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OLG Düsseldorf Beschluss vom 20.06.2012 - III-3 AR 1/12 - Zur Anwendung des deutschen Bußgeldkatalogs auf europäische Geldsanktionen

OLG Düsseldorf v. 20.06.2012: Zur Anwendung des deutschen Bußgeldkatalogs auf europäische Geldsanktionen


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 20.06.2012 - III-3 AR 1/12) hat entschieden:
Der deutsche Bußgeldkatalog findet bei der Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen keine Anwendung. Vielmehr ist die Sanktion in eine Geldbuße in der im Ausland festgesetzten Höhe umzuwandeln.


Gründe:

I.

Die Betroffene ist Halterin des Kraftfahrtzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen …….. Durch Bescheid vom 27. November 2010 hat das Centraal Justitieel Incassobureau gegen die Betroffene wegen einer am 17. Oktober 2010 in Arnheim (Niederlande) mit diesem Fahrzeug begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung eine als Ordnungsstrafe bezeichnete Geldsanktion in Höhe von 213 Euro festgesetzt. Der Bescheid ist seit dem 8. Januar 2011 rechtskräftig. Die niederländischen Justizbehörden übersandten ihn dem Bundesamt für Justiz zur Übernahme der Vollstreckung. Über die Möglichkeit der Anfechtung wurde die Betroffene belehrt.

Das Bundesamt für Justiz beantragte bei dem Amtsgericht Wesel, den Bescheid für vollstreckbar zu erklären und die Geldsanktion umzuwandeln.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2011 hat das Amtsgericht die Entscheidung der niederländischen Behörde für vollstreckbar erklärt. Die darin verhängte Geldsanktion hat es in eine Geldbuße von 120 Euro umgewandelt. Zur Begründung für die Reduzierung der niederländischen Sanktion hat der Amtsrichter angeführt, der deutsche Bußgeldkatalog sehe für eine Geschwindigkeitsüberschreitung in der festgestellten Höhe außerhalb geschlossener Ortschaften eine Regelgeldbuße in eben dieser Höhe vor.

Das Bundesamt für Justiz hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt, mit dem Ziel, die niederländische Geldsanktion von 213 Euro in eine gleichhohe Geldbuße umzuwandeln.


II.

Die Einzelrichterin hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 87k Abs. 1 Nr. 1 IRG zugelassen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten war. Zwar wäre eine einzelne Fehlentscheidung des Amtsgerichts nicht geeignet, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gefährden (vgl. OLG Koblenz, DAR 219f., Trautmann in Schomburg/Ladogny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 87k IRG Rn. 7). Mittlerweile sind aber bereits mehrere erstinstanzliche Beschlüsse bekannt, in denen im Rahmen der Umwandlung einer ausländischen Geldsanktion auch deren Höhe den deutschen Regelsätzen angepasst wurde. Insofern ist die erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, die eine Zulassung der Rechtsbeschwerde begründet.

Über zugelassene Rechtsbeschwerde entscheidet nach § 87l Abs. 3 Nr. 2 IRG der Senat in der Besetzung mit drei Richtern.


III.

1. Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Für den Zulassungsantrag gelten die Vorschriften über die Einlegung der Rechtsbeschwerde entsprechend, § 87k Abs. 2 IRG. Die Bewilligungsbehörde - das Bundesamt für Justiz - ist beschwerdeberechtigt, § 87j Abs. 1 Satz 2 IRG. Sie hat den Antrag auf Zulassung auch fristgerecht eingelegt. Denn da das Amtsgericht den angefochtene Beschluss der Bewilligungsbehörde nicht zugestellt hat, wurde der Lauf der einwöchige Einlegungsfrist (§ 87j Abs. 2 IRG, § 341 Abs. 1 StPO) nicht in Gang gesetzt. Eine Zustellung nach § 41 StPO durch Vorlegung der Urschrift des zuzustellenden Schriftstückes ist nur bei der Staatsanwaltschaft vorgesehen. Selbst bei entsprechender Anwendung der Vorschrift auf das Bundesamt für Justiz wäre der Zulassungsantrag aber rechtzeitig. Denn dem Bundesamt ist der Beschluss mit Eingang der Akten am 6. März 2012 zur Kenntnis gebracht worden. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist bei dem Amtsgericht bereits am 9. März 2012 durch Telefaxschreiben eingegangen.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Auf Antrag des Bundesamtes für Justiz war die in dem Bescheid des Centraal Justitieel Incassobureau (Ministerie van Justitie), Leeuwarden (Niederlande), vom 27. November 2010 festgesetzte Geldsanktion von 213 Euro in eine Geldbuße in Höhe von 213 Euro umzuwandeln.

