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OLG Saarbrücken Urteil vom 11.12.2002 - 5 U 17/00 - Zur Beweislast des Versicherungsnehmers für das Vorliegen einer Schlafapnoe bei Rotlichtverstoß
OLG Saarbrücken v. 11.12.2002: Zur Beweislast des Versicherungsnehmers einer Kaskoversicherung für das Vorliegen einer Schlafapnoe bei einem Rotlichtverstoß
Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 11.12.2002 - 5 U 17/00) hat entschieden:
In der Kaskoversicherung obliegt dem Versicherungsnehmer die Beweislast, er habe die Lichtzeichenanlage bei Rotlicht im Zustand schlafbedingter Bewusstlosigkeit (infolge einer Schlafapnoeerkrankung) überfahren und sei daher für den einen Unfall nicht verantwortlich. Misslingt dieser Beweis ist der Versicherer wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls von der Leistungspflicht frei.
Siehe auch Sekundenschlaf und Versicherungsthemen
Gründe:
Die Klägerin, die bei der Beklagten für einen PKW der Marke Mitsubishi Pajero eine Vollkaskoversicherung unterhält, nimmt die Beklagte aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
Am 6.5.1998 fuhr der Geschäftsführer der Klägerin in Tuttlingen bei Rotlicht der dortigen Lichtzeichenanlage in den Kreuzungsbereich ein und kollidierte mit einem Fahrzeug, das von rechts kam und seinerseits schon Grünlicht hatte. Auch die davor liegende Kreuzung hatte der Geschäftsführer der Klägerin bereits bei Rotlicht überfahren. Durch den Unfall entstand am Fahrzeug der Klägerin unter Anrechnung einer Selbstbeteiligung von 1.000 DM ein erstattungsfähiger Sachschaden von 10.800 DM.
Die Beklagte lehnte die Regulierung des Kaskoschadens mit der Begründung ab, der Geschäftsführer der Klägerin habe die Lichtzeichenanlage bei Rotlicht überfahren. Dies stelle eine grobe Fahrlässigkeit dar.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie müsse für das Verhalten ihres Geschäftsführers deshalb nicht eintreten, weil der Geschäftsführer nicht Repräsentant der Klägerin gewesen sei. Auch habe der Geschäftsführer unter einer Schlafapnoe gelitten, weshalb eine Bewusstseinsstörung eingetreten sei, die zur Schuldunfähigkeit des Geschäftsführers geführt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.800 DM nebst 12% Zinsen hieraus seit dem 16.6.1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Geschäftsführer der Klägerin an einer Bewusstseinsstörung gelitten habe. Darüberhinaus hat sich die Klägerin auf den Leistungsausschluss der §§ 23, 25 VVG berufen, da dem Geschäftsführer der Klägerin das behauptete Schlafapnoe-Syndrom vor dem Unfallereignis hätte bekannt sein müssen.
Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme stattgegeben und hierzu ausgeführt:
Die Beklagte sei nicht gem. § 61 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit, da der Geschäftsführer der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfallereignisses nicht schuldfähig gewesen sei. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen habe das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Geschäftsführer der Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht für sein Tun verantwortlich gewesen sei. Der Sachverständige habe anhand der erhobenen ärztlichen Befunde bestätigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls an einem Schlafapnoe-Syndrom gelitten habe. Der Sachverständige habe weiter dargelegt, dass bei dieser Erkrankung Bewusstseinstörungen auftreten könnten, die die Wahrnehmung zweier roter Ampeln im Abstand von ca. 10 Sekunden verhinderten. Auch sei die Beklagte nicht gem. §§ 23, 25 VVG ihrer Leistungspflicht enthoben, da der Sachverständige die Behauptung der Beklagten widerlegt habe, die Erkrankung hätte dem Geschäftsführer der Klägerin bekannt gewesen sein müssen.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Die Beklagte bestreitet, dass der Geschäftsführer der Klägerin zum Zeitpunkt des Unfallereignisses infolge einer Sauerstoffentsättigung bewusstseinsgestört gewesen sei. Sie weist darauf hin, dass der Geschäftsführer bei der Polizei in Tuttlingen davon gesprochen habe, die Ampeln erkannt, das Rotlicht aber wahrscheinlich wegen Sonnenblendung nicht gesehen zu haben. Außerdem habe er angegeben zu wissen, dass er an dem Unfall schuld sei. Die Sonnenblendung habe er auch bei seiner Schadensmeldung vom 13.5.1998 dafür verantwortlich gemacht, dass er das Rotlicht überfahren habe. Erst mit Schreiben seines Rechtsanwalts vom 16.5.1998 habe er sich auf die Gesundheitsstörungen berufen. Ein solches Vorgehen sei nicht glaubhaft. Auch das Gutachten belege eine Bewusstseinstörung zum Unfallzeitpunkt nicht. Darüberhinaus könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Diagnose eines Schlafapnoe-Syndroms überhaupt gesichert sei. Eine einigermaßen gebildete Person könne das Vorliegen eines solchen Syndroms ohne weiteres vortäuschen. Der Polysomnographieausdruck (Bl. 58 d. A.) stütze den Befund nicht.
Die Beklagte vertritt deshalb die Auffassung, der Geschäftsführer der Klägerin habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt: Unmittelbar vor der Kollision mit dem von rechts ordnungsgemäß bei grün in die Kreuzung einfahrenden Fahrzeug habe der Geschäftsführer eine Lichtzeichenanlage überfahren, die schon mindestens drei Sekunden lang rot gezeigt habe. Schon eine Ampeln zuvor sei er beobachtet worden, wie er die Kreuzung bei Rotlicht überquert habe. Dieses Verhalten stelle sich als ein besonders rücksichtsloses und gefahrenträchtiges Verhalten dar, weshalb ohne weiteres davon ausgegangen werden müsse, dass die Herbeiführung des Versicherungsfalls im konkreten Fall als grob fahrlässig zu werten sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts in Saarbrücken vom 24.11.1999 - 14 O 301/98 - mit der Maßgabe abzuändern, dass die Klägerin mit ihrer Klage abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertritt die Auffassung, durch das Sachverständigengutachten sei zweifelsfrei bewiesen, dass ihr Geschäftsführer unter einem Schlafapnoe-Syndrom leide. Selbst für den Fall, dass seine Schuldunfähigkeit zum Unfallzeitpunkt nicht als erwiesen angesehen werden könne, sei der Berufung der Erfolg zu versagen, da die Beklagte den ihr obliegenden Beweis für die subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit nicht habe erbringen können. Nach den gutachterlichen Feststellungen könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass alleine eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung des Geschäftsführers der Klägerin als mögliche Schadensursache in Betracht komme. In dieser Situation lebe die volle Behauptungs- und Beweislast der Beklagten für die Verschuldenstatsachen des § 61 VVG wieder auf.
Der Senat hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 19.4.2000 durch Einholung eines verkehrstechnischen Gutachtens, eines medizinischen Gutachtens sowie durch Vernehmung des Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Rechtshilfevernehmung durch das Amtsgericht Tuttlingen vom 13.17.2000 (BL. 206 - 208 Akten) auf das verkehrstechnischen Gutachten des Sachverständigen (Bl. 226 Bls 259 d. A.) sowie das nervenärztliche Gutachten des Sachverständige Prof. Dr. (BL. 286 Bls 326; Ergänzung Bl. 339 - 340; 350 d. A.) Bezug genommen.
I.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist begründet.
Der Klägerin steht gem. § l2 Nr. 1 Abs. 2 lit. e, § 13 AKB kein Anspruch auf Entschädigung zu. Die Beklagte beruft sich zu Recht auf den Leistungsausschluss des § 61 VVG, weil davon auszugehen ist, dass die Klägerin den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.
