Das Verkehrslexikon

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OLG Brandenburg Urteil vom 19.07.2007 - 12 U 234/06 - Zum Entlastungsbeweis des Tierhalters nach Verkehrsunfall mit ausgebrochener Rinderherde

OLG Brandenburg v. 19.07.2007: Zum Entlastungsbeweis des Tierhalters nach Verkehrsunfall mit ausgebrochener Rinderherde


Das OLG Brandenburg (Urteil vom 19.07.2007 - 12 U 234/06) hat entschieden:
Der für eine Rinderherde verwendete Weideplatz ist so einzufrieden, dass ein genügender Schutz gegen ein Ausbrechen der Tiere gegeben ist. Der Zaun muss hinreichend hoch sein, um ein Überspringen zu verhindern und auch im Übrigen eine ausreichende Stabilität aufweisen, wobei sich die Anforderungen im Einzelfall unter anderem an der Gefährdung der Allgemeinheit zu orientieren haben, insbesondere an der Entfernung des Weideplatzes zu öffentlichen Straßen. Dies ist bei einem 1 m hohen Elektrozaun der Fall. Ergreift der Landwirt nach dem Ausbruch die ihm zumutbaren Maßnahmen zum Wiedereinfangen der Rinder, ist er gem. § 833 Satz 2 BGB entlastet. Dem geschädigten Kfz-Eigentümer stehen keine Ersatzansprüche zu.


