Das Verkehrslexikon

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OLG Hamm Urteil vom 09.11.2001 - 9 U 252/98 - Zur Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch unbeleuchteten Sperrpfosten auf einem Radweg

OLG Hamm v. 09.11.2001: Zur Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch unbeleuchteten Sperrpfosten auf einem Radweg


Das OLG Hamm (Urteil vom 09.11.2001 - 9 U 252/98) hat entschieden:

  1.  Wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen darf bei objektiver Klagehäufung von Leistungsbegehren und Feststellungsansprüchen nicht allein durch Grundurteil über das Leistungsbegehren entschieden werden; ebenso wenig ist es zulässig, über einen einheitlichen, dem Grunde nach streitigen Anspruch allein durch Teilurteil zu entscheiden, solange nicht zugleich ein Grundurteil über den restlichen Anspruch ergeht (Bestätigung von BGH v 4.Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, MDR 2001, 105 = NJW 2001, 155; v 5. Dezember 2000 - VI ZR 275/99, MDR 2001, 287 = NJW 2001, 760).

  2.  Die Verkehrssicherungspflicht ist schuldhaft verletzt, wenn nachts ein unbeleuchteter, schwer wahrnehmbarer Sperrpfosten auf einen Fuß- und Radweg neben der Fahrbahn aufgestellt wird.

  3.  Auch für Radfahrer gilt das Sichtfahrgebot. Die Ausrüstung von Fahrrädern mit nur schwacher Beleuchtung ändert an der gebotenen Eigensorgfalt nichts (hier: 1/3 Mitverschulden). Ein Mitverschulden des Radfahrers scheidet nur ausnahmsweise bei besonders schwerer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aus.


Siehe auch
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber Radfahrern
und
Verkehrssicherungspflicht

Tatbestand:


Die am 22. November 1956 geborene Klägerin verlangt Schadenersatz, Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung der Beklagten für die Folgen eines Unfalls, den die Klägerin am 04. März 1997 gegen 0.04 Uhr erlitt, als sie mit ihrem Fahrrad gegen einen – auf dem Fuß- und Radweg neben der Straße ... in ... eingesetzten – unbeleuchteten, rotweiß lackierten Sperrpfosten geriet, stürzte und sich verletzte. Die Klägerin war in der Unfallnacht mit ihrem Fahrrad auf dem Rückweg von dem Besuch einer Freundin. Auf der Hinfahrt war der ein Meter hohe, herausnehmbare, runde Sperrpfosten, der einen Durchmesser von 6 cm hatte, noch nicht eingesetzt gewesen.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte durch das Einsetzen des Sperrpfostens die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat und/oder ob die Klägerin das Hindernis rechtzeitig hätte wahrnehmen und den Unfall hätte vermeiden können.

Wie schon einige Nächte vorher war der ... in Höhe des abzweigenden ... zur Unfallzeit zum Schutz von Krötenwanderungen von 19 Uhr bis 6 Uhr für den Autoverkehr gesperrt. Die Sperrung der Fahrbahn erfolgte durch eine an Sperrpfosten befestigte rotweiße Absperrschranke, an der das Verkehrszeichen "Verbot für Fahrzeuge aller Art" und fünf rot blinkende Warnleuchten angebracht waren. Um zu verhindern, dass Autofahrer die Fahrbahnsperrung umfahren, hatte die Beklagte zusätzlich zu der Absperrschranke auf dem rund 1,90 m breiten Fuß- und Radweg den Sperrpfosten eingesetzt. Zwischen dem Weg und der Fahrbahn befand sich ein etwa drei Meter breiter Streifen. Auf diesem Grünstreifen war, aus Sicht der Klägerin links, etwa in Höhe der Absperrschranke, ein weiterer, fest installierter, ein Meter hoher, rotweißer Sperrpfosten. Dahinter war etwas mehr links versetzt ein Pfahl, an dem damals das Verkehrszeichen "einseitig verengte Fahrbahn" angebracht war. Am jenseitigen Fahrbahnrand des ... befand sich eine sog. Pilzleuchte, rechts daneben ein Pfahl mit weiteren Verkehrszeichen und wenig dahinter der Bau einer eingeschossigen Trafostation. 34 Meter vor dem Sperrpfosten wurde der Fuß- und Radweg durch eine sog. Kofferleuchte ausgeleuchtet. Der Fuß- und Radweg verläuft aus Sicht der Klägerin zunächst gerade aus. Er knickt hinter dem Sperrpfosten, etwa zehn Meter vor der Einmündung auf die Fahrbahn ... nach links ab. Im Bereich der Unfallstelle hatte der Weg Gefälle.

