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Landgericht Mönchengladbach Urteil vom 28.04.2009 - 5 S 159/08 - Zur Mithaftung eines Falschparkers

LG Mönchengladbach v. 28.04.2009: Zur Mithaftung eines Falschparkers


Das Landgericht Mönchengladbach (Urteil vom 28.04.2009 - 5 S 159/08) hat entschieden:
Wird ein Fahrzeug entgegen der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO verkehrswidrig vor einer Parkbucht geparkt, so führt dies zu einer Mithaftung von 25%, wenn es beim Ausparken des konkret behinderten Fahrzeugführers zu einem Schaden kommt.


Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall vom 25.01.2008 in Anspruch. Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug verkehrswidrig vor schräg zur Fahrbahn verlaufenden Parkbuchten abgestellt. Als der Beklagte versuchte, sein Fahrzeug aus der Parkbucht auszuparken, kam es zur Beschädigung des Fahrzeugs der Klägerin. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hat den Schaden außergerichtlich unter Zugrundelegung einer Mithaftungsquote der Klägerin von 25 % reguliert, die Gegenstand der Klage sind. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 32-34 der Akte) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage - mit Ausnahme eines Betrages von 8,00 € - in vollem Umfang stattgegeben. Es hat ausgeführt, die vom verkehrswidrig geparkten Fahrzeug der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr trete hinter dem grob fahrlässigen Verhalten des Beklagten zurück. Dieser habe grob fahrlässig gehandelt, da er das verkehrswidrig geparkte Fahrzeug der Klägerin wahrgenommen und daher gewusst habe, dass ihm zum Ausparken nicht der erforderliche Raum zur Verfügung stehe.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er rügt die vom Amtsgericht gebildete Haftungsquote und vertritt die Auffassung, dass eine Mithaftung der Klägerin von 25 % aufgrund des verkehrswidrigen Parkvorgangs angezeigt sei.

Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.


II.

Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend begründet.

Der Klägerin steht aus § 7 Abs. 1 StVG lediglich ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 3,74 € sowie ein Erstattungsanspruch hinsichtlich außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 229,55 € zu.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin nicht vollständig hinter dem Verursachungsanteil des Beklagten zurück, da beide Parteien den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht haben. Dies rechtfertigt eine Mithaftung der Klägerin von zumindest 25 %.

Die Klägerin hat ihr Fahrzeug entgegen der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO verkehrswidrig vor der Parkbucht geparkt. Wenn das Amtsgericht meint, hierdurch sei keine besondere Gefährdungslage für den Beklagten entstanden, so vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Der Parkverstoß der Klägerin hat sich im vorliegenden Fall als konkrete Behinderung für den ausparkenden Beklagten dargestellt, so dass der Verkehrsverstoß auch kausal für das Unfallgeschehen geworden ist. Das Verhalten der Klägerin ist zumindest als einfach fahrlässig anzusehen, wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie ihr Fahrzeug aus Gedankenlosigkeit behindernd abgestellt hat.

Den Beklagten trifft gleichfalls ein Verschulden an dem Unfallgeschehen, er hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er beim Ausparken die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Dem Beklagten kann allerdings entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Wenn er nach längerer Wartezeit versucht, sein Fahrzeug vorsichtig auszuparken und es hierbei zu einer Beschädigung kommt, mag er unachtsam gewesen sein, grob fahrlässig hat er allerdings nicht gehandelt. Dies würde voraussetzen, dass er ausgeparkt hat, obwohl dies für einen durchschnittlichen Autofahrer mangels ausreichenden Raumes nicht möglich gewesen wäre. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat auch nicht Entsprechendes vorgetragen. Danach hält die Kammer in Übereinstimmung mit der hinter dem Beklagten stehenden Haftpflichtversicherung im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile eine Haftungsquote von 25 % zu 75 % zu Lasten des Beklagten jedenfalls nicht für unangemessen. Es ist nicht gerechtfertigt, die vom klägerischen Fahrzeug in der konkreten Situation ausgehende Betriebsgefahr vollständig hinter dem Verursachungsanteil des Beklagten zurücktreten zu lassen. Die Klägerin hat durch ihr Parken eine Gefährdungslage und damit die erste und entscheidende Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt.

Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien in der Berufung unstreitig, sie beläuft sich auf 2.552,95 €. Soweit das Amtsgericht vom Schaden, den die Klägerin geltend gemacht hat, 8,00 € abgezogen hat (Nutzungsausfallentschädigung von 4 x 43,00 € anstelle 4 x 45,00 €), ist dies von der Klägerin im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden. Unter Zugrundlegung obiger Haftungsquote steht der Klägerin daher ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.914,71 € (2.552,95 € x 75 %) zu. Abzüglich der außergerichtlich erfolgten Zahlungen durch die Haftpflichtversicherung des Beklagten in Höhe von 1.910,97 € (1.411,88 € + 370,09 € + 129,00 €) verbleibt ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe von 3,74 €, der der Klägerin zuzusprechen war.

Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind dem Grunde nach aus § 7 Abs. 1 StVG erstattungsfähig. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin vorgerichtlich durch ihren Rechtsanwalt ausschließlich die Haftpflichtversicherung des Beklagten in Anspruch genommen hat, die im Rechtsstreit nicht beklagte Partei ist. Denn der Beklagte hat gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 BGB für den adäquat verursachten Schaden einzustehen. Hierzu gehören auch die Rechtsanwaltskosten, die durch die (ausschließliche) Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers im Verkehrsunfallprozess entstehen. Hierfür muss der Versicherungsnehmer als Fahrzeughalter gemäß § 7 Abs. 1 StVG einstehen.

Die Höhe der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beläuft sich bei einem Streitwert von 1.914,71 € auf 229,55 € (1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 172,90 € zuzüglich 20,00 € Auslagenpauschale und 36,65 € Mehrwertsteuer).

Der Zinsanspruch ist im zugesprochenen Umfang aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB (Rechtshängigkeitszinsen) begründet. Ein früherer Verzugseintritt ist von der Klägerin nicht schlüssig dargetan worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Für die Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO besteht vorliegend trotz des nur geringen Unterliegens des Beklagten hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 3,74 € kein Anlass, da die Nebenforderung (Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 229,55 €) mehr als 10 % der Hauptforderung ausmacht (vgl. dazu Anders/Gehle, 9. Aufl., A-193). Aus diesem Grund ist für die Kostenentscheidung ein fiktiver Streitwert bestehend aus Hauptforderung und (streitwertneutraler) Nebenforderung zu bilden. Unter Berücksichtigung dieses fiktiven Streitwertes ergibt sich die ausgesprochene Kostenquote.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf 641,94 € festzusetzen, da die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (MDR 2007, 1149, zitiert nach Juris), die von der Kammer gleichfalls vertreten wird (vgl. den Beschluss des Einzelrichters der Kammer in dieser Sache vom 17.12.2008), sich als Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO nicht werterhöhend auswirkten. Im vorliegenden Rechtsstreit besteht zwar die Besonderheit, dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für eine Tätigkeit gegenüber dem Haftpflichtversicherer, der nicht Partei des Rechtsstreits ist, entstanden sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich nicht um eine selbständige Schadensposition, sondern um einen Nebenanspruch handelt, der vom Bestehen der Hauptforderung abhängt. Dies ergibt sich daraus, dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren dem Grunde und der Höhe nach von der Haftung des Beklagten und dessen Haftpflichtversicherer aus § 7 Abs. 1 StVG und § 3 PflVG (jetzt § 115 VVG) abhängt.