Das Verkehrslexikon

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Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 22.12.1993 - 11 C 45/92 - Zur Ausnahmegenehmigung von einem Verkehrsverbot für einen Gewerbebetrieb

BVerwG v. 22.12.1993: Zur Ausnahmegenehmigung von einem Verkehrsverbot für einen Gewerbebetrieb


Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 22.12.1993 - 11 C 45/92) hat entschieden:
  1. Es ist zulässig, befristete Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO über einen langen Zeitraum hin ohne Unterbrechung wiederholt zu erteilen, solange die die Ausnahmegenehmigung rechtfertigende Situation andauert.

  2. Erstreckt sich die einem Gewerbetreibende erteilte Ausnahmegenehmigung von einem Verkehrsverbot (§ 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO) auch auf Fahrzeuge seiner "Kunden", so betrifft sie insoweit nicht, wie § 46 Abs. 1 StVO voraussetzt, "bestimmte Einzelfälle" oder "bestimmte Antragsteller", sondern einen unbestimmten Personenkreis.

Siehe auch Straßenverkehrsrechtliche Anordnungen und Lärmschutz


Tatbestand:

Die Kläger sind Anlieger einer Gemeindestraße (S.-Weg), die der Beklagte als Straßenverkehrsbehörde durch das Verkehrszeichen Nr. 262 zu § 41 StVO für Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht über 7,5 t gesperrt hat. Die Beigeladene betreibt seit 1978 ein Unternehmen zum Kies- und Sandabbau sowie zur Ablagerung von Bauschutt, das über den S.-Weg erschlossen wird, an dem die Kläger ihre Wohngrundstücke haben. Diese Straße ist wegerechtlich nicht beschränkt. Sie wurde im Sommer 1989 ausgebaut und auf 5,50 m verbreitert. Die Fahrbahn wird allerdings durch Ausbuchtungen von Baumscheiben in Abständen von 80 bis 100 m auf 4 m, in einem Fall auf 3,60 m verengt.

Bereits Mitte der sechziger Jahre wurde am S.-Weg Kies und Sand abgebaut. Bis etwa 1970 erfolgte der Transport des Abbauguts über eine Koppel, die zum allgemeinen Wegenetz führte. Ab diesem Zeitpunkt transportierte die Beigeladene ihr Abbaugut über den S.-Weg. Dies geschah sowohl mit ihren eigenen Fahrzeugen als auch mit Fahrzeugen ihrer Kunden. Hierzu erhielt sie stets jeweils für ein Jahr befristete, jederzeit widerrufliche Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO. Ab 1985 wurden diese Ausnahmegenehmigungen auf den Zeitraum von Montag bis Freitag jeweils von 7.00 bis 17.00 Uhr beschränkt.

Der Kläger zu 2 erwarb sein Grundstück im Jahre 1968 und bebaute es 1969, der Kläger zu 1 erwarb das benachbarte Grundstück, das bereits 1969 bebaut worden war, im Jahre 1980.

Gegen eine im Jahr 1982 erteilte Ausnahmegenehmigung erhoben die Kläger und ein anderer Anlieger Klage und beantragten nach Ablauf dieser Ausnahmegenehmigung, deren Rechtswidrigkeit festzustellen. Das Verwaltungsgericht wies aufgrund eines Gutachtens des Sachverständigen G. vom 8. August 1983 die Klagen ab. Dieses Gutachten stellte nach mehrtägigen, zu verschiedenen Zeiten durchgeführten Schallpegelmessungen für die Tageszeit eine mittlere Schallbelastung vor dem Wohnhaus des Klägers zu 2 von 61 dB(A) und vor dem des Klägers zu 1 von 59 db(A) fest. Außerdem zählte der Sachverständige 10 bis 20 vor den Anwesen der Kläger vorbeifahrende Lastkraftwagen pro Stunde. Erschütterungen nahm er nicht wahr. Das gegen diese Entscheidung angestrengte Berufungsverfahren wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte seine "Absicht" erklärt hatte, der Beigeladenen ab 1. Januar 1986 keine Ausnahmegenehmigung mehr zu erteilen, für sie jedoch eine ersatzweise wegerechtliche Erschließung zu schaffen.

