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OLG Köln Beschluss vom 04.09.2012 - III-1 RVs 154/12 - Zur Annahme von Vorsatz bei einer Trunkenheitsfahrt

OLG Köln v. 04.09.2012: Zur Annahme von Vorsatz bei einer Trunkenheitsfahrt


Das OLG Köln (Beschluss vom 04.09.2012 - III-1 RVs 154/12) hat entschieden:
Überlegungen lange vor Trinkende, wie man später nach Hause kommen werde, der Versuch, nach dem Trinkende noch in einem Hotel unterzukommen und ein hoher Alkoholisierungsgrad sind für sich keine tragfähigen Argumente, um anzunehmen, der Angeklagte sei sich bei Fahrtantritt seiner Fahruntüchtigkeit bewusst gewesen. Dies gilt umso mehr, wenn er sich möglicherweise infolge eines kurzen Zwischenschlafes wieder erholt gefühlt haben mag.


Siehe auch Schuldform - Vorsatz und Fahrlässigkeit bei Alkoholtaten und Siehe auch Stichwörter zum Thema Alkohol


Gründe:

I.

Gegen den Angeklagten ist durch Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 6. Juni 2012 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 90 € verhängt worden. Zugleich ist ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, vor Ablauf von noch weiteren 5 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Das Amtsgericht hat zum Schuldspruch festgestellt, der Angeklagte, der von Beruf Polizeibeamter im höheren Dienst ist und in S wohnt, habe am 02.02.2012, beginnend zwischen 17 Uhr und 17.30 Uhr, an einer Beförderungsfeier in der Polizeiwache H, in der sich auch sein Büro befinde, teilgenommen. Seine ursprüngliche Absicht, seinen in einem Wohngebiet hinter der Polizeiwache abgestellten PKW stehen zu lassen und um 22 Uhr mit der Regionalbahn nach Hause zu fahren, habe er im Laufe des Abends aufgegeben und beschlossen, in einem schräg gegenüber der Polizeiwache befindlichen Hotel zu übernachten, dessen Rezeption nach Angaben der Kollegen rund um die Uhr besetzt sei. Er habe Bier und Wasser getrunken und auch etwas gegessen. Nachdem die Feier gegen Mitternacht zu Ende gewesen sei, habe er mit einigen Kollegen zu Fuß eine etwa 10 Minuten von der Polizeiwache entfernte Gaststätte aufgesucht, in der weiter Bier getrunken worden sei. Der Angeklagte habe nach 1.30 Uhr die Gaststätte gemeinsam mit einer Kollegin verlassen und sei zu Fuß zur Wache zurückgekehrt, wo man sich verabschiedet habe. Weiter heißt es in den Feststellungen des Urteils:
„Der Angeklagte begab sich zunächst zu dem gegenüber der Wache liegenden Hotel U, um dort zu übernachten. Ihm gelang es jedoch nicht, in dieses hineinzukommen, da der Angeklagte Schwierigkeiten hatte, mittels des erforderlichen Tastencodes die Tür zu öffnen. Da der Angeklagte - nach eigenem Bekunden - alkoholisiert war und zu der Zeit zweistellige Minusgrade herrschten, ging er zu seinem Auto, setzte sich dort hinein und schlief ein. Einige Zeit später wachte der Angeklagte wieder auf, startete den Wagen und fuhr los. Der Angeklagte befuhr unter anderem die Bundesautobahn AX in Richtung S und verunfallte schließlich mit seinem Fahrzeug an der Ausfahrt C, wobei sich der Angeklagte eine Schramme an der Stirn und mehrere Prellungen zuzog und der Fahrer-Airbag des C1 auslöste. Nach dem Unfall wartete der Angeklagte noch im Auto sitzend zunächst eine Weile ab und rief dann um 03.31 Uhr die Feuerwehr an. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,03 ‰.

