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Verwaltungsgericht Ansbach (Urteil vom 20.12.2011 - AN 10 K 11.00200 - Zum Anspruch auf Anordnung eines Haltverbotes gegenüber Garagenzufahrt

VG Ansbach v. 20.12.2011: Zum Anspruch auf Anordnung eines Haltverbotes gegenüber Garagenzufahrt


Das Verwaltungsgericht Ansbach (Urteil vom 20.12.2011 - AN 10 K 11.00200) hat entschieden:
Voraussetzung für die Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen, hier eines eingeschränkten Haltverbots durch Aufstellen der Zeichen 286 (siehe Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, laufende Nr. 63) ist das Vorliegen einer Beeinträchtigung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Die Leichtigkeit und damit die Ordnung des Verkehrs ist zwar grundsätzlich beeinträchtigt, wenn durch parkende Fahrzeuge die Nutzung einer Grundstückszufahrt unmöglich gemacht oder erheblich behindert wird. Die Benutzung einer Carporteinfahrt wird jedoch durch gegenüber parkende Kraftfahrzeuge nicht unmöglich gemacht, auch nicht erheblich behindert, wenn es möglich ist rückwärts mit zwei Zügen und vorwärts sogar mit einem Zug wegzufahren.


Siehe auch Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen und Kfz-Umsetzung


Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags, auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Zufahrt seines Doppelcarports ein eingeschränktes Haltverbot anzuordnen.

Ausweislich der vorgelegten Verwaltungsakte bemüht sich der Kläger seit etwa Januar 2007 um die Anordnung eines „Parkverbots“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Zufahrt seines (Doppel-)Carports.

Er begründete diesen Antrag u.a. dahingehend, dass insbesondere durch Schüler der nahegelegenen Fachakademie für Sozialpädagogik oft gegenüber seiner Ausfahrt geparkt werden würde, so dass es äußerst schwierig sei bzw. bei Schneefall kaum möglich sei, aus der Ausfahrt auszufahren.

Dieser Antrag wurde - letztlich - mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 21. Dezember 2010 förmlich abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass weder eine enge noch eine unübersichtliche Straßenstelle im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 StVO vorliege. Auch handele es sich bei der Fahrbahn unmittelbar vor der Grundstückszufahrt um keine schmale Fahrbahn im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO. Bei Berücksichtigung der Verkehrsbedeutung der Zufahrt und der sie erschließenden Straße, der Fahrzeuge, welche die Zufahrt überwiegend benutzten, der Breite der Gesamtfahrbahn bzw. der Restfahrbahn wenn gegenüberliegend geparkt werde sowie der Breite der Zufahrt liege bei typisierter, Regelfallbetrachtung keine schmale Fahrbahn im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO vor. Es liege auch keine atypische Sondersituation vor. Es fehle an einer Beeinträchtigung der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1 StVO, welche die Behörde zu einer Ermessensausübung zu Gunsten der insoweit durch § 45 StVO geschützten Individualinteressen des Klägers veranlassen müsste. Der Ermessensspielraum der Behörde sei insoweit nicht eröffnet. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen.

Der Kläger ließ gegen diesen Bescheid am 24. Januar 2011 Klage erheben und - letztlich - im Rahmen der mündlichen Verhandlung beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts, erneut über den Antrag zu entscheiden.
Zur Begründung wurde u.a. schriftsätzlich ausgeführt, dass es sich um eine enge Straßenstelle im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO handele. Auch liege eine unübersichtliche Straßenstelle im Sinne dieser Vorschrift vor, weil die Zufahrt unmittelbar an der Einmündung zur … liege und herannahende Fahrzeuge von dort den Kläger beim Rangieren nicht sehen würden. Es sei deshalb schon zu „Beinahe-Unfällen“ gekommen. Ferner liege eine schmale Fahrbahn im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO vor, hierzu sei eine situationsbezogene Betrachtung vorzunehmen. Es bedürfe eines „meist fünfmaligen Rangierens“. Im Regelfall verblieben weniger als 3,95 m an Restfahrbahnbreite. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, das beantragte Parkverbot anzuordnen, da die oben genannten gesetzlichen Parkverbote bestünden. Auf Grund Ermessensfehlgebrauchs sei der Bescheid rechtswidrig, der Kläger habe einen Anspruch auf Aufhebung des Ermessens. Es sei eine Behinderung der Leichtigkeit des Straßenverkehrs gegeben, da die Straße während des notwendigen Rangiervorgangs bei der Ausfahrt die Straße blockiere.