1. Gemäß § 61 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall durch grobe Fahrlässigkeit- also schweres Verschulden - herbeigeführt hat.
a) Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit setzt allerdings voraus, dass der Geschäftsführer der Klägerin für sein Verhalten überhaupt verantwortlich war. Als nicht verantwortlich wäre er zu betrachten, wenn er sein Kraftfahrzeug zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes mit dem bevorrechtigten Kraftfahrzeug des Geschädigten im Zustand der Bewusstlosigkeit - also wie er vorträgt, in einem durch eine Schlafapnoe verursachten "Sekundenschlaf" - geführt hätte.
Davon hat sich der Senat nicht zu überzeugen vermocht (§ 286 ZPO).
Allerdings hat der Sachverständige Prof. Dr. unter Einbeziehung der Polysomnographiedaten, die am 11.8.1998 während eines Aufenthalts des Geschäftsführers in der Fachklinik W... erhoben worden sind, zunächst bestätigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt - das bedeutet: im August 1998 - tatsächlich an einem ausgeprägten obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom gelitten hat. Auf der Grundlage der Voruntersuchungen durch den Arzt P. (Attest vom 15.7.1998 BL. 6 d.A.) und durch den Arzt Dr. ... (Bericht vom 8.7.1998 Bl. 7 d.A.) sowie der Fachklinik W... (Bericht vom 12.11.1998 Bl. 52 d.A.) und der dort gefertigten Polysomnographieaufzeichnungen ist davon auszugehen, dass der Kläger an Symptomen eines Schlafapnoesyndroms - einer relevanten Sauerstoffuntersättigung während des Schlafes - litt. Dass Artefakte oder Manipulationen zu einer ärztlichen Fehlinterpretation geführt haben, hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeschlossen. Das entspricht den Feststellungen des erstinstanzlich vernommenen Sachverständigen Prof. Dr. (Bl. 86 ff., 125 ff.).
Daraus ergibt sich allerdings nicht ohne ins Gewicht fallende Zweifel, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage an der Unfallstelle zum Unfallzeitpunkt im Schlaf überfahren hätte.
Schon aus den Erwägungen des Sachverständigen folgt dafür nur ein - wenn auch nicht leichthin zu vernachlässigendes - Indiz.
In seinem Gutachten vom 18.10.2001 selbst (Bl. 286 ff.) führt der Sachverständige aus, das durch die Fachklinik W... attestierte obstruktive Schlafapnoesyndrom sei durch gestörten Schlaf und erhöhte Tagesmüdigkeit, mögliche Kopfschmerzen, erhöhten Blutdruck, Abgeschlagenheit, Libido-und Potenzstörungen, Herzrhythmusstörungen, Mundtrockenheit und eine allgemeine Abnahme der physischen und intellektuellen Leistungsfähigkeit begleitet. Von keinem dieser Symptome hat der Geschäftsführer der Klägerin in seiner Anhörung vor dem Senat - auch wenn dies der Anamnese der Fachklinik W... widerspricht und aus welchen motivationalen Gründen auch immer - berichtet. Da nach den eigenen Angaben des Geschäftsführers der Klägerin aber davon ausgegangen werden muss, dass er vor dem von ihm verursachten Verkehrsunfall keine Anzeichen einer Schlafapnoeerkrankung - vor allem nicht die von dem Sachverständigen Prof. Dr. als "wesentlicher Bestandteil" des Syndroms bezeichnete Tagesschläfrigkeit - bemerkt hat, fehlen folglich typische Symptome einer solchen Ursache von Bewusstlosigkeit zum - allein maßgeblichen - Zeitpunkt, dem 6.5.1998. Dass der Geschäftsführer der Klägerin sich nach der durch die Fachklinik W... eingeleiteten Therapie besser gefühlt hat, stützt die Annahme der Bewusstlosigkeit zum Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes nicht. Zwar hat eine Kontrolluntersuchung im November 1998 wesentlich verbesserte Sauerstoffwerte ergeben. Mehr als indiziellen Wert hat auch diese Feststellung indessen nicht.
