Das Verkehrslexikon

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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 24.03.2011 - 1 BvR 143/11 - Keine Annahme einer Verfassungsbeschwerde wegen einer Geldbuße von 40 Euro

BVerfG v. 24.03.2011: Keine Annahme einer Verfassungsbeschwerde wegen einer Geldbuße von 40 Euro wegen eines Verstoßes gegen die Winterreifenpflicht


Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 24.03.2011 - 1 BvR 143/11) hat entschieden:
Die Verhängung einer Geldbuße iHv 40 Euro für einen Verstoß gegen die Winterreifenpflicht nach inzwischen geändertem Recht, die zu einer Eintragung ins Verkehrszentralregister führt (§ 28 Abs 3 Nr 3 StVG), begründet keinen besonders schweren Nachteil iSd § 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG.


Siehe auch Winterreifen und Bemessung der Geldbuße - Bußgeldhöhe


Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 40 € wegen des Führens eines mit Sommerreifen bereiften Omnibusses bei winterlichen Straßenverhältnissen.

I.

1. Das Amtsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil eine Geldbuße gegen den Beschwerdeführer verhängt, weil es einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3a Satz 1, Satz 2 StVO in der bis zum 3. Dezember 2010 geltenden Fassung nach der Vierzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2005 (BGBl I S. 3716) in Verbindung mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 StVO, § 24 StVG bejaht und dabei die Regelung in § 2 Abs. 3a Satz 1, Satz 2 StVO in der bis zum 3. Dezember 2010 geltenden Fassung für hinreichend bestimmt erachtet hat.

2. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde sei nach § 79 Abs. 1 Satz 2, § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht zuzulassen, weil die Nachprüfung nicht zur Fortbildung des Rechts geboten sei; das Oberlandesgericht Oldenburg habe die Regelung in § 2 Abs. 3a Satz 1, Satz 2 StVO in der bis zum 3. Dezember 2010 geltenden Fassung bereits wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG für verfassungswidrig befunden, so dass der Zweck der Fortbildung des Rechts nicht mehr erreicht werden könnte. Eine Zulassung zur Durchsetzung von Einzelfallgerechtigkeit sei nicht möglich (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. Juli 2010 - 2 SsRs 220/09 -, juris).


II.

Der Beschwerdeführer rügt, dass die Regelung in § 2 Abs. 3a Satz 1, Satz 2 StVO in der bis zum 3. Dezember 2010 geltenden Fassung gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verstoße. Eine Verurteilung auf der Grundlage einer verfassungswidrigen Norm verletze seine Rechte aus Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.


III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

1. Es kann dahinstehen, ob die dem Urteil des Amtsgerichts zugrunde liegende Regelung in § 2 Abs. 3a Satz 1, Satz 2 StVO in der bis zum 3. Dezember 2010 geltenden Fassung das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verletzte. Über die persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers hinaus hat diese Frage jedenfalls keine Bedeutung mehr, weil die fragliche Bestimmung außer Kraft getreten, nämlich mit der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung und der Bußgeldkatalog-Verordnung vom 1. Dezember 2010 (BGBl I S. 1737) zum 4. Dezember 2010 neu gefasst worden ist. Für nicht mehr geltendes Recht besteht jedoch in der Regel kein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse, seine Verfassungsmäßigkeit noch zu klären (vgl. BVerfGE 91, 186 <200>).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt. Die geltend gemachte Verletzung hat kein besonderes Gewicht und dem Beschwerdeführer entsteht durch die Versagung der Entscheidung zur Sache kein besonders schwerer Nachteil. Die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 40 € und die damit nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG verbundene Eintragung ins Verkehrszentralregister haben für den Beschwerdeführer weder besondere Bedeutung noch betreffen sie ihn in existenzieller Weise (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Insbesondere ist der mit der Verletzung der Pflicht zur Verwendung geeigneter Reifen verbundene Vorwurf von geringem Gewicht.

Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Geldbußen bis zu einem Betrag von 80 DM (40,90 €) deshalb keinen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne von § 93a Abs. 4 Satz 2 BVerfGG in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung nach dem Dritten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 3. August 1963 (BGBl I S. 589) begründeten, weil diese nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG nicht ins Verkehrszentralregister eingetragen wurden (vgl. BVerfGG 42, 261 <263>; 66, 211 <213 f.>). Diese Rechtsprechung schließt es nicht aus, den nach dem geltenden § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG nunmehr maßgebenden besonders schweren Nachteil nach Maßgabe einer Einzelfallbetrachtung auch dann zu verneinen, wenn eine geringfügige Geldbuße zu einer Eintragung ins Verkehrszentralregister führt, zumal weder dargetan noch anderweitig ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer durch die Eintragung ins Verkehrszentralregister besonders belastet ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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