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OLG Brandenburg Beschluss vom 03.01.2011 - 6 W 176/10 - Zur Berechnung der Terminsgebühr nach einer Trennung des Verfahrens

OLG Brandenburg v. 03.01.2011: Zur Berechnung der Terminsgebühr nach einer Trennung des Verfahrens


Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 03.01.2011 - 6 W 176/10) hat entschieden:
Die Trennung der Verfahren der Klage und der Drittwiderklage entsprechend § 145 Abs. 2 ZPO hat zur Folge, dass zwei gesonderte Prozessverfahren entstehen. Dabei bleiben die Prozessvorgänge, die vor der Trennung stattgefunden haben, für beide Verfahren wirksam. Deshalb bleiben auch die vor der Prozesstrennung entstandenen Gebühren bestehen. Soweit sie nach der Trennung erneut entstehen, geschieht dies nur aus den Werten der getrennten Verfahren. Der Rechtsanwalt darf grundsätzlich wählen, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Trennung oder aus den zwei getrennten Verfahren mit den jeweiligen Einzelwerten verlangt. Das Wahlrecht entfällt jedoch, wenn eine Terminsgebühr nach Abtrennung nicht entstanden ist. Dann sind die entstandenen Gebühren im Verhältnis der Streitwerte auf die getrennten Verfahren zu verteilen.


Siehe auch Terminsgebühr und Anwaltskosten


Gründe:

I.

Die Beklagte zu 1.), Halterin eines Kfz, erhob gegen Fahrer und Haftpflichtversicherer eines Lkw Klage wegen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall, zunächst in Höhe von 12.196,56 €. Dieses Verfahren wurde beim Landgericht Neuruppin unter dem Aktenzeichen 1 O 253/08 geführt.

In diesem Verfahren erhob die Klägerin als Nebenintervenientin wegen desselben Verkehrsunfalls Drittwiderklage gegen die Beklagte zu 1.), den Beklagten zu 2.) als Fahrer und die Beklagte zu 3.) als Haftpflichtversicherer wegen eines Betrages in Höhe von 4.253,84 €.

In den Terminen zur mündlichen Verhandlung am 5.3.2009 und am 28.5.2009 in dem Verfahren 1 O 253/08 sind Anträge zur Klage und zur Widerklage gestellt worden.

Nachdem die Beklagte zu 1.) die Klage in dem Verfahren 1 O 253/08 auf 13.266,43 € erweitert hat, hat die Klägerin die Drittwiderklage mit Schriftsatz vom 28.4.2010 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen, nachdem sie vom Landgericht darauf hingewiesen worden war, dass ihre Widerklage unzulässig sei, weil sie nicht beklagte Partei sei.

Mit Verfügung vom 31.5.2010 ordnete das Landgericht an, dass die Drittwiderklage als neue Klage einzutragen sei. So erhielt das abgetrennte, hier in Streit stehende Verfahren das Aktenzeichen 1 O 343/10. Mit Beschluss vom 8.6.2010 hat das Landgericht der Klägerin nach Klagerücknahme die Kosten des Verfahrens auferlegt und den Streitwert auf 4.253,84 € festgesetzt. In dem Verfahren 1 O 253/08 wurde am 18.11.2010 mündlich über die - erweiterte - Klage verhandelt. Am 17.12.2010 wurde ein Urteil verkündet.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 23.8.2010 die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.030,90 € festgesetzt und dabei auch eine 1,2-Terminsgebühr in Höhe von 327,60 € netto zzgl. Mehrwertsteuer berücksichtigt.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 27.8.2010 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 10.9.2010 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, die Festsetzung der Terminsgebühr sei unzulässig.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 22.11.2010 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.


II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin 389,84 € und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 €.

Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Zugunsten der Beklagten war im vorliegenden Verfahren eine Terminsgebühr festzusetzen, allerdings nicht in dem vom Rechtspfleger angenommenen Umfang.

1.) Die Trennung der Verfahren der Klage und der Drittwiderklage entsprechend § 145 Abs. 2 ZPO hat zur Folge, dass zwei gesonderte Prozessverfahren entstehen. Dabei bleiben die Prozessvorgänge, die vor der Trennung stattgefunden haben, für beide Verfahren wirksam (Musielak, ZPO, 7. Auflage 2009, § 145 Rn 6). Deshalb bleiben auch die vor der Prozesstrennung entstandenen Gebühren bestehen. Soweit sie nach der Trennung erneut entstehen, geschieht dies nur aus den Werten der getrennten Verfahren.

