Das Verkehrslexikon

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Landgericht Berlin Beschluss vom 02.08.2010 - 533 Qs 97/10 - Zur vorzeitigen Aufhebung der Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis

LG Berlin v. 02.08.2010: Zur vorzeitigen Aufhebung der Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis


Das Landgericht Berlin (Beschluss vom 02.08.2010 - 533 Qs 97/10) hat entschieden:
Auch wenn einem Betroffenen nach einer Trunkenheitsfahrt mit hoher Blutalkoholkonzentration die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die Wiedererteilung angeordnet worden ist, kann die Sperre gemäß § 69 a Abs. 7 StGB vorzeitig aufgehoben werden, wenn aufgrund erheblicher neuer Tatsachen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bzw. Beschwerdeentscheidung Grund zu der Annahme besteht, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Besondere Berücksichtigung kann hierbei finden, dass der Täter durch eine Nachschulung oder ein Aufbauseminar für alkoholauffällige Täter eine risikobewusstere Einstellung im Straßenverkehr entwickelt hat. Eine solche Entwicklung kann angenommen werden, wenn der Täter an einer Verkehrstherapie IVT-Hö Berlin-Brandenburg teilgenommen und eine Bescheinigung vorgelegt hat, aus der sich ergibt, dass er weiterhin bis zur Entscheidung des Gerichts bzw. der Fahrerlaubnisbehörde freiwillig an dem Abstinenzprogramm teilnehmen wird und für sich darüber hinaus eine therapeutische Nachsorgemaßnahme organisiert hat.


Gründe:

I.

Am 8. Februar 2010 hat das Amtsgericht Tiergarten gegen den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs einen Strafbefehl erlassen, nachdem dieser am 5. Dezember 2009 gegen 20.15 Uhr in Berlin in fahruntüchtigem Zustand ein Fahrzeug geführt hatte und beim Abbiegevorgang infolge seiner alkoholbedingten Fahrunsicherheit auf die Gegenfahrspur geraten war und einen Unfall verursacht hatte. Eine ihm am Tattag um 21.35 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,82 Promille. Neben der Festsetzung einer Geldstrafe hat das Amtsgericht Tiergarten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Beschwerdeführer vor Ablauf von 11 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Gegen den Strafbefehl hat der Beschwerdeführer fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen auf die Rechtsfolgen beschränkt.

Im Hauptverhandlungstermin vom 15. März 2010 hat das Amtsgericht den Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe verurteilt und eine Sperre zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von acht Monaten festgesetzt. Das Urteil ist seit dem 23. März 2010 rechtskräftig.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 14. Juni 2010 hat der Beschwerdeführer beantragt, die Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis aufzuheben bzw. zu verkürzen. Er hat vorgetragen, an einem Langzeitrehabilitationskurs zur Wiederherstellung der Eignung auch im Sinne der Kriterien des Verwaltungsrechts/MPU bei IVT-Hö Berlin-Brandenburg teilgenommen zu haben und darüber hinaus regelmäßig am Alkohol-Abstinenz-Check der pima-mpu GmbH teilzunehmen.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers abgelehnt.


II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Entscheidung über die vorzeitige Aufhebung der Sperre stützt sich auf § 69 a Abs. 7 StGB. Die formellen Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen vor. Die Sperre hat bereits über drei Monate gedauert.

Gemäß § 69 a Abs. 7 StGB kann das Gericht die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufheben, wenn aufgrund erheblicher neuer Tatsachen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Grund zu der Annahme besteht, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Hierbei kann insbesondere Berücksichtigung finden, dass der Verurteilte durch eine Nachschulung oder ein Aufbauseminar für alkoholauffällige Täter eine risikobewusstere Einstellung zum Straßenverkehr entwickelt hat (Fischer, StGB, 57. Aufl.; § 69a Rn.44). Solche Tatsachen liegen vor.

Der Beschwerdeführer hat durch die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nachgewiesen, vom 10. Dezember 2009 bis zum 4. Juni 2010 an einer Verkehrstherapie des Instituts IVT-Hö Berlin-Brandenburg teilgenommen zu haben, bei dem er u. a. Einzel- und Gruppentherapien sowie eine Selbsthilfegruppe zur Auseinandersetzung mit seinem Alkoholproblem besuchte. Darüber hinaus hat er zum Nachweis seiner nunmehr seit sechs Monaten andauernden Alkoholabstinenz eine Bescheinigung der pima-mpu GmbH vorgelegt, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer weiterhin freiwillig an dem Abstinenzkontrollprogramm teilnimmt. Aus den eingereichten Unterlagen geht auch hervor, dass der Beschwerdeführer weiterhin bis zu einer Entscheidung des Gerichtes bzw. der Fahrerlaubnisbehörde freiwillig an einer therapeutischen Nachsorgemaßnahme teilnimmt.

Die verantwortlichen Verkehrstherapeuten bescheinigten dem Beschwerdeführer nach Abschluss der Maßnahme im Juni 2010 im Hinblick auf dessen überdurchschnittliche Mitarbeit in den Therapiestunden, dass ein Rehabilitationserfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ferner wird bescheinigt, dass aufgrund der erreichten Veränderungen in der Einstellung und dem Verhalten des Beschwerdeführers von diesem nur noch eine zu vernachlässigende höhere Gefährlichkeit im Vergleich zu durchschnittlichen Verkehrsteilnehmern ausgeht. In der vorliegenden Bescheinigung der Verkehrstherapeuten wird u. a. auf den konkreten Einzelfall bezogen mitgeteilt, worauf die positive Einschätzung der Therapeuten beruht und wie sich die Veränderung des Beschwerdeführers im Umgang mit dem Konsum von Alkohol vollzogen hat. Der Beschwerdeführer hat sich durchgehend durch eine hohe Motivation und ein hohes Engagement ausgezeichnet und gezeigt, dass er nunmehr bereit ist, die Verantwortung für seinen Alkoholmissbrauch und die unter Alkoholmissbrauch erfolgten Straftaten zu übernehmen.

Zwar ist dem Amtsgericht insoweit beizupflichten, dass eine hohe Blutalkoholkonzentration wie vorliegend regelmäßig ein Gesichtspunkt ist, der gegen die vorzeitige Aufhebung der Sperrfrist spricht, allerdings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer – soweit ersichtlich – bislang nicht strafrechtlich oder mit Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften – insbesondere in alkoholisiertem Zustand – aufgefallen ist.

Zudem ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer aus eigenem Antrieb bereits unmittelbar nach der Tat mit der Verkehrstherapie begonnen hat. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration steht einer positiven Einschätzung daher nicht im Wege.

Die Gesamtwürdigung aller Tatsachen rechtfertigt somit nach Auffassung der Kammer die Annahme, dass der Beschwerdeführer wieder als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.