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Amtsgericht Sigmaringen Urteil vom 04.05.2010 - 5 OWi 15 Js 9971/09 - Zum "Vier-Augen-Prinzip" bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P

AG Sigmaringen v. 04.05.2010: Zum "Vier-Augen-Prinzip" bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Lasermessgerät Riegl FG 21-P


Das Amtsgericht Sigmaringen (Urteil vom 04.05.2010 - 5 OWi 15 Js 9971/09) hat entschieden:
Bei einer Lasermessung werden keine Fotos gefertigt. Dies ist auch für die Zuverlässigkeit einer Messung nicht erforderlich. Nachdem aber keine Fotos gefertigt werden, ist es zwingend erforderlich, dass bei der Protokollierung des Ergebnisses der Messung Zahlendreher und Missverständnisse vermieden werden. Daher ist es unerlässlich, dass nicht nur der Messbeamte selbst das Messergebnis abliest, dies muss vielmehr auch vom Protokollführer abgelesen werden.


Siehe auch Abstinenzbehauptung und verfahrensrechtliche Einjahresfrist und Stichwörter zum Thema Drogen


Gründe:

1. Dem Betroffenen ist im Bußgeldbescheid vorgeworfen worden, er habe am 2009 um Uhr mit dem Pkw folgende Ordnungswidrigkeit begangen:
Er habe auf der B aus Richtung kommend in Fahrtrichtung bei km 1,1 die außerorts geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 37 km/h überschritten.
2. Der Betroffene hat den Vorwurf bestritten. Er hat angegeben, dass er ein bis zwei Fahrzeuge überholt habe, danach sei er von der Polizei angehalten worden. Er sei möglicherweise schneller gefahren als 100 km/h, er könne aber nicht genau sagen, wie schnell.

3. Die Einlassung des Betroffenen konnte in der Beweisaufnahme nicht einwandfrei widerlegt werden:

Festgestellt wurde der Geschwindigkeitsverstoß durch eine polizeiliche Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät Riegl FG 21-P. Messbeamter war der Zeuge . Das Messgerät war gültig geeicht. Dies ergibt sich aus dem Eichschein des Regierungspräsidiums Tübingen vom 08. Dezember 2008. Danach war die Eichung noch bis zum 31. Dezember 2009 gültig. Auch hat der Zeuge die vorgeschriebenen Tests vor Inbetriebnahme des Geräts durchgeführt. Der Zeuge ist auch auf dem Messgerät geschult worden. Die Schulung wurde im Jahr 2001 durchgeführt. Er wird seither mindestens an 6 Messstellen pro Jahr eingesetzt. An jeder Messstelle werden jeweils etwa 100 Messungen durchgeführt.

Der Zeuge ist somit mit dem Messgerät erfahren und vertraut.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen bestehen Zweifel an der Korrektheit der Messung. Diese ergeben sich zum einen daraus, dass das Vier-Augen-Prinzip nicht eingehalten wurde. Bei einer Lasermessung werden keine Fotos gefertigt. Dies ist auch für die Zuverlässigkeit einer Messung nicht erforderlich. Nachdem aber keine Fotos gefertigt werden, ist es zwingend erforderlich, dass bei der Protokollierung des Ergebnisses der Messung Zahlendreher und Missverständnisse vermieden werden. Daher ist es unerlässlich, dass nicht nur der Messbeamte selbst das Messergebnis abliest, dies muss vielmehr auch vom Protokollführer abgelesen werden. Nach dem Eintrag ins Messprotokoll durch den Protokollführer muss dann der Messbeamte kontrollieren, ob die Eintragung auch korrekt erfolgt ist. Nur dann ist das Vier-Augen-Prinzip erfüllt.

Weniger problematisch ist es aus Sicht des Gerichts, dass im Messprotokoll bei den eingetragenen Werten die Vorzeichen „+ zulaufend/-abfließend“ fehlen. Dies deshalb, weil im vorliegenden Fall nur der Verkehr aus Richtung Menningen gemessen wurde. Allerdings ist in dem polizeilichen Erlass für Messungen mit dem Riegl-Gerät vorgeschrieben, dass vor dem Messwert ein „+ Zeichen“ oder „- Zeichen“ eingetragen wird.

Ferner ist im Messprotokoll unter „Bemerkungen“ nichts eingetragen. Damit ist nicht sicher gewährleistet, dass der gemessene Wert auch von dem Fahrzeug des Betroffenen ausgelöst wurde. Sowohl aus der Sicht des Sachverständigen als auch aus richterlicher Sicht sollte daher dieses Feld stets ausgefüllt werden. In diesem Fall ist die konkrete Verkehrssituation zuverlässig dokumentiert. Es ist dann z.B. dokumentiert, dass auch tatsächlich nur ein Einzelfahrzeug im Messbereich war und weit und breit kein anderes Fahrzeug in der Nähe war, welches möglicherweise auch die Messung ausgelöst haben kann.

Hinzu kam, dass im vorliegenden Fall in einer recht großen Messentfernung gemessen wurde, und zwar in 602,2 m. In diesem Fall reicht der Zielerfassungsbereich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F... weit über die Außenkontur des zu messenden Fahrzeuges hinaus. Aus der Sicht hätte daher zwingend geklärt werden müssen, ob sich mindestens 500 m hinter dem gemessenen Fahrzeug des Betroffenen keine weiteren Fahrzeuge befanden, als der Messvorgang durchgeführt wurde. Dies war bei den gegebenen Sichtverhältnissen aber nicht sicher ausschließbar.

Daher bleiben Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung, weshalb der Betroffene aus tatsächlichen Gründen mit der Kostenfolge der §§ 46 Abs. 1, 473 Abs. 1 StPO freizusprechen war.