Gegen 04:30 Uhr ging bei der Polizei die Meldung ein, dass zwischen C1 und F in Fahrtrichtung P eine Person zu Fuß auf dem Seitenstreifen der AX unterwegs sei. Die Zeugen G und die Zeugin L, beides Polizeibeamte, trafen den Angeklagten kurz darauf etwa 1-2 Kilometer von der Unfallstelle entfernt an, dieser ging auf dem Grünstreifen neben der Autobahn entgegen der Fahrtrichtung. Der Angeklagte gab gegenüber den Zeugen G und L an, er sei ein Kollege und er befände sich auf einer Schnellstraße, er wolle nach F, weil dort ein Taxi auf ihn warten würde. Der Angeklagte war zu diesem Zeitpunkt desorientiert und durchgefroren. Die Zeugen verbrachten den Angeklagten zur Polizeiwache nach H, wo sie dann erfuhren, dass ein verunfallter PKW an der Abfahrt C gefunden wurde. Daraufhin wurde der Angeklagte als Beschuldigter belehrt, ihm wurde im Krankenhaus eine Blutprobe entnommen und der Führerschein des Angeklagten wurde sichergestellt. Die dem Angeklagten am 03.02.2012 um 06:09 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,79 ‰ auf.“
Seine Feststellung, der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt, indem er zwischen 2.15 Uhr und 3.00 Uhr mit dem Wissen um seine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit den Entschluss gefasst habe, mit seinem PKW nach Hause zu fahren, begründet das Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung wie folgt:
„Diese Überzeugung stützt sich insbesondere auf die Einlassung des Angeklagten selbst, der in der Hauptverhandlung mehrfach angab, sich Gedanken darüber gemacht zu haben, wie er ohne selber Fahren zu müssen nach Hause kommen sollte oder wo er übernachten könnte. Auch die Zeugen M und I konnten bestätigen, dass bei den Feierlichkeiten mit dem Angeklagten darüber gesprochen wurde, wo man in H übernachten könne. Dem Angeklagten war daher klar, dass er nicht mehr mit dem Auto fahren kann und darf. Derartige Überlegungen hätten keinerlei Sinn ergeben, wenn der Angeklagte davon ausgegangen wäre, dass er selbst noch in der Lage gewesen sei, zu fahren. Schließlich hat der Angeklagte auch selbst angegeben, dass er an dem Abend sehr betrunken gewesen sei. Noch kurz bevor der Angeklagte mit seinem PKW los fuhr, bemühte er sich darum, in H in dem Hotel U unterzukommen, da ihm klar war, dass er aufgrund seiner Alkoholisierung nicht mehr fahren konnte und durfte. Auch als er sich danach zunächst in sein Fahrzeug setzte um dort zu schlafen wusste er augenscheinlich, dass er zu betrunken war, um noch zu fahren, da er ansonsten direkt losgefahren wäre. Dass der Entschluss tatsächlich loszufahren erst erfolgte, nachdem der Angeklagte eine kurze Zeit im Fahrzeug geschlafen hatte, ändert an dem Wissen des Angeklagten um seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nichts. Zum einen kann der Angeklagte aufgrund der dargelegten zeitlichen Zusammenhänge nicht so lange geschlafen haben, dass die Möglichkeit besteht, der Angeklagte sei davon ausgegangen, wieder nüchtern genug zu sein um zu fahren. Zum anderen führt eine Schlafphase wenn dann dazu, dass dem Angeklagten seine Situation und seine Alkoholisierung nur noch klarer bewusst war. Dies wird auch durch die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. C2 bestätigt, wonach sowohl Kälte als auch eine Schlafphase dazu führte, dass die Erkenntnisfähigkeit des Angeklagten sich verbesserte. Der Angeklagte hat sich selbst dahingehend eingelassen, dass ihm den ganzen Abend über - und dies schon vor 22:00 Uhr - klar war, dass er sich aufgrund seiner Alkoholisierung nicht mehr hinter das Steuer seines Wagens setzten durfte. Dies war ihm auch nachdem er in seinem Auto aufwachte und schließlich, wie er selbst eingestanden hat, losfuhr, weiterhin bewusst. Hiervon ist das Gericht zudem auch deshalb überzeugt, da sich der Angeklagte als er erwachte in einer Situation befand, die keinen anderen Rückschluss zuließ, als dass er sich eben aufgrund seiner Alkoholisierung in sein Auto gesetzt hatte um zu schlafen. Dann wusste er aber auch als er erwachte, dass er immer noch zu betrunken war, um zu fahren - warum sollte er sich sonst in sein Auto gesetzt haben um zu schlafen.“
Zum Grad der Alkoholisierung des Angeklagten heißt es im Urteil:
„Der Sachverständige Dr. K C2 hat nachvollziehbar, in sich schlüssig und auf Basis der Einlassung des Angeklagten, der allesamt glaubhaften Bekundungen der Zeugen und des Blutalkoholbefundes sein Gutachten dahingehend erstattet, dass der Angeklagte um 03:30 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,03 und höchstens 2,52 ‰ aufwies. Das Gericht ist aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Ausführungen und nach Würdigung aller vorliegenden Beweismittel zu der vollen Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte dem entsprechend auch zu dem Zeitpunkt, als er sich entschloss loszufahren und dies sodann auch tat eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,03 ‰ aufwies, wobei davon auszugehen ist, dass die Blutalkoholkonzentration aufgrund des dargelegten Zeitfensters, in dem die Tat begangen wurde, sogar noch höher lag.“
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.


II.