Im Rahmen des Augenscheins wurde festgestellt, dass der Kläger auch mit dem größeren der von ihm gehaltenen zwei Kraftfahrzeuge auch bei gegenüber geparkten Fahrzeugen bei rückwärtigem Ausfahren aus dem Carport mit einem Rückwärtszug und einem Vorwärtszug in den Straßenverkehr einfahren konnte. Der Kläger machte aber insbesondere geltend, dass die Situation beim Augenschein nicht repräsentativ sei, denn insbesondere im Winter, wenn Schnee liege, sei er bei der Ausfahrt viel mehr behindert, da die gegenüberliegenden Fahrzeuge dann wegen des dann dort liegenden Schnees näher an seiner Einfahrt parken würden. Hinzu komme noch, dass dann auch auf seiner Straßenseite der für ihn notwendige Rangierraum durch Schneereste auf der Straße eingeengt sei bzw. er dadurch behindert sei. Hinzu komme noch, dass er insbesondere während des Ausfahrtvorgangs ein Hindernis auf der Straße darstelle. Dies habe bereits zu einigen „Beinahe-Unfällen“ geführt, wenn Fahrzeuge aus der oberhalb verlaufenden … nach rechts in die Straße zu seinem Anwesen einbiegen würden. Dies geschehe meist unter Außerachtlassung der notwendigen Vorsicht bzw. unter Nichtbeachtung der in … angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Auch habe die sein Grundstück erschließende Straße „…“ längst nicht mehr nur die Funktion einer reinen Wohnstraße zur Erschließung des Wohngebiets, dies sei spätestens nach Inbetriebnahme der hier nahegelegenen Fachakademie für Sozialpädagogik nicht mehr der Fall, da sich dadurch erheblicher Anfahrtsverkehr sowie Park- bzw. Parksuchverkehr auf dieser Straße entwickelt habe.

Die Beklagte beantragte
Klageabweisung
unter Wiederholung und Bekräftigung ihres im angefochtenen Bescheid dargelegten Rechtsstandpunktes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, da der Kläger geltend machen kann, in seiner subjektiven Rechtsposition als Inhaber einer Grundstücksein- und ausfahrt im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO verletzt sein zu können.

Die Klage ist jedoch unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrages auf Anordnung eines eingeschränkten Haltverbots, da die Ablehnung rechtmäßig ist, weil mangels einer Beeinträchtigung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs durch die Parksituation gegenüber der Grundstücksausfahrt des Klägers bereits die Anordnungsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 StVO nicht vorliegen. Somit war eine hieran anschließende Ermessensentscheidung - unter Abwägung der geschützten Individualinteressen mit den öffentlichen Verkehrsinteressen - nicht (mehr) notwendig, da auch keinerlei Hinweise auf eine eventuell atypische Sondersituation vorliegen.

Voraussetzung für die Anordnung verkehrsregelnder Maßnahmen, hier eines eingeschränkten Haltverbots durch Aufstellen der Zeichen 286 (siehe Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, laufende Nr. 63) ist das Vorliegen einer Beeinträchtigung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, da weitere Alternativen des § 45 StVO hier ersichtlich nicht einschlägig sind.

Die Leichtigkeit und damit die Ordnung des Verkehrs ist zwar grundsätzlich beeinträchtigt, wenn durch parkende Fahrzeuge die Nutzung einer Grundstückszufahrt unmöglich gemacht oder erheblich behindert wird (vgl. Hentschel/König/Dauer, Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO, RdNr. 47; BVerwG vom 22.1.1971 - Az. VII C 48.69, juris; vom 21. Juli 1997 Az. 3 B 129.97, juris).

Die Benutzung der Carporteinfahrt des Klägers wird jedoch durch gegenüber parkende Kraftfahrzeuge nicht unmöglich gemacht, auch nicht erheblich behindert.

Zur Frage einer erheblichen Behinderung geht die Rechtsprechung davon aus, dass unter Berücksichtigung der allgemein vorzufindenden Verkehrs- und Parkraumsituation, insbesondere in Innenstädten, ein - zumindest - zweimaliges Rangieren (vgl. etwa BayVGH vom 12.1.1998 - Az. 11 B 96.2895: „... zwei- bis dreimaliges Vor- und Zurücksetzen ...“; vom 21.12.2005 - Az. 11 CS 05.1329, insbesondere RdNr. 41, beide Entscheidungen jeweils in juris) zumutbar ist und somit eine Abgrenzung der Interessen der auf Parkraum angewiesene Verkehrsteilnehmer und der Interessen der über Stellplätze auf Privatgrund verfügenden Anlieger zulässt.

Die Ergebnisse des Ortsaugenscheins haben jedoch gezeigt, dass auch bei parkenden Fahrzeugen auf der der Ausfahrt gegenüberliegenden Straßenseite der Kläger - selbst mit dem „größeren“ seiner Fahrzeuge - sogar ohne Rangieren, nämlich in zwei Zügen (rückwärts) ausfahren kann, was andererseits bedeutet, dass er mit nur einem Zug (vorwärts) regelmäßig einfahren kann.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hat, dass sich die Situation derart positiv nur dann darstelle, falls kein Schnee liege, kann dies keine im Ergebnis andere Beurteilung bewirken: Es wird dann auch nach Ansicht des Gerichts davon auszugehen sein, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite, falls dort entlang der Bordsteinkante größere Mengen (von der Fahrbahn oder auch vom Gehweg geräumter) Schnee liegen, die dort parkenden Fahrzeuge näher an der Ausfahrt des Klägers stehen werden. Insoweit mag das vom Kläger vorgelegte Lichtbild Nr. 1 durchaus realistische und nicht einmalige Zustände zeigen. Dies mag dann dem Kläger eventuell zu einem Zufahren/Abfahren mit Rangierbedarf nötigen, wobei aber davon auszugehen ist, dass spätestens nach einem zweimaligen Rangieren (also vier zusätzlichen Fahrzügen) - und damit noch zumutbar - Zu- und Abfahrt genommen werden kann. Hinzu kommt, dass bei winterlichen Straßenverhältnissen für alle Verkehrsteilnehmer erschwerte Bedingungen vorliegen, welche dann auch für alle eine erhöhte Zumutbarkeitsschwelle auslösen können, im vorliegenden Zusammenhang etwa die Zumutbarkeit eines zusätzlichen (dritten) Rangiervorgangs.