Mit einstweiligen Anordnungen vom 24. Dezember 1985 und vom 19. September 1986 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten jedoch erneut zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen bis zum 30. September 1987. Diesen Eilentscheidungen lag jeweils die Abwägung zugrunde, das Interesse der Beigeladenen an der Aufrechterhaltung ihres Gewerbebetriebs gehe dem Interesse der Anlieger an ungestörter Wohnruhe vor. Da die beabsichtigte Schaffung einer Ersatzzuwegung an der Weigerung der Gemeinde Sch., diesen Weg ausbauen zu lassen, gescheitert sei, bestehe keine Alternative zur weiteren Erteilung von Ausnahmegenehmigungen.

Darauf erteilte der Beklagte der Beigeladenen mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 3. Oktober 1986 eine bis zum 30. September 1987 befristete Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO. Diese bezog Fahrzeuge der Beigeladenen sowie ihrer Kunden ein, erlaubte jedoch nur eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und beschränkte die Durchfahrt auf die Zeit von Montag bis Freitag von 7.00 bis 17.00 Uhr. Außerdem wurde angeordnet, dass die Beigeladene die Ausnahmegenehmigung an geeigneter Stelle aufzubewahren und die zur Kiesgrube fahrenden Fremdfirmen in geeigneter Form über den Inhalt der Ausnahmegenehmigung zu unterrichten habe.

Im Anschluss an diese streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung erteilte der Beklagte der Beigeladenen weitere befristete Ausnahmegenehmigungen, die von den Klägern zum Teil ebenfalls erfolglos angefochten worden sind.

Die von den Klägern eingelegten Widersprüche gegen die am 3. Oktober 1986 erteilte Ausnahmegenehmigung wurden mit der Begründung zurückgewiesen, die Geschäftsgrundlage für die Einigung über die Nichterteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen habe sich geändert, weil sich die Gemeinde Sch. nicht vorhersehbar geweigert habe, an der Schaffung eines Ersatzweges mitzuwirken. Die Entscheidung des Beklagten, erneut befristete Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, sei ermessensfehlerfrei, denn es werde die veränderte Situation berücksichtigt und außerdem den ergangenen einstweiligen Anordnungen entsprochen.

Die hiergegen erhobenen Anfechtungsklagen der Kläger sind in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen mit der Begründung zurückgewiesen, die Klagen seien nach Ablauf der Geltungsdauer der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung zwar als Fortsetzungsfeststellungsklagen zulässig. Insbesondere seien die Kläger klagebefugt, denn das Verkehrsverbot habe neben der Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße auch dem Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen gedient. Die Klagen seien aber unbegründet; die Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sei frei von Ermessensfehlern erteilt worden. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen ergebe ein deutliches Übergewicht der gewerblichen Belange der Beigeladenen gegenüber den Anliegerinteressen der Kläger. Diese seien zur Duldung der entstehenden Lärmbelästigungen, Staubentwicklungen und Erschütterungen verpflichtet. Sie hätten beim Erwerb ihrer Grundstücke damit rechnen müssen, dass das Baugebiet S.-Weg mit dem Risiko von Lärmbelästigungen durch den Kiesabfuhrbetrieb belastet gewesen sei, denn die Kiesausbeutung habe schon seit Mitte der sechziger Jahre bestanden und sei erkennbar langfristig angelegt gewesen. Rücksichtnahme sei von den Klägern auch wegen der bestehenden Nutzung des umliegenden Baugebiets zu verlangen, das sowohl Elemente eines allgemeinen Wohngebiets als auch eines Mischgebiets enthalte. Die Immissionen seien daher als ortsüblich hinzunehmen, zumal nach dem im früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen G. bei Messungen im Mai 1983 vor den Häusern der Kläger mittlere Schallpegel von 59 bzw. 61 db(A) gemessen worden seien und keine Erschütterungen durch vorbeifahrende Lastkraftwagen hätten festgestellt werden können. Bei der im Berufungsverfahren durchgeführten Ortsbesichtigung habe das Gericht den Verkehrslärm als lästig, nicht aber als unzumutbar oder unerträglich empfunden. Die im Gutachten festgestellten Messergebnisse lägen sowohl im Rahmen der Lärmrichtlinien DIN 18005, TA Lärm und VDI 2058 als auch der Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV -. Überdies habe der Beklagte die Lärmbelastung der Anlieger durch Auflagen an die Beigeladene wie die Begrenzung des Gewichts der Lastkraftwagen und die zeitliche Begrenzung ihres Einsatzes in Grenzen gehalten. Alternativwege kämen nicht in Betracht: Beim F.-Weg würden unverhältnismäßige Aufwendungen zum Ausbau einer verkehrssicheren Anbindung an die B 207 entstehen. Hinsichtlich des B.-Weges sei die Nachbargemeinde Sch., durch deren Gebiet ein Teil des Weges führe, nach wie vor nicht zum schwerlastverkehrsgerechten Ausbau bereit und auch die notwendige Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen an die Beigeladene nicht zu erwarten. Der LKW-Verkehr könne auch nicht durch S.-Dorf geführt werden, weil die Dorfstraße wie die L.- Straße nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung nicht für den Schwerlastverkehr geeignet sei. Im übrigen würde dies lediglich zu einer Verlagerung des Verkehrslärms auf andere Anwohner führen. Auch eine Aufteilung des LKW-Verkehrs zwischen dem S.-Weg und S.-Dorf komme nicht in Betracht. Die Wiederholungen von Ausnahmegenehmigungen seit 1970 gingen zwar an die Grenze des insoweit bestehenden Ermessensrahmens, denn inzwischen sei die Ausnahmegenehmigung zur Regel geworden und habe die Geltung der verkehrsbehördlichen Anordnung praktisch außer Kraft gesetzt. Der S.-Weg werde nämlich überwiegend von Lastkraftwagen der Beigeladenen und ihrer Kunden frequentiert. Dies widerspreche den Verwaltungsvorschriften zu § 46 StVO, wonach nur einzelnen Verkehrsteilnehmern besondere Rechte gewährt werden sollten, die allgemeine Geltung des Verkehrsverbotes aber unangetastet bleiben solle. Die Kläger könnten sich als Anlieger auch darauf berufen, dass Ausnahmen nur in besonders dringenden Fällen gerechtfertigt seien. Ausschlaggebend sei aber, dass die einschlägigen Lärmgrenzwerte nicht überschritten würden.

