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OLG Hamm Beschluss vom 10.12.2007 - (s) Sbd IX - 155/07 - Zur Entstehung der Erledigungsgebühr bei Verfahrenseinstellung nach ausgesetzter Hauptverhandlung

OLG Hamm v. 10.12.2007: Zur Entstehung der Erledigungsgebühr bei Verfahrenseinstellung nach ausgesetzter Hauptverhandlung


Das OLG Hamm (Beschluss vom 10.12.2007 - (s) Sbd IX - 155/07) hat entschieden:
Die Zusatzgebühr des Pflichtverteidigers nach Nr. 4141 RVG-VV kann auch dann entstehen, wenn bereits eine Hauptverhandlung stattgefunden hat, diese aber ausgesetzt wurde, und eine neu anzuberaumende Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren danach außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt werden kann (Anschluss OLG Bamberg, 16. Januar 2007, 1 Ws 856/06, AGS 2007, 138).


Siehe auch Erledigungsbeitrag und Notwendige Auslagen


Gründe:

Die Antragstellerin begehrt mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, für ihre Tätigkeit im vorliegenden Verfahren eine Pauschgebühr, die sie mit 2.000,00 €, zumindest jedoch mit der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers in Höhe von insgesamt 1.490,00 €, beziffert hat.

Die Antragstellerin ist erst im Berufungsverfahren tätig geworden, nachdem der zuvor nicht anwaltlich verteidigte frühere Angeklagte durch erstinstanzliches Urteil vom 17. Januar 2005 zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Am 19. Juli 2005 hat zunächst eine Berufungshauptverhandlung statt-gefunden, die jedoch ausgesetzt werden musste. Nachdem ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Schuldfähigkeit des früheren Angeklagten eingeholt worden war, ist dann mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des früheren Angeklagten das Verfahren gem. § 153 Abs. 2 S. 1 StPO am 20. März 2007 eingestellt worden, ohne dass es zu einer weiteren Berufungshauptverhandlung gekommen ist und es einer solchen noch bedurft hätte.

Zu dem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse unter dem 17. Oktober 2007 Stellung genommen, den Tätigkeitsumfang der Antragstellerin zutreffend dargestellt und das (Berufungs-) Verfahren mit der Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer im Hinblick auf die problematische Persönlichkeit des früheren Angeklagten für bereits besonders schwierig erachtet. Den besonderen Umfang des zweitinstanzlichen Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung sieht der Vertreter der Staatskasse jedoch hinreichend kompensiert durch den mit einer Dauer von 45 Minuten nur unterdurchschnittlich langen Berufungshauptverhandlungstermin.

Im Kostenfestsetzungsverfahren war zunächst streitig, ob der Antragstellerin auch eine Gebühr nach Nr. 4141 VVRVG zusteht, obwohl bereits ein Berufungshauptverhandlungstermin stattgefunden hatte, ein weiterer jedoch auch durch die Mitwirkung der Antragstellerin entbehrlich geworden ist. Den entsprechenden Kostenfestsetzungsantrag beim erstinstanzlichen Gericht hat die Antragstellerin inzwischen nach Rücksprache mit der Rechtspflegerin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wieder zurückgenommen.

Demgegenüber erachtet der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts als Vertreter der Staatskasse die genannte Gebühr Nr. 4141 VVRVG in Höhe von 216,00 € bei der gegebenen Sachlage für entstanden, hält es jedoch im Hinblick darauf für zumutbar, die Antragstellerin auf die gesetzlichen Gebühren zu verweisen.

Auch der Senat hält die Tätigkeit der Antragstellerin, die sich über mehr als 2 Jahre erstreckt hat, für besonders schwierig i. S. d. § 51 Abs. 1 RVG.

Aus den in der Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse und im Antrag vom 30. April 2007 genannten Gründen sowie der weiteren Stellungnahme der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28. November 2007 erachtet der Senat das Verfahren insgesamt auch für bereits besonders umfangreich, wobei der erhebliche Zeitaufwand in der Bearbeitung des Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung nicht vollständig durch den nur sehr kurzen Hauptverhandlungstermin kompensiert wird. Insbesondere die mehr als 20 Telefongespräche der Antragstellerin mit dem Mandanten während dessen zwischenzeitlichen Aufenthalts in seiner pakistanischen Heimat sowie deren Art und Umfang, wie sie im Schriftsatz vom 28. November 2007 beschrieben werden, rechtfertigen die Einschätzung der gesamten Tätigkeit als besonders umfangreich.

Es ist vorliegend neben den gesetzlichen Gebühren nach Nrn. 4100, 4124 und 4126 VVRVG auch die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VVRVG entstanden. Diese Gebühr kann nämlich auch dann entstehen, wenn bereits eine Hauptverhandlung statt-gefunden hat, die jedoch ausgesetzt wurde und eine neu anzuberaumende Haupt-verhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren danach außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt werden kann (vgl. mit ausführlicher und zutreffender Begründung OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Januar 2007 in 1 Ws 856/06 = RVGreport 2007, 150 = AGS 2007, 138; LG Düsseldorf, Beschluss vom 25. September 2006 in IV Qs 66/06 = JurBüro 2007, 83 m. Anm. Madert; ferner Burhoff/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Rdnr. 21 zu VV Nr. 4141, Beispiel Nr. 5 m. w. N.).

Auch wenn der Antragstellerin die genannte Gebühr zusteht und ihre gesetzlichen Gebühren somit insgesamt 780,00 € betragen, wäre es unter den gegebenen Umständen angesichts des besonderen Arbeitsaufwandes insgesamt auch nicht mehr zumutbar, sie ausschließlich auf die gesetzlichen Gebühren zu verweisen, so dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 S. 1 RVG dem Grunde nach vorliegen.

Bei der Bemessung der Höhe der demgemäß zu bewilligenden Pauschgebühr hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt.

Danach erschien es gerechtfertigt, eine Pauschgebühr in Höhe von 1.100,00 € als angemessen aber auch ausreichend festzusetzen, wobei nicht unberücksichtigt geblieben ist, dass die Tätigkeit in der ausgesetzten Hauptverhandlung nur sehr kurz war und auch eine Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VVRVG entstanden ist.

Da die Antragstellerin für ihre gesamte Tätigkeit und nicht nur isoliert für einzelne Verfahrensabschnitte eine Pauschgebühr geltend gemacht hat und sich somit die Bewilligung einer Pauschgebühr auch nicht auf einzelne Verfahrensabschnitte beschränkt, waren die einzelnen Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, auch nicht im Einzelnen und im Tenor des Beschlusses aufzuführen.

Demgemäß war der über die bewilligte Pauschgebühr hinausgehende Antrag als übersetzt anzusehen und abzulehnen.



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