Inzwischen sind die örtlichen Verhältnisse verändert worden. Die Fahrbahn des ... wurde leicht begradigt, höher gelegt und verbreitert. Der frühere Grünstreifen ist größtenteils ohne Bewuchs, nur teilweise wuchert in niedriger Höhe etwas Unkraut. Das Höhenniveau des Weges wurde nahe der Unfallstelle, im Bereich der Einmündung des Fuß- und Radweges auf den Bweg, auf einer Länge von rund zwei Metern der geänderten Fahrbahnhöhe angepasst. Außerdem ist dort nunmehr eine auf den Weg gerichtete Straßenleuchte installiert worden.

Durch den Sturz am 04. März 1997 erlitt die Klägerin eine contusio cerebri mit Einblutung im fronto-basalen Bereich links und eine occipitale Schuppenfraktur parasagittal. Sie klagt über fortbestehende Beeinträchtigungen.




Die Klägerin behauptet, sie sei mit normaler Geschwindigkeit und eingeschalteter Beleuchtung gefahren und gestürzt, weil sie den Sperrpfosten nicht habe erkennen können. Sie meint, die Beklagte habe die ihr obliegende Amtspflicht zur sicheren Gestaltung der Verkehrswege durch das Aufstellen des Sperrpfostens verletzt. Die Klägerin hat ihre erstinstanzlich mit 20.000,00 DM bezifferte Schmerzensgeldvorstellung auf jetzt 60.000,00 DM erhöht.

Die Beklagte behauptet demgegenüber, der Sperrpfosten sei ohne weiteres gut sichtbar gewesen. Es sei nur deshalb zu dem Unfall gekommen, weil die Klägerin nicht auf Sicht oder weil sie unaufmerksam gefahren sei.

Das Landgericht hat die nach Grund und Höhe streitigen Zahlungsanträge der Klägerin dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis zur Hälfte zu ersetzen.

Die Beklagte wendet sich gegen dieses Urteil mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung.

Die Klägerin will mit ihrer Anschlussberufung die volle Haftung der Beklagten durchsetzen.

Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholen eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... und durch Anhörung des von der Beklagten als Privatgutachter beauftragten Dipl.-Ing. ... Auf die Berichterstattervermerke zu den Sitzungen vom 18. Mai 1999 (Bl. 247 ff. d.A.) und 02. Februar 2001 (Bl. 389 ff. d.A.) und die als Anlagen zu den Akten genommenen Gutachten samt Fotos des Dipl.-Ing. ... vom 18. Mai 1999 und vom 29. Juni 2000 sowie des Dipl.-Ing. ... vom 21. Juni 1999 und vom 01. Februar 2001 wird verwiesen.




Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussberufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