Siehe auch Tierhalterhaftung/Tiergefahr und Haftung


Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Feststellung des Bestehens einer Ersatzpflicht für sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 14.06.2004, bei dem der Kläger um 02:59 Uhr auf der Autobahn A ... in Fahrtrichtung B. auf Höhe des Kilometers 183,4 mit 2 Kühen kollidierte, die im Eigentum der Beklagten standen und zu einer Herde gehörten, die die gesamte Fahrbahn blockierte. Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob die Beklagte die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten vor dem Ausbruch der Tiere von der Weide sowie im Rahmen des Versuches, die Tiere wieder einzufangen, erfüllt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 10.11.2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch des Klägers bestehe nicht aus § 833 S. 1 BGB, da die Beklagte den Entlastungsbeweis nach § 833 S. 2 BGB geführt habe. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der installierte Elektrozaun eine ausreichende Sicherungsmaßnahme gegen das Entweichen von Tieren darstelle und auch regelmäßig täglich - zuletzt am Nachmittag vor dem Ausbruch der Tiere - und damit ausreichend häufig auf seine Funktionstüchtigkeit kontrolliert worden sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei auch die besondere Schutzfunktion des als Weidezaun verwendeten Elektrozaunes gegeben. Der Sachverständige habe bestätigt, dass auch ein Knotengitter- oder Stacheldrahtzaun im vorliegenden Fall nicht geeignet gewesen wäre, die Tiere aufzuhalten. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB, der Maßstab für die Pflichten der Beklagten nach dem Ausbruch der Tiere sei. Die Einstellung der Suche für einen Zeitraum von 1 - 1 1/2 Stunden bis zum Morgengrauen stelle keinen Verstoß gegen die die Beklagte treffende Verkehrssicherungspflicht dar, weil die in ein Roggenfeld hineingelaufenen Tiere dort in der Dunkelheit nicht Erfolg versprechend hätten weiterverfolgt werden können. Auch habe der Kläger die Kausalität der zeitweisen Einstellung der Suche für den Unfall nicht dargetan, da auszuschließen sei, dass in dem Zeitraum von einer halben Stunde zwischen der Einstellung der Suchbemühungen und dem Unfall die Suchenden eine Entfernung von 11 km bis zur Unfallstelle zurückgelegt hätten. Auch eine Benachrichtigung der Polizei habe nicht erfolgen müssen. Es habe keine akute Gefahr bestanden, dass sich die Tiere der Autobahn nähern würden. Auch sei insoweit die Kausalität einer etwaigen Verletzungshandlung nicht dargetan, da schon fraglich sei, ob die Polizei ohne entsprechende Anhaltspunkte eine Gefahrenmeldung für die Autobahn an die Radiosender gegeben hätte. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger hatte gegen das ihm am 15.11.2006 zugestellte Urteil mit am 27.11.2006 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit am 02.01.2007 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er rügt eine unzureichende Erfassung des Sachverhaltes durch das Landgericht, insbesondere im Hinblick auf den angenommenen Abstand der Autobahn von der Weide. In diesem Zusammenhang behauptet der Kläger, der Abstand von der Weide zur Autobahn betrage ca. 1 km Luftlinie. Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht den Entlastungsbeweis als geführt angesehen. Tatsächlich seien die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen nicht hinreichend gewesen. So habe das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich um eine ausgesprochen große Jungrinderherde von ca. 110 Stück Vieh gehandelt habe. Auch habe das Landgericht die besondere Nähe zur Autobahn nicht hinreichend in Rechnung gestellt. Weiterhin habe das Landgericht nicht beachtet, dass es sich nach den Angaben des gerichtlich bestellten Sachverständigen um Rinder einer Altersgruppe gehandelt habe, die besonders schreckhaft sei. Zudem wüchsen die Rinder quasi wild auf, wodurch ebenfalls eine Erhöhung der Schreckhaftigkeit herbeigeführt werde. Unter Beachtung dieser Besonderheiten sei der verwendete Zaun nicht hinreichend. Ein vielfach stabilerer Stacheldrahtzaun oder ein stabiles Knotengitter hätte einen wesentlich stärkeren mechanischen Widerstand und einen besseren Schutz gegen das gewaltsame Ausbrechen gesetzt, zumal derartige Zäune nicht so leicht den Ausbruch mehrere Tiere ermöglichten, wie ein durchgerissener und damit auf breiter Strecke außer Funktion gesetzter Elektrozaun. Der Umstand, dass bei der Viehhaltung in erster Linie Elektrozäune Verwendung fänden und durch die zuständigen Fachverbände empfohlen würden, besage nicht, dass diese Zäune tatsächlich geeignet seien, eine hinreichende Sicherung vor der Tiergefahr zu schaffen. Auch habe das Landgericht verkannt, dass angesichts einer Rückenhöhe der Rinder zwischen 1,28 m und 1,34 m bzw. sogar von ca. 1,38 m ein einzelner Draht in einer Höhe von ca. 1 m nicht hinreichend wahrgenommen werde. Erforderlich sei vielmehr ein Zaun mit Drähten in einer Höhe von 1,10 m - 1,20 m, damit diese von den Kühen hinreichend beachtet würden. Auch habe das Landgericht außer Acht gelassen, dass eine Weidesicherung in der Nähe von befahrenen Straßen so beschaffen sein müsse, dass sie auch plötzlichen Panikbewegungen der Tiere standhalte. Zudem gehe die Unklarheit der genauen Ursache des Entweichens der Tiere von der Koppel zulasten der Beklagten. Rechtlich unzutreffend habe das Landgericht die Bemühungen der Beklagten, die Rinder wieder einzufangen, lediglich am Maßstab des § 823 Abs. 1 BGB gemessen. Auch insoweit sei ein Fall des § 833 BGB gegeben, mit der Folge, dass die Beklagte sich entlasten müsse. Einen Entlastungsbeweis habe die Beklagte jedoch nicht geführt. Sie habe nicht nachgewiesen, dass ausreichende Suchmaßnahmen eingeleitet worden seien bzw. die Polizei verständigt worden sei, um entsprechende Warnmaßnahmen zu veranlassen. So hätte auch eine Suche am Rande des Roggenfeldes zur Autobahn hin erfolgen müssen. Auch die fehlende Kausalität der Sorgfaltspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden sei im Rahmen des § 833 Satz 2 BGB von der Beklagten zu beweisen gewesen. Zudem liege insoweit eine Überraschungsentscheidung vor, da das Landgericht ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass es nicht insgesamt von der Anwendbarkeit des § 833 BGB ausgehe. Auf einen Hinweis hätte er vorgetragen, dass er die ganze Zeit über Autoradio den Verkehrsfunk eingeschaltet gehabt habe und bei einer Warnung vor einer 110 Tiere umfassende Rinderherde die Autobahn verlassen hätte.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 10.11.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin zum Az.: 1 O 336/04 die Beklagte zu verurteilen,

