Das Verkehrslexikon

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BGH Beschluss vom 28.07.2009 - 4 StR 254/09 - Zum Problem des versuchten oder vollendeten Betruges beim Selbsttanken ohne Bezahlung

BGH v. 28.07.2009: Zum Problem des versuchten oder vollendeten Betruges beim Selbsttanken ohne Bezahlung - Täuschung des Kassenpersonals


Der BGH (Beschluss vom 28.07.2009 - 4 StR 254/09) hat entschieden:
In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. An der erforderlichen Irrtumserregung fehlt es, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. Ist dies der Fall, liegt jedoch regelmäßig ein Betrugsversuch vor.


Siehe auch Tankbetrug und a href="../Module/Verkehrsstrafsachen.php" target="_self">Verkehrsstrafsachen


Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls sowie wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen (vollendeten) Betruges in zwei Fällen kann nicht bestehen bleiben.

a) Nach den Feststellungen betankte der Angeklagte in dem einen Fall am 12. August 2008 seinen Pkw gegen 0.23 Uhr an einer Tankstelle mit Dieselkraftstoff im Wert von 102,53 €. Anschließend fuhr er - wie von vornherein geplant - ohne bei der Kassiererin zu bezahlen davon. Zwei Tage später tankte das Fahrzeug der frühere Mitangeklagte E. K. an einer anderen Tankstelle auf, während der Angeklagte im Verkaufsraum versuchte, den Kassierer abzulenken. Als dieser misstrauisch wurde, verließ der Angeklagte den Verkaufsraum, rannte zu seinem Fahrzeug und fuhr sodann mit K. einem vorgefassten Tatplan folgend davon, ohne den Kaufpreis zu entrichten.

b) Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen vollendeten Betruges.

aa) In den Fällen des Selbstbedienungstankens setzt die Annahme eines vollendeten Betruges voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen von Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. An der erforderlichen Irrtumserregung fehlt es, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. Ist dies der Fall, liegt jedoch regelmäßig ein Betrugsversuch vor (vgl. Senat NJW 1983, 2827 mit Anm. Gauf/Deutscher NStZ 1983, 505; OLG Köln NJW 2002,1059).

bb) Die Urteilsfeststellungen belegen hier nicht, dass die Tankvorgänge von dem jeweiligen Kassenpersonal wahrgenommen worden sind. Zwar wird dies unter den heutigen Verhältnissen (Video-Überwachung, Kontrollpulte im Kassenraum etc.) vielfach der Fall sein. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Tankvorgänge vom Kassenpersonal nicht bemerkt werden, insbesondere bei weitläufigen Tankstellen mit zahlreichen Zapfsäulen, bei großem Kundenandrang oder bei Inanspruchnahme durch Kassier- oder sonstige Verkaufstätigkeiten. Dass das Betanken im ersten Fall zur Nachtzeit stattfand, das heißt zu einem Zeitpunkt, zu welchem üblicherweise mit geringerem Kundenaufkommen zu rechnen ist, rechtfertigt daher für sich gesehen nicht bereits den Schluss, die Kassiererin habe das Betanken des Fahrzeugs des Angeklagten auch tatsächlich wahrgenommen. Der Umstand, dass im zweiten Fall der Angeklagte versuchte, den Kassierer abzulenken, spricht ebenfalls nicht zwingend dafür, dass dieser das Betanken des Fahrzeugs bereits bemerkt hatte. Das Ablenkungsmanöver kann auch mit dem Ziel erfolgt sein, das Tankstellengelände wieder unbemerkt zu verlassen.

2. Die Verurteilungen wegen vollendeten Betruges haben daher keinen Bestand. Dies führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Die neu erkennende Strafkammer wird bei erneuter Verurteilung mit Blick auf die Regelungen der §§ 263 Abs. 4, 248 a StGB zu Fall II. 3 der Urteilsgründe auch Feststellungen zu dem Wert des erlangten Treibstoffes zu treffen haben.



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