Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 19.12.2012 - IV ZR 186/11 - Nur eine Telekommunikationspauschale für das Verfahren vor der Bußgeldstelle und vor dem Amtsgericht

BGH v. 19.12.2012: Nur eine Telekommunikationspauschale für das Verfahren vor der Bußgeldstelle und vor dem Amtsgericht


Der BGH (Urteil vom 19.12.2012 - IV ZR 186/11) hat entschieden:
Bei einem Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde und vor dem Amtsgericht handelt es sich um dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, so dass ein Rechtsanwalt die Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 RVG-VV) nur einmal fordern kann.


Tatbestand:

Der Kläger fordert von der beklagten Rechtsschutzversicherung die Freistellung von Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Bußgeldverfahren.

Zwischen den Parteien bestand ein auch den Verkehrs-Rechtsschutz umfassender Rechtsschutzversicherungsvertrag. Nachdem gegen den Kläger ein Bußgeldbescheid wegen Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage ergangen war, erteilte die Beklagte Deckungsschutz für die Vertretung des Klägers in dem Bußgeldverfahren. Der anwaltliche Vertreter des Klägers legte für den Kläger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und beantragte Akteneinsicht. Nach Weiterleitung der Bußgeldsache über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht Berlin-Tiergarten vertrat er den Kläger auch im dortigen Hauptverhandlungstermin, erreichte eine Reduzierung der Geldbuße auf 35 € und verhinderte damit die Eintragung von drei Punkten in das Verkehrszentralregister. Für die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung des Klägers forderte er eine Vergütung in Höhe von 589,65 €. In diesem Betrag enthalten waren zwei Pauschalen für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von je 20 € zuzüglich Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG in Höhe von je 3,80 €. Die Pauschale hatte der Rechtsanwalt sowohl für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als auch für das Verfahren vor dem Amtsgericht in Ansatz gebracht. Die Beklagte wurde zur Freistellung des Klägers von dem Vergütungsanspruch aufgefordert und beglich die Rechnung mit Ausnahme einer der beiden geltend gemachten Pauschalen in Höhe von 23,80 €. Dieser Betrag ist Gegenstand des Rechtsstreits.

Der Kläger ist der Meinung, ihm stehe auch hinsichtlich dieses offenen Restbetrages ein Freistellungsanspruch aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zu. Das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das anschließende gerichtliche Verfahren seien zwei verschiedene Angelegenheiten, so dass sein anwaltlicher Vertreter zu Recht zwei Telekommunikationspauschalen in Ansatz gebracht habe. Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, dass es sich um ein einheitliches Verfahren handele.

Das Amtsgericht hat die Klage ab- und das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Freistellungsbegehren weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem Amtsgericht um dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Die Vertretung vor der Verwaltungsbehörde und vor Gericht habe nach dem Auftragsinhalt und der Zielsetzung einen einheitlichen Rahmen; sie sei jeweils darauf gerichtet, die durch den Bußgeldbescheid verhängte Sanktion zu beseitigen oder abzumildern. Die Behandlung als verschiedene Angelegenheiten hätte eine Regelung in § 17 RVG vorausgesetzt.


II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Freistellungsanspruch in Höhe der noch nicht beglichenen 23,80 €, da seinem anwaltlichen Vertreter insoweit kein Vergütungsanspruch zusteht. Bei dem Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde und vor dem Amtsgericht handelt es sich um dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, so dass der Rechtsanwalt die Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) nur einmal fordern kann.