  1. an ihn 7.858,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 1.500,00 € zu zahlen,

  3. festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen zukünftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Verkehrsunfall vom 14.06.2004 resultieren, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen oder übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich auf ihren bisherigen Vortrag und verteidigt das landgerichtliche Urteil. Zutreffend habe das Landgericht hinsichtlich der Bemühungen um das Einfangen der Herde lediglich einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB geprüft. Im Übrigen sei vom Landgericht ohnehin keine Beweislastentscheidung getroffen worden, dieses habe vielmehr zutreffend bereits einen Pflichtverstoß verneint. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, sämtliche vom Kläger angesprochenen Umstände, aus denen dieser besondere Anforderungen an Sicherungsmaßnahmen herleite, seien bereits vom Sachverständigen berücksichtigt worden und hätten zudem bereits in erster Instanz bei der Anhörung des Sachverständigen angebracht werden können. Schließlich ergänzt die Beklagte unwidersprochen ihren Vortrag dahin, dass sich die ausgebrochene Herde aus Tieren zusammensetzte, die bereits seit ihrer Geburt im Wesentlichen auf Weiden gehalten wurden, und sich auch im Jahre 2004 bereits seit Ende April/Anfang Mai auf verschiedenen Weiden befunden hätten. Allerdings seien sie erst kurz vor dem Unfall auf die Weide getrieben worden, von der der Ausbruch erfolgte. Weiter trägt die Beklagte unbestritten vor, die Spur der Tiere nach dem Ausbruch an einem Wassergraben verloren zu haben, während die Tiere sich noch in einer von der Autobahn weg führenden Richtung bewegten. Üblicherweise komme es nicht zu einer Richtungsänderung einer ausgebrochenen Herde, vielmehr sei zu erwarten gewesen, dass die Tiere zur Ruhe kommen würden, insbesondere bei Erreichen der hinter dem Roggenschlag gelegenen Grünflächen.


