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OLG Koblenz Beschluss vom 25.08.2008 - 1 SsBs 19/08 - Zur Annahme einer berauschten Fahrt nach Drogenkonsum

OLG Koblenz v. 25.08.2008: Zur Annahme einer berauschten Fahrt nach Drogenkonsum


Das OLG Koblenz (Beschluss vom 25.08.2008 - 1 SsBs 19/08) hat entschieden:
  1. Hatte ein Betroffener Betäubungsmittel mit unterschiedlichen Wirkungsqualitäten konsumiert und liegen die Blutkonzentrationen für alle Substanzen jeweils unter den Grenzwerten, die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG zugrunde zu legen sind, verbietet es sich, die festgestellten Werte zu addieren.

  2. In solchen Fällen ist im Ansatz zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass alle Substanzen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit wirkungslos waren und somit auch keine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte.

  3. Die Feststellung einer bestimmten Substanzkonzentration im Blutserum ist keine „objektive Bedingung der Ahndbarkeit für die Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG. Hatte der Betroffene eine der in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG aufgeführten Substanzen im Blut, kann eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auch auf andere Weise festgestellt werden.

Gründe:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen richtet sich gegen das Urteil des Amtsgerichts Simmern vom 19. Februar 2008, durch das er eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG – Fahren unter Betäubungsmitteleinfluss – für schuldig befunden wurde. Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil derzeit nicht abschließend beurteilt werden kann, ob das Verhalten des Betroffenen nach dieser Norm zu sanktionieren ist.

1. In der dem Betroffenen entnommenen Blutprobe wurden 0,8 ng/mL THC und 14 ng/mL Amphetamin festgestellt. Beide Werte erreichen somit nicht die Grenzwerte (THC: 1ng/mL, BVerfG NZV 2005, 270; Amphetamin: 25 ng/ml, OLG München StV 2006, 531), die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG zugrunde zu legen sind. Da die Betäubungsmittel sehr unterschiedliche Wirkungsqualitäten haben – Amphetamin ist eine psychostimulierende Droge, während Cannabis auch ablenkend und dämpfend wirken kann –, ist die Kombinationswirkung kaum abschätzbar. Aus diesem Grunde verbietet es sich, die festgestellten Werte einfach wie folgt zu addieren: 80% des THC-Grenzwerts + 56% des Amphetamingrenzwerts = 136% = § 24a Abs. 2 StVG. Vielmehr ist im Ansatz zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass beide Substanzen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit wirkungslos waren und somit auch keine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte (siehe dazu das vom Senat eingeholte Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz v. 09.07.2008).

2. Allerdings zwingen jedenfalls dann, wenn wie hier aufgrund einer Blutuntersuchung feststeht, dass der Betroffene mindestens eine der in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG aufgeführten Substanzen im Blut hatte, weder der Wortlaut der Norm noch die Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) zu der Annahme, nur die Feststellung einer den Grenzwert zumindest erreichenden Konzentration im Blutserum führe zur Anwendbarkeit der Norm (OLG München a.a.O.; wohl a.A., allerdings in einem obiter dictum OLG Zweibrücken v. 13.04.2005 - 1 Ss 50/05 - juris - NZV 2005, 430: Feststellung einer bestimmten Substanzkonzentration im Blut ist eine „ objektive Bedingung der Ahndbarkeit “). Eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit kann vielmehr auch auf andere Weise festgestellt werden.

Deshalb wird das Amtsgericht mit Hilfe eines Sachverständigen zu prüfen haben, ob die im Urteil beschriebenen, aber bisher noch nicht tatrichterlich bewerteten Auffälligkeiten alleine oder in Verbindung mit weiteren noch aufklärbaren Umständen den Schluss rechtfertigen, die Fahrtüchtigkeit des Betroffenen sei gerade durch die Wirkung von THC und/oder Amphetamin eingeschränkt gewesen, und ob dies dem Betroffenen im Sinne eines schuldhaften Verhaltens angelastet werden kann.

3. Eine Vorlage gemäß § 121 Abs. 2 GVG an den Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 13.4.2005 (NZV 2005, 430) ist nicht veranlasst, da die dort eher beiläufig geäußerte Rechtsauffassung, § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG normiere eine „ objektive Bedingung der Ahndbarkeit “, nicht entscheidungstragend war.