Der Sachverständige hat demgemäß in seinem schriftlichen Gutachten zunächst offen gelassen, ob von einer "Bewusstseinseinschränkung" des Geschäftsführers der Klägerin ausgegangen werden könne. Das hat er nach Kenntnisnahme der "komprimierten Polysomnographieunterlagen" (und nach einem mit dem behandelnden Arzt der Fachklinik W..., einer auf solche Atemwegserkrankungen und ihre Behandlung spezialisierten medizinischen Klinik, dem der Geschäftsführer der Klägerin seit mehreren Jahren bekannt war und der weiterhin "Kontrolluntersuchungen" durchführt, geführten "längeren Telefonat")auf Nachfrage des Senats dahin ergänzt, dass bei dem Geschäftsführer der Klägerin eine klinisch relevante schlafbezogene Atemstörung vorgelegen habe, die es "sehr wahrscheinlich" mache, dass es tagsüber zu einem "Sekundenschlaf" gekommen sei. Das stimmt überein mit den Feststellungen des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen (Bl. 86 ff.), der gleichfalls aus den Erhebungen der Fachklinik W... eine ausreichend hohe Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Bewusstseinsstörung im Unfallzeitpunkt abgeleitet, allerdings ergänzt hat, ein Beweis einer zum Unfallzeitpunkt bestehenden Bewusstseinsstörung sei retrospektiv nicht zu führen.
Die Begründung dafür, dass eine von dem Kläger angegebene Amnesie dafür spreche, ist jedoch als solche nicht überzeugend. Woraus sich die hohe Wahrscheinlichkeit ergeben soll, dass gerade zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls, mehr drei Monate vor dem Beginn der klinischen Untersuchungen des Klägers, eine Bewusstseinsstörung eingetreten sein soll, ist nicht dargelegt. Immerhin ist denkbar, dass auch an einer nächtlichen Sauerstoffuntersättigung leidende Personen bei durchaus klarem Bewusstsein ein rotes Lichtzeichen überfahren. Auf weitere Nachfrage des Senats über die Vereinbarkeit der sonstigen Feststellungen zum Unfallgeschehen - einer Lenkbewegung unmittelbar nach dem Zusammenstoß und den Angaben gegenüber dem den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten - mit der Annahme einer Bewusstseinsstörung hat der Sachverständige ausgeführt, es sei "denkbar", dass der Geschäftsführer der Klägerin unmittelbar nach dem Erwachen eine Lenkbewegung ausgeführt habe und, weil flacher Schlaf zuweilen nicht als Schlaf erkannt werde, mit der Annahme von Schlaf unvereinbare Darstellungen abgegeben habe. Das ist nicht überzeugend.
Es ist auf dieser Grundlage zwar nicht auszuschließen, dass das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin auch bei Annahme eines "Sekundenschlafs" zu erklären ist. Überzeugt ist der Senat davon nicht, ohne zu sehen, dass eine weitere Befragung des Sachverständigen, der den Geschäftsführer der Klägerin nicht zeitnah untersuchen konnte und der sich wesentlich auf die Unterlagen stützen musste, die die ab August 1998 folgenden Untersuchungen und Behandlungen vor allem der Fachklinik W... ergeben haben, zu besseren Erkenntnissen führen könnte.
Zum einen hat der Kläger selbst angegeben, er sei durch die Kollision nicht wach geworden. Das sei erst der Fall gewesen, als den Unfall beobachtende Personen die Wagentür geöffnet hätten und er "aus dem Auto praktisch herausgerollt" sei. Mit der Annahme von "flachem Schlaf" die Möglichkeit zu verbinden, dass auch eine heftige Kollision nicht zum Erwachen führt, leuchtet nicht ein. Das alles kann zwar mit den Feststellungen des kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigen vereinbar sein, nach denen unmittelbar nach der Kollision eine Lenkbewegung nach rechts erfolgt sein muss, die ungewollt aber auch gewollt durchgeführt worden sein kann, es ist aber nicht vereinbar mit den Ausführungen des neurologischen Sachverständigen, der eine Lenkbewegung nach dem Erwachen für möglich hält.