II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Kläger stützt sein Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe verkannt, dass auch die Bemühungen der Beklagten, die Rinder wieder einzufangen, am Maßstab des § 833 BGB zu messen seien und die Beklagte insoweit den Entlastungsbeweis nicht geführt habe. Der Kläger macht damit einen Rechtsfehler geltend, auf dem das Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus vermutetem Verschulden gem. § 833 Satz 2 BGB besteht nicht. Allerdings sind die Voraussetzungen einer Haftung aus § 833 Satz 2 BGB gegeben. Der Unfall des Klägers beruht auf dem Verhalten der beiden von der Beklagten gehaltenen Rinder, die sich - neben weiteren Tieren der Herde - auf der Autobahn befanden und mit denen das Fahrzeug des Klägers kollidiert ist. Auch hat sich insoweit eine spezifische Tiergefahr realisiert. Erforderlich ist hierzu, dass ein der tierischen Natur entsprechendes unberechenbares und selbständiges Verhalten vorliegt (BGH NJW-RR 2006, S. 813; NJW 1999, S. 3119; NJW 1976, S. 2130; std. Rspr.). Ein solches unberechenbares und selbständiges Verhalten liegt jedenfalls darin, dass sich ein Teil der ausgebrochenen Rinder selbständig auf die Bundesautobahn begeben hat und dort die Fahrbahn für den Kläger versperrt hat (vgl. auch BGH LM Nr. 3 zu § 833 BGB). Schließlich handelt es sich bei den Rindern um als Nutztiere verwendete Haustiere, die der Erwerbstätigkeit der Beklagten dienen, § 833 Satz 2 BGB.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist nicht zwischen einem Schadensersatzanspruch aus § 833 Satz 2 BGB einerseits und aus § 823 Abs. 1 BGB andererseits zu differenzieren. Die Tierhalterhaftung erfasst auch die Schäden, die nach einem Ausbruch von dem Tier verursacht werden. Dementsprechend beschränkt sich auch der vom Halter zu führende Entlastungsbeweis nicht auf den Zeitraum und die getroffenen Vorkehrungen bis zum Ausbruch des Tieres, vielmehr sind die danach eingeleiteten Maßnahmen ebenfalls an § 833 Satz 2 BGB zu messen. Sinn und Zweck des § 833 BGB ist der Schutz der Allgemeinheit vor den typischerweise von Tieren ausgehenden Gefahren. Dieser Schutzzweck und damit die Haftung nach § 833 BGB entfällt nicht deshalb, weil sich das Tier dem Halter entzogen hat. Im Gegenteil erhöht sich in diesem Moment die Gefährdung der Allgemeinheit. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.09.1965 (abgedruckt in: NJW 1965, S. 2397). Der Bundesgerichtshof nimmt das Fortbestehen der Tierhaltereigenschaft beim Entlaufen eines Tieres selbst dann noch an, wenn das Tier für den Halter als endgültig verloren gelten muss (so auch Belling/Eberl-Borgers in Staudinger, BGB, Kommentar, 13. Bearb., § 833, Rn. 106). Setzen sich Tierhaltereigenschaft und damit auch Tierhalterhaftung jedoch über den Zeitpunkt des Entweichens des Tieres hinaus fort - was für den Fall des Fehlens hinreichender Sicherungsmaßnahmen gegen ein Entweichen des Tieres und einer anschließenden Schadensverwirklichung auch in der Rechtsprechung nie in Frage gestellt worden ist -, so ist auch eine Beschränkung des Entlastungsbeweises bis zum Zeitpunkt des Entweichens nicht gerechtfertigt. Auch der Wortlaut der Vorschrift rechtfertigt eine solche Beschränkung nicht. Unter Beaufsichtigung ist vielmehr die Sorge zu verstehen, dass das Tier keinen Schaden anrichtet (OLG Nürnberg VersR 1968, S. 285; Belling/Eberl-Borges, a.a.O., Rn. 148). Die Aufsichtspflicht endet dementsprechend nicht mit dem Kontrollverlust über das Tier, die Sorgfalt bei der Beaufsichtigung umfasst vielmehr alle Maßnahmen, die im Zeitpunkt des Unfalles zu dessen Vermeidung erforderlich waren, sowie die Maßnahmen die im Vorfeld in zumutbarer Weise zur Verhinderung von Schädigungen ergriffen werden konnten (Belling/Eberl-Borges, a.a.O.). Schließlich ist in diesem Zusammenhang dem Landgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers vorzuwerfen. Die vom Landgericht vorgenommene Differenzierung zwischen einem Anspruch aus § 833 BGB einerseits und einer Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB andererseits ist im Verlauf des Rechtsstreits zu keinem Zeitpunkt - jedenfalls nicht aktenkundig - problematisiert worden. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung hätte jedoch ein entsprechender Hinweis erteilt werden müssen, um den Kläger in die Lage zu versetzen, bereits in erster Instanz die nunmehr angeführten Tatsachen zu der im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB nach Auffassung des Landgerichts von ihm nachzuweisenden Sorgfaltspflichtverletzung und deren Kausalität für die Schadenentstehung vorzutragen.

