Das Verkehrslexikon

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Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 22.01.1971 - VII C 61.70 - Zur Erlaubnispflicht für Werbefahrten mit einem Kfz-Anhänger

BVerwG v. 22.01.1971: Zur Erlaubnispflicht für Werbefahrten mit einem Kfz-Anhänger


Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 22.01.1971 - VII C 61.70) hat entschieden:
Fahrten mit einem Kraftfahrzeuganhänger, die allein zum Zweck der Werbung unternommen werden, bedürfen der Erlaubnis nach StVO § 5.


Gründe:

I.

Der Kläger betreibt seit mehreren Jahren im Gebiet der Stadt D Wirtschaftswerbung sowie Werbung für Sportveranstaltungen, Schützenfeste, Kirmessen und Veranstaltungen in der W-halle mit zwei als Werbeträgern verwendbaren Kraftfahrzeuganhängern, die er abwechselnd mit seinem Personenkraftwagen durch die Straßen von D fährt. Als er erfuhr, dass ein anderer Werbeunternehmer eine Erlaubnis zur Durchführung von Werbefahrten mit einem Kraftwagenanhänger besitzt, beantragte er beim Beklagten, ihm ebenfalls eine Erlaubnis nach § 5 der Straßenverkehrs-Ordnung – StVO – zur Durchführung von Werbefahrten zu erteilen.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. August 1968 ab, weil die Verkehrsbelastung der öffentlichen Straßen in den Großstädten so stark zugenommen habe, dass jeder weiteren Belastung, die nicht erforderlich sei, zur Erhaltung der Leichtigkeit des Verkehrs entgegengewirkt werden müsse. Auch dürfe die Aufmerksamkeit der Kraftfahrer durch Reklamefahrten nicht beeinträchtigt werden. Den Widerspruch wies der Regierungspräsident in A zurück und führte zusätzlich aus, der Kläger könne sich auf die dem anderen Unternehmer erteilte Erlaubnis nicht berufen. Diese habe sie erstmalig schon vor 15 oder 16 Jahren erhalten. Die demnächst auslaufende Erlaubnis solle auch nicht mehr erneuert werden.

Der Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Erlaubnisfreiheit der Werbefahrten, hilfsweise die Aufhebung der Bescheide sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Erlaubnis begehrt hat, hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Hauptantrags entsprochen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt mit dem Antrag, unter Abänderung des Urteils die Klage abzuweisen. Der Kläger hat sich der Berufung angeschlossen und beantragt, unter Abänderung dieses Urteils die ergangenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung das angefochtene Urteil dahin geändert, dass die ablehnenden Bescheide des Beklagten und der Widerspruchsbescheid aufgehoben worden sind. Es führt aus: Die Feststellungsklage sei unzulässig, da der Kläger seine Rechte durch die Anfechtung des ablehnenden Bescheides geltend machen könne. Der Kläger habe dem auch mit der Anschlussberufung Rechnung getragen und seinen Antrag, ohne den Streitgegenstand zu ändern, neu gefasst. Die angefochtenen Bescheide seien aufzuheben, weil der Kläger für seine Reklamefahrten keiner Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO bedürfe. Zwar sei das Fahren zu Reklamezwecken mit den dafür eigens hergerichteten Anhängern eine Veranstaltung im Sinne dieser Vorschrift, dennoch würden dadurch vom Kläger die öffentlichen Straßen nicht mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen. Er passe sich dem Verkehr an und beeinträchtige ihn nicht stärker als ein anderer Kraftfahrer, der einen Personenkraftwagen mit Anhänger fahre. Der Beweggrund der Teilnahme am Straßenverkehr sei unerheblich; entscheidend sei allein, dass die Art und Weise der Benutzung sich im üblichen Rahmen halte. Im übrigen würde ein Verbot von Werbeaufschriften auf zugelassenen Kraftfahrzeugen, von dem nur im Wege der Befreiung eine Ausnahme erteilt werden könne, nicht durch die Ermächtigungsnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. g) des Straßenverkehrsgesetzes gedeckt. Auf den landesrechtlichen Gemeingebrauch komme es nicht an, weil die Straßenverkehrs-Ordnung das Befahren der Straßen in Ausnutzung des Rechts auf Teilnahme am Verkehr abschließend bundesrechtlich regele. So wie einerseits die Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 StVO eine Sondernutzungserlaubnis nach dem Landesstraßenrecht ersetze, müsste andererseits die Tatsache, dass es für eine bestimmte Veranstaltung einer Erlaubnis nach § 5 Abs. 1 StVO nicht bedürfe, auch zu einer Erlaubnisfreiheit nach dem Landesstraßenrecht führen. Der Gesetzgeber habe das Problem, das sich aus der Verkehrsreklame mit Kraftfahrzeugen ergebe, nicht übersehen. In § 20 Abs. 4 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr vom 7. Juli 1960 (BGBl. I S. 553) – BOKraft – sei ausdrücklich verboten, dass die Außenflächen von Personenkraftwagen für Reklamezwecke verwendet würden. Für nicht im gewerblichen Personenverkehr eingesetzte Fahrzeuge bestehe ein derartiges Verbot nicht.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Er rügt, das Berufungsurteil verletze § 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO. Der Begriff einer mehr als verkehrsüblichen Inanspruchnahme der öffentlichen Straßen sei verkannt worden. Verkehrsüblich sei nach dem Sinngehalt der Verkehrsvorschriften das zielgerichtete Fahren zu Verkehrszwecken. Eine fahrbare Verkehrsreklame, wie sie der Kläger betreibe, werde in den verkehrsreichsten Straßen zur verkehrsreichsten Zeit durchgeführt. Dadurch werde eine Belastung der Straßen zu verkehrsfremden Zwecken herbeigeführt. Die Werbung stelle sich als eine Sondernutzung dar, die nicht mehr verkehrsüblich sei. Die Erlaubnis sei wegen der sonst erheblichen Behinderung des Verkehrs rechtmäßig versagt worden. Aus den früher unbeanstandet durchgeführten Werbefahrten könne der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis herleiten.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er macht geltend, soweit in dem angefochtenen Urteil der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen aufgrund des Landesstraßenrechts bestimmt worden sei, sei es nicht revisibel. Selbst wenn zur Auslegung dieses Begriffs Bundesrecht heranzuziehen sei und sich aus diesem Grunde eine Revisibilität ergebe, erweise sich das angefochtene Urteil als zutreffend. Nach dem Straßenverkehrsrecht komme es nicht auf das Motiv der Teilnahme am Straßenverkehr an. Deshalb sei es unerheblich, welche Zwecke der einzelne mit seiner Teilnahme am Verkehr verfolge. Es könne auch nicht unterschieden werden zwischen Reklamefahrten für andere Personen oder Firmen und eigenen Reklamefahrten. Auf zahlreichen großen Fahrzeugen wie Omnibussen und Lastkraftwagen sei eine großflächige Reklame angebracht, die in weitaus größerem Maße die Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer auf sich ziehe als die von einem mit einem Anhänger betriebene Reklame. Aus § 42 Abs. 1 StVO, der eine verkehrsgefährdende Reklame nur außerhalb der geschlossenen Ortschaften verbiete, müsse geschlossen werden, dass seine Werbefahrten genehmigungsfrei seien. Der Beklagte habe laufend Aufträge zu Reklamefahrten an die Konkurrenz erteilt. Er selbst führe für andere Städte Reklamefahrten unbeanstandet durch.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Mit Rücksicht auf die Regelung der neuen Straßenverkehrs-Ordnung sieht er jedoch von einer Stellungnahme ab.