1. Die Frage, ob das behördliche und das gerichtliche Ordnungswidrigkeitenverfahren als dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten anzusehen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Nach überwiegender Auffassung handelt es sich um zwei Angelegenheiten (LG Konstanz zfs 2010, 167 mit zustimmender Anm. Hansens; AG Herford, Beschluss vom 17. Februar 2011 - 11 OWi 588/09, juris; AG Frankenberg BeckRS 2011, 19308; AG Solingen Der Verkehrsanwalt 2008, 174; AG Bitterfeld-Wolfen AGS 2010, 225; AG Aachen zfs 2011, 647 mit zustimmender Anm. Hansens; AG Hamburg-St. Georg JurBüro 2006, 359, aufgehoben durch LG Hamburg JurBüro 2006, 644; AG Gronau BeckRS 2010, 15778; AG Siegburg AGS 2011, 325; AG Detmold zfs 2007, 405 mit zustimmender Anm. Schulz-Henze; AG Nauen zfs 2007, 407 mit zustimmender Anm. Hansens; AG Düsseldorf, AGS 2006, 504 mit zustimmender Anm. Schneider; AG Wildeshausen NZV 2011, 91; AG Friedberg NJW-RR 2009, 560; AG Neuss AGS 2008, 598; AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 8. Februar 2011 - 9 C 278/10, nicht veröffentlicht; so auch Schneider, AGS 2005 S. 7 ff.; ders. in AnwaltKommentar RVG 5. Aufl. vor VV 5107 ff. Rn. 4; Winkler in Mayer/Kroiß, RVG 5. Aufl. § 15 Rn. 30; Burhoff, RVG 3. Aufl. Nr. 7002 VV Rn. 17). Begründet wird dies insbesondere mit einem Verweis auf § 17 Nr. 1 RVG, der ausdrücklich bestimmt, dass das außergerichtliche und das gerichtliche Verwaltungsverfahren als unterschiedliche Angelegenheiten zu behandeln sind (LG Konstanz aaO; AG Gronau aaO; AG Herford aaO Rn. 17; AG Detmold aaO; AG Düsseldorf aaO; AG Hamburg-St. Georg aaO; AG Nauen aaO; AG Siegburg aaO).

Nach anderer Ansicht betreffen beide Verfahren dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG (LG Detmold, Urteil vom 17. Juni 2008 - 4 Qs 71/08, juris; LG Köln Rpfleger 2009, 273; LG Hamburg JurBüro 2006, 644; LG Magdeburg JurBüro 2008, 85; LG Koblenz AGS 2006, 174; LG Potsdam AGS 2009, 590; AG München DAR 2008, 612; AG Linz, Beschluss vom 7. April 2011 - 2080 Js 65451/10 - 3 Owi, juris; AG Luckenwalde JurBüro 2011, 256; AG Koblenz AGS 2007, 141; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl. § 17 Rn. 62; Hartmann, Kostengesetze 42. Aufl. § 15 Rn. 40 "Ordnungswidrigkeit"; Göttlich/Mümmler, RVG 3. Aufl. "Post- und Telekommunikationsdienstleistungen" Ziff. 4 S. 723). Aus § 17 Nr. 1 RVG könne nichts hergeleitet werden, weil der Umfang eines Verwaltungsverfahrens mit gegebenenfalls eigener Beweisaufnahme und Widerspruchsverfahren nicht mit dem Zwischenverfahren bei der Bußgeldstelle vergleichbar sei. Auch sonst spreche nichts für verschiedene Angelegenheiten.

2. Diese Auffassung trifft zu.

a) Dem Katalog des § 17 RVG, der Verfahren aufzählt, die verschiedene Angelegenheiten sind, kann keine Entscheidung des Gesetzgebers über die Behandlung des außergerichtlichen und gerichtlichen Bußgeldverfahrens als verschiedene Angelegenheiten entnommen werden. Weder ist das Bußgeldverfahren hierin erwähnt noch sind die aufgeführten Verfahren mit dem Bußgeldverfahren vergleichbar.

aa) Eine Anwendung des § 17 Nr. 1 RVG, der als Beispiel für verschiedene Angelegenheiten das Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren aufführt, scheidet aus.

Zwar handelt es sich auch bei dem außergerichtlichen Bußgeldverfahren um ein "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" (vgl. die entsprechende Überschrift zu Teil 5, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses). Die Gliederung des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) differenziert aber zwischen den Gebühren für die Tätigkeit in Bußgeldsachen, die in Teil 5 gesondert geregelt sind, und denen für die außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit in Verwaltungsverfahren bzw. Verfahren der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, die in Teil 1 und 2 behandelt werden. Der Gesetzgeber des RVG hat also das im Ordnungswidrigkeitengesetz geregelte Bußgeldverfahren nicht unter den Begriff des "Verwaltungsverfahrens" subsumiert.

