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BGH Urteil vom 08.02.1983 - VI ZR 48/81 - Zur Auslegung eines Teilungsabkommens

BGH v. 08.02.1983: Zur Auslegung eines Teilungsabkommens, das für Regresse nach RVO § 1542 und nach RVO § 640 unterschiedliche Regelungen trifft, in einem Schadenfall, in dem eine Haftungsfreistellung nach RVO §§ 636, 637 in Betracht kommt


Der BGH (Urteil vom 08.02.1983 - VI ZR 48/81) hat entschieden:
Zur Auslegung eines Teilungsabkommens, das für Regresse nach RVO § 1542 und nach RVO § 640 unterschiedliche Regelungen trifft, in einem Schadenfall, in dem eine Haftungsfreistellung nach RVO §§ 636, 637 in Betracht kommt.


Siehe auch Haftungsbeschränkung bei Wegeunfällen und Teilungsabkommen und Kfz-Versicherung


Tatbestand:

Die klagende Berufsgenossenschaft macht gegen die beklagte Haftpflichtversicherung Ansprüche aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Teilungsabkommen (TA) geltend, und zwar wegen Leistungen, die sie anlässlich eines Arbeitsunfalls des bei ihr freiwillig versicherten Kaufmanns H. erbracht hat.

Am Tag des Unfalls, dem 15. Juni 1976, wurde H., der ein Lebensmittelgeschäft betreibt, von der Großhandel GmbH mit Waren beliefert. Der Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw lud die Ware von dem Fahrzeug ab; H. brachte sie in seinen Laden. Als er mit Leergut zurückkehrte, das der Lkw abholen sollte, glaubte er wahrzunehmen, dass ein auf der Hubbühne des Lkw stehender Container beim Herablassen der Bühne ins Rutschen geriet. Er stemmte sich gegen den Container; dabei geriet sein linkes Bein unter die sich senkende Platte. Hierbei brach H. das Fußgelenk. Wegen des Vorfalls hat H. Halterin, Fahrer und die beklagte Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Seine zunächst in erster Instanz aus dem Straßenverkehrsgesetz teilweise erfolgreiche Klage ist in zweiter Instanz mit der Begründung abgewiesen worden, die Haftpflichtversicherten seien gemäß §§ 636, 637 RVO von einer Haftung für den Arbeitsunfall freigestellt. Das Urteil ist rechtskräftig.

In dem Teilungsabkommen vom 18. Dezember 1967/ 18. Januar 1968, auf das die Klägerin ihre Klage stützt, hatten die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits u.a. folgendes vereinbart:
"§ 1

Werden von der (Klägerin) aufgrund der Vorschriften des § 1542 RVO Regressansprüche gegen eine Person erhoben, die gegen die gesetzliche Haftpflicht aus dem der Regressforderung zu Grunde liegenden Schadensereignis bei der (Beklagten) versichert ist, so verzichtet der Haftpflichtversicherer auf die Prüfung der Haftpflichtfrage und ersetzt der (Klägerin) auch in den Fällen, in welchen der Schadensfall nachweisbar durch eigenes Verschulden des Geschädigten (Verletzten) entstanden ist, 50 % bis zu DM 5.000 ohne, darüberhinaus mit Prüfung der Übergangsfähigkeit.

Die (Klägerin) verzichtet in allen Fällen, also auch in denen, die nachweisbar in vollem Umfang durch das Verschulden des Regresspflichtigen entstanden sind, auf 50 % der genannten Aufwendungen.

§ 2

Bei Regressfällen nach den Vorschriften des § 640 RVO werden der (Klägerin) 50 % aller Aufwendungen durch den Haftpflichtversicherer erstattet.

§ 3

Voraussetzung für die Regelung nach § 1 und § 2 ist, dass die (Beklagte) aufgrund einer bei ihr bestehenden Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz zu gewähren hat und die Ansprüche der (Klägerin) schlüssig sind.

§ 4

...