Alle Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.


II.

Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Urteils erster Instanz zur Abweisung der Klage.

Der Auslegung, die das Berufungsgericht dem § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung in der Fassung vom 29. März 1956 (BGBl. I S. 327) – StVO – gegeben hat, kann nicht zugestimmt werden. Weder der Wortlaut noch der Sinngehalt dieser Vorschrift vermögen sie zu rechtfertigen.

§ 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO unterwirft Veranstaltungen, für die die öffentlichen Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis der Straßenverkehrsbehörden. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Werbefahrten, die der Kläger mit seinem Fahrzeug durchführt, eine Veranstaltung im Sinne dieser Vorschrift sind. Eine Veranstaltung liegt dann vor, wenn die Inanspruchnahme der Straße mit gewissem Aufwand und Umfang verbunden ist. Nimmt ein Kraftfahrzeug ausschließlich zum Zweck der Werbung am Verkehr teil und wird dabei noch ein Anhänger zu diesem Zweck mitgeführt, so ist diese Voraussetzung gegeben. Entgegen der Auffassung der beiden unteren Gerichte geht jedoch diese Inanspruchnahme der öffentlichen Straßen über das Verkehrsübliche hinaus.

Die Frage, was verkehrsüblich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO ist, unterliegt in vollem Umfange der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Selbst wenn dieser Begriff durch den Begriff des Gemeingebrauchs an öffentlichen Straßen mitbestimmt wird, so schränkt die Tatsache, dass der Gemeingebrauch an Straßen, die nicht Bundesstraßen sind, landesrechtlich geregelt ist, die revisionsgerichtliche Nachprüfung nicht ein, weil der Begriff des Gemeingebrauchs auch bundesrechtlich in § 7 des Bundesfernstraßengesetzes in der Fassung vom 6. August 1961 (BGBl. I S. 1742) – FStrG – geregelt ist.