Gegen dieses Urteil haben die Kläger Revision eingelegt. Zur Begründung tragen sie vor, die jahrelange Erteilung der Ausnahmegenehmigungen laufe dem Ausnahmecharakter des § 46 Abs. 1 StVO zuwider, so dass dem Beklagten kein Ermessensspielraum mehr zugestanden habe. Beklagter, Beigeladene und Oberbundesanwalt verteidigen das Berufungsurteil.


Entscheidungsgründe:

Die Revision der Kläger ist begründet, soweit sich die vom Beklagten erteilte Ausnahmegenehmigung auf den Schwerlastverkehr mit Fahrzeugen der Kunden der Beigeladenen erstreckt. Insoweit beruht das Berufungsurteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) und ist zusammen mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO), denn es erweist sich in diesem Umfang auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Es ist festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigung vom 3. Oktober 1986 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 3. November 1986 in diesem Umfang rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Im übrigen ist die Revision unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Fortsetzungsfeststellungsklagen der Kläger als zulässig erachtet (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

a) Die Klagen sind statthaft, weil die Geltungsdauer der der Beigeladenen erteilten Ausnahmegenehmigung während des Berufungsverfahrens abgelaufen ist.

b) Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Ausnahmegenehmigung rechtswidrig war. Denn ohne eine solche Entscheidung ist damit zu rechnen, dass der Beklagte der Beigeladenen in Zukunft weitere befristete Ausnahmegenehmigungen gleichen Inhalts erteilen wird.

Das Feststellungsinteresse entfällt nicht etwa deswegen, weil die zum Betrieb der Beigeladenen führende Erschließungsstraße zwischenzeitlich ausgebaut worden ist. Die von den Klägern geltend gemachte Betroffenheit durch Lärm, Staub und Abgase hat sich dadurch nämlich nicht grundlegend geändert (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Oktober 1989 - BVerwG 7 B 108.89 - und vom 9. Mai 1989 - BVerwG 1 B 166.88 - ).