1. Das erstinstanzliche Teil- und Grundurteil ist formell im wesentlichen ordnungsgemäß ergangen. Das Landgericht hat – entgegen der Ansicht der Klägerin – zutreffend hinsichtlich der Zahlungsansprüche durch Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens durch Teil(end)urteil (§ 301 ZPO) entschieden. Das Landgericht hat beachtet, dass bei objektiver Klagehäufung von Leistungsbegehren und Feststellungsansprüchen nicht allein durch Grundurteil über das Leistungsbegehren entschieden werden darf (BGH NJW 2001, 155) und dass es ebenso wenig zulässig ist, über einen einheitlichen Anspruch, der seinem Grunde nach streitig ist, allein durch Teilurteil zu entscheiden, solange nicht zugleich ein Grundurteil über den restlichen Anspruch ergeht (BGH NJW 2001, 760), weil sonst die Gefahr besteht, dass das Gericht, möglicherweise auch das Rechtsmittelgericht, bei der späteren Entscheidung über die restlichen Anträge zu einer anderen Erkenntnis gelangt. Das Landgericht hat darüber hinaus auch die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils (§ 304 ZPO) zutreffend bejaht. Das ist unproblematisch hinsichtlich des nach Grund und Höhe streitigen Anspruchs auf materiellen Schadenersatz. Die Voraussetzungen sind aber grundsätzlich auch hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes erfüllt. Dem steht nicht entgegen, dass für die Bemessung eines angemessenen Schmerzensgeldes außer dem beiderseitigen Verschulden weitere Faktoren maßgebend sind (so aber: MünchKomm/ Musielak ZPO 2. Aufl. 2000 § 304 Rn. 9; Musielak/Musielak ZPO 2. Aufl. 2000 § 304 Rn. 8). Richtig ist – und insoweit ist das erstinstanzliche Urteil formell abzuändern – dass nicht der Bruchteil eines theoretisch vollen Betrages geschuldet wird, vielmehr ein Schmerzensgeld, für dessen Angemessenheit der Mitverantwortungsanteil des Geschädigten ein Bemessungsfaktor neben anderen ist. In dieser Form kann aber bereits im Grundurteil die Mitverantwortungsquote als Faktor festgelegt werden (BGH NJW 2001, 760, 761; VersR 1970, 624; OLG Köln VersR 1989, 206; OLG Düsseldorf VersR 1975, 1052; Berz/Burmann/Born Handbuch des Straßenverkehrsrechts 1. Aufl. 1997 3 B Rn. 75; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 15. Aufl. 1993 S. 315; Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. 1998 § 304 Rn. 23; Thomas/Putzo/Thomas ZPO 23. Aufl. 2001, § 304 Rn. 17).

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht der Klägerin gemäß §§ 839 Abs. 1 S. 1, 847 Abs. 1 BGB/Art. 34 GG i.V.m. §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW zum Ersatz von materiellen Schäden und zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verpflichtet ist.

a) Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Deliktsrechts hat derjenige, der Gefahrenquellen hervorruft oder in seinem Einflussbereich andauern lässt, alle nach Lage der Dinge erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen, damit sich die potentiellen Gefahren nicht zum Schaden anderer auswirken können (BGH VersR 1985, 839, 840). Die Verkehrssicherungspflicht erfordert Vorkehrungen, welche die Verwirklichung von Risiken verhindern, die der Benutzer der Verkehrsfläche bei der gebotenen Eigensorgfalt nicht ohne weiteres selbst erkennen kann oder auf die er sich nicht ohne weiteres einzustellen vermag. Die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahrenquellen und hinzunehmenden Erschwernissen wird vorwiegend durch die Sicherheitserwartungen der Benutzer bestimmt, soweit sie sich im Rahmen des Vernünftigen halten (Senat ZfS 1999, 414). Weiterhin erfordert die Verkehrssicherungspflicht Sicherungsmaßnahmen unabhängig von der Erkennbarkeit der Gefahr dann, wenn Gefahrenlagen bestehe, die objektiv geeignet sind, besonders schwere Gesundheitsschäden herbeizuführen. Der Sicherungspflichtige muss Benutzer auch vor Fehlern schützen, die häufig vorkommen, naheliegend sind und mit denen erfahrungsgemäß zu rechnen ist (Senat VersR 1999, 1416 (Ls) = ZfS 1999, 140). Ist eine Gefahrenstelle nicht durch Naturereignisse oder Eingriffe Dritter entstanden, sondern vom Verkehrssicherungspflichtigen selbst geschaffen worden, ist an die Sicherungspflicht ein besonders strenger Maßstab anzulegen (Senat NJW 1997, 749 (Ls) = MDR 1996, 1131 = ZfS 1996, 442). Zu den der Beklagten in Erfüllung ihrer nach §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW als Amtspflicht obliegende Aufgaben als Trägerin der Straßenbaulast gehört mithin auch die Verpflichtung, keine verkehrsgefährdenden Hindernisse zu errichten. Weil jedes auf einem Weg befindliche Hindernis eine Gefahrenquelle darstellen kann, sind Wege von Hindernissen möglichst frei zu halten. Lässt sich das Errichten eines Hindernis auf einem Fuß- oder Radweg nicht vermeiden oder ist es im Einzelfall aus verkehrstechnischen Gründen sogar geboten, dann muss das Hindernis für die Benutzer des Weges rechtzeitig erkennbar sein, weil sie gewöhnlich mit einem derartigen Hindernis nicht rechnen müssen (Senat NJWE-VHR 1996, 171 = VersR 1997, 892 = OLGR 1996, 147: Mülltonnen auf Radweg). Dementsprechend hat der Senat (9 U 217/91) bereits entschieden, dass dem Verkehrssicherungspflichtigen eine schuldhafter Verletzung seiner Verpflichtung zur Last fällt, wenn er mitten in einen Rad- oder Gehweg als Markierungspunkt für eine Druckwasserleitung einen nicht deutlich erkennbaren Merkstein setzt (Nachweis: Bergmann/Schumacher Die Kommunalhaftung 2. Aufl. 1996 Rn. 180).

b) Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht nachgekommen. Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt, indem sie im März 1997 für die Zeit der Dunkelheit zwischen 19 Uhr und 6 Uhr den ein Meter hohen, unbeleuchteten rotweißen Sperrpfosten auf dem Fuß- und Radweg neben der Fahrbahn der Straße ... in ... installierte. Die Beweisaufnahme hat zweifelsfrei ergeben, dass dieses Hindernis unter den damaligen Sicht- und Lichtverhältnissen nur schwer wahrzunehmen, mithin nicht bereits von weitem sichtbar war (so im Fall OLG Rostock MDR 2001, 1052), sondern eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle begründete.


c) Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. ..., der im wesentlichen bereits in seinem im Senatstermin vom 18. Mai 1999 erstellten mündliche Gutachten dargelegt hat, dass der von der Beklagten eingesetzte Sperrpfosten für einen Radfahrer erst spät und deshalb kaum rechtzeitig wahrzunehmen war. Diese Feststellungen des Sachverständigen beruhen auf Versuchen, die er zur Nachtzeit an der Unfallstelle durchgeführt hat, nachdem er vorher das Fahrrad der Klägerin, insbesondere dessen Lichtanlage getestet hatte. Von besonderer Bedeutung für die Unfallstelle war, dass vor ihr eine Gefällstrecke liegt, die in größerer Entfernung 5 v.H., im Abstand von etwa zwanzig Metern vor der Unfallstelle noch ca. 3 v.H. betrug, so dass allein schon wegen des Gefälles mühelos eine Geschwindigkeit des Fahrrades von 20 km/h erreicht werden kann und in der Regel auch erreicht wird. Der Sachverständige hat sodann die bei einer derartigen Geschwindigkeit am Fahrrad der Klägerin gemessene Leuchtstärke im Test für die erforderlichen Lichtmessungen eingesetzt, wobei der Lichtkegel stets in einer vernünftigen Einstellung/Position eingestellt und frontal auf das Hindernis ausgerichtet war. Weil ein Fahrrad beim Fahren gewöhnlich schwankt, sind bei der vom Sachverständigen geteilten lebensnahen Betrachtung Einschränkungen hinsichtlich der Erkennbarkeit geboten. Schon die von dem Sachverständigen gewählten optimalen Verhältnisse führten nach seinen Wahrnehmungen vor Ort dazu, dass aus größerer Entfernung kein Hindernis erkennbar war, dass in einem Abstand von 10 m "etwas" zu sehen war und dass der Sperrpfosten als solcher erst wahrgenommen wurde, wenn man sich bis auf 5 Meter genähert hatte. Für die Beurteilung des Falles geht es aber nicht entscheidend um die isolierte Wahrnehmbarkeit des Sperrpfostens in einer dunklen Umgebung. Für die Beurteilung sind über die isolierte Wahrnehmbarkeit des Pfostens hinaus vielmehr in besonderer Weise die gesamten örtlichen Lichtverhältnisse zur Unfallzeit entscheidend. Nach den Fotos, welche die Verhältnisse an der Unfallstelle zur damaligen Zeit anschaulich wiedergeben und den Schilderungen der örtlichen Sicht- und Lichtverhältnisse durch den Sachverständigen ... ist vor allem zu berücksichtigen, dass im Sichtfeld der Klägerin, teils neben, teils hinter der Unfallstelle, zahlreiche senkrechte Linien verlaufen, aus denen sich der Sperrpfosten auf dem Weg nur schwach heraushebt und dass die beschriebenen Lichtquellen die Aufmerksamkeit von dem Verlauf des Weges abziehen. Das gilt, soweit sie blinken, für die links auf der Fahrbahn angebrachten fünf roten Leuchten und für den durch die Pilzleuchte geschaffenen unruhig wirkenden Hintergrund, der aus einem hell ausgeleuchteten Bereich besteht, in dem eine Reihe von vertikalen Linien durch Pfosten und Baumstämme zu sehen sind, vor denen sich, relativ weit vom Hintergrund der nur ein Meter hohe Sperrpfosten auf dem Weg kaum abhebt, zumal weitere vertikale Linien durch den auf dem damaligen Grünstreifen fest installierten Sperrpfosten und den Pfosten des dortigen Verkehrsschildes bestanden. Diese beiden Punkte a), nach Tests an Ort und Stelle: nur schwer mögliche Erkennbarkeit des isoliert betrachteten Sperrpfostens durch einen sich nähernden Radfahrer, und b), starke Ablenkung des Radfahrers durch die Licht- und Sichtverhältnisse im Unfallbereich, hätten dem Senat schon im Mai 1999 als Entscheidungsgrundlage genügen können, wenn die Versuche des Sachverständigen vor Ort mit einem Sperrpfosten hätten durchgeführt werden können, wie er zur Unfallzeit eingesetzt war. Weil die Beklagte dem Sachverständigen nach dessen Angaben keinen vergleichbaren Sperrpfosten, sondern einen mit reflektierendem Anstrich bereit gestellt hatte, war der Sachverständige darauf ausgewichen, die Oberfläche des Pfahls durch rotweißes Textilmaterial zu verdecken und die Versuche damit durchzuführen. Die Vergleichbarkeit der Reflexionswirkung des gewählten Textilmaterials mit der des ursprünglichen Sperrpfostens blieb im Termin am 18. Mai 1999 streitig. Sie ist durch den weiteren Test des Sachverständigen, der Grundlage seines Gutachtens vom 29. Juni 2000 war, mit dem Ergebnis nachgewiesen worden, dass ausweislich der Anlagen B 6 - B 8 der seinerzeit verwendet Stoffpoller jedenfalls keine schlechteren Reflexionseigenschaften aufweist als ein rotweiß lackierter Sperrpfosten.

