken. Diese Abtretung erfasst gerade die streitgegenständliche Forderung. Etwaige Absprachen im Innenverhältnis zwischen Zedent und Zessionar müssen im Außenverhältnis gegenüber der Beklagten unberücksichtigt bleiben. Als Forderungsinhaberin ist die Klägerin in jedem Falle zur Geltendmachung gegenüber der Beklagten aktivlegitimiert.

2. Der Geschädigte kann gem. § 249 II S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte (ständige Rspr. des BGH, vgl. nur: BGH, NJW 2009, 58). Die 23. Zivilabteilung des AG Heidelberg übt in Bestätigung ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. nur AG Heidelberg, Urteil vom 02.07.2009 – 23 C 165/09; AG Heidelberg, Urteil vom 07.12.2009 – 23 C 431/09) ihr gem. § 287 ZPO zugewiesenes Ermessen bei der Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten dahingehend aus, dass auf den „Schwacke-Mietpreisspiegel“ abgestellt wird.

Ein solches Vorgehen ist nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich möglich. Etwas anderes gilt nur, wenn mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den konkreten Fall auswirken (vgl. nur BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07).

Die Beklagte hat versucht, durch konkretes Vorbringen aufzuzeigen, dass der „Schwacke-Normaltarif“ im vorliegenden Fall als überhöht anzusehen ist und die geltend gemachten Mietwagenkosten dadurch nicht mehr als ein zur Schadensbehebung erforderlicher Betrag anzusehen sind. Ein solches Vorbringen ist in der Vorlage von online abgerufenen Angeboten von bundesweit operierenden Mietwagenunternehmen zu sehen, die in naher Umgebung zur tatsächlich in Anspruch genommenen Autovermietung Anmietstationen unterhalten (vgl. A.S. 149 ff.) Dieses Vorbringen genügt nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht, um zu beweisen, dass es dem Geschädigten ohne Weiteres möglich gewesen wäre, einen Mietwagen zu einem deutlich günstigeren Preis anzumieten.

Zum Einen erfolgte die vorgelegte Abfrage erst im Oktober 2009. Die unfallbedingte Anmietung des Ersatzfahrzeuges fand allerdings bereits im Juni 2008 statt. Die Beklagte hätte somit aufzeigen müssen, dass im Juni 2008 und nicht weit über ein Jahr später im Oktober 2009 günstigere Preise auf dem Mietwagenmarkt zu erzielen gewesen wären.

Zum Anderen hat die Klägerin ihrerseits eine zeitlich aktuellere Preisliste einer bundesweit tätigen Autovermietung vorgelegt, nach der die Mietwagenkosten deutlich höher gewesen wären (vgl. A.S. 189 ff.). Für das Gericht ist es daher nicht erkennbar, zu welchen Preisen der Geschädigte in der Unfallsituation tatsächlich einen Mietwagen hätte anmieten können. Vielmehr unterstützt das Vorbringen der Klägerin die „Richtigkeit“ des „Schwacke-Mietpreisspiegels“.

Die zweifelhafte Frage, ob durch das Aufzeigen von nur per Internet buchbaren Angeboten konkrete Mängel des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ aufgezeigt werden können, kann daher offenbleiben (ablehnend u.a. LG Bielefeld, Urteil vom 09.10.2009 – 21 S 27/09).

Das übrige Vorbringen der Beklagten erschöpft sich durch die Vorlage eines Auszuges aus der Studie „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation in allgemeinen Angriffen auf den „Schwacke-Mietpreisspiegel“ (vgl. hierzu: OLG Köln, Beschluss vom 22.07.2009 – 11 U 219/08).