Eine Terminsgebühr nach dem Streitwert der Klage im vorliegenden Verfahren ist nicht entstanden, nachdem das Landgericht wegen der Unzulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Drittwiderklage im Verfahren 1 O 253/08 diese abgetrennt und als neue Klage behandelt hat. Denn die mündlichen Verhandlungen, in denen über die - unzulässige - Drittwiderklage verhandelt worden ist, haben vor der Abtrennung stattgefunden. Nach der Abtrennung ist über die als neue Klage zu behandelnde Drittwiderklage nicht erneut verhandelt worden.

Soweit wie hier vor Verfahrenstrennung Gebühren entstanden sind, die teilweise auch den später abgetrennten Teil betreffen, sind diese Gebühren auf die beiden nach der Trennung entstandenen Prozesse zu verteilen. Denn nach der Trennung ergehen im Ausgangsverfahren und im abgetrennten Verfahren zwei separate Kostengrundentscheidungen, es ergeht keine Kostengrundentscheidung hinsichtlich der vor Trennung entstandenen Gebühren. Die Kostengrundentscheidungen betreffen jedoch nicht nur die Kosten, die ab der Trennung entstanden sind, sondern alle Kosten, die sich auf die jeweiligen, aus der Trennung entstehenden Einzelprozesse beziehen.

Der Rechtspfleger ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass die im hier vorliegenden, abgetrennten Verfahren ergangene Kostenentscheidung sich auch auf den - vor der Abtrennung entstandenen - Teil der Terminsgebühr bezieht, der den abgetrennten Teil des Rechtsstreits betrifft.

2.) Der Rechtsanwalt darf grundsätzlich wählen, ob er die Gebühren aus dem Verfahren vor der Trennung oder aus den zwei getrennten Verfahren mit den jeweiligen Einzelwerten verlangt (OLG Düsseldorf, 10 WF 27/99, OLGR Düsseldorf 2000, 74; OLG Düsseldorf 24 W 28/09, OLGR Düsseldorf 2009, 778; jeweils zitiert nach Juris).

Im hier vorliegenden abgetrennten Verfahren haben die Beklagtenvertreter jedoch kein Wahlrecht, weil eine Terminsgebühr nach Abtrennung nicht entstanden ist. Sie können deshalb allein die Terminsgebühr aus dem Verfahren vor der Trennung geltend machen. Diese haben sie auf die beiden getrennten Verfahren zu verteilen.

Die im ungetrennten Verfahren entstandene, auch die unzulässige Drittwiderklage umfassende Terminsgebühr ist aus dem zusammengerechneten Streitwert der Klage vor Klageerweiterung und der Drittwiderklage zu errechnen (= 16.450,40 €) und beträgt 727,20 € netto.

Diese Gebühr ist nach dem Verhältnis der Streitwerte auf die beiden nach der Trennung entstandenen Verfahren zu verteilen. Auf das abgetrennte Verfahren entfallen danach 26 % der Terminsgebühr, mithin 189,07 € netto, d. h. 224,99 € brutto. Nur dieser Teil der Terminsgebühr kann gegen die Klägerin im vorliegenden Verfahren festgesetzt werden. Das Beschwerdegericht hat aus diesem Grunde den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss neu gefasst.

3.) Der Festsetzung der Terminsgebühr steht nicht entgegen, dass die Drittwiderklage unzulässig war oder dass das Amtsgericht - und nicht das Landgericht - bei einer vor Rücknahme der Drittwiderklage erfolgten Abtrennung zur Entscheidung in der Hauptsache berufen gewesen wäre.

Denn eine Terminsgebühr kann auch durch eine Verhandlung über eine unzulässige Klage und auch durch eine Verhandlung vor einem unzuständigen Gericht entstehen.

Auch der Umstand, dass das Landgericht die Unzulässigkeit der Drittwiderklage und die daraus resultierende fehlende Zuständigkeit des Landgerichts nicht sofort erkannt hat, ändert an der Gebührenentstehung nichts.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Eine Wertfestsetzung für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist nicht erforderlich. Der Kostenwert ist nur dann festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies nicht der Fall. Es wird eine Festgebühr erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen keine Gerichtsgebühren.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.