Vor allem aber werden Zweifel an der Annahme einer Bewusstlosigkeit des Geschäftsführers der Klägerin geweckt durch die Bekundungen des Zeugen Bl. 206 ff.). Danach hat der Geschäftsführer der Klägerin an Ort und Stelle spontan erklärt, er sei schuld an dem Unfall, er müsse das Rotlicht übersehen haben, er sei wohl von der Sonne geblendet worden. Er sei hinter mehreren Kraftfahrzeugen hergefahren. Der Geschäftsführer der Klägerin sei nicht verwirrt oder sonst wie auffällig gewesen. Erst als er, der Zeuge auf die Möglichkeit eines Fahrverbotes hingewiesen habe, habe er sich geweigert, weitere Angaben zu machen. Der Geschäftsführer der Klägerin hat sich vielmehr am selben Tag noch einem Arzt vorgestellt.
Die Angaben des Zeugen entsprechen den dokumentierten Feststellungen der Polizei. In seinen eigenen schriftlichen Angaben vom 6.5.1998 hat der Geschäftsführer der Klägerin eine durchaus "wache" Beschreibung der Vorgeschichte der Kollision abgegeben, er sei hinter mehreren Fahrzeugen hergefahren, habe die Lichtzeichenanlage gesehen aber wahrscheinlich das Rotlicht infolge Sonneneinstrahlung übersehen. Mit seinen schon in gleicher Weise nach anwaltlicher Beratung der Polizei gegenüber abgegebenen Angaben vor dem Senat, nach denen er sich bereits nicht mehr daran erinnern könne, wie er mehrere hundert Meter vor dem Unfallort im Bereich der Stadteinfahrt gefahren sei, stimmt das nicht ohne weiteres überein.
Das alles mag vereinbar sein mit der Annahme einer Bewusstseinsstörung zum Zeitpunkt der Kollision und einer daraus folgenden Amnesie. Überzeugt ist der Senat davon nicht. Näher als eine Angabe, hinter anderen Kraftfahrzeugen hergefahren zu sein und die Lichtzeichenanlage als solche, nicht aber das Rotlicht erkannt zu haben, hätte gelegen, wenn sich der Geschäftsführer der Klägerin sogleich darauf berufen hätte, er könne sich den Unfall nicht erklären und habe keine Erinnerung mehr an das vorangegangene Geschehen. Näher hätte auch gelegen, wenn er - was ihm allerdings versicherungsvertraglich möglicherweise auch geschadet hätte - von vorherigen Anzeichen von Müdigkeit oder Beeinträchtigungen seiner Leistungsfähigkeit berichtet hätte. Allein auf eine drei Monate nach einem Unfallgeschehen erfolgte Feststellung einer nächtlichen Sauerstoffuntersättigung und auf die daraus folgende Diagnose eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms die Überzeugung zu stützen, dass - ohne jedwede Vorankündigung und ohne jegliche früheren Symptome - plötzlich und unerwartet Bewusstlosigkeit eingetreten ist, und dass sich daraus jedenfalls vordergründig unvereinbare Einlassungen des Unfallverursachers über das Geschehen vor dem Unfall erklären lassen, vermag der Senat nicht.
b) Die fehlende Feststellung einer Bewusstlosigkeit des Geschäftsführer der Klägerin zum Unfallzeitpunkt geht zu Lasten der Klägerin mit der Folge, dass grundsätzlich von einer Verantwortlichkeit ihres Geschäftsführers und damit von der Möglichkeit grob fahrlässigen Verhaltens ausgegangen werden muss.