§ 5

Von der Regelung des § 1 sind diejenigen Regressansprüche ausgeschlossen, in denen im Einzelfall die gesamten Leistungen der (Klägerin) DM 50.000 ... übersteigen ..."
In einem Nachtragsvertrag vom 25. August/8. September 1970 haben die Parteien bestimmt:
"Mit Wirkung vom 1.1.1971 erstreckt sich das Teilungsabkommen nur noch auf Fälle des § 1542 der Reichsversicherungsordnung. Ansprüche aus Fällen des § 640 RVO, die sich nach dem 1.1.1971 ereignen, werden ausschließlich nach der Rechtslage abgewickelt."
Die Beklagte hat der Klägerin aufgrund des Teilungsabkommens 2.500 DM gezahlt. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin weitere 8.350,70 DM als übergangsfähige Kosten gemäß § 1542 RVO. Die Beklagte ist dem entgegengetreten; nach ihrer Auffassung steht einer abkommensmäßigen Regulierung entgegen, dass die Haftpflichtversicherten nach §§636, 637 RVO von der Haftung freigestellt seien.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage bis auf einen Teilbetrag der Zinsen stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.


Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der klagenden Berufsgenossenschaft gegenüber der beklagten Haftpflichtversicherung Erstattung ihrer Versicherungsleistungen an H. in der geltend gemachten Höhe nach dem Teilungsabkommen zu.

Das Berufungsgericht erwägt dazu: Die Voraussetzungen für eine abkommensmäßige Regulierung des Schadensfalls gemäß § 1 TA lägen vor. Auf den Ausschluss der Haftung ihres Versicherungsnehmers nach §§636, 637 RVO könne sich die Beklagte nicht berufen. Daran ändere nichts, dass H. Schadensersatzansprüche gegenüber dem Schädiger und der Beklagten aus diesem Grunde rechtskräftig aberkannt worden seien. Einwendungen aus §§ 636, 637 RVO gehörten zur Haftpflichtfrage, auf deren Prüfung die Beklagte gegenüber der Klägerin nach § 1 TA ausdrücklich verzichtet habe. Da der Schadensfall mit dem von der Beklagten als Haftpflichtversicherer übernommenen Wagnis im Zusammenhang stehe, ein sog. Groteskfall nicht vorliege und die Voraussetzungen der §§ 636, 637 RVO auch nicht von vornherein ganz offensichtlich und unzweideutig zu verneinen gewesen seien, schulde die Beklagte der Klägerin bis zu der vereinbarten Höchstgrenze von 50.000 DM Regulierung nach der Quote von 50 %, die für gemäß § 1542 RVO übergegangene Ansprüche vereinbart worden sei.


II.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Nach § 1 des Teilungsabkommens, das vom Revisionsgericht frei auszulegen ist (vgl. BGHZ 20, 385, 389; Senatsurteile vom 6. Dezember 1977 - VI ZR 79/76 = VersR 1978, 150, 153 und vom 7. April 1981 - VI ZR 251/78 = VersR 1981, 649, 650, jeweils mit w. Nachw.), sollen Regressansprüche, die von der Klägerin aufgrund des § 1542 RVO erhoben werden, von der Beklagten bis zur Höhe von 50.000 DM (§ 5 aaO) unter Verzicht auf die Prüfung der Haftpflichtfrage nach der Abkommensquote von 50 % reguliert werden, sofern der Schädiger bei der Beklagten bezüglich des zugrundeliegenden Schadensereignisses haftpflichtversichert war und die Ansprüche schlüssig sind (§ 3 aaO). Diese Regelung entspricht weitgehend dem Vertragsinhalt herkömmlicher Teilungsabkommen zwischen Sozialversicherungsträgern und Haftpflichtversicherern, durch die zur beschleunigten Regulierung und zur Kostenersparnis ein Streit um das Bestehen einer Haftung nach der Rechtslage im konkreten Schadensfall ausgeschlossen sein, die abkommensmäßige Regulierung vielmehr auch dann stattfinden soll, wenn eine gerichtliche Nachprüfung der Sach- und Rechtslage ergeben würde, dass das Schadensereignis keine Schadensersatzpflicht des Haftpflichtversicherten ausgelöst hat (BGHZ 20, 385, 390 ff; Senatsurteile vom 6. Dezember 1977 = aaO; BGH Urteile vom 23. September 1963 - II ZR 118/60 = VersR 1963, 1066; vom 2. Juni 1966 - II ZR 45/64 = VersR 1966, 817, 818; vom 19. Januar 1967 - II ZR 138/64 = VersR 1967, 269; vom 6. Juli 1977 - IV ZR 147/76 = VersR 1977, 854; vom 19. September 1979 - IV ZR 87/78 = VersR 1979, 1093; vom 2. Oktober 1980 - IVa ZR 19/80 = VersR 1980, 1170, 1171).