Die Beklagte hat jedoch den Entlastungsbeweis nach § 833 Satz 2 BGB geführt. Die von der Beklagten getroffenen Maßnahmen gegen einen Ausbruch der Rinderherde waren ausreichend. Der für eine Rinderherde verwendete Weideplatz ist so einzufrieden, dass ein genügender Schutz gegen ein Ausbrechen der Tiere gegeben ist. Der Zaun muss hinreichend hoch sein, um ein Überspringen zu verhindern und auch im Übrigen eine ausreichende Stabilität aufweisen, wobei sich die Anforderungen im Einzelfall unter anderem an der Gefährdung der Allgemeinheit zu orientieren haben, insbesondere an der Entfernung des Weideplatzes zu öffentlichen Straßen (BGH VersR 1976, S. 1086; Belling/Eberl-Borges, a.a.O., Rn. 173). Auch sind regelmäßige Kontrollen des Zaunes erforderlich, die bei Elektrozäunen täglich zu erfolgen haben (OLG Hamm MDR 1989, S. 639). Da ein Elektrozaun - anders als herkömmliche Zäune - kein physisches Hemmnis, sondern lediglich eine psychologische Schranke gegen das Ausbrechen des Viehs darstellt, ist im Rahmen der Schutzfunktion darüber hinaus erforderlich, dass dieser Zaun auch bei panikartigem Ausbruch des Viehs jedenfalls denselben Schutz gewährt wie Stacheldraht- oder Knotengitterzäune (BGH VersR 1976, a.a.O.). Im Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte die zum Schutz vor einem Ausbruch der Rinder erforderlichen Maßnahmen im vorgenannten Sinne getroffen hat. Der Sachverständige Dipl.-Ing.-Agrar R. N. hat in seinem Gutachten vom 18.06.2006 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass der von der Beklagten installierte Elektrozaun, der normalen Hütefunktion genügte. Der Sachverständige hat dabei unter Verweis auf die Empfehlung der Berufsgenossenschaft die Weide in die niedrigste Gefährdungskategorie eingeordnet, da sie nach seinen Feststellungen mehr als ein Kilometer Luftlinie von einer Straße entfernt ist. Diese Einordnung wird durch die vom Kläger in der Berufungsinstanz angeführte Rechtsprechung (OLG Köln VersR 1993, S. 616; OLG Düsseldorf VersR 2001, S. 1038; LG Flensburg VersR 1987, S. 826) nicht in Frage gestellt. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht eine Entfernung von 800 Metern zwischen Weide und Straße als weit an (BGH VersR 1976, a.a.O.). Der Sachverständige hat weiter dargetan, dass eine Zaunhöhe von einem Meter vorliegend eine hinreichende Absicherung darstellt, da bei Rinderrassen mit einer Widerristhöhe zwischen 128 und 134 cm ein Überspringen eines solchen Zaunes durch ein ausgewachsenes Rind fast unmöglich ist. Ohnehin hat sich eine solche Gefährdung hier nicht realisiert. Der Sachverständige hat vielmehr aus dem Umstand, dass der Zaun auf einer relativ breiten Front (ca. 25 m) niedergerissen wurde, überzeugend gefolgert, dass der Ausbruch der Herde aus einer Paniksituation heraus erfolgte. Auch hat der Sachverständige dargetan, dass auch ein Stacheldrahtzaun oder Knotengitterzaun in einer solchen Situation die Herde nicht hätte aufhalten können. Ebenfalls ist es danach unerheblich, ob der Zaun 20 cm hätte höher sein müssen, damit er im Blickfeld der Rinder gewesen wäre. Ohnehin stellt dieser erstmals in der Berufungsinstanz vom Kläger erhobene Einwand neues Vorbringen dar, ohne dass die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO dargelegt sind. Im Übrigen lassen sich aus den vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierten obergerichtlichen Entscheidungen (OLG Köln, a.a.O., OLG Düsseldorf, a.a.O.) konkrete Aussagen für den vorliegenden Fall nicht ableiten. Beide Entscheidungen knüpfen an die Ausführungen von Sachverständigen an, die im Einzelfall die Zaunhöhen nicht für hinreichend gehalten haben, weitere Angaben - etwa zur Größe der betroffenen Tiere - sind den Entscheidungen nicht zu entnehmen. Des Weiteren hat der Sachverständige in seinem Gutachten auch in Rechnung gestellt, dass die Herde aus 110 Tieren bestand, ohne dass er deshalb Einschränkungen der Hüte- bzw. Schutzfunktion des Zaunes gesehen hat. Soweit der Kläger nunmehr die Auffassung vertritt, bereits das Halten einer derart großen Herde sei angesichts der getroffenen Maßnahmen als sorgfaltswidrig einzustufen, handelt es sich wiederum um neuen Vortrag, ohne dass die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO dargelegt sind. Die letztlich hinter diesem Vortrag stehende Behauptung, eine kleinere Herde hätte auch bei einer Panikreaktion den Zaun nicht durchbrochen, hätte bereits in erster Instanz aufgestellt und im Rahmen der Anhörung des Sachverständigen geklärt werden können. Schließlich steht auch eine hinreichende Wartung und Kontrolle des Zaunes zur Überzeugung des Senats aufgrund der Aussage der Zeugin S. fest, die bekundet hat, dass der Zaun - den sie zweimal täglich kontrolliert hat - funktionstüchtig war. Der Senat hat keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Aussage zu zweifeln. Auch der Kläger greift die Aussage nicht an.