Dem Rechtsschutzinteresse der Kläger steht ferner nicht der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. September 1986 entgegen, denn dieser betrifft lediglich den vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens geltenden Rechtszustand. Der Beklagte hat die streitgegenständliche, für den betreffenden Zeitraum geschaffene Regelung außerdem ergänzt sowie aufgrund einer eigenständigen Ermessensbetätigung mit weiteren rechtlichen Gesichtspunkten begründet.

c) Die Kläger sind auch klagebefugt. Dabei kann dahinstehen, ob das Verkehrsverbot ausschließlich zur Schonung der Straßenanlage (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StVO) oder aber auch zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO) erlassen worden ist. Den Klägern stand angesichts der örtlichen Verhältnisse jedenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung ihrer Anliegerbelange zu. Zwar ist § 45 Abs. 1 StVO grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen einzelner ausgerichtet. Der einzelne besitzt aber einen - auf die ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf Schutz seiner Individualinteressen, wenn grundrechtsgefährdende oder billigerweise nicht mehr zuzumutende Verkehrseinwirkungen im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zu befürchten sind (BVerwGE 74, 234 <236>; BVerwG, Beschlüsse vom 3. Juli 1986 - BVerwG 7 B 141.85 - und vom 2. August 1989 - BVerwG 7 B 62.89 - ). Dies ist hier der Fall.

2. Mit revisiblem Recht stimmt die Berufungsentscheidung ferner überein, soweit die Ausnahmegenehmigung den Schwerlastverkehr betrifft, den die Beigeladene selbst unternimmt.

a) Nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen, Richtzeichen, Verkehrseinrichtungen oder Anordnungen erlassen sind. Darin liegt die Ermächtigung zum Erlass verkehrsregelnder Anordnungen für konkrete Sachverhalte oder bestimmte Verkehrsteilnehmer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1988 - BVerwG 7 B 73.88 - ). Die Ausnahmegenehmigung berechtigte die Beigeladene und ihre Kunden, abweichend vom Verbot des Zeichens 262 zu § 41 StVO den S.-Weg mit Lastkraftwagen zu befahren, die das tatsächliche Gesamtgewicht von 7,5 t überschreiten.

b) Die streitbefangene Ausnahmegenehmigung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie zum wiederholten Male und ohne zeitliche Unterbrechung angeordnet worden ist. Sie widerspricht nicht dem sich aus der Vorschrift des § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO ergebenden Charakter einer Regelung für den Ausnahmefall.

Wie sich aus dem Zweck des § 46 StVO ergibt, sollen von generellen straßenverkehrsrechtlichen Regelungen, die nach der Straßenverkehrsordnung bestehen oder von der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 StVO angeordnet worden sind, in sachlich besonders gelagerten Einzelfällen Ausnahmen erteilt werden können. Diese Möglichkeit besteht, solange die die Ausnahmeregelung rechtfertigende Situation andauert. Endet diese, so entfällt auch die Zulässigkeit einer Ausnahmeregelung. Die in Nr. VI der Verwaltungsvorschrift zu § 46 StVO vorgesehene Befristung dient der Behörde nur zur periodischen Überprüfung, ob die Umstände weiterhin vorliegen, die die Ausnahmegenehmigung rechtfertigen. Der Charakter einer Ausnahmegenehmigung wird nicht durch ein zeitliches Element definiert, sondern allein durch die sachlich begründete Ausnahme vom Regelfall.

c) Die Ausnahmegenehmigung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die Erschließungsstraße offenbar in der Regel allein vom Schwerlastverkehr der Beigeladenen und deren Kunden benutzt wird. Das generell verfügte Verkehrsverbot läuft dadurch nicht leer. Die Ausnahmegenehmigung betrifft nämlich nur einen bestimmten Kreis von Verkehrsteilnehmern, also nicht alle übrigen Verkehrsteilnehmer. Außerdem schränkt sie das Verkehrsverbot nur für den Zeitraum zwischen Montag und Freitag jeweils von 7.00 bis 17.00 Uhr ein.

d) Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner die Lärmbelastung, der die Kläger durch den Schwerlastverkehr ausgesetzt sind, im Rahmen der gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 11 in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO vorzunehmenden Interessenabwägung als für die Kläger zumutbar eingestuft.

Bei der Entscheidung über eine Ausnahme von einem Verkehrsverbot hat die Straßenverkehrsbehörde dem mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interesse die besonderen Belange der von dem Verbot Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 - BVerwG 7 C 60.85 - ). Die Belange der Betroffenen sind auch insoweit einzubeziehen, als sie keinen grundrechtlichen Schutz genießen. Es können grundsätzlich aber auch grundrechtlich geschützte Belange von einem vorrangigen öffentlichen Interesse verdrängt werden.