2. Grundsätzlich gehört zu den ausgeschlossenen Einwendungen, wie der erkennende Senat bereits in dem genannten Urteil vom 6. Dezember 1977 (aaO)näher dargelegt hat, auch die Berufung des Haftpflichtversicherers auf die Haftungsfreistellung des Schädigers nach den §§ 636, 637 RVO, da auch diese Vorschriften die Entstehung der Ersatzpflicht betreffen. Anderenfalls könnte die"Haftpflichtfrage" auf diesem Wege umfassend zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden, da in streitigen Fällen die Frage nach der Haftungsfreistellung nur aufgrund einer Klärung und Würdigung aller Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann, wie auch hier der zwischen dem Geschädigten und der Beklagten geführte Vorprozess zeigt, in dem der Haftungsausschluss der §§ 636, 637 RVO im Mittelpunkt gestanden hat. Das gerade soll durch die Ausklammerung der "Haftpflichtfrage" nach dem Willen der Partner solcher Teilungsabkommen grundsätzlich vermieden werden.

Freilich ist es den Abkommenspartnern unbenommen, den Ausschluss der "Haftpflichtfrage" und damit den Rationalisierungseffekt des Teilungsabkommens einzuengen (BGH Urteile vom 20. Juni 1979 - IV ZR 195/77 = VersR 1979, 903 und vom 2. Oktober 1980 - IVa ZR 19/80 = aaO). Indes ist das entgegen der Auffassung der Revision bezüglich der Haftungsprivilegien der §§ 636, 637 RVO hier weder durch die ursprüngliche Fassung des Teilungsabkommens noch durch die spätere Änderung des Abkommens geschehen.

a) Solche Einschränkung kann nicht schon der Bestimmung des § 1 TA entnommen werden. Zwar ist dort die Verschuldensfrage besonders herausgehoben; damit sollte aber nicht etwa allein diese Frage einer Nachprüfung nach der Rechtslage entzogen werden. Vielmehr sollte die Haftpflichtfrage umfassend ausgeklammert werden, insbesondere also auch eine Nachprüfung des haftungsbegründenden Kausalzusammenhangs und der Verkehrswidrigkeit des schädigenden Verhaltens, ferner der Einwand des unabwendbaren Ereignisses nach § 7 Abs. 2 StVG sowie die Frage, ob der Unfall sich "bei dem Betrieb" des Kraftfahrzeugs des Schädigers i.S. von § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat, sofern nur die Übernahme des versicherten Wagnisses durch die Beklagte nach § 10 AKB für den Schadensfall zu bejahen war und der Vortrag der Berufsgenossenschaft im übrigen ihre Ansprüche stützte (§ 3 aaO). Das entspricht, wie gesagt, der herkömmlichen Vereinbarung solcher Abkommen und wird für den Streitfall auch von der Revision nicht in Abrede gestellt. Die Verschuldensfrage ist in § 1 TA nur als besonders markantes Beispiel angesprochen worden.