Allerdings wird in der Rechtslehre vertreten, dass § 827 Satz 1 BGB - mit der in ihm nach allgemeiner Rechtsauffassung (BGHZ 39, 108; BGHZ 98, 139) enthaltenen Beweislastregelung, die dem Schädiger die Beweislast für den Ausschluss seiner Verantwortlichkeit auferlegt - bei Anwendung des Risikoausschluss des § 61 VVG nicht gilt, also nicht der Versicherungsnehmer den Ausschluss seiner oder seiner Repräsentanten Verantwortlichkeit, sondern der Versicherer darlegen und beweisen muss, dass sie zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls "schuldfähig" gewesen sind (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 5, VVG § 61 Rdnr. 5; ihm folgend Prölss-Martin, VVG, 26. Aufl., § 61 Rdnr. 25). Das soll daraus folgen, dass, anders als im Deliktsrecht, ohne grobes Verschulden das durch § 61 VVG geschützte Interesse des Versicherers gar nicht berührt ist, der "konkrete Haftungsgrund" also schon nicht feststeht, wenn die "Schuldfähigkeit" des Versicherungsnehmers oder seiner Repräsentanten ungeklärt bleibt. Die weit überwiegende Auffassung in der Rechtslehre hält hingegen für richtig, § 61 VVG nur dann nicht anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer seine oder seiner Repräsentanten "Schuldunfähigkeit" beweist (Römer/Langheid; VVG, § 61 Rdnr. 58; BK/Beckmann, § 61 Rdnr. 55; Bruck/Möller, VVG, 8. Aufl., § 61 Anm. 41; Stiefel/Hofmann, AKB 17. Aufl., § 61 Rdnr. 21 m. Rdnr. 17; Staudinger/Oechsler (1998) § 827 BGB Rdnr. 28; MünchKomm/Mertens, 3. Aufl., § 827 BGB Rdnr. 10).
Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. In seinem Urteil vom 22.2.1989 (IV a ZR 274/87, VersR 1989, 469, 470; ebenso U.v. 23.1.1985 IV a ZR 128/83 VersR 1985, 440) hat er die Annahme des Berufungsgerichts, die Beweislastregel des § 827 Satz 1 BGB sei im Rahmen des § 61 VVG entsprechend anzuwenden, für rechtsfehlerfrei erklärt. In seiner Entscheidung vom 20.6.1990 [IV ZR 298189 (BGHZ 111, 372)] ist er gleichfalls davon ausgegangen.
Dem schließt sich der Senat an. Die Rechtsordnung geht, wie die gesetzgeberische Entscheidung des § 827 Satz 1 BGB zeigt, grundsätzlich von der Verantwortlichkeit einer Person aus. Will jemand geltend machen, dass ein Ausnahmefall vorliegt, muss er dies darlegen und beweisen. Das gilt auch für das Verhältnis von Versicherungsnehmer und Versicherer. Dass der Versicherer grundsätzlich für durch einen Unfall verursachte Schäden an einem Kraftfahrzeug einstehen will und nur ausnahmsweise bei schwerem Verschulden das Risiko nicht zu tragen verspricht, steht der Annahme nicht entgegen, dass er aber von einer grundsätzlich bestehenden Verantwortlichkeit eines Versicherungsnehmers ausgeht.
Der Bundesgerichtshof hat allerdings hervorgehoben, dass der Versicherer bei Anwendung des § 61 VVG die Beweislast auch für die subjektiven Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit trägt. Das setzt den Nachweis eines gegenüber Fahrlässigkeit gesteigerten Verschuldens voraus. Im Rahmen der dafür erforderlichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kann eine erheblich verminderte Einsichts- und Hemmungsfähigkeit nicht außer Betracht bleiben (BGH U. v. 22.2.1989, IVa ZR 274/87, VersR 1989, 469, 470), auch wenn die Annahme von Vorsatz und damit eine Leistungsfreiheit nach § 152 VVG - nichts anderes kann für den Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls der Kaskoversicherung gelten - nicht daran scheitert, dass offen bleibt, ob der Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Bewusstseinszustand gehandelt haben (BGH, U. v. 20.6.1990 - IV ZR 298/89, BGHZ 111, 373).