Auch im Hinblick auf das Vermeiden einer Panikreaktion sind der Beklagten Versäumnisse nicht vorzuwerfen. Zwar kann es gerade bei Jungrindern, die sich erstmals allein auf einer Weide befinden, angezeigt sein, ihr Verhalten nach Einbruch der Dunkelheit zu beobachten bzw. zu kontrollieren (OLG Nürnberg VersR 1966, S. 42 f; Belling/Eberl-Borges, a.a.O., Rn. 175). Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Obwohl der Sachverständige bei seinen Ausführungen sowohl die besondere Schreckhaftigkeit der Altersgruppe der auf der Weide gehaltenen Rinder sowie den Umstand berücksichtigt hat, dass diese quasi wild aufwachsen, hat er weitergehende Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten. Dieser Einschätzung folgt auch der Senat, zumal nach den Feststellungen des Sachverständigen die Herde am Tag vor dem Ausbruch ruhig gewesen ist und ein hinreichendes Futterangebot sowie eine funktionierende Wasserversorgung gegeben war, sodass unter diesen Gesichtspunkten ein Ausbruch nicht zu befürchten war. Auch hat die Beklagte auf Hinweis des Senats unwidersprochen dargetan, dass sich die Herde aus Tieren zusammensetzte, die bereits seit Geburt im Wesentlichen auf Weiden gehalten wurden, und sich auch seit Ende April/Anfang Mai 2004 wieder auf Weideplätzen befanden. Zwar befanden sich die Tiere auf der Weide, von der der Ausbruch erfolgte, erst kurzfristig. Auch die Umsetzung war für die Tiere jedoch nicht ungewöhnlich, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt weitergehende Maßnahmen nicht erforderlich waren und auch vom Sachverständigen nicht vermisst worden sind.