b) Ebensowenig berührt den umfassenden Ausschluss der für das Bestehen einer Haftung dem Grunde nach erheblichen Fragen der Umstand, dass sich die Beklagte verpflichtet hat, den Schadensfall nur bis zu 5.000 DM ohne, darüberhinaus aber mit Prüfung der Übergangsfähigkeit nach der Quote zu regulieren (§ 1 aaO). Nach seinem Sinn beschränkt sich dieser Prüfungsvorbehalt auf Umstände, die auch bei Bejahung einer Haftung dem Grunde nach einen Forderungsübergang nach § 1542 RVO auf die Klägerin hindern würden, etwa das Fehlen der dafür vorausgesetzten Kongruenz zwischen einzelnen Schadensposten und der Versicherungsleistung oder das Eingreifen des sog. Familienprivilegs in entsprechender Anwendung von § 67 Abs. 2 VVG. Zu den der Beklagten danach erlaubten Einwendungen gegen die Übergangsfähigkeit gehört hingegen die Haftungsfreistellung nach den §§ 636, 637 RVO nicht, da diese die Entstehung der Ersatzpflicht betrifft (Senatsurteil vom 6. Dezember 1977 = aaO). Wie andere Umstände, die der Haftung dem Grunde nach entgegenstehen können, sollten auch diese Privilegien einer Erörterung erst für die 50.000 DM übersteigenden Leistungen der Klägerin zugänglich sein (§ 5 aaO).

c) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich anderes auch nicht daraus, dass nach der ursprünglichen Fassung des Teilungsabkommens Regressfälle nach § 640 RVO in das Abkommen einbezogen gewesen sind (§ 2 TA)und diese Klausel mit Wirkung vom 1. Januar 1971 dahin geändert worden ist, dass Ansprüche aus Fällen des § 640 RVO, die sich nach dem Zeitpunkt ereigneten, ausschließlich nach der Rechtslage abzuwickeln sind.

Zwar greift § 640 RVO nur in den Fällen ein, in denen die Haftung des Schädigers nach den §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen ist. Dieser Haftungsausschluss muss deshalb den Partnern des Abkommens bei der Vereinbarung des § 2 TA und der späteren Abmachung über seine Änderung vor Augen gestanden haben. Ersichtlich entsprach es ihren Vorstellungen, dass nicht alle Fälle einer sich aus den §§ 636, 637 RVO ergebenden Haftungsfreistellung gemäß der für Regresse nach § 1542 RVO getroffenen Regelung des § 1 TA abgewickelt werden sollten. Das lag erkennbar im Interesse der Beklagten, die jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen eine Haftungsfreistellung von vornherein außer Streit stand, die Versichertengemeinschaft nicht mit Kosten belasten wollte, von denen sie nach der Rechtslage offensichtlich freigestellt war, andererseits aber auch im Interesse der Klägerin, die auf den auch bei Ausklammerung der Frage eines Mitverschuldens des verletzten Versicherten viel weitergehenden, weil von Kongruenzerfordernissen unabhängigen Regress nach § 640 RVO nicht verzichten wollte.