Die gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch ansonsten zulässige (Sprung-) Revision hat in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge hin aufzuheben, da die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Schuldform des Vorsatzes einer revisionsrechtlich unbedenklichen Grund­lage in den Ausführungen zur Würdigung des Beweisergebnisses entbehren.

1. Die Erwägungen, auf denen die Überzeugung des Amtsgerichts von der vorsätzlichen Handlungsweise des Angeklagten beruht, erweisen sich vielmehr als unvollständig und können daher in dieser Hinsicht nicht als tragfähige Grundlage für die insoweit getroffenen Feststellungen gelten.

a) Allerdings ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Sachlich-rechtlich fehlerhaft ist die Beweiswürdigung, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH NStZ 2011, 108 [109]; SenE v. 22.01.2002 - Ss 551/01 - = VRS 102, 97 [98] = NJW 2002, 1059 = StraFo 2002, 137 [138] = DAR 2002, 177; SenE v. 18.10.2011 - III-1 RVs 131/11 -). Eine Beweiswürdigung weist Lücken u.a. dann auf, wenn die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, dass das Tatgericht sämtliche Umstände, die die Entscheidung zu beeinflussen geeignet sind, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH [16.05.02] NStZ 2002, 656 [657]; BGH NStZ-RR 1996, 300; SenE v. 9.6.1998 - Ss 275/98 -; v. 03.11.1998 - Ss 469/98 -; SenE v. 12.09.2000 - Ss 315/00 -; SenE v. 25.01.2002 - Ss 5/02 -; SenE v. 22.08.2006 - 81 Ss 101/06 -; SenE v. 10.10.2008 - 81 Ss 48/08 -).

b) Die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung zur Würdigung des Beweisergebnisses sind lückenhaft, soweit sie die Feststellung betreffen, dem Angeklagten sei bei Fahrtbeginn bewusst gewesen, dass er infolge seiner Alkoholisierung fahruntüchtig gewesen sei. Das betrifft gleich mehrere Gesichtspunkte, die das Amtsgericht als Grundlage für seine entsprechende Überzeugung anführt.

(aa) Soweit es zunächst daran anknüpft, dass der Angeklagte Überlegungen dazu angestellt hat, „wie er ohne selber Fahren zu müssen nach Hause kommen sollte oder wo er übernachten könnte“, und ihm somit klar war, dass er „nicht mehr mit dem Auto fahren kann und darf“, geht es nicht auf den Umstand ein, dass diese Erwägungen mehrere Stunden vor Antritt der Fahrt angestellt wurden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Angeklagte erst geringe Mangen Alkohol konsumiert hatte, jedenfalls erheblich weniger als bei dem späteren Fahrtantritt, aber weiteren Alkoholkonsum beabsichtigte und als Folge davon mit dem Eintritt der Fahruntüchtigkeit rechnete. Von daher wäre näher zu erörtern gewesen, ob die in (mehr oder weniger) nüchternem Zustand angestellten Überlegungen noch Rückschlüsse auf die Bewusstseinslage und die kognitiven Fähigkeiten des - inzwischen deutlich stärker alkoholisierten -Angeklagten bei Fahrtantritt zulassen.

(bb) Das Amtsgericht verweist darauf, dass der Angeklagte sich nach Trinkende noch entsprechend der an frühen Abend getroffenen Planung verhielt und versuchte, „in dem Hotel U unterzukommen“. Es leitet daraus ab, dass ihm - auch zu diesem Zeitpunkt noch - „klar war, dass er aufgrund seiner Alkoholisierung nicht mehr fahren konnte und durfte“. Diese Schlussfolgerung vom äußeren Geschehen auf das Bewusstsein des Angeklagten und sein Handlungsmotiv hätte aber nur dann eine tragfähige Grundlage, wenn davon auszugehen wäre, dass sein Verhalten auf einer autonomen Willensbildung beruhte und nicht durch einen äußeren Anstoß, etwa durch Einflussnahme der Zeugin M bei der Verabschiedung vor der Polizeiwache, veranlasst war. Darauf gehen die Urteilsgründe nicht ein. Sie befassen sich auch nicht mir der Frage, ob ein anderes Motiv als das Bewusstsein der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit für den Wunsch zur Übernachtung im Hotel - wie etwa Übermüdung - bestimmend gewesen sein könnte. Darüber hinaus drängte sich die Erwägung auf, wie das Unvermögen des Angeklagten zur Betätigung des Systems zum Öffnen der Hoteleingangstür zu bewerten ist, ob es (allein) auf einer Beeinträchtigung der Feinmotorik oder aber auf einer Einschränkung seiner intellektuellen Fähigkeiten - und damit einhergehend auch der Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung im Hinblick auf die Fahrtüchtigkeit - zurückzuführen war.

