Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 29.05.2008 - 3 Ws (B) 106/08 - Zur Verwertung von Voreintragungen in Bußgeldsachen

KG Berlin v. 29.05.2008: Zur Verwertung von Voreintragungen in Bußgeldsachen


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 29.05.2008 - 3 Ws (B) 106/08) hat entschieden:
Eintragungen im Verkehrszentralregister, die gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a i.V.m. Nr. 3 StVG einer Tilgungsfrist von zehn Jahren unterliegen, dürfen gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 und 2 StVG bereits nach Ablauf einer fünfjährigen Tilgungsfrist in einem Bußgeldverfahren wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht mehr verwertet werden.


Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen die §§ 3 Abs. 3, 49 [zu ergänzen: Abs. 1 Nr. 3] StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 600,-- Euro verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot angeordnet. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen den Schuldspruch richtet, ist es unbegründet im Sinne der §§ 349 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG.

Hingegen hat die Rechtsbeschwerde zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.

Nach den Feststellungen überschritt der Betroffene mit seinem Pkw die zulässige innerstädtische Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 33 km/h (UA S. 3). Bei der Bemessung der Geldbuße hat das Amtsgericht berücksichtigt, dass der Betroffene schon vielfach - auch einschlägig - verkehrsrechtlich aufgefallen sei und dass er die Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich begangen habe (UA S. 6). An verkehrsrechtlichen Vorerkenntnissen teilt das Amtsgericht eine Vorverurteilung vom 27. Januar 1999, rechtskräftig seit dem 8. März 1999 „wegen einer Trunkenheitsfahrt“ zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 70,-- DM mit. Durch dieses Urteil sei ihm auch die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist bis zum 26. Juli 1999 angeordnet worden. Am 3. Juli 1999 sei ihm eine neue Fahrerlaubnis erteilt worden. Im Urteil werden dann noch acht gegen den Betroffenen ergangene Bußgelderkenntnisse mitgeteilt, die zwischen dem 3. April 2003 und dem 21. April 2006 rechtskräftig geworden sind (UA S. 2/3).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Amtsgericht bei der Rechtsfolgenentscheidung die Vorverurteilung vom 27. Januar 1999 mit berücksichtigt hat. Diese unterlag indes einem Verwertungsverbot.

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 Ziff. a) i.V.m. Nr. 3 StVG betrug die Tilgungsfrist für die genannte Verurteilung zehn Jahre, beginnend mit dem Tag des Urteils (§ 29 Abs. 4 Nr. 1 StVG). Anhaltspunkte für Tilgungsreife nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 StVG sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Soweit in der Vorschrift von einer Anordnung der Tilgung im Bundeszentralregister die Rede ist, ist damit eine solche nach §§ 48 f. BZRG gemeint (vgl. Götz/Tolzmann, BZRG 4. Aufl., § 45 Rdn. 10 f.; Rebmann/Uhlig, BZRG § 45 Rdn. 3). Indes bestimmt § 29 Abs. 8 Satz 1 und 2 StVG für Eintragungen im Verkehrszentralregister, die einer zehnjährigen Tilgungsfrist unterliegen, dass diese nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist nach den Vorschriften dieses Paragraphen entspricht, nur noch für ein Verfahren verwertet werden dürfen, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat (vgl .dazu Dauer in Hentschel, Straßenverkehrsrecht 39. Aufl., § 29 StVG Rdn. 13; Lütkes/Ferner/Kramer, Straßenverkehr, § 29 StVG Rdn. 15), was hier nicht der Fall ist.

Der Senat kann wegen der Höhe der verhängten Geldbuße nicht ausschließen, dass diese durch die in Rede stehende Vorverurteilung mitbestimmt worden ist.

Wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot unterliegt auch die Entscheidung über letzteres der Aufhebung.