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OVG Lüneburg Beschluss vom 06.04.2011 - 12 ME 37/11 - Zur zulässigen Übermittlung von Auskünften aus Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft an die Führerscheinbehörde

OVG Lüneburg v. 06.04.2011: Zur zulässigen Übermittlung von Auskünften aus Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft an die Führerscheinbehörde


Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 06.04.2011 - 12 ME 37/11) hat entschieden:
Die Übermittlung der Strafakten und eines darin befindlichen psychiatrischen Gutachtens durch die Staatsanwaltschaft an die Fahrerlaubnisbehörde beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Gemäß § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit diesen Stellen aufgrund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EGGVG ist in Strafsachen die Übermittlung personenbezogener Daten des Beschuldigten, die den Gegenstand des Verfahrens betreffen, zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist u. a. für den Widerruf, die Rücknahme oder die Einschränkung der Berechtigung, falls der Betroffene Inhaber einer verkehrsrechtlichen Erlaubnis ist.


Siehe auch Stichwörter zum Thema medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) und Verwertungsverbote im Führerschein-Verwaltungsverfahren


Gründe:

Das mit Schreiben vom 11. Februar 2011 vorgebrachte Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist bei sachgerechter Auslegung als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine noch zu erhebende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Februar 2011 anzusehen, mit dem dieses den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit dem angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2011 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers abgelehnt hat. Diese Auslegung liegt deshalb nahe, weil der Antragsteller die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss nicht selbst wirksam einlegen kann. Er muss sich vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Rechtsanwalt oder eine diesem gleichgestellte und zur Vertretung berechtigte Person gemäß § 67 Abs. 4 VwGO vertreten lassen. An dieser Voraussetzung, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses hingewiesen worden ist, fehlt es.

Das danach im Interesse des Antragstellers als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren zu verstehende Begehren des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 Satz 1 ZPO i. V. m. § 166 VwGO nicht gegeben sind. Die Rechtsverfolgung bietet nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren innerhalb der für die Begründung des Rechtsmittels bestimmten Frist nach Maßgabe seiner Kenntnisse und Fähigkeiten zu begründen und darzutun, aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung angegriffen wird. Derartige die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Zweifel ziehende Gründe hat der Antragsteller nicht vorgebracht; diese sind für den Senat auch sonst nicht erkennbar.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) entsprechend Anwendung. Danach kann die Fahrerlaubnisbehörde bei Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf sie bei ihrer Entscheidung - sofern der Betroffene bei der Anordnung, ein Gutachten beizubringen, darauf hingewiesen worden ist - auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 FeV). Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss ausführlich begründet, dass im Falle des Antragstellers der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen bekannt geworden waren, die Bedenken gegen dessen körperliche oder geistige Eignung und mithin einen Klärungsbedarf begründeten. Die Antragsgegnerin hat sich dabei auf die ihr durch die Staatsanwaltschaft C. übersandte Strafakte in einem gegen den Antragsteller eingeleiteten Verfahren und auf das ihr daraus vorliegende psychiatrische Kurzgutachten zur Frage der Schuldfähigkeit des Antragstellers bezogen. Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens macht der Antragsteller demgegenüber geltend, das ärztliche Gutachten habe in dem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren nicht verwertet werden dürfen. Dieser Einwand ist unberechtigt.

Die Übermittlung der Strafakten und des darin befindlichen fachärztlichen Gutachtens durch die Staatsanwaltschaft an die Antragsgegnerin beruhte auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Gemäß § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO sind Auskünfte aus Akten an öffentliche Stellen zulässig, soweit diesen Stellen aufgrund einer besonderen Vorschrift von Amts wegen personenbezogene Daten aus Strafverfahren übermittelt werden dürfen. Auskünfte können auch durch Überlassung von Abschriften aus den Akten erteilt werden (§ 477 Abs. 1 StPO). Über die Erteilung von Auskünften und die Akteneinsicht entscheidet nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft (§ 478 Abs. 1 Satz 1 StPO). Besondere die Datenübermittlung im vorliegenden Fall rechtfertigende Vorschrift im Sinne des § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO war § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b i. V. m. § 12 EGGVG. Die Vorschriften der §§ 12 ff. EGGVG gelten für die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften an öffentliche Stellen des Bundes oder eines Landes für andere Zwecke als die des Verfahrens, für die die Daten erhoben worden sind (§ 12 Abs. 1 Satz 1 EGGVG). Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EGGVG ist in Strafsachen die Übermittlung personenbezogener Daten des Beschuldigten, die den Gegenstand des Verfahrens betreffen, zulässig, wenn die Kenntnis der Daten aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist u. a. für den Widerruf, die Rücknahme oder die Einschränkung der Berechtigung, falls der Betroffene Inhaber einer verkehrsrechtlichen Erlaubnis ist. Zwar unterbleibt, wenn das Verfahren eingestellt worden ist, gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 EGGVG die Übermittlung, wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles die Übermittlung erfordern. Derartige Umstände lagen hier vor, denn die Übermittlung sollte die Antragsgegnerin als Fahrerlaubnisbehörde entsprechend dem Zweck des § 14 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b EGGVG in die Lage versetzen, die angesichts der erheblichen Bedenken gegen die Fahreignung des Antragstellers zum Schutz der Allgemeinheit erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 14.9.2004 - 10 S 1283/04 -, NJW 2005, 234).

Anhaltspunkte dafür, dass das fachärztliche Gutachten vom 19. April 2010 und das bereits zuvor dem Amtsgericht D. erstattete Gutachten vom 14. August 2009 nicht eingeholt werden durften, sind nicht einmal ansatzweise ersichtlich. Selbst wenn es anders läge, war die Antragsgegnerin nicht gehindert, diese Gutachten auszuwerten und zum Anlass für weitere Aufklärungsmaßnahmen zu nehmen. Die Fahrerlaubnisbehörde darf im Falle überwiegenden Interesses an dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern in einem auf Entziehung der Fahrerlaubnis gerichteten Verwaltungsverfahren gewonnene Erkenntnisse selbst dann berücksichtigen, wenn diese nicht rechtsfehlerfrei erhoben worden sind (vgl. dazu nur Senat, Beschl. v. 15.3.2011 - 12 LA 78/10 -, m. w. N.).



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