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Amtsgericht Wuppertal Urteil vom 17.03.2009 - 39 C 489/08 - Zur Berücksichtigung des Gebrauchtwarenmarkts bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts eines Navigationsgeräts

AG Wuppertal v. 17.03.2009: Zur Berücksichtigung des Gebrauchtwarenmarkts bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts eines entwendeten Navigationsgeräts


Das Amtsgericht Wuppertal (Urteil vom 17.03.2009 - 39 C 489/08) hat entschieden:
Zur Schätzung des Wiederbeschaffungswertes eines entwendeten Navigationssystems kann auf Angebote gewerblicher Händler im Internet abgestellt werden.


Siehe auch Navigationsgeräte und Versicherungsthemen


Tatbestand:

Die Parteien sind durch einen Kfz-Teilkasko-Versicherungsvertrag (Vers.-Nr. 410/30/571598515) miteinander verbunden, welcher eine Selbstbeteiligung der Klägerin in Höhe von 150,00 EUR beinhaltet.

Am 08.04.2008 wurde das Fahrzeug der Klägerin, Mercedes Benz E 320 CDI, amtl. Kennzeichen ... in ... aufgebrochen und das Bedienteil des werksseitig fest eingebauten Navigationssystems entwendet. Es handelt sich insoweit um ein Mercedes Benz Originalteil des Typs Comand DVD APS, Teilenr. A 2118707090/80). Das Fahrzeug der Klägerin ist erstmalig am 24.05.2004 zugelassen worden.

Die Klägerin ließ daraufhin durch die Mercedes Benz Niederlassung in X ein neues Gerät obigen Typs in ihr Fahrzeug einbauen. Die Werkstatt berechnete der Klägerin dafür gemäß Rechnung vom 11.04.2008 (Bl. 5 f. d. GA) einen Betrag von 2.544,83 EUR netto.

Mit Schreiben vom 27.08.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie lediglich den Zeitwert des entwendeten Gerätes erstatte und verwies insoweit auf § 13 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AKB. Die Beklagte erstattete in der Folge einen Betrag von 1.224,39 EUR.

Die Klägerin behauptet, dass es für Navigationsgeräte wie das streitgegenständliche keinen Gebrauchtwarenmarkt gebe. Insbesondere würden von Mercedes Benz Vertragshändlern keine Gebrauchtgeräte verkauft und eingebaut. Mercedes Benz übernehme zudem für werksfremd eingebaute Geräte keine Garantie.

Sie ist der Ansicht, dass sie sich nicht auf Internethändler verweisen lassen müsse, da diese oftmals gestohlene Geräte anböten und zudem Mercedes Benz insoweit auch eine Garantie ablehne. Sie habe einen Anspruch darauf, ein gleichwertiges neues Navigationsgerät bei einem Mercedes Benz Vertragshändler zu erwerben und auch von diesem einbauen zu lassen.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.170,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie sie - die Klägerin - bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 130,50 EUR gegenüber der Rechtsanwältin ... freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass bei der Erstattung des der Klägerin entstandenen Schadens ein dem Alter und der Abnutzung des entwendeten Navigationsgerätes entsprechender Abzug vorzunehmen sei. Dies ergebe sich aus § 13 Abs. 4 b) S. 2 der AKB.

Im Übrigen sei ein Schaden lediglich bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes zu erstatten, dieser liege im vorliegenden Fall bei 1.099,00 EUR, da man für diesen Preis ein gleichwertiges Navigationsgerät bekomme.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber überwiegend nicht begründet. Der Klägerin steht lediglich ein Restschadensersatzanspruch in Höhe von 53,00 EUR zu. Der Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltsgebühren besteht daher auch nur basierend auf einem Gegenstandswert dieser Höhe, so dass insoweit ein Anspruch auf Freistellung in Höhe von 46,41 EUR zu bejahen war.

I.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Wuppertal ergibt sich jedenfalls gemäß § 39 ZPO aus der rügelosen Einlassung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2009.

II.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es am 08.04.2008 zu einem Versicherungsfall im Sinne von § 12 Nr. 1 Abs. 1 b) AKB gekommen ist. Die daher durch die Beklagte nach § 13 AKB zu zahlende Entschädigung beläuft sich auf 1.427,39 EUR. Diesen Betrag hat die Beklagte bis auf einen Restbetrag von 53,00 EUR bereits geleistet (§ 362 Abs. 1 S. 1 BGB), so dass die Klage insoweit abzuweisen war.