Soweit der Kläger ferner darauf hinweist, dass er bei Schneefall zusätzlich durch das Räumgut entlang des Bordsteins vor seiner Ausfahrt beim Rangieren behindert wird, kann auch dies keine andere Bewertung begründen: Es ist eine allgemein verbreitete und unvermeidbare Tatsache, dass von der Fahrbahn (und auch von den Anliegern von den Gehwegen) geräumter oder zur Seite gefahrener Schnee sich entlang der Fahrbahnkanten sammelt oder gar türmt. Sollten sich hierdurch für den Kläger zusätzliche Erschwernisse bei der Zu- und Abfahrt ergeben, ist es ihm zumutbar, diese zu beseitigen. Hinsichtlich des Gehwegs ist der Kläger als Anlieger schon auf Grund der durch Verordnung nach Art. 51 Abs. 4 BayStrWG verfügten Räum- und Streupflicht angehalten, diesen zu räumen. Sollte die Zufahrt darüber hinaus auf Grund von Schneeablagerungen auf der Fahrbahn maßgeblich behindert werden, ist es zumutbare, alternativlose und deshalb allseits geübte Praxis der Straßenanlieger, auch diese Schneeablagerungen zu räumen oder zumindest zu reduzieren und etwa an den Seiten der Zufahrten anzuhäufen. Dies kann auch dem Kläger angesonnen werden und beruht letztlich auf den in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass betroffene Anlieger erst alle ihnen mögliche und zumutbare Abhilfsmaßnahmen - insbesondere auf dem eigenen Grundstück (vgl. etwa BayVGH vom 6.4.1994 - Az. 11 B 93.3927, juris) - treffen müssen, bevor ein Anspruch auf Anordnungen der Straßenverkehrsbehörde bestehen kann.

Auch kann letztlich der Vortrag des Klägers, es bestünde eine - insbesondere während Ausfahrens bzw. des Rangierens - permanente Gefährdungssituation durch die von der … - zu schnell - einfahrenden Rechtsabbieger, keine Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs dartun und somit die straßenverkehrsrechtliche Regelungsbefugnis bzw. Verpflichtung eröffnen.

Der Vortrag der Beteiligten und auch der Ortsaugenschein haben keine Gefährdungslage erkennen lassen, welche das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Hierfür reicht es nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, dass ein entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt (so BVerwG, Urteil vom 23.9.2010 - Az. 3 C 39.09, juris). Auch wenn man dem klägerischen Vortrag zugrunde legt, dass es deswegen - nach seinem subjektiven Eindruck - bereits zu Beinahe-Unfällen gekommen sei, sind damit noch nicht die Voraussetzungen für besondere örtliche Verhältnisse im oben genannten Sinne dargetan, denn es stellt das allgemeine Risiko im Straßenverkehr dar, dass einzelne Verkehrsteilnehmer sich wider jegliche Vernunft verhalten und elementare Regeln im Straßenverkehr nicht beachten.

Andererseits hat auch der Ortsaugenschein nichts ergeben dafür, dass etwa besondere örtliche Verhältnisse vorliegen könnten, so weil beispielsweise der Straßenverlauf besonders unübersichtlich ist, einen überraschenden Verlauf nimmt oder „verführt“, besonders forsch die Kurve zu nehmen. Hinzu kommt, dass die Geschwindigkeit auf der … auf 30 km/h limitiert ist.

Letztlich spricht aber vor allem die Tatsache, dass der Kläger nach eigenem Vortrag etwa seit 2005 seinen Carport dort nutzt und auch die benachbarte Fachakademie, deren Schüler nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten den „Parkdruck“ verursachen, schon seit 2003 besteht, aber nach den unbestrittenen Angaben der Polizei bisher dort noch keine Unfälle registriert werden mussten, für die Einschätzung der Beklagten, dass keine besondere Gefährdungssituation vorliegt und deshalb ihr Aufgabenbereich als Straßenverkehrsbehörde noch nicht eröffnet ist.

Liegt eine Beeinträchtigung der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs - noch - nicht vor, stellt sich auch nicht die Frage, ob die Straßenverkehrsbehörde eine an den Kriterien des § 114 VwGO gemessene, ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen hat (so BayVGH, Urteil vom 12.1.1998 - Az. 11 B 96.2895, juris).

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.


Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46.14 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 7/2004 in NVwZ 2004, 1327).