Das kann indessen nicht bedeuten, dass, bleibt der Versicherungsnehmer den Beweis seiner oder seiner Repräsentanten Schuldunfähigkeit schuldig, ein Risikoausschluss nach § 61 VVG lediglich theoretisch in Betracht kommt: Das wäre indes der Fall, müsste der Versicherer auch dann, wenn der Versicherungsnehmer seine oder seiner Repräsentanten Schuldunfähigkeit nicht beweisen kann, den möglichen Ausschluss ihrer Schuldfähigkeit zum Nachweis der groben Fahrlässigkeit überzeugend widerlegen.
Vermag ein Versicherungsnehmer seine oder seiner Repräsentanten "Schuldunfähigkeit" nicht zu beweisen, so ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 61 VVG folgerichtig von Schuldfähigkeit auszugehen. Müsste die Prüfung des Risikoausschlusses des § 61 VVG beweisrechtlich wiederum zu Grunde legen, dass der Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten möglicherweise schuldunfähig gewesen sind, würde diese Regel durchkreuzt. Anders ist es, wenn lediglich mehr oder weniger erhebliche Einschränkungen der Einsichts- und Hemmungsfähigkeit - die von dem Anwendungsbereich des § 827 Satz 1 BGB nicht erfasst werden - in Rede stehen. Die Offenheit ihrer Feststellung mag die Annahme grober Fahrlässigkeit beeinflussen.
Das führt indessen nur auf den ersten Blick zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass die beweisrechtliche Lage eines möglicherweise krankheitsbedingt bewusstlosen Versicherungsnehmers schlechter ist als die beweisrechtliche Lage eines möglicherweise alkoholbedingt Schuldunfähigen. In aller Regel entwickeln sich Beeinträchtigungen der Einsichts- und Hemmungsfähigkeit, also der Verantwortlichkeit, fließend. Der Bundesgerichtshof hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gebrauch eines Kraftfahrzeugs in alkoholisiertem Zustand auch dann ganz elementare Verhaltensregeln verletzt - und damit als grob fahrlässig betrachtet werden muss -, wenn ein Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls zwar schuldunfähig gewesen sein kann, die zu dem Versicherungsfall führende Fahrt aber bereits in alkoholisiertem Zustand angetreten hat. Nichts anderes gilt in Fällen, in denen ein Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten sich durch die Einnahme von Drogen oder Medikamenten in einen Zustand versetzt haben, der zu dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls möglicherweise, wenn auch nicht sicher, zu einem Zustand der Bewusstlosigkeit oder der die freie Willensbestimmung ausschließenden krankhaften Störung der Geistestätigkeit geführt hat. Auch in anderen Fällen, in denen die Verantwortlichkeit eines Versicherungsnehmers oder seiner Repräsentanten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls offen bleibt, sind regelmäßig entweder Entwicklungen denkbar, in deren Verlauf von ihm - zur Vermeidung des Vorwurfes grober Fahrlässigkeit - verlangt werden muss, anzuhalten oder in deren Verlauf sich der Versicherungsfall zu einem Zeitpunkt ereignet, zudem - zu seinen Gunsten im Rahmen des vom Versicherer geschuldeten Nachweises grober Fahrlässigkeit - nicht feststeht, ob Bewusstlosigkeit eingetreten war oder nur eine die Wertung, grobe Fahrlässigkeit liege vor, ausschließende erhebliche Beeinträchtigung des Bewusstseins vorgelegen hat.
Das ist im Falle des Klägers anders. Er will, ohne vorherige Symptome einer Schlafapnoe, ohne Erscheinungen starker Übermüdung und ohne sonstige bemerkbare Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens plötzlich und unerwartet in Schlaf verfallen sein. Damit geht es nicht darum, ob der Vorwurf grober Fahrlässigkeit durch Überfahren eines Rotlichts deshalb nicht erhoben werden darf, weil er zwar elementare Verhaltensregeln im Straßenverkehr missachtet hat, dies aber möglicherweise in einem Zustand erheblicher Beeinträchtigung seiner Schuldfähigkeit geschehen ist. Entscheidend ist vielmehr allein, ob er - ohne Zwischenstadien - zum Zeitpunkt der Kollision bewusstlos war oder nicht. Nach dem eigenen Vortrag des Geschäftsführers der Klägerin soll sich vor dem Unfall ohne Vorankündigung die zur vollständigen Bewusstlosigkeit führende - angeblich bereits damals bestehende - Schlafapnoe bemerkbar gemacht haben. Dass ein solches atypisches Risiko des Ausschlusses der Verantwortlichkeit eingetreten ist zu beweisen weist die Rechtsordnung - ausschließlich - dem Betroffenen zu. Anlass, den Versicherer - und die Versichertengemeinschaft - damit zu belasten, besteht nicht.