Zu ersetzen ist nach § 13 Abs. 1 AKB lediglich der Wiederbeschaffungswert des entwendeten Gerätes. Der Wiederbeschaffungswert ist dabei der vom Versicherungsnehmer aufzubringende Kaufpreis, der erforderlich ist, um ein gleichwertiges gebrauchtes Teil zu erwerben.

1. Die Anschaffung eines Gebrauchtgerätes kommt nur dann nicht in Betracht, wenn sie dem Versicherungsnehmer nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Nicht möglich ist sie, wenn es keinen Gebrauchtwarenmarkt für das entwendete Gerät gibt, nicht zumutbar ist sie insbesondere dann, wenn es keine gleichwertigen Gebrauchtgeräte auf dem seriösen Markt gibt und die Klägerin so gezwungen wäre, auf zumindest zweifelhafte Quellen zurückzugreifen.

a) Eine Unmöglichkeit der Anschaffung eines Gebrauchtgerätes ist nicht gegeben. Es ist gerichtsbekannt, dass es für Navigationsgeräte einen lebhaften Gebrauchtmarkt gibt, insbesondere auch im Internet. Exemplarisch sei insoweit die Internetplattform ebay.de (http://www.ebay.de) genannt.

Recherchen des Gerichts auf dieser Internetplattform am 10. und 12.03.2009 ergaben unter den Suchbegriffen "Mercedes W211 Comand APS" 66 bzw. 76 Treffer, darunter befanden sich zahlreiche gewerbliche Händler, die das streitgegenständliche Navigationsgerät zum Sofortkauf mit Gewährleistung anboten. Das Gericht verweist insoweit auf Angebote der Anbieter Navisworld (ebay-Name: www*navisworld*de), Navi-Nec Gärtner (navi-nec), Mobiltronic Hedderich (www-mobildvd-de), Martin Menniger (summ980) und AudioComp (ac-navigation), die das streitgegenständliche Navigationsgerät dort zu einem Preis zwischen 849,95 EUR und 1.890,00 EUR anbieten.

Eine weitere Suchanfrage mittels der Internet-Produktsuchmaschine des Anbieters google.de (http://www.google.de/products) ergab ebenfalls zahlreiche Treffer, so z.B. Verweise auf die von der Beklagten angeführten L GmbH (http://www.koberger-online.de) und Mobiltronic Hedderich (http://www.mobiltronic.de), wobei letzterer auch unter den Anbietern bei ebay zu finden war.

Dass es einen solchen Gebrauchtmarkt gibt, ist angesichts der heutigen Verbreitung der Internetnutzung an sich und der Bekanntheit derartiger Internethandelsplattformen auch als allgemein bekannt vorauszusetzen.

b) Die Klägerin ist zu einem Erwerb eines Navigationsgerätes auf dem Gebrauchtwarenmarkt zudem nach § 13 AKB auch verpflichtet. Internetplattformen sind heute allgemein zugänglich und ohne größere Schwierigkeiten zu handhaben, so dass es der Klägerin oblag, im Rahmen ihrer Schadensbeseitigung und unter Berücksichtigung ihrer Schadensminderungspflicht auf einen derartigen Gebrauchtmarkt zurückzugreifen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 05.03.2009 (Bl. 114 ff. d. GA) selbst vorgetragen, dass es ihrem Geschäftsführer ein Leichtes ist, Waren im Internet zu erwerben - auch wenn er insoweit angibt, auf die Hilfe anderer Personen angewiesen zu sein.

Die Argumente der Klägerin, dass es im Internet überwiegend Anbieter gebe, die Ware zumindest zweifelhaften Ursprungs vertreiben und dass Mercedes Benz bei einem nicht durch eine eigene Vertragswerkstatt vorgenommenen Einbau keine Gewährleistung übernehme, vermögen nicht durchzugreifen, der Einkauf im Internet ist der Klägerin zumutbar.