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es eine Vielzahl von Einwendungen gegen die Ermittlungsmethode des von der Firma Schwacke erhobenen Mietpreisspiegels gibt, welche umfassend von der Beklagten vorgetragen worden sind. Das Gericht hält die Schwacke-Liste mangels Vorliegens besserer Mietpreiserhebungen jedoch nach wie vor für eine hinreichende Schätzgrundlage. Die Mietpreisliste ist aufgrund ihrer lokalen Preiserhebung und der Vielzahl der ermittelten Preise der Mietpreisliste des Fraunhofer Institutes vorzuziehen, der zwar die realistischere Preiserhebungsmethodik zugute zu halten ist die aber auf der anderen Seite die Vielzahl lokaler Autovermieter bei der Erhebung der Mietpreise vernachlässigt hat. Diese Schwäche wiegt nach Ansicht des Gerichts umso schwerer, als dass in der Unfallsituation die Geschädigten meistens die Autowerkstätten ihres Vertrauens aufsuchen und dort nach der Möglichkeit einer Anmietung oder deren Vermittlung fragen. Dass diese mit anderen Preisen und Verfügbarkeiten kalkulieren müssen als bundesweit tätige Großanbieter, welche in der Studie „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ überproportional berücksichtigt wurden, liegt auf der Hand. Gleichwohl können diese Preise auch und gerade aus Sicht der Geschädigten angemessen sein.

Auch wird bei der Tabelle des Fraunhofer IAO eine Vorbuchzeit von einer Woche vorausgesetzt, was der Unfallsituation nicht gerecht wird. So benötigte der Geschädigte nach unbestrittenem Vorbringen der Klägerin bereits zwei Tage nach dem Verkehrsunfall einen Ersatzwagen, um seine Arbeitsstelle erreichen zu können.

Ebenso unstreitig hat der Geschädigte bei der Klägerin während der reparaturbedingten Ausfallzeit einen Mietwagen zu einem Tarif angemietet, welcher nur geringfügig über dem Normaltarif gemäß des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ liegt. Diese geringen Mehrkosten im Vergleich zu dem Normaltarif erscheinen dem Gericht angesichts der kurzfristigen Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten und der finanziell bedingten Weigerung des Geschädigten, den Wagen vorzufinanzieren, als unfallbedingte Mehrleistungen angemessen. Für den Geschädigten gab es somit auch keine Veranlassung, sich nach günstigeren Tarifen zu erkundigen. Zu einer solchen Erkundigung ist ein Geschädigter vielmehr nur gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Miettarifes haben muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn der angebotene Tarif erheblich bzw. auffällig hoch über den im „Schwacke-Mietpreisspiegel“ aufgezeigten Tarifen liegt (BGH, Urteil vom 04.07.2006 – VI ZR 237/05; OLG Dresden, Beschluss vom 29.06.2009 – 7 U 0499/09).

3. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin muss sich diese allerdings im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 4 % der Mietwagenkosten anrechnen lassen (vgl. Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 66. Auflage, § 249 Rdn. 32). Es kann dabei offenbleiben, ob der Geschädigte tatsächlich ein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet hat Abgerechnet wurde der Mietwagen jedenfalls unter Zugrundelegung der Preisgruppe 6, was auch der Preisgruppe des beschädigten Fahrzeuges entspricht (A.S. 11). Ein Verzicht auf die ersparten Eigenaufwendungen kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht.

Demzufolge sind vom geltend gemachten Restbetrag in Höhe von 918,39 € ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 51,64 € nicht erstattungsfähig. Dieser Betrag ergibt sich aus folgender Rechnung:

Gesamtmietwagenkosten i.H.v. 1 675,27 € abzüglich Nebenkosten i.H.v. 384,18 € (Vollkaskoversicherung 309,18 €, Verbringungskosten 25 €, Kosten für eine Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten 50 €) ergibt Bruttokosten von 1291,09 €. Hiervon sind 4 % als ersparte Eigenaufwendungen abzuziehen, was 51,64 € entspricht.

4. Hinsichtlich der geltend gemachten vorprozessualen Anwaltsgebühren erscheint dem Gericht eine geringfügig erhöhte Geschäftsgebühr von 1,5 angesichts der komplexen Thematik „Fraunhofer/Schwacke“ als angemessen. Die Geltendmachung der erhöhten Gebühr wird im Übrigen auch von der Beklagten nicht moniert. Unter Berücksichtigung der 4-prozentigen Eigenersparnis für Mietwagenkosten, welche sich der Geschädigte und damit auch die Klägerin entgegenhalten müssen, ist die 1,5-Geschäftsgebühr allerdings aus einem Gegenstandswert von 866,75 € zu errechnen. Außergerichtliche Anwaltskosten sind daher nicht in Höhe von 175,53 €, sondern in Höhe von 139,23 € erstattungsfähig.

5. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 280 I, II, 286 I, 288 I BGB.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich

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