aa) Im Rahmen dieser Interessenabwägung bildet die Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO den Maßstab zur Beurteilung der Lärmbelastung, der die Kläger ausgesetzt sind. Im Gegensatz zum Straßenrecht bestimmt kein bestimmter Lärmpegel die Grenze der Zumutbarkeit (vgl. dazu die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 17 Abs. 4 FStrG a.F., z.B. in BVerwGE 51, 15). Es sind vielmehr Lärmeinwirkungen zu berücksichtigen, die jenseits dessen liegen, was im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs als ortsüblich hingenommen werden muss. Der einzelne besitzt daher noch keinen Anspruch auf behördliche Schutzmaßnahmen, wenn ein bestimmter Schallpegel überschritten wird. Er kann lediglich eine ermessensfehlerfreie Entscheidung beanspruchen. Dies gilt auch, wenn die Lärmbeeinträchtigungen so intensiv sind, dass sie im Rahmen einer Planfeststellung Schutzauflagen auslösen würden. Dabei hat die Straßenverkehrsbehörde nicht nur auf die gebietsbezogene Schutzbedürftigkeit der Anlieger sowie eine eventuell gegebene Lärmvorbelastung abzustellen. Sie muss vielmehr auch die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer würdigen. Ebenso hat sie die Interessen anderer Anlieger in Rechnung zu stellen, die ihrerseits infolge lärmreduzierender Maßnahmen von übermäßiger Lärmemission belastet wären. Solche Belastungen könnten sich zum Beispiel als Folge einer Verlagerung des Verkehrs einstellen. Dabei darf die Behörde in Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange von solchen Maßnahmen um so eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, der entgegengewirkt werden soll (vgl. BVerwGE 74, 234).

bb) Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verstoßen.

Nicht zu beanstanden ist, dass es zur Feststellung der bei Erlass der streitbefangenen Ausnahmegenehmigung tatsächlich bestehenden Lärmbelastung auf die Werte abgestellt hat, die sich aus dem bereits aus dem Jahre 1983 stammenden, in einem früheren Verwaltungsstreitverfahren erstellten Lärmgutachten G. ergeben. Dasselbe gilt für die durch den erst wesentlich später, nämlich 1991 durchgeführten Augenschein gewonnenen tatsächlichen Erkenntnisse. Da die Beteiligten keine Verfahrensrügen erhoben haben, sind die so getroffenen tatsächlichen Feststellungen für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Es ist daher davon auszugehen, dass die Straße vor den klägerischen Anwesen stündlich mit 10 bis 20 Lastkraftwagen frequentiert war, dabei vor dem Anwesen der Kläger eine mittlere Schallbelastung von 59 bzw. 61 dB(A) entstand sowie Erschütterungen nicht wahrgenommen wurden.

Zu Recht wurde außerdem berücksichtigt, dass die Anwesen der Kläger in einem Baugebiet liegen, das nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl Elemente eines allgemeinen Wohngebiets als auch eines Mischgebiets enthält und von Anfang an mit dem Risiko von Schwerlasttransporten von und zu dem bereits bestehenden Betrieb der Beigeladenen belastet war.

Revisionsrechtlich unbedenklich ist auch, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung auf die Vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm - Lärmschutzrichtlinien-StVO - vom 6. November 1981 (VKBl 1981, 428) sowie die 16. BImSchV vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036) hingewiesen hat. Denn es hat aus diesen Vorschriften für seine rechtliche Beurteilung lediglich Orientierungspunkte abgeleitet, diese Bestimmungen jedoch nicht unmittelbar angewandt. Ihre Anwendbarkeit kann vorliegend auch dahingestellt bleiben, denn die zulässigen Lärmwerte dieser Bestimmungen - 70 dB(A) für allgemeine Wohngebiete - liegen über den vom Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegten, oben genannten Werten.

Dem Berufungsgericht ist ferner darin zuzustimmen, dass zugunsten der Beigeladenen von einem sich aus Art. 14 GG folgenden Recht auf den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auszugehen ist und die Beigeladene zur Aufrechterhaltung ihres Gewerbebetriebes auf eine auch für den Schwerlastverkehr benutzbare Zufahrt angewiesen ist.

