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OLG Düsseldorf Beschluss vom 12.06.2012 - I-1 W 12/12 - Zur sozialrechtlichen Haftungsprivilegierung bei uneigennütziger Pannenhilfe

OLG Düsseldorf v. 12.06.2012: Zur sozialrechtlichen Haftungsprivilegierung bei uneigennütziger Pannenhilfe


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12.06.2012 - I-1 W 12/12) hat entschieden:
Verursacht ein Pannenhelfer einen Personenschaden und wird deshalb von demjenigen, dem er helfen wollte, in Anspruch genommen, so kommt ihm die Haftungsprivilegierung des § 105 SGB VII zugute (§§ 105 Abs. 1 S. 1).


Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat durch die angefochtene Entscheidung zu Recht den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen, ihr Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Klageforderung zu gewähren, die auf Schmerzensgeld, Ersatz von Verdienstausfall und Feststellung der Ersatzpflicht der Antragsgegner für sämtliche materielle und immaterielle Schäden aufgrund des Unfallereignisses vom 25. März 2009 in der Tiefgarage "..." in ... gerichtet ist.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abändernde Entscheidung.

I.

Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf seinen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss vom 14. Februar 2011 zutreffend festgestellt, dass die Antragsgegner wegen der zu ihren Gunsten eingreifenden Haftungsprivilegierung gemäß § 105 Abs. 2 SGB VII für die von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche nicht einstandspflichtig sind.

1. Die Sache ist entscheidungsreif im Sinne von § 108 Abs. 1 SGB VII.

a) Wie im Senatsbeschluss vom 12. Mai 2011 (abgedruckt in r+s 2012, 45 ff. mit Anmerkung Lemcke) ausgeführt, sind die Zivilgerichte bei der Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist, nach § 108 SGB VII an unanfechtbare Entscheidungen der Sozialbehörden und ggf. Sozialgerichte gebunden (vgl. BGH, Urteile vom 22.04.2008, VI ZR 202/07 und vom 19.05.2009, VI ZR 56/08, jeweils zitiert aus JURIS; ebenso: Dahm, NZV 2011, 118 ff.). Hingegen erstrecken sich die sozialrechtlichen Feststellungen nach dem ausdrücklichen Wortlaut in § 108 Abs. 1 SGB VII entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht darauf, ob eine Haftungsprivilegierung eingreift; insoweit besteht demnach auch grundsätzlich keine Bindungswirkung für die Zivilgerichte (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Kommentar, 4. Aufl., Stand Juli 2006, § 108 Rn. 7, 10). Durch Bescheid vom 21. Juli 2011 (Blatt 144 d. A.) hat die Berufsgenossenschaft ... das Schadensereignis als Arbeitsunfall der Antragstellerin gemäß § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anerkannt. Damit liegt eine verbindliche sozialrechtliche Entscheidung vor.

b) Der Umstand, dass die Antragsgegner an dem zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren nicht beteiligt worden sind, berührt die Bindungswirkung nicht. Allerdings setzt diese grundsätzlich voraus, dass die Entscheidung auch für den Schädiger (z. B. Unternehmer, Arbeitskollegen), der sich im Zivilprozess gegenüber Schadensersatzansprüchen des Unfallversicherungsträgers auf die Haftungsfreistellung nach §§ 104 ff. SGB VII beruft, bestandskräftig ist. Daran kann es fehlen, wenn der Schädiger als Drittbeteiligter nicht nach § 12 Abs. 2 SGB X am Verwaltungsverfahren beteiligt worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 22.04.2008, VI ZR 202/07 und vom 19.05.2009, VI ZR 56/08, jeweils zitiert aus JURIS). Nach § 12 Abs. 2 SGB X sind im sozialrechtlichen Verfahren Personen, für die der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung hat, zu beteiligen. Rechtsgestaltende Wirkung hat der Ausgang des Verfahrens, wenn die in Betracht kommende Entscheidung unmittelbar Rechte eines Dritten begründet, ändert oder aufhebt (vgl. Bonk/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 13 Rn. 40). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Unfall - anders als hier - nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird, weil dann möglicherweise der Schädiger für den Personenschaden aufkommen muss (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2007, VI ZR 244/06, zitiert aus JURIS); überdies kann - da die sozialrechtliche Entscheidung die Frage umfasst, welche Unfallversicherungsträger zuständig, ggf. welchem von mehreren in Betracht kommenden Betrieben oder Unternehmen der Versicherungsfall zuzuordnen ist -, die getroffene sozialrechtliche Zuordnung zu Lasten desjenigen wirken, dem die Zuordnung eines Unfalls als Arbeitsunfall im Haftpflichtprozess die Möglichkeit der Haftungsprivilegierung nach §§ 104, 105 SGB VII eröffnen könnte (vgl. BGH, Urteile vom 22.04.2008, VI ZR 202/07 und vom 19.05.2009, VI ZR 56/08, jeweils zitiert aus JURIS). Auch eine solche Konstellation liegt indes hier nicht vor. Mit dem nunmehr vorliegenden Bescheid hat die insoweit zuständige Berufsgenossenschaft einen Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 SGB VII der bis zu dem Unfall in der Systemgastronomie beschäftigten Antragstellerin, die sich auf dem Nachhauseweg von ihrer Arbeitsstelle befand, festgestellt. Weitergehende Festlegungen mit Auswirkungen auf den vorliegenden Haftpflichtprozess enthält der Bescheid nicht.

Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.04.2012 (Bl. 188 ff. d. A.) auf die Möglichkeit eines eventuellen späteren Regresses gegenüber den Antragsgegnern nach § 116 SGB X hinweist, führt dies zu keiner abweichenden Bewertung. Allerdings geht nach § 116 SGB X ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz des Schadens auf einen Sozialversicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Für die hier allein interessierende Frage einer notwendigen Beteiligung der Antragsgegner ist dies indes ohne Belang. Nach den oben dargestellten Grundsätzen hat die Anerkennung des Arbeitsunfalls durch die Berufsgenossenschaft keine rechtsgestaltende Wirkung für die Antragsgegner, weil diese durch den Anspruchsübergang weder besser noch schlechter gestellt werden. Der Anspruchsübergang nach § 116 SGB X führt zu keiner inhaltlichen Änderung des Anspruchs, sondern lässt den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger so auf den Sozialversicherungsträger übergehen, wie er zur Zeit des Übergangs besteht (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2010, VI ZR 331/08, zitiert aus JURIS). Ein eigenes subjektiv-öffentliches Recht eines Unfallverursachers, dass der Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt wird, ist der Rechtsordnung nicht zu entnehmen. Die Legalzession erfolgt aus seiner Sicht zufällig. Einreden verliert er wegen §§ 404, 412 BGB nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 08.11.2011, VI ZB 59/10, zitiert aus JURIS m. w. N.). Mangels einer rechtsgestaltenden Wirkung der Anerkennung des Arbeitsunfalls ihm gegenüber scheidet eine Hinzuziehung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X aus (vgl. auch Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 32 Rn. 91 unter Hinweis auf OLG Hamm, Urteil vom 12.08.1999, 6 U 8/99 zum gesetzlichen Forderungsübergang bei Leistungen nach dem OEG, zitiert aus JURIS).

2. Mit Erfolg berufen sich die Antragsgegner darauf, nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII für den geltend gemachten Personenschaden sowie den Anspruch auf Schmerzensgeld nicht einstandspflichtig zu sein.

Die Antragsgegner zu 1) und 2) versuchten, der Antragstellerin Starthilfe zu leisten, nachdem ihr in der Tiefgarage geparkter Pkw Mazda nicht mehr ansprang. Zu diesem Zweck versetzten sie zunächst den auf Antragsgegner zu 2) zugelassenen, bei der Antragsgegnerin zu 3) haftpflichtversicherten Pkw Mitsubishi hinter den der Antragstellerin. Sodann schlossen die Antragstellerin selbst und der Antragsgegner zu 2) die Starthilfekabel an. Zuletzt betätigte die Antragsgegnerin zu 1) - während sich die Antragstellerin und der Antragsgegner zu 2) vor der geöffneten Motorhaube aufhielten - durch Umdrehen des Zündschlüssels den Anlasser des Pkw Mitsubishi, woraufhin dieser plötzlich einen Satz nach vorn machte. Dabei wurde der linke Unterschenkel der Antragstellerin zwischen Stoßstange und einem Betonpfeiler der Tiefgarage eingequetscht und verletzt.

Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, zum Ersatz des Personenschadens nach anderen gesetzlichen Vorschriften nur dann verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg verursacht haben. Diese Haftungsbeschränkung gilt nach § 105 Abs. 2 SGB VII gleichermaßen im Verhältnis zu dem Unternehmer, der einen Versicherungsfall erleidet. Ziel der Vorschrift ist es, da jeder im Betrieb Tätige zum Geschädigten und zum Schädiger werden und durch eine Unachtsamkeit einem Arbeitskollegen oder Unternehmer erheblichen Schaden zufügen kann, ihn von den Folgen dieses Risikos, einer unter Umständen hohen privatrechtlichen Schadensersatzforderung ausgesetzt zu sein, weitgehend freizustellen (vgl. ausführlich OLG Köln, Urteil vom 05.06.2001, 3 U 17/00, zitiert aus JURIS m. w. N.).