Das Berufungsgericht ist bei der Bestimmung dessen, was als verkehrsüblich anzusehen ist, von Erwägungen ausgegangen, denen nicht zu folgen ist. Es hat entscheidend darauf abgestellt, dass sich der Kläger bei seinen Werbefahrten dem übrigen Verkehr anpasst und ihn nicht stärker beeinträchtigt als ein anderer Kraftfahrer, der an seinem Personenwagen einen Anhänger mitführt. Mit diesen Ausführungen wird jedoch verkannt, dass es bei der Bestimmung des Verkehrsüblichen nicht allein auf eine Beeinträchtigung des Verkehrs ankommt, sondern vor allem darauf, ob die Teilnahme am Verkehr im Rahmen dessen liegt, was mit ihm bezweckt wird. Dieser Zweck besteht darin, eine Ortsveränderung zum Personen- oder Güterverkehr durchzuführen. Aus welchen Motiven heraus diese Ortsveränderung erfolgt, ist – insoweit kann dem Berufungsgericht zugestimmt werden – im allgemeinen gleichgültig. Auch derjenige, der spazieren fährt oder abends planlos seinen Wagen durch die Straßen der Stadt lenkt, strebt diese Ortsveränderung zum Zwecke des Personentransports an. Dass dieser Zweck der Teilnahme am Verkehr ausschlaggebend ist, kann auch der bundesrechtlichen Regelung des Gemeingebrauchs – die landesrechtlichen stimmen damit überein – entnommen werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 FStrG liegt kein Gemeingebrauch vor, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt.

Der Kläger strebt hier keine Ortsveränderung an, um sich selbst oder andere an eine andere Stelle zu transportieren, sondern er nimmt nur deshalb am Straßenverkehr teil, um seine Werbung zu betreiben. Die Beförderung seiner Person ist gar nicht gewollt im Gegensatz zu dem, der spazieren fährt, auch wenn er kein bestimmtes Ziel hat, sondern ergibt sich zwangsläufig aus der besonderen Art dieser Verkehrswerbung. Es liegt in seinem Falle anders als in den von ihm angeführten Beispielen der Reklame an Omnibussen und Lastkraftwagen. Bei ihnen steht der Transport im Vordergrund. Auch ist der Vergleich mit anderen Personenwagen, die einen Anhänger mit sich führen, aber keine Reklame betreiben, nicht gerechtfertigt. Der Anhänger wird in diesen Fällen, zu – unter Umständen beabsichtigten – Transportzwecken mitgeführt. Würde der Kläger dagegen keine Reklame betreiben, so würde er keinen Anhänger mit sich führen. Er nimmt also zu verkehrsfremden Zwecken zusätzlichen Verkehrsraum in Anspruch. Das geht über das Verkehrsübliche hinaus. Diesen wesentlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 StVO führt dazu, dass der Kläger der Erlaubnis bedarf, die er auch mit dem Hilfsantrag begehrt.

Bedenken gegen diese Regelung, die ein Verbot bestimmter Tätigkeiten mit Erlaubnisvorbehalt vorsieht und die Erteilung der Erlaubnis in das pflichtgebundene Ermessen der zuständigen Behörde stellt, bestehen nicht. Die der Straßenverkehrs-Ordnung zugrundeliegende Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 (BGBl. I S. 837) – StVG – deckt diese Regelung.

Diese Vorschrift ermächtigt den Bundesminister für Verkehr, Rechtsverordnungen über zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf öffentlichen Straßen erforderliche Maßnahmen zu erlassen. Es liegt im Rahmen dieser Ermächtigung, wenn Fahrten ausschließlich zum Zweck der Werbung grundsätzlich untersagt werden.

Dem steht auch § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. g) StVG nicht entgegen, weil es sich dabei um eine besondere Regelung handelt, die die allgemeine Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StVG nicht einschränkt.

Das Verbot von Fahrten allein zum Zweck der Werbung verstößt nicht gegen Art. 12 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Berufswahl schützt. Die Reklame, die der Kläger betreibt, muss nicht notwendig durch das Umherfahren mit einem Kraftfahrzeuganhänger ausgeübt werden. Es hat niemand Anspruch darauf, sein Gewerbe auf einer für den Verkehr bestimmten Straße auszuüben. Das hat der Senat bereits in dem Urteil vom 26. Juni 1970 – BVerwG VII C 143.66 – (DVBl. 1970 S. 871 (873)) ausgesprochen.

Die Erlaubnis ist auch von dem Beklagten rechtmäßig versagt worden. Er hat das pflichtgebundene Ermessen sachgemäß ausgeübt. Wenn auf die Verkehrsbelastung gerade in einer Großstadt wie Dortmund bei der Versagung der Erlaubnis abgestellt worden ist, so ist das im Hinblick darauf, dass der Kläger zu verkehrsfremden Zwecken zusätzlichen Verkehrsraum in den am stärksten belasteten Straßen zu den Hauptverkehrszeiten in Anspruch nimmt, sachlich gerechtfertigt. Der Hinweis auf den anderen Unternehmer vermag einen Ermessensfehlgebrauch nicht darzutun. Zwar ist die Behörde aufgrund des Art. 3 GG im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens verpflichtet, gleiche Tatbestände nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich zu behandeln. Im vorliegenden Fall hat aber der andere Unternehmer bereits seit langem eine Erlaubnis. Zu den damaligen Zeiten waren die Verkehrsverhältnisse noch nicht so angespannt, wie sie es heute sind. Im übrigen hat der Beklagte auch dargetan, dass er die demnächst auslaufende Genehmigung nicht wiedererteilen werde.

Da das Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat der Kläger die Kosten der Revision gemäß § 154 Abs. 2 VwGO zu tragen.