Die Klägerin kann zwar nicht verpflichtet werden, eine Ersatzbeschaffung beispielsweise über einen Privatanbieter auf ebay.de vorzunehmen, sie muss sich aber insoweit auf die dort ebenfalls tätigen seriösen Händler verweisen lassen. Bei den o.g. gewerblichen Anbietern handelt es sich um Anbieter, die teils seit gut acht Jahren bei ebay tätig sind und dennoch über 100% positive Bewertungen verfügen. Zudem bieten alle diese gewerblichen Händler sowohl ein Rückgaberecht als auch einen Gewährleistung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Außerdem wird auch die legale Herkunft der Gebrauchtgeräte versichert.

Dass der Geschäftsführer der Beklagten insoweit schon mal an einen Anbieter geraten ist, der Hehlerware anbot, vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern.

Was die Gewährleistung angeht, ist im Übrigen auch darauf zu verweisen, dass die Klägerin in Bezug auf das ihr entwendetes Navigationsgerät über keine Gewährleistungsansprüche mehr verfügte, da dieses bereits fast vier Jahre alt war. Selbst wenn auf Gebrauchtgeräte also nur eine Gewährleistung von 12 Monaten anstelle der 24 Monate auf Neugeräte gegeben wird, steht die Klägerin auch mit einem Gebrauchtgerät immer noch besser da, als sie es vor dem Diebstahl war.

Es besteht insoweit auch kein Anspruch der Klägerin, das Navigationsgerät durch einen Mercedes Benz Vertragshändler einbauen zu lassen. Auch andere - freie - Kfz-Werkstätten sind in der Lage, einen solchen Einbau ohne Qualitätsverlust vorzunehmen.

c) Bei den vom Gericht vorgenommenen Recherchen ergab sich, dass ein gleichwertiges Navigationsgerät, wie es der Klägerin entwendet wurde, bei ebay.de zu einem Preis zwischen 850,- und 1.890,00 EUR zzgl. Versandkosten erworben werden kann, wobei es sich jeweils um einen Sofortkaufpreis, d.h. Festpreis, mit Gewährleistung und Rückgaberecht gehandelt hat. Da die Angebote bei ebay.de durchaus Schwankungen unterliegen und erfahrungsgemäß nicht alle Anbieter fortwährend das gleiche Sortiment anbieten, legt das Gericht im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO den Mittelwert der Preise der fünf o.g. - aus Sicht des Gerichts seriösen - Anbieter der Schadensschätzung zugrunde und setzt den Wiederbeschaffungswert auf 1.167,39 EUR fest.

Zu diesen Kosten kommen noch Transportkosten für einen versicherten Versand hinzu, welche das Gericht mit 10,00 EUR bemisst.

Zugunsten der Klägerin sind außerdem noch die Einbaukosten zu berücksichtigen, die das Gericht angelehnt an die von der Klägerin vorgelegte Rechnung der Mercedes Benz Niederlassung mit 250,00 EUR bemisst. Insoweit bleibt festzuhalten, dass die Beklagte selbst Einbaukosten von 100,- bis 250,00 EUR für angemessen erachtet hat.

Somit fallen für den Einbau eines baugleichen Navigationsgerätes, wie es in dem Fahrzeug der Klägerin ursprünglich eingebaut war, Kosten in Höhe von insgesamt 1.427,39 EUR an. Nur in dieser Höhe hat die Klägerin einen Anspruch gegenüber der Beklagten.

Da die Klägerin unstreitig eine Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR trifft und die Beklagte bereits 1.224,39 EUR an die Klägerin geleistet hat, verbleibt ein Restanspruch der Klägerin in Höhe von 53,00 EUR. Diesen hat die Beklagte noch an den Kläger zu leisten.

III.

Der Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich unter dem Aspekt des Verzuges aus den §§ 280, 281, 286 BGB.

Was die Höhe des Anspruch angeht, besteht ein solcher nur in Höhe von 46,41 EUR (1,3 Gebühr nach RVG zzgl. Pauschale und Umsatzsteuer basierend auf einem Gegenstandswert von 53,00 EUR).

IV.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Klägerin waren die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da die Beklagte nur geringfügig verurteilt wurde und der Betrag der Verurteilung lediglich geringfügige Kosten verursacht hat.

Der Streitwert wird festgesetzt auf bis 1.500,00 EUR.