cc) Zu Recht hat das Berufungsgericht schließlich keine Verpflichtung des Beklagten angenommen, den Schwerlastverkehr über einen Alternativweg zu leiten. Soweit es hinsichtlich des B.-Wegs auf die fehlende Ausbaubereitschaft der Gemeinde Sch., die hohen Baukosten sowie die Einwendungen eines dort betroffenen Baumschulenbetreibers abgestellt hat, ist dies frei von Ermessensfehlern. Es kann dahingestellt bleiben, ob es zulässig wäre, die Beigeladene auf einen Erschließungsanspruch zu verweisen und unter diesem Gesichtspunkt die (weitere) Erteilung von Ausnahmegenehmigungen abzulehnen, denn eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur Erschließung besteht im Hinblick auf die fehlende Unzumutbarkeit der Lärmbelastungen nicht. Aus diesem Grunde ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den F.-Weg wegen der zu erwartenden hohen Aufwendungen im Einmündungsbereich der B 207 nicht als rechtlich gebotene Alternative angesehen hat. Auch die alternative Führung des Schwerlastverkehrs durch die Ortschaft Sch. wurde rechtsfehlerfrei verworfen, denn straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen als Mittel der Lärmbekämpfung müssen dort ausscheiden, wo sie die Verhältnisse nur um den Preis neuer Unzulänglichkeiten an anderer Stelle verbessern könnten (BVerwGE 74, 234 <238>).

3. Gegen revisibles Recht verstößt das Berufungsurteil aber, soweit es die Erstreckung der Ausnahmegenehmigung auf den Schwerlastverkehr der Kunden der Beigeladenen rechtlich nicht beanstandet hat.

a) Erstreckt sich die einem Gewerbetreibenden erteilte Ausnahmegenehmigung von einem Verkehrsverbot (§ 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO) auch auf Fahrzeuge seiner "Kunden", so betrifft sie insoweit nicht, wie § 46 Abs. 1 StVO voraussetzt, "bestimmte Einzelfälle" oder "bestimmte Antragsteller", sondern einen unbestimmten, wenn auch im Augenblick der Benutzung der Straße bestimmbaren Personenkreis. Für einen derart unbestimmten Personenkreis kann keine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO erteilt werden. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift sowie dem systematischen Zusammenhang mit § 45 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3 StVO. Während nach dieser Bestimmung eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG bzw. § 106 Abs. 2 Alt. 1 LVwG erlassen werden kann, beschränkt sich der Handlungsspielraum der Straßenverkehrsbehörde nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO auf Einzelfälle und bestimmte Antragsteller. Deshalb muss der Verkehrsteilnehmer, für den die Ausnahmeregelung gelten soll, bestimmt und nicht nur bestimmbar sein. Die Möglichkeit der individuellen Ausnahmegenehmigung versetzt die Straßenverkehrsbehörde in die Lage zu präventiver Individualkontrolle. Möchte sie hierauf verzichten, so kann sie von der Möglichkeit einer generellen Einschränkung der Verkehrsregelung mit Hilfe einer Zusatzbeschilderung Gebrauch machen (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 41 Abs. 2 Satz 5 StVO). Wie sich aus § 46 Abs. 3 Satz 3 StVO ergibt, ist auch der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass der durch die Ausnahmegenehmigung Begünstigte bestimmt sein muss, bevor er den Ausnahmetatbestand verwirklicht. Diese Vorschrift gibt dem Inhaber einer Ausnahmeerlaubnis nämlich auf, den Ausnahmebescheid mitzuführen; die Kunden der Beigeladenen sind dazu aber regelmäßig nicht in der Lage.

An dieser rechtlichen Beurteilung vermag auch Nr. 7 der "Auflagen und Bedingungen" der an die Beigeladene erteilten Ausnahmegenehmigung nichts zu ändern. Danach sind die zur Kiesgrube fahrenden Fremdfirmen zwar in geeigneter Weise über den Inhalt der Ausnahmegenehmigung zu unterrichten, doch hat sich die Verkehrsbehörde durch diese Regelung der vom Verordnungsgeber mit der Vorschrift des § 46 StVO bezweckten präventiven Individualkontrolle begeben und zudem der Bestimmung des § 46 Abs. 3 Satz 3 StVO nicht Rechnung getragen.

b) Da sich das Berufungsurteil hinsichtlich des die Kunden der Beigeladenen betreffenden Teils der Ausnahmegenehmigung auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist festzustellen, dass die Ausnahmegenehmigung insoweit rechtswidrig war. Nach den vom Berufungsgericht festgestellten tatsächlichen Umständen wäre es allerdings rechtlich nicht zu beanstanden gewesen, wenn der Beklagte durch Anbringung eines Zusatzschildes den Kundenverkehr in dem Umfang zugelassen hätte, wie er durch die Ausnahmegenehmigung ermöglicht werden sollte.