Die Beklagte hat schließlich auch dargetan, die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zum Wiedereinfangen der Herde ergriffen zu haben. Unstreitig hat die Beklagte sogleich nach dem Bemerken des Ausbruchs einen Suchtrupp zusammengestellt und die Verfolgung der Tiere aufgenommen, wobei ein Teil der Herde auch aufgefunden wurde. Ein für den Unfall des Klägers kausaler Sorgfaltspflichtverstoß ist der Beklagten auch nicht deshalb vorzuwerfen, weil sie die Suche für eine gewisse Zeit eingestellt hat, nachdem festgestellt worden war, dass ein Teil der Rinder in ein nicht zu überschauendes Roggenfeld hineingelaufen war. Zutreffend und insoweit auch vom Kläger nicht angegriffen ist das Landgericht von einer zeitweiligen Einstellung der Suche gegen 02:30 Uhr ausgegangen. Da sich der Unfall des Klägers bereits um 02:59 Uhr ereignet hat, hätte auch eine Fortsetzung der Suche nicht zu einer Verhinderung der Kollision geführt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen haben die Rinder einen Weg von etwa 8,5 Kilometern von der Weide bis zur Unfallstelle zurückgelegt. Unbestritten hat die Beklagte vorgetragen, die Spur der Tiere am ersten Wassergraben verloren zu haben, also vor dem ersten Richtungswechsel der Herde, als sich diese noch von der Autobahn entfernte, und - ausgehend von der Zeichnung des Sachverständigen - nachdem der Weg der Tiere über eine Strecke von höchstens 2 Kilometern verfolgt worden ist. Es erscheint nicht denkbar, dass die verbleibende Strecke von mindestens 6,5 Kilometer über einen Wassergraben und durch Felder in stockdunkler Nacht in weniger als einer halben Stunde hätte zurückgelegt werden können. Der Beklagten ist auch nicht vorzuwerfen, dass sie nicht eine Absicherung der Autobahn in Richtung auf den Roggenschlag hin, in den die Herde verschwunden war, vorgenommen hat. Ebenfalls unbestritten hat die Beklagte insoweit vorgetragen, dass bei normalem Verlauf der Ereignisse nicht mit einer Richtungsänderung der Herde zu rechnen war, vielmehr war zu erwarten, dass die Tiere zur Ruhe kommen würden, insbesondere wenn sie die hinter dem Roggenschlag gelegenen Grünflächen erreichten. Angesichts der Laufrichtung der Herde, die sich beim Eindringen in das Roggenfeld von der Autobahn wegbewegte, waren spezielle Sicherungsmaßnahmen Richtung Autobahn nicht veranlasst. Zugleich kann damit dahinstehen, ob die Anzahl der von der Beklagten eingesetzten Kräfte (5 Personen) zu gering gewesen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Feststellungen des Sachverständigen, der davon ausgeht, dass die Tiere von dem in der Nähe der Unfallstelle gelegenen, hell erleuchteten Blumengroßmarkt angezogen wurden. Denn nach den Angaben des Sachverständigen zu dem von der Rinderherde genommenen Weg erfolgte die Richtungsänderung der Tiere auf den Blumengroßmarkt zu erst zu einem späteren Zeitpunkt, war also für die erste Richtungsänderung nicht kausal und damit auch für die Beklagte nicht vorhersehbar.

Dahinstehen kann schließlich, ob eine Information der Polizei über den Ausbruch der Rinderherde hätte erfolgen müssen, damit diese eine entsprechende Meldung im Verkehrsfunk hätte veranlassen können. Unstreitig hat der Geschäftsführer der Beklagten die Angestellte S. beauftragt, die Polizei zu unterrichten. Es ist der Beklagten auch nicht anzulasten, dass die Information der Polizei gleichwohl unterblieben ist. Die Beklagte hat den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB geführt. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass Frau S. seit 16 Jahren bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin angestellt ist und die ihr übertragenen Tätigkeiten - mithin auch die ihr erteilten Anweisungen - immer äußerst sorgfältig erfüllt hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Beklagten auch nicht anzulasten, dass der Geschäftsführer der Beklagten trotz fehlender Rückfrage der Polizei das Unterbleiben der Unterrichtung nicht bemerkt hat. Es ist schon nicht ersichtlich, dass eine entsprechende Rückfrage in der knappen halben Stunde zwischen der zeitweiligen Einstellung der Suche und der Auftragserteilung an die Angestellte S. einerseits und dem Unfall des Klägers andererseits zu erwarten gewesen wäre.

Andere Anspruchsgrundlagen, aus denen die Forderungen des Klägers begründet sein könnten, sind nicht ersichtlich.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Wert der Beschwer für den Kläger: 11.358,24 €.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 11.358,24 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG (Zahlungsantrag: 7.858,24 €; Schmerzensgeldantrag: 1.500,00 €; Feststellungsantrag: 2.000,00 €).