a) Auf die streitig gebliebene Berechnung der Reflexionseigenschaften kommt es nicht an. Es ist nicht entscheidend, ob und in welcher Weise eine ausreichende Reflexion eines runden, rotweiß gestrichenen Sperrpfostens mittels physikalischer Berechnung darzulegen ist, sondern, ob sie unter Berücksichtigung der gesamten Sicht- und Lichtverhältnisse zur Unfallzeit bestanden hat. Der Senat hat daher keinen Anlass auf die im übrigen nicht weit auseinander liegenden Ergebnisse der unterschiedlichen Berechnungen der Dipl.-Ing. ... und ... einzugehen.

b) Der Senat hat auch keine Möglichkeit, mit Hilfe des zunächst beabsichtigten Ortstermins sich zur Abrundung einen eigenen Eindruck von den Verhältnissen der damaligen Unfallstelle zu verschaffen. Die örtlichen Gegebenheiten, nicht nur die – ggf. rekonstruierbaren – Beleuchtungsverhältnisse, sind ausweislich der von der Beklagten selbst überreichten Fotos so wie im Tatbestand beschrieben so geändert worden, dass eine detailgetreue Wiederherstellung, und nur die hätte ggf. erheblich sein können, ausgeschlossen ist.

c) Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht war der Beklagten auch ohne weiteres zumutbar, denn es hätte genügt, dass an dem Sperrpfosten eine Blinkleuchte angebracht worden wäre.

d) Das eigentliche Unfallgeschehen, dass die Klägerin nämlich stürzte, weil sie mit dem Lenker ihrer Rades gegen den Sperrpfosten geriet, ist durch ihre Angaben und die sie bestätigenden Ausführungen des Sachverständigen ... ebenfalls nachgewiesen. Hierzu wird auf Seiten 2 f. des Berichterstattervermerks vom 18. Mai 1999 Bezug genommen (Bl. 248 f. d. A.).

e) Weil der Unfall an einer abhilfebedürftigen Gefahrenstelle geschehen ist, greift zugunsten der Klägerin die Kausalitätsvermutung ein (BGH NJW 1994, 945; Senat VersR 1999, 1416 (Ls) = ZfS 1999, 140).

f) Da der objektive Pflichtverstoß und damit die Verletzung der äußeren Sorgfalt feststeht, ist die Verletzung der inneren Sorgfalt indiziert (BGH VersR 1986, 765; Bergmann/Schumacher a.a.O. Rn. 788).