a) Die Antragstellerin ist in ihrer Eigenschaft als Halterin des liegengebliebenen Pkw Mazda als Unternehmerin im Sinne von § 105 Abs. 2 SGB VII zu qualifizieren. Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII jeder, dem das Ergebnis eines Unternehmens unmittelbar zum Vor- und Nachteil gereicht. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung sind Unternehmen planmäßige, auf eine bestimmte Dauer angelegte und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübte Tätigkeiten; ein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit sind nicht erforderlich, ebenso wenig, dass Beiträge an die Berufsgenossenschaft geleistet werden (vgl. Schmitt, SGB VII, Kommentar, 3. Aufl., § 136 Rn. 17; BSG, Urteil vom 12.10.1973, 2/ 8/ 2 RU 173/72, zitiert aus JURIS m. w. N. zu § 539 Abs. 2 RVO). Der Gesetzgeber hat mit dieser weiten Vorschrift eine Regelung treffen wollen, die § 658 Abs. 2 RVO a. F. und der dazu ergangenen Rechtsprechung entspricht (vgl. BT-Drs. 13/ 2204, S. 108). § 658 Abs. 2 RVO a. F. sah ausdrücklich vor, dass bei dem nicht gewerbsmäßigem Halten von Fahrzeugen derjenige Unternehmer ist, der das Fahrzeug hält. Damit im Einklang sieht die Rechtsprechung der Zivilgerichte den privaten Halter einer Kraftfahrzeugs grundsätzlich als Unternehmer an, sofern es mit dem Fahrzeug zu einem dem Unfallversicherungsrecht unterfallenden Arbeitsunfall kommt (vgl. etwa zu §§ 636, 539 RVO a. F. BGH, Urteil vom 16.12.1986, VI ZR 5/86, zitiert aus JURIS; OLG Köln, Urteil vom 09.11.1993, 3 U 34/93; zu § 104 SGB VII OLG Thüringen, Urteil vom 29.06.2004, 8 U 1153/03; ebenso OLG München, Urteil vom 19.03.2009, 24 U 346/08, jeweils zitiert aus JURIS).

b) Dass der Unfall durch die Antragsgegner zu 1) und 2) weder vorsätzlich noch auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt worden wäre, steht nicht im Streit. Auch der Umstand, dass sich das Schadensereignis für die Antragstellerin als Wegeunfall gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII im Rahmen ihres ehemaligen Beschäftigungsverhältnisses darstellt, kann vorliegend nicht zu einer Entsperrung des Haftungsprivilegs führen. Hierbei handelt es sich um ein rein zufälliges Zusammentreffen; die Antragsgegner waren nicht Versicherte desselben Betriebs wie die Antragstellerin. Aus ihrer Sicht ist ein Versicherungsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, wie nachfolgend ausgeführt werden wird, erst durch die in Rede stehende Starthilfeaktion begründet worden.

c) Das Unfallereignis vom 25. März 2009 ist als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII zu bewerten, durch den die Antragstellerin als Unternehmerin verletzt worden ist. Bei dem in Rede stehenden Versuch, der Antragstellerin Starthilfe zu geben, sind die Antragsgegner ihrerseits wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherte - nämlich wie in der privaten Fahrzeughaltung aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigte - tätig geworden.

aa) Ob und wann das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit und damit der gesetzliche Unfallversicherungsschutz zu bejahen sind, hängt nicht von einer arbeitsrechtlichen Eingliederung des Versicherten im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses persönlicher oder wirtschaftlicher Art ab. Es reicht aus, dass die Tätigkeit, bei der es zu einem Personenschaden kommt, der im Rahmen eines Arbeitsnehmerverhältnisses geleisteten Arbeit ähnlich ist, sie dem in Betracht kommenden Unternehmen dient und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht. Der Art nach muss die Tätigkeit sonst von Personen verrichtet werden können, die in einem Betrieb des betroffenen Gewerbes üblicherweise beschäftigt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.06.1990, 8 U 89/89; ebenso OLG München, Urteil vom 19.03.2009, 24 U 346/08, jeweils zitiert aus JURIS). Dagegen kommt es für die Abgrenzung nicht auf die Beweggründe und Interessen des Tätigen und auch nicht darauf an, ob solche Tätigkeiten regelmäßig gegen Entgelt oder unentgeltlich erbracht werden. Daraus folgt, dass auch Tätigkeiten, die aus Gefälligkeit erbracht werden und nur aus einem einzelnen Handgriff oder einer kurzen Leistung bestehen, unter den gesetzlichen Versicherungsschutz fallen mit der Folge, dass eine Individualhaftung wegen durch die Tätigkeit erlittener Verletzungen ausgeschlossen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.06.1990, 8 U 89/89, zitiert aus JURIS unter Hinweis auf BGH NJW 1987, 1643).

bb) Diese Voraussetzungen sieht der Senat vorliegend mit dem Landgericht als erfüllt an.

