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Amtsgericht Landstuhl Urteil vom 24.02.2011 - 4286 Js 13706/10 - Zum Beweis eines Rotlichtverstoßes durch Zeugenbeobachtung aus dem Querverkehr

AG Landstuhl v. 24.02.2011: Zum Bewei1 eines Rotlichtverstoßes durch Zeugenbeobachtung aus dem Querverkehr


Das Amtsgericht Landstuhl (Urteil vom 24.02.2011 - 4286 Js 13706/10) hat entschieden:

   Zur Feststellung eines einfachen - unqualifizierten - Rotlichtverstoßes kann die glaubhafte Aussage eines erfahrenen Polizeibeamten genügen, wenn dieser sichere Feststellungen aus seiner Stellung im Querverkehr machen konnte.

Siehe auch
Nachweis der Rotlichtdauer - Schätzung durch Polizeibeamte
und
Der qualifizierte Rotlichtverstoß

Gründe:


I.

Der Betroffene ist angestellter Taxifahrer, hat zwei Kinder, davon eines noch unterhaltsberechtigt, und verdient ca. 1000 EUR brutto pro Monat. Er ist einer von drei Taxifahrern des ihn beschäftigenden Unternehmens und befährt seine Taxe alleine. Verkehrsrechtliche Voreintragungen konnten nicht festgestellt werden.


II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat sich folgender Sachverhalt feststellen lassen:

Der Betroffene befuhr am 10.09.2010 gegen 07:18 Uhr die Bahnhofstraße und bog An der Rampe links in die Saarbrücker Straße Richtung Stadtmitte ein. Dabei führte er den Abbiegevorgang durch, obwohl die Lichtzeichenanlage für ihn bereits auf Rot umgeschaltet hatte. Dies bemerkte er aufgrund von Unaufmerksamkeit nicht.




Den Verstoß beobachtete der Zeuge B., der sich auf dem Weg zum Dienst befand und dabei an erster Stelle an der Linksabbiegespur der Saarbrücker Straße stand.

Mit welcher Geschwindigkeit der Betroffene gefahren war, konnte nicht festgestellt werden. Den Abstand des Betroffenen von der Haltelinie der Linksabbiegespur An der Rampe konnte nicht festgestellt werden. Ob die Lichtzeichenanlage bereits länger als 1 Sekunde auf Rot umgeschaltet hatte, hat das Gericht nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen können.


III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit dieser gefolgt werden konnte, sowie auf der Beweisaufnahme im Übrigen.

Der Betroffene hat sich dergestalt eingelassen, dass er einen Verstoß nicht bemerkt habe und diesen bestreitet. Im Übrigen bestreitet er, dass man von der Linksabbiegespur der Saarbrücker Straße eindeutig die Lichtzeichenanlage der Bahnhofstraße einsehen könne, jedenfalls nicht gleichzeitig beide Ampeln. Jedenfalls habe die Dauer des Rotlichts noch nicht mehr als 1 Sekunde betragen können.




Die Einlassung des Betroffenen kann zum Teil durch die Vernehmung des Zeugen B. widerlegt werden. Dieser hatte angegeben, an erster Stelle der Linksabbiegespur der Saarbrücker Straße gestanden zu haben, bei Umschalten seiner Ampel auf Gelb den ersten Gang eingelegt zu haben und angerollt zu sein und in dieser Zeit sei der Betroffene noch über die Lichtzeichenanlage gefahren, die zu diesem Zeitpunkt schon Rotlicht angezeigt habe. Als die Ampel An der Rampe auf rot geschaltet habe, sei der Betroffene noch nicht sichtbar gewesen. Eine Gefährdung habe nicht stattgefunden.

Die so gemachten Wahrnehmungen des Zeugen sind für das Gericht nachvollziehbar, auch aus eigener, den Teilnehmern der Hauptverhandlung erläuterter Ortskenntnis und Beobachtung der Ampelanlage. Die Ampel An der Rampe ist zu einem Bruchteil einsehbar von der Linksabbiegespur der Saarbrücker Straße. Man kann in etwa die aufleuchtenden Farben erkennen, nicht aber die Pfeile. Dabei ist es aber tageslichtabhängig, wie gut man den Kontrast zwischen gelb und rot wahrnehmen kann. Bei Umschalten der Lichtzeichenanlage auf rot wird zeitgleich für die Linksabbiegespur der Saarbrücker Straße auf gelb und dann grün geschaltet. Die Wegstrecke An der Rampe ist kurz und eine recht enge Kurve. Man kann also in sehr kurzer Zeit um die Kurve und über die Lichtzeichenanlage hinaus fahren, wenn man sich mit einer Geschwindigkeit zwischen 35 und 50 km/h fortbewegt. Insoweit stehen also die Beobachtungen des Zeugen zunächst nicht im Widerspruch mit den tatsächlichen Gegebenheiten und das Gericht konnte sich die sichere Überzeugung bilden, dass zum Zeitpunkt des Anfahrtvorgangs des Zeugen die Lichtzeichenanlage für den Betroffenen bereits rot zeigte.


Allerdings konnte das Gericht nicht mit der zur Überzeugung notwendigen Sicherheit feststellen, dass diese Rotphase länger als 1 Sekunde dauerte. Zum einen war der Zeuge uneindeutig, ob er tatsächlich beide Ampeln beobachtet haben kann oder seine Erkenntnis aus der Beobachtung der eigenen Ampel oder der anderen Ampel mit Rückschluss aus seinem Wissen über die oft befahrene Strecke gefolgert hat. Aus Sicht des Gerichts ist es jedenfalls nur schwer nachzuvollziehen, dass man an dieser Stelle als an erster Stelle der Schlange stehende Verkehrsteilnehmer zuverlässig beide Ampeln im Blick haben kann. Jedenfalls hat der Zeuge aber auch angegeben, keine Sekundenzählung vorgenommen zu haben. Insofern fehlt es für die Sicherheit einer Feststellung des qualifizierten Rotlichtverstoßes schon an einer gezielten Rotlichtüberwachung (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 1996, 216; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, § 5, Kap. C, Rn. 278). Eine bloß gefühlsmäßige Schätzung der Zeit auch durch erfahrene Polizeibeamte ist nicht zur Feststellung des qualifizierten Verstoßes ausreichend (OLG Hamburg, DAR 2005, 165).

Ein vorsätzliches Verhalten des Betroffenen konnte nicht festgestellt werden. Sein Nichtbemerken des Verstoßes kann nicht widerlegt werden.


IV.

Der Betroffene hat sich deswegen für eine fahrlässige Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage zu verantworten, §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG.



V.

Die Höhe des Bußgelds richtet sich indiziell nach lfd. Nr. 132 der Anlage zur BKatV und ist mit 90 EUR auch angemessen. Die auch für Gerichte als Zumessungsrichtlinie verbindliche BKatV samt Anlage (vgl. Janker in Burmann / Heß / Jahnke / Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, 2010, Einführung, Rn. 62; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Auflage, 2010, Kap. C, §1, Rn. 12) hat mit der genannten Höhe des Bußgeldes einen dem Verstoß entsprechenden Rahmen gesetzt, den das Gericht nach Abwägung der den Fall betreffenden Umstände hier nicht abändern muss. Insbesondere hat die Betroffene ein geregeltes Einkommen und wird durch das Bußgeld nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt.


VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.

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