Gegen eine weite, das Bußgeldverfahren umfassende Auslegung spricht auch der Grundgedanke der Neuregelung in § 17 Nr. 1 RVG. Die Differenzierung der einzelnen Abschnitte der Verwaltungsverfahren in verschiedene Angelegenheiten war durch die Überlegung motiviert, dass die Behandlung als eine Angelegenheit in der BRAGO der "oftmals komplexen Tätigkeit des Rechtsanwalts in diesen Verfahren nicht gerecht" wurde (BT-Drucks. 15/1971, S. 191). Exemplarisch wird auf zwei in der anwaltlichen Praxis häufig vorkommende Beispiele verwiesen und zwar auf das Baugenehmigungsverfahren, in dem "der im Verwaltungsverfahren und im Widerspruchsverfahren anfallende Arbeitsaufwand (…) regelmäßig erheblich" ist, sowie auf das "übliche beitragsrechtliche Mandat", das regelmäßig eine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren und eine solche im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO umfasst. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass Aufwand und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit entscheidend für die Neuregelung waren. Dieser Gedanke trifft auf das durchschnittliche bußgeldrechtliche Mandat nicht zu; es ist im Hinblick auf Umfang und Aufwand der anwaltlichen Vertretung mit dem Verwaltungsverfahren nicht vergleichbar (so auch LG Detmold aaO Rn. 6; LG Hamburg aaO; LG Köln Rpfleger 2009, 273, 274). In der Kommentarliteratur wird dementsprechend unter Verwaltungsverfahren i.S. von § 17 Nr. 1 RVG nur das Verwaltungsverfahren im Sinne der VwGO sowie das finanz- und sozialrechtliche Verfahren verstanden (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl. § 17 Rn. 2 i.V.m. Anh. IV Rn. 10 ff.; Schneider in AnwaltKommentar RVG 5. Aufl. § 17 Rn. 5).

Dieser Regelungszweck steht auch einer entsprechenden Anwendung von § 17 Nr. 1 RVG entgegen.

bb) Der in § 17 Nr. 10 RVG geregelte Fall ist mit dem Bußgeldverfahren nicht vergleichbar (a.A.: AG Gronau BeckRS 2010, 15778; AG Frankenberg BeckRS 2011, 19308). Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber die bei Geltung der BRAGO bestehende Streitfrage klären, ob ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten sind (BT-Drucks. 15/1971, S. 192). Aufgrund der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Bußgeldverfahren liegt dort die Behandlung als verschiedene Angelegenheiten näher als im Falle des vorbereitenden und gerichtlichen Bußgeldverfahrens.

b) Bei Berücksichtigung der in der Rechtsprechung zur Definition des Begriffs der "Angelegenheit" i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG entwickelten Kriterien ist der anwaltliche Vertreter des Klägers in derselben Angelegenheit tätig geworden. Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt auftragsgemäß für seinen Auftraggeber besorgen soll (BGH, Urteile vom 17. November 1983 - III ZR 193/82, MDR 1984, 561; vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 274/10, VersR 2012, 331 Rn. 9). Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (BGH, Urteile vom 17. November 1983 aaO; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927, 2928; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 23; vom 11. Januar 2011 - VI ZR 64/10, VersR 2012, 121 Rn. 13, jeweils m.w.N.). Die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (BGH, Urteile vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94, NJW 1995, 1431 unter II 1; vom 26. Mai 2009 aaO Rn. 24). Sowohl die Feststellung des Auftrags als auch die Abgrenzung im Einzelfall ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BGH, Urteile vom 17. November 1983 aaO; vom 9. Februar 1995 aaO; vom 3. Mai 2005 aaO).