(1) An der Fremdnützigkeit der unfallbringenden Tätigkeit besteht kein Zweifel. Sie erfolgte - unstreitig - ausschließlich im Interesse und mit dem Willen der Antragstellerin, die auf dem Heimweg feststellen musste, dass sich ihr Pkw sich nicht mehr starten ließ.

(2) Auch ist die von den Antragsgegnern zu 1) und 2) geleistete Starthilfe durch Anschließen des Starthilfekabels und Anlassen des Motors des Spenderfahrzeugs, d. h. des startfähigen Fahrzeugs mit geladener Batterie, einer im Rahmen eines Arbeitsnehmerverhältnisses geleisteten Arbeit ähnlich. Sie ist nach der Verkehrsanschauung wirtschaftlich als Arbeit und nicht etwa als bloße Freizeitbeschäftigung anzusehen. Der Art nach handelt es sich um eine Tätigkeit, die sonst von Personen verrichtet werden kann, die üblicherweise im Kfz-Gewerbe - Kraftfahrzeugwerkstätten, Abschlepp- und Pannenhilfeunternehmen - beschäftigt werden. So gibt etwa der ADAC in seiner Pannenstatistik für das Jahr 2011 (www.adac.de) an, in 860.000 Fällen zur Leistung von Starthilfe gerufen worden zu sein. Auch dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24. Juni 2003 (306 S 50/03, zitiert aus JURIS) liegt ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Pannenhelfer des ADAC bei dem Versuch, einen Motor mittels Starthilfekabel zum Anspringen zu bringen, den Fahrzeugführer gebeten hatte, den Anlasser zu betätigen und hierbei verletzt wurde.

(3) Die Argumentation der Antragstellerin, angesichts ihrer eigenen Hilfeleistung und der weiteren des Antragsgegners zu 2) sei der unfallbringende Beitrag der Antragsgegnerin auf das Umdrehen des Zündschlüssels zu reduzieren und als geringfügige, unbedeutende Handreichung zu reduzieren, verfängt nicht.

Wie das Landgericht zu Recht mit Beschluss vom 11.03.2011 (Bl. 86 ff. d. A.) festgestellt hat, war die unfallbringende Verrichtung vorliegend - anders als in dem dem Urteil des Oberlandgerichts München vom 19. März 2009 (24 U 346/08, zitiert aus JURIS) zugrundeliegenden Sachverhalt - nicht auf das Umdrehen des Zündschlüssels durch die Antragsgegnerin zu 1) beschränkt.

Bei der Pannenhilfe beginnt die Eingliederung des Helfers in den Unfallbetrieb bereits mit den Vorbereitungshandlungen zur Hilfeleistung und endet erst, wenn die Hilfeleistung ihr tatsächliches Ende gefunden hat oder sie von dem Unternehmer für beendet erklärt worden ist (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 05.05.1982, 17 U 178/81, zitiert aus JURIS). Die einzelnen, zur unfallbringenden Verrichtung gehörenden Tätigkeiten sind daher nicht isoliert zu betrachten, sondern das Gesamtbild des Vorhabens zu bewerten (ebenso OLG Thüringen, Urteil vom 29.06.2004, 8 U 1153/03, zitiert aus JURIS zum misslungen Versuch, ein Abschleppseil bei der Bergung eines Fahrzeugs zu lösen). Danach ist vorliegend der gesamte Starthilfevorgang - begonnen vom Versetzen des auf den Antragsgegner zu 2) zugelassenen Spenderfahrzeugs bis zum Abbruch des Starthilfeversuchs - in die Gesamtschau mit einzubeziehen, weshalb schon deshalb für eine Argumentation dahingehend, es handele sich um eine völlig geringfügige Tätigkeit, kein Raum mehr bleibt. Der Ansatz der Antragstellerin, die unfallbringende Tätigkeit auf das Umdrehen des Zündschlüssels durch die Antragsgegnerin zu 1) zu reduzieren, wäre gleichbedeutend damit, einen einheitlichen Geschehensablauf unnatürlich in einzelne Verrichtungen aufzuspalten, um so eine Geringfügigkeit des unfallauslösenden "Schlussakts" zu begründen. Das wird der Intention des Gesetzgebers, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch solchen Personen zu gewährleisten, deren - möglicherweise nur vorübergehende - Beschäftigung oder Tätigkeit derjenigen eines nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherten entspricht, nicht gerecht. Der Versicherungsschutz soll erst dort seine Grenze finden, wo es sich um ganz geringfügige Handreichungen handelt, die kein Spezifikum des allgemeinen Arbeitsmarktes darstellen, sondern Selbstverständlichkeiten oder Höflichkeiten des menschlichen Zusammenlebens sind, bei denen ein rational denkender Mensch überhaupt nicht auf den Gedanken kommt, dass derartige Gesten versichert sein könnten (vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, S. 313, der beispielhaft das Aufhalten einer Tür und das Aufheben eines fallengelassen Gegenstandes nennt). Dem ist der vorliegende Versuch, der Antragstellerin Starthilfe zu gewähren, angesichts der Schadensgeneigtheit, die sich im vorliegenden Fall auf tragische Weise realisiert hat, offensichtlich nicht vergleichbar; vielmehr liegt eine ernstliche Tätigkeit vor, die überdies vergleichbar ist mit zahlreichen Sachverhalten, in denen die Rechtsprechung eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Rahmen der privaten Pannenhilfe bejaht hat. So hat das Bundessozialgericht etwa eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit bejaht für das nur kurze Anziehen eines auf einem vereisten Feldweg steckengebliebenen Pkw, nach dem der Helfende mit seinem Traktor die Böschung hinunterstürzte und tödlich verunglückte (vgl. BSG, Urteil vom 25.01.1973, 2 RU 216/72), ebenso für die Befestigung eines Abschleppseils an einem im Sand steckengebliebenen Pkw (Urteil vom 25.01.1973, 2 RU 159/72, zitiert aus JURIS) und für das Anschieben eines infolge Motorschadens stehengebliebenen Pkw (Urteil vom 12.10.1973, 2/ 8/ 2 RU 173/72, zitiert aus JURIS). Der Bundesgerichtshof hat eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit beispielsweise bejaht bei dem Versuch, auf eisglatter, ansteigender Fahrbahn ein Fahrzeug anzuschieben (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.1986, VI ZR 181/85, zitiert aus JURIS m. w. N.) und bei der unentgeltlichen Ausführung von Reparaturarbeiten an einem Kraftfahrzeug durch Befestigung einer Lenkmanschette (vgl. Urteil vom 16.12.1986, VI ZR 5/86, zitiert aus JURIS). Ebenso ist eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit eines Kraftfahrzeugführers bejaht worden, der auf Bitten eines mit Prüfarbeiten beauftragten Kfz-Meisters den Motor seines Pkw anließ (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 08.10.2003, 9 U 67/03, zitiert aus JURIS) und bei Durchführung eines unentgeltlichen Ölwechsels aus Gefälligkeit (vgl. OLG Köln, Urteil vom 09.11.1993, 3 U 34/93, zitiert aus JURIS).

Auch das Argument der Antragstellerin, sie sei deshalb nicht als Unternehmerin anzusehen, weil die Antragsgegnerin zu 1) zur Leistung der Starthilfe den Pkw des Antragsgegners zu 2) benutzt habe, verfängt nicht. Auch wenn die Gestellung von Arbeitsmaterial und Werkzeug als ein Merkmal abhängiger Beschäftigung angesehen werden mag, kommt es für die Frage der Versicherungspflicht auf eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und die Würdigung ihres Gesamtbildes an (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.1986, VI ZR 181/85, zitiert aus JURIS; Schulin aaO S. 294). Entscheidend ist dabei nicht, mit welchen Mitteln die Hilfeleistung erfolgt ist, sondern ob bei der Verrichtung das Interesse des Geschädigten oder das des Schädigers ausschlaggebend war (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Kommentar, 4. Aufl., Stand: März 2006, § 2 Rn. 644). Die danach gebotene Gesamtschau lässt vorliegend - wie die Antragstellerin im Ergebnis nicht in Abrede stellt - keinen anderen Schluss zu, als dass die Verrichtung ihrem Interesse als Halterin des liegengebliebenen Pkw dienen sollte.

3. Die beabsichtigte Klage bietet auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg, als sie sich gegen die Antragsgegner zu 2) und 3) richtet. Insoweit scheidet eine Haftung nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld aus (vgl. BGH r+s 04, 85, r+s 08, 261). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen (vgl. BGH, Urteile vom 11.11.2003, VI ZR 13/03 und vom 18.12.2007, VI ZR 235/06, jeweils zitiert aus JURIS).


II.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.