Diese Interessenlage, die zu einer Sonderbehandlung von Regressen nach § 640 RVO zunächst auf dem Weg über §§ 2, 3 TA durch Beteiligung solcher Forderungen an dem Rationalisierungseffekt einer abkommensmäßigen Pauschalierung, später zu einer Ausklammerung aus dem Abkommen geführt hat, ist aber mit den Interessen der Abkommenspartner an einer abkommensmäßigen Regulierung von Regressen nach § 1542 RVO eng verknüpft: Der für diese Regressforderungen angestrebte Rationalisierungseffekt sollte auch nach Herausnahme der Regresse nach § 640 RVO aus dem Abkommen möglichst unbeeinflusst bleiben. Insbesondere spricht auch auf dem Boden der späteren Abänderung des § 2 TA nichts für den Willen der Abkommenspartner, Regresse nach § 1542 RVO einer Prüfung der "Haftpflichtfrage" in bezug auf Vorliegen oder Nichtvorliegen von Haftungsfreistellungen nach §§636, 637 RVO zuzuführen. Das hätte, wie gesagt, den Rationalisierungseffekt des Abkommens auch für diese Regressforderungen wesentlich entwertet. Dem Interesse der Abkommenspartner an einer Sonderbehandlung von Regressen nach § 640 RVO unter Beibehaltung der für Regresse nach § 1542 RVO vereinbarten Pauschalierung ist vielmehr durch eine sinnentsprechende Auslegung des § 3 TA genügt; diese Klausel stellt die abkommensmäßige Regulierung von Regressforderungen nach § 1542 RVO unter die Voraussetzung ihrer "Schlüssigkeit". Nach dem Sinn des Abkommens bedeutet diese Klausel in erster Linie für die Klägerin eine Einschränkung; sie soll nicht nach freiem Belieben das Abkommen auch in denjenigen Fällen für einen Regress nach § 1542 RVO in Anspruch nehmen dürfen, in denen nach ihrem eigenen Sachvortrag Rückgriffsforderungen nach dieser Vorschrift - etwa wegen Eingreifens von Haftungsprivilegien der §§ 636, 637 RVO für den Haftpflichtversicherten - nicht in Betracht kommen. Andererseits ist auch die Klausel von den Parteien ersichtlich nicht geschaffen worden, den Streit über die "Haftpflichtfrage", der nach § 1 TA ausgeschlossen sein sollte, auf einen Streit über die Schlüssigkeit der Regressforderung zu verlagern. Vielmehr sollten auch für die Einschränkung des § 3 TA die Grenzen für die Geltung des Abkommens für beide Partner so klar zutage treten, dass bei unbefangener, abkommensgerechter Betrachtung über die Zuordnung des jeweiligen Schadensfalls zum Abkommen ernstlich nicht gestritten werden konnte, also nicht schon um dieser Zuordnung willen mit einem Streit um die "Haftpflichtfrage" zu rechnen war. Dem entspricht es, nur solche Schadensfälle wegen einer Haftungsfreistellung des Haftpflichtversicherten von der abkommensmäßigen Regulierung auszunehmen, in denen nach dem Sachvortrag der Klägerin die Voraussetzungen der §§ 636, 637 RVO eindeutig gegeben sind.

Diese Auslegung entspricht auch der gefestigten Rechtsprechung zu den allgemeinen Grenzen für den abkommensmäßigen Ausschluss der"Haftpflichtfrage": Die Rechtsprechung hat diese Grenzen stets dort gezogen, wo nach dem unstreitigen Sachverhalt unzweifelhaft und offensichtlich eine Schadensersatzpflicht nach der Rechtslage gar nicht in Frage kommt, so dass die Einbeziehung des Schadensfalls in die abkommensmäßige Regulierung mit dem Grundgedanken des Teilungsabkommens schlechthin unvereinbar wäre und sich das Erstattungsverlangen des Abkommenspartners als Rechtsmissbrauch darstellen würde (BGHZ 20, 385, 390; Senatsurteil vom 6. Dezember 1977 = aaO; BGH Urteile vom 23. September 1963 = aaO; vom 2. Juni 1966 = aaO; vom 19. September 1979 = aaO).

d) Ob solche Schranken auch im Anwendungsbereich der §§ 636, 637 RVO nur in den sog. "Groteskfällen" eingreifen, in denen "bei Wegdenken des Teilungsabkommens auch ein noch so verwegener Antragsteller gar nicht auf den Gedanken kommen würde, aufgrund dieses Falls eine Klage gegen den Schädiger zu erheben" (W. Wussow, Teilungsabkommen,4. Aufl. S. 92), oder ob nicht deshalb, weil es sich in diesen Fällen um eine generell abgrenzbare Fallgruppe handelt, geringere Anforderungen an die Eindeutigkeit der Rechtslage zu stellen sind (vgl. W. Wussow aaO S. 76 ff; WI 1974, 122; H.J. Wussow einerseits WI 1981, 95 ff; andererseits WI 1977, 197, 198; 1980, 177), kann im Streitfall offen bleiben. Das abkommensmäßige Ziel der Streitvermeidung verlangt jedenfalls, dass nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt, aus dem die klagende Berufsgenossenschaft Regress nach § 1542 RVO verlangt, bei unbefangener Betrachtung über das Vorliegen einer Haftungsfreistellung nach §§636, 637 RVO nicht ernsthaft gestritten werden kann, wenn ihr die Inanspruchnahme einer Regulierung nach der Quote verschlossen bleiben soll.