Die Qualifizierung des behördlichen und gerichtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens als dieselbe Angelegenheit durch das Berufungsgericht ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die anwaltliche Vertretung vor der Verwaltungsbehörde und vor Gericht betraf materiell-rechtlich dieselbe Sache. Sie erfolgte aufgrund eines einheitlichen Auftrags mit der Zielsetzung, die durch den Bußgeldbescheid verhängte Sanktion zu beseitigen oder abzumildern. Der innere Zusammenhang zwischen Einspruchseinlegung einerseits und der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen des sich hieran anschließenden gerichtlichen Bußgeldverfahrens andererseits folgt nicht nur aus dieser einheitlichen Zielsetzung, sondern auch daraus, dass es nach Einspruchseinlegung für die Überleitung in das gerichtliche Verfahren keiner weiteren Tätigkeit des Rechtsanwalts bedarf. Bei Aufrechterhaltung des Bußgeldbescheides durch die Ausgangsbehörde werden die Akten ohne weiteren Bescheid gegenüber dem Betroffenen über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht übersandt; die Gründe werden lediglich dann in den Akten vermerkt, wenn dies nach der Sachlage angezeigt ist (§ 69 Abs. 3 Satz 1 OwiG). Bereits aus diesem Grund ist das gerichtliche Ordnungswidrigkeitenverfahren auch nicht als weiterer Rechtszug i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG gegenüber dem Zwischenverfahren anzusehen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Systematik des Vergütungsverzeichnisses (a.A.: Madert, AGS 2006, 105, 106; LG Konstanz zfs 2010, 167; AG Nauen zfs 2007, 407; AG Friedberg NJW-RR 2009, 560, 561; AG Hamburg-St. Georg JurBüro 2006, 359). In Teil 5, Abschnitt 1 werden die im "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" anfallenden Gebühren in Unterabschnitt 2 und die im "gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug" anfallenden Gebühren in Unterabschnitt 3 aufgeführt. In beiden Verfahren entsteht bei Erfüllung des Gebührentatbestandes jeweils eine Verfahrens- und Terminsgebühr; zu einer Anrechnung kommt es nicht. Allein daraus, dass sowohl im vorbereitenden als auch im gerichtlichen Verfahren Gebührentatbestände für Verfahrensgebühren vorgesehen sind, ergibt sich jedoch nicht die Einordnung als verschiedene Angelegenheiten. Vielmehr können in derselben Angelegenheit mehrere "Verfahrensgebühren" für Tätigkeiten in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten anfallen (so auch für das Parallelproblem im Strafverfahren das Saarländische OLG, Rpfleger 2007, 342). Dies ist dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auch sonst nicht fremd. So fällt auch für die Vertretung im Mahnverfahren und im Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides jeweils eine Verfahrensgebühr an (vgl. Nr. 3305, 3308 VV RVG); dass es sich hierbei um dieselbe Angelegenheit handelt, ergibt bereits der Umkehrschluss aus § 17 Nr. 2 RVG. Insgesamt ist Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses nur zu entnehmen, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts in den einzelnen Verfahrensabschnitten durch die dort aufgeführten Vergütungstatbestände gesondert vergütet werden soll; eine Einordnung als verschiedene Angelegenheiten folgt hieraus nicht.

c) Das Zwischenverfahren nach § 69 OWiG ist schließlich auch nicht als besonderes behördliches Verfahren i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG anzusehen (a.A.: AG Aachen zfs 2009, 647, 648). § 19 RVG führt in Ergänzung von § 15 Abs. 1 und 2 RVG beispielhaft Tätigkeiten auf, die zum Rechtszug gehören, also keine besondere Angelegenheit darstellen. Nach Nr. 1 gehören zum Rechtszug die Vorbereitung der Klage, des Antrags oder der Rechtsverteidigung, "soweit kein besonderes gerichtliches oder behördliches Verfahren stattfindet". Die Einschränkung stellt klar, dass z.B. Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht oder der Hinterlegungsstelle nicht dem sich daran anschließenden gerichtlichen Verfahren zuzuordnen sind und besondere Gebühren entstehen lassen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl. § 19 Rn. 23). Der Umkehrschluss, dass jedes behördliche Verfahren eine besondere Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG ist, lässt sich daraus nicht ziehen. Das Einspruchsverfahren ist kein besonderes behördliches Verfahren i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG, da dem Betroffen vor Übergang in das gerichtliche Verfahren keine das behördliche Verfahren abschließende Entscheidung mitgeteilt werden muss. Es dient aus Sicht des Betroffenen auch nicht der Vorbereitung der Rechtsverteidigung im gerichtlichen Verfahren, sondern der Einleitung des Hauptverfahrens.