(cc) In Bezug auf den Grad der Alkoholisierung führt das Amtsgericht aus, „dass der Angeklagte um 03:30 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,03 und höchstens 2,52 ‰ aufwies“ und ist „aufgrund der überzeugenden gutachterlichen Ausführungen und nach Würdigung aller vorliegenden Beweismittel zu der vollen Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte dem entsprechend auch zu dem Zeitpunkt, als er sich entschloss loszufahren und dies sodann auch tat eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,03 ‰ aufwies, wobei davon auszugehen ist, dass die Blutalkoholkonzentration aufgrund des dargelegten Zeitfensters, in dem die Tat begangen wurde, sogar noch höher lag“. Daraus ist nicht mit der gebotenen Sicherheit zu entnehmen, dass der Tatrichter zutreffend von der zu Gunsten des Angeklagten zugrunde zu legenden maximalen Blutalkoholkonzentration bei Fahrtantritt - und nicht bei Fahrtende - ausgegangen ist.

Der frühestmögliche Fahrtbeginn wird im Urteil mit 2.15 Uhr festgestellt. Eine Rückrechnung (mit einem stündlichen Abbau von 0,2 ‰ und einem Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰) auf der Grundlage der um 6.09 Uhr entnommenen Blutprobe mit einem Wert von 1,79 ‰ ergibt für diesen Zeitpunkt eine maximale Blutalkoholkonzentration bei 2,77 ‰.

(dd) Bei der Argumentation, dass das in den Überlegungen zur Vermeidung eines späteren Heimfahrt offenbarte Bewusstsein der eigenen Fahruntüchtigkeit auch bei Fahrtantritt noch vorhanden gewesen sei, stützt sich das Amtsgericht auf die Ausführungen des toxikologischen Sachverständigen Dr. ..., wonach Schlaf und Kälte - es herrschten zweistellige Minusgrade - nach Alkoholgenuss zu einer Verbesserung der Erkenntnismöglichkeiten führen. Wenn es daraus folgert, dann müsse dem Angeklagten seine Alkoholisierung nur noch klarer - als vor der Schlafphase im Auto - bewusst gewesen sein, lässt es die Möglichkeit außer Betracht, dass der Angeklagte sich wieder erholt und gerade deshalb wieder fahrtüchtig fühlte. Zwar kann die objektive Schlafdauer innerhalb des vom Amtsgericht errechneten Zeitfensters keine wesentliche Änderung der Fahrtüchtigkeit bewirkt haben. Für die subjektive Tatseite kommt es aber auf das Vorstellungsbild des Angeklagten an. Dass er die Dauer des Schlafs nach der Uhrzeit bestimmt hätte, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. Angesichts der dunklen Jahreszeit im Februar lassen auch die Lichtverhältnisse insoweit keine hinreichenden Schlüsse zu. Dann aber ist es - im Zusammenwirken mit den vom Sachverständigen dargelegten Verbesserungen der Erkenntnismöglichkeiten - durchaus denkbar, dass der Angeklagte sich in Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse - fahrlässig - wieder fahrtüchtig fühlte.

Insoweit kann auch nicht unbeachtet bleiben, dass er an diesem Abend konkrete Überlegungen zur Vermeidung einer Trunkenheitsfahrt angestellt hatte. Warum er diese Haltung bei fortbestehendem Bewusstsein der Fahruntüchtigkeit aufgegeben haben sollte, erschließt sich nicht ohne weiteres, zumal bei Annahme von Bewusstseinklarheit ihm auch die naheliegende Möglichkeit nicht verborgen geblieben sein dürfte, in seinem Büro in der Polizeiwache zu übernachten.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Der errechnete maximale Blutalkoholwert verliert bei einem langen Rückrechnungszeitraum an Beweiswert; daneben gewinnen psychodiagnostische Beweisanzeichen an Bedeutung (vgl. zu § 21 StGB: BGH [06.06.02] NStZ 2002, 532; BGH [12.11.08] NStZ-RR 2009, 162 [Pf.]). Von daher dürfte die Heranziehung eines (rechts-)medizinischen Sachverständigen geboten sein.

b) Bei der im Rahmen der Entscheidung zu § 69 StGB vorzunehmenden Prüfung, ob der Angeklagte aufgrund charakterlicher Mängel ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, wird trotz der Regelwirkung des § 69 Abs. 2 StGB zu erörtern sein, ob der Tat aufgrund ihrer Begleitumstände Ausnahmecharakter beizumessen ist: Darüber hinaus werden zu den Ergebnissen der verkehrstherapeutischen Behandlung des Angeklagten, die durch eine Vernehmung der Therapeutin näher geklärt werden könnten, konkrete Feststellungen zu treffen sein.