3. Die Ansprüche der Klägerin sind gemäß § 254 Abs. 1 BGB auf zwei Drittel ihres unfallbedingten materiellen Schadens beschränkt. Bei der Bemessung des ihr zuzubilligenden Schmerzensgeldes ist dementsprechend ein Mitverantwortungsanteil der Klägerin von einem Drittel zu berücksichtigen. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen tatsächlichen Vorbringen gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO verstoßen, denn auch Radfahrer dürfen grundsätzlich nur so schnell fahren, dass sie innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten können (Senat OLGR 1996, 158). Der Senat verkennt nicht, dass Fahrräder mit nur schwacher Beleuchtung ausgerüstet sind, die oft nicht genügt, den Verkehrsraum ausreichend zu erhellen. Dem muss zwar einerseits der Sicherungspflichtige Rechnung tragen, das befreit aber andererseits den Radfahrer nicht von der gebotenen Eigensorgfalt. Wer mit dem Fahrrad in die Dunkelheit hineinfährt, ist regelmäßig für die Folgen seines Unfalls auch dann mitverantwortlich, wenn die beklagte Stadt ein schwer wahrnehmbares Hindernis auf dem Radweg installiert hat. Ein Mitverschulden des Radfahrers bleibt nur ausnahmsweise unberücksichtigt, wenn etwa auf Seiten der sicherungspflichtigen Stadt eine besonders schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegt, wie bei einem tiefen Loch über die ganze Breite einer Unterführung, wobei dieser Zustand unverändert seit Monaten bestand (Senat OLGR 1996, 158). Ein derartiges Gewicht hat der der Beklagten hier zu machende Vorwurf nicht. Allerdings überwiegt das Verschulden der Beklagten. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeiten ist es doppelt so hoch wie das der Klägerin zu anzusetzen. Die Beklagte hat das Hindernis durch aktives Tun geschaffen. Sie hat bei Dunkelheit und für deren Dauer den schwer erkennbaren Sperrpfosten einsetzen lassen, so dass die Klägerin, als sie auf ihrem Hinweg bei Helligkeit die Strecke in Gegenrichtung befuhr, noch kein Hindernis wahrnehmen konnte. Es ist auch nicht bewiesen, dass die Klägerin von dem Einsatz eines Sperrpfostens auf dem Fuß- und Radweg aus anderen Gründen Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Die Klägerin muss auch aus anderen Gründen keine weiteren Einschränkungen ihrer Ansprüche hinnehmen. Es ist insbesondere nicht anspruchsmindernd zu berücksichtige, dass die Klägerin keinen Schutzhelm trug. Die Regelung des § 21a Abs. 2 StVO gilt nur für Führer von Krafträdern und ihre Beifahrer, nicht für Radfahrer ( Jagow in: Janiszewski/Jagow/Burmann StVO 16. Aufl. 2000 § 21a Rn. 5 m.w.N.). Es bestand jedenfalls im Jahre 1997 auch keine allgemeine Verkehrsanerkennung über die Notwendigkeit einer solchen Schutzmaßnahme für erwachsene Radfahrer (Anschluss an 27. Zivilsenat NZV 2001, 86 = MDR 2001, 330).

4. Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Feststellungsanträge entsprechend. Weil die Klägerin, wie dargelegt, unfallbedingt Verletzungen erlitten hat, reicht für das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts aus, die nur verneint werden darf, wenn aus der Sicht der Klägerin bei verständiger Würdigung kein Grund bestünde, mit dem Eintritt eines weiteren Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW 2001, 1431 = r+s 2001, 147). Für einen derartigen Ausnahmetatbestand ist nichts ersichtlich.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Eine einheitliche Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist nicht möglich. Soweit die Klägerin durch ihre Anschlussberufung eine für sie günstigere Quote erreicht hat, ist die Beklagte noch nicht endgültig unterlegen. Infolge der Zurückverweisung hat daher das erstinstanzliche Gericht über die gesamten Kosten des Rechtsstreits, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auch unter Beachtung des § 97 ZPO, zu entscheiden ( Musielak/Wolst a.a.O. § 97 Rn. 3 m.w.N.).

6. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 708 ff. ZPO entfällt, weil das Urteil keinen vollstreckbaren Inhalt hat.

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