Die Voraussetzungen des § 87b IRG für die Vollstreckung der Geldsanktion in der Bundesrepublik Deutschland liegen vor.

a) Der Umstand, dass nach deutschem Recht die Verhängung und Vollstreckung einer Geldbuße wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nur gegen den Fahrer und nicht gegen den Halter des Fahrzeugs möglich, steht dem nicht entgegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss III - 3 AR 6/12 vom 09.02.2012, ). Nach § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG ist die Vollstreckung einer Geldsanktion nur dann unzulässig, wenn die betroffene Person in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, und sie dies gegenüber der Bewilligungsbehörde geltend macht. Die Betroffene hat den Einwand des fehlenden Verschuldens trotz entsprechender Belehrung indessen nicht geltend gemacht.

b) Gemäß § 87i Abs. 3 Satz 2 IRG ist die ausländische Geldsanktion in die ihr nach deutschem Recht am meisten entsprechende Sanktion umzuwandeln. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Sanktion im deutschen Recht in der bei Ordnungswidrigkeiten gegen juristische Personen zu verhängenden Geldbuße (§ 30 OWiG) eine Entsprechung findet. Jedoch gebietet die Vorschrift des § 87i Abs. 3 Satz 2 IRG nicht - wovon das Amtsgericht offensichtlich ausgeht - die Höhe der Geldsanktion an deutsche Regelsätze für entsprechende Ordnungswidrigkeiten anzupassen; die Regelung betrifft lediglich die Sanktionsart, nicht dagegen ihre Höhe. Die Geldsanktion von 213 Euro war vielmehr in eine Geldbuße in gleicher Höhe umzuwandeln. Nach § 54 Abs. 2 IRG wird der in ausländischer Währung berechnete Geldbetrag nach dem im Zeitpunkt der ausländischen Entscheidung maßgeblichen Kurswertes in Euro umgerechnet. Da die niederländische Geldsanktion in Euro lautet, war eine Umrechnung nicht erforderlich.

Soweit § 87i Abs. 3 Satz 3 IRG für die Anpassung von Geldsanktionen auf § 87f Abs. 2 Satz 2 IRG verweist, liegen dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht vor. Die Maßstäbe des Vollstreckungsstaates - hier Deutschland - sind nur zugrunde zu legen, wenn sich die Entscheidung auf eine Tat bezieht, die nicht im Hoheitsgebiet des Entscheidungsstaats begangen wurde und der Gerichtsbarkeit des Vollstreckungsstaats unterfällt. Da die Ordnungswidrigkeit in den Niederlanden begangen wurde, ist die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben.

Ansonsten bieten die Vorschriften des IRG keine Rechtsgrundlage für eine Anpassung an die Sätze des deutschen Bußgeldkatalogs (vgl. auch Trautmann, NZV 2011, 57f). Dies ergibt sich zum einen aus dem Regelungskonzept der Umwandelung, das die Anpassung der Höhe der Geldsanktion nicht vorsieht. Zum anderen ergibt sich dies aus dem Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit (Art. 21 AEUV) dessen Kehrseite der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Geldsanktionen darstellt. Diese Freizügigkeit schließt ein, dass derjenige, der innerhalb der Rechtsordnungen anderer EU-Staaten handelt, wie die dort lebenden Bürger der jeweiligen Rechtsordnung unterworfen ist (Trautmann in Schomburg/Ladogny/Gleß/Hackner, aaO., § 87f IRG Rn. 5).


IV.

Die Kostenentscheidung folg aus § 87j Abs. 2 IRG i.V.m. § 465 StPO.