Von einer für die Beteiligten von vornherein klar zutage liegenden Rechtslage kann im Streitfall keine Rede sein, Ob der bei einem Be- oder Entladungsvorgang mithelfende Kunde i.S. von § 539 Abs. 2 RVO im Unfallbetrieb des Zulieferers wie ein Arbeitnehmer dieses Betriebes tätig wird und der Zulieferer ihm gegenüber deshalb von der Haftung für einen von ihm verursachten Arbeitsunfall nach §§ 636, 637 RVO freigestellt ist, oder ob der Kunde in seinem eigenen Aufgabenbereich tätig wird, verlangt eine den Umständen des Einzelfalls eng verhaftete, wertende Grenzziehung, die für Fallgestaltungen dieser Art nicht von vornherein allgemein eindeutig festliegt und über die daher durchaus unter den Beteiligten gestritten werden kann. Das belegen die zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen, die gerade zu dieser Fallgruppe mit unterschiedlichen Ergebnissen ergangen sind (vgl. die Nachweise bei Steffen in RGRK-BGB, 12. Aufl. Rdn. 80, 81 vor § 823). Schon deshalb gehört der Streitfall nicht zu den klaren Fällen, für die die Inanspruchnahme der abkommensmäßigen Regulierung dem Sinn des Teilungsabkommens widerspricht. Auch die Revision hat ausdrücklich erklärt, sie wolle nicht geltend machen, dass ein Fall vorliege, der nach § 3 TA als "Groteskfall" von der abkommensmäßigen Regulierung von vornherein ausgeschlossen sei. Dann aber braucht sich die Klägerin von der Beklagten Einwendungen aus §§ 636, 637 RVO nicht entgegenhalten zu lassen.

e) Erfolglos beruft sich die Revision schließlich auf die rechtskräftige Feststellung, dass die Beklagte dem Verletzten H. gemäß §§ 636, 637 RVO nicht haftet. Dass diese Feststellung nicht zu Lasten der Klägerin wirkt, die an dem Vorprozess nicht beteiligt gewesen ist, mag in den Hintergrund treten. Entscheidend ist: Das Teilungsabkommen ist von den Partnern in dem Bewusstsein getroffen worden, dass eine abkommensmäßige Regulierung zwischen ihnen auch beansprucht werden kann, wenn eine Haftung nach der Rechtslage nicht gegeben ist und dies in einem Rechtsstreit zwischen dem Geschädigten und dem Haftpflichtversicherten bzw. seiner Versicherung rechtskräftig festgestellt wird. Keinesfalls steht das Abkommen unter dem Vorbehalt, dass die abkommensmäßige Regulierung entfallen soll, sobald die Haftpflichtfrage außerhalb des Abkommens nach der Rechtslage verneint worden ist. Das Teilungsabkommen ist nicht in Ansehung des Einzelfalls, sondern im Blick auf die gesamten Regulierungsbeziehungen zwischen den Abkommenspartnern vereinbart und kalkuliert worden; eine Abhängigkeit seiner Geltung davon, ob es außerhalb des Abkommens zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt und zu welchem Ergebnis dieser Rechtsstreit führt, würde dem Teilungsabkommen den Boden entziehen und die Beklagte gegen den Sinn des gegenseitigen Verzichts auf die "Haftpflichtfrage" einseitig begünstigen. Solche Entscheidungen nach der Rechtslage berühren die Ansprüche der Klägerin aus dem Abkommen nicht (BGH Urteile vom 23. September 1963 = aaO; vom 2. Juni 1966 = aaO; vom 19. September 1979 = aaO).

3. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin die Beklagte auf die nach § 1 TA vereinbarte Abkommensquote in Anspruch nehmen kann. Da das Urteil auch sonst Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten nicht erkennen lässt, war ihre Revision zurückzuweisen.