Nur so kann auch den berechtigten Interessen eines Versicherers entsprochen werden. Der plötzliche und unerwartete Eintritt eines Sekundenschlafs, der von keinen früheren Symptomen angekündigt worden ist und den Versicherungsnehmer zur besonderen Vorsicht im Umgang mit dem Risiko veranlasst hätte, ist ein Umstand, dessen Widerlegung einem Versicherer bei einer entsprechenden Behauptung eines Versicherungsnehmers nahezu nicht möglich ist.
Aus einer Sauerstoffuntersättigung während der Schlafphasen - die bereits indiziell durch Schnarchen belegt werden kann - könnte leicht die Behauptung abgeleitet werden, elementare Vorschriften des Straßenverkehrs aus Gründen der momentanen Bewusstlosigkeit nicht vorwerfbar missachtet zu haben. Die volle Überzeugung davon, dass eine solche physische Entwicklung auszuschließen ist wäre regelmäßig schwer zu begründen. Plötzlich und unerwartet auftretende Fälle der Tagesschläfrigkeit sind, geht man von den durch die Sachverständigen geschilderten Symptomen aus, ungewöhnlich. Dass solche atypischen Ausnahmen - das plötzliche Eintreten eines Sekundenschlafs nach einer zuvor völlig symptomlos wach- und leistungsfähig durchgeführten Fahrt - auftreten beweisrechtlich dem Versicherungsnehmer zuzuweisen, entspricht daher den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung.
c) Zu Recht hat das Landgericht in dem Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin in objektiver Hinsicht ein grob fahrlässiges Verschulden erblickt. Denn der Geschäftsführer der Klägerin hat unmittelbar vor dem Zusammenprall unter Missachtung der Vorfahrt der bei dem Verkehrsunfall Geschädigten in einer ohne weiteres überschaubaren Verkehrslage eine ihm die Weiterfahrt klar verbietende Ampel überfahren und ist in den Kreuzungsbereich eingefahren, obwohl dort reger Fahrzeugverkehr herrschte. Damit hat er die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH VersR 1992, 1087; VersR 1989, 582; Römer/Langheid, VVG, § 61 Rdn. 29; Rdn. 34 mit umfangreichem Nachweis zur Rspr.). In analoger Anwendung von § 31 BGB muss die Klägerin für das Verhalten ihres gesetzlichen Organs einstehen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Geschäftsführer im versicherungsrechtlichen Sinne zugleich Repräsentant der Klägerin war (Stiefel/Hoffmann, Kraftfahrtversicherung, 16. Aufl., § 2 Rdn. 45; OLG Hamm NVersZ 1999, 271; OLG Köln R + S 1994, 370,371; Prölss/Martin, VVG 26. Aufl., § 6 Rdn. 44).
d) Weiterhin setzt die Annahme grober Fahrlässigkeit auf der subjektiven Seite gegenüber einfacher Fahrlässigkeit voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Verhalten in hohem Maße außer Acht gelassen worden ist (BGH, NJW 1985, 2648; Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 61 Rdnr. 12). Hierbei kommt es auf eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls an.
Gründe, die - bei Annahme von Schuldfähigkeit - das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin in milderem Licht erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache hinsichtlich der dargestellten Fragen zur Beweislastverteilung im Rahmen des § 61 VVG grundsätzliche Bedeutung besitzt und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich erscheint (§ 543 Abs. 2 ZPO).