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VGH München Beschluss vom 10.06.2013 - 11 ZB 13.942 - Deutscher Wohnsitz in einem slowwenischen EU-Führerschein

VGH München v. 10.06.2013: Deutscher Wohnsitz in einem slowwenischen EU-Führerschein


Der VGH München (Beschluss vom 10.06.2013 - 11 ZB 13.942) hat entschieden:
Mit dem Eintrag eines deutschen Wohnsitzes in einem slowenischen Führerschein ist der volle Beweis im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO für die Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses erbracht. An den nach § 418 Abs. 2 ZPO grundsätzlich möglichen Gegenbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Danach muss der Inhaber eines ausländischen EU-Führerscheins, in dem ein deutscher Wohnsitz eingetragen ist, substantiiert Beweis für die Widerlegung des Wohnsitzerfordernisses antreten; außerdem muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der in der öffentlichen Urkunde bezeugten Tatsache sprechen. Aus dem Vorbringen des Führerscheininhabers muss sich insbesondere ergeben, dass die Auswertung des Erkenntnismittels, auf das er sich zum Zwecke der Widerlegung des Inhalts der öffentliche Urkunde bezieht, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsache ergeben wird.


Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Inlandsungültigkeit seiner slowenischen Fahrerlaubnis der Klasse B. Sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts war jedoch abzulehnen, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ausreichend dargelegt wurden bzw. nicht vorliegen.

1. Die Zulassungsbegründung behauptet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) unter dem Gesichtspunkt, dass das Erstgericht nicht ausreichend berücksichtigt habe, dass der Kläger bereits im Juli 2007 nach Slowenien gezogen sei, einen ordentlichen Wohnsitz begründet habe und in der Stadt Logatec mit seiner Partnerin und späteren Ehefrau gewohnt und dort im August 2008 sogar ein gemeinsames Kind bekommen habe. Der Fall grenze sich daher von den üblichen Fällen des Führerscheