Das Verkehrslexikon

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VGH München Beschluss vom 16.08.2012 - 11 CS 12.1624 - Trunkenheitsfahrt im Ausland mit einem mitgeteilten Blutalkoholwert von 3,10 g/l

VGH München v. 16.08.2012: Zu einer Trunkenheitsfahrt im Ausland mit einem mitgeteilten Blutalkoholwert von 3,10 g/l


Der VGH München (Beschluss vom 16.08.2012 - 11 CS 12.1624) hat entschieden:
Tatbestandliche Voraussetzung für die Anordnung einer MPU auf Grund einer Mitteilung aus dem Ausland ist neben dem vom Antragsteller eingeräumten Führen eines Kraftfahrzeugs jedoch auch der tatsächliche Nachweis eines Blutalkoholgehalts von mindestens 1,6 Promille. Zwar entspricht der Wert von 3,10 g/l im Wesentlichen einem Promillegehalt von 3,1. Eine im Ausland begangenen Trunkenheitsfahrt kann fahrerlaubnisrechtlich aber nur verwertet werden, wenn diese in gleichem Maße hinreichend nachgewiesen ist, wie dies bei einer entsprechenden Zuwiderhandlung im Inland gefordert werden müsste. Allein die Angabe des Blutalkoholwertes von 3,10 g/l ohne Laborbericht und ohne weitere Angaben über die Ermittlung des Wertes ist kein ausreichender Nachweis für die Blutalkoholkonzentration oder das Vorliegen eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes.


Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner 1987 erworbenen Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).

Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 an das Kraftfahrt-Bundesamt, das dieses an die Fahrerlaubnisbehörde weiter leitete, teilte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest mit, dass der Antragsteller mit Strafurteil des Amtsgerichts Baia Mare vom 27. Oktober 2011 wegen Fahrens eines Fahrzeugs unter Einfluss alkoholischer Getränke (Blutalkoholwert: 3,10 g/l) zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt und seine Fahrerlaubnis annulliert worden sei.

Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 17. September 2011 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung seiner Fahreignung vorzulegen. Die Beibringungsaufforderung wurde auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV gestützt. Das Gutachten sollte u.a. die Frage klären, ob der Antragsteller trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch Kraftfahrzeuge der Gruppen 1 und 2 sicher führen könne und ob insbesondere nicht mehr zu erwarten sei, dass er ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Alkohol führen werde.

Nachdem der Antragsteller das Gutachten nicht vorlegte, entzog ihm die Antragsgegnerin mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 30. Januar 2012 die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids), verpflichtete ihn zur Abgabe seines Führerscheins und drohte für den Fall nicht fristgerechter Abgabe ein Zwangsgeld an.

Der Antragsteller ließ Widerspruch einlegen und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 22. Juni 2012 ablehnte. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen. Der Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins war er bereits nachgekommen.

Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel insoweit weiter, als er sich noch gegen den Sofortvollzug der Entziehungsverfügung wendet. Sein Bevollmächtigter führt zur Begründung zusammengefasst aus, die Voraussetzungen für die Beibringungsaufforderung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV lägen nicht vor.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Beschluss.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Eine an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientierte Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Hauptsacherechtsbehelfs gegen die Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs überwiegt.

1. Der streitgegenständliche Bescheid kann nicht auf § 11 Abs. 8 FeV gestützt werden, weil die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens rechtswidrig war. Die Beibringungsaufforderung wurde von der Fahrerlaubnisbehörde auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV gestützt. Wenn die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung der Anforderung eines Fahreignungsgutachtens eine Rechtsgrundlage angibt, muss diese zutreffen. Wird eine falsche Rechtsgrundlage angegeben, kann die streitgegenständliche Gutachtensaufforderung im Laufe des Verfahrens nicht von der Behörde oder dem Gericht auf eine andere, eigentlich zutreffende Rechtsgrundlage gestützt werden. Im Fall der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens kann dann nicht auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden (BayVGH vom 24.8.2010 Az. 11 CS 10.1139).

Für die hier zu klärende Fallgestaltung stellt § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV die einschlägige Rechtsgrundlage dar. Wer ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille führt, muss sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen. Die Zuwiderhandlung kann auch im Ausland begangen worden sein, wenn diese nach inländischen Maßstäben hinreichend sicher nachgewiesen ist (BayVGH vom 09.06.2010 Blutalkohol 47, 368). Wenn die Fahreignungszweifel im Zusammenhang mit dem Verdacht auf Alkoholmissbrauch aus einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,6 Promille resultieren, ist § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV insoweit abschließend. Die dagegen von der Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung der Beibringungsaufforderung herangezogene Vorschrift stellt eine Auffangregelung für Fallgestaltungen im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch dar, die nicht unter § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b bis e FeV subsumierbar sind (OVG Saarlouis vom 18.09.2000 ZfS 2001, 92; VGH Mannheim vom 24.06.2002 NZV 2002, 580; OVG Koblenz vom 11.09.2006 ZfS 2006, 713; OVG Magdeburg vom 12.11.2008 NJW 2009, 1829; BayVGH vom 09.02.2009 SVR 2009, 113).

Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist grundsätzlich unter die Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV einzuordnen. Tatbestandliche Voraussetzung ist neben dem vom Antragsteller eingeräumten Führen eines Kraftfahrzeugs jedoch auch der tatsächliche Nachweis eines Blutalkoholgehalts von mindestens 1,6 Promille. Zwar entspricht der Wert von 3,10 g/l im Wesentlichen einem Promillegehalt von 3,1. Eine im Ausland begangenen Trunkenheitsfahrt kann fahrerlaubnisrechtlich aber nur verwertet werden, wenn diese in gleichem Maße hinreichend nachgewiesen ist, wie dies bei einer entsprechenden Zuwiderhandlung im Inland gefordert werden müsste. Allein die Angabe des Blutalkoholwertes von 3,10 g/l ohne Laborbericht und ohne weitere Angaben über die Ermittlung des Wertes ist kein ausreichender Nachweis für die Blutalkoholkonzentration oder das Vorliegen eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes. Eine generelle Bindungswirkung des Tatbestands oder des Rechtsfolgenausspruchs ausländischer Strafgerichte für eine deutsche Fahrerlaubnisbehörde kennt das deutsche Straßenverkehrsrecht nicht. Hinzu kommt, dass das fragliche Urteil in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Akten nicht enthalten ist und nach dem Akteninhalt auch nicht davon auszugehen ist, dass es der Fahrerlaubnisbehörde vorlag.

Eine einmalige Trunkenheitsfahrt mit einem Blut- oder Atemalkoholgehalt, der nicht belastbar feststeht, rechtfertigt nach der Systematik des § 13 FeV zumindest ohne - hier nicht vorliegende - zusätzliche Merkmale keine aus dem Verdacht auf Alkoholmissbrauch resultierenden Fahreignungszweifel.

Nachdem der Hauptsacherechtsbehelf damit überwiegende Erfolgsaussichten hat, fällt die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers aus.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V. mit den Empfehlungen in Abschnitt II Nrn. 1.5 Satz 1, 46.3, 46.5 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Die Befugnis zur Abänderung der Streitwertfestsetzung der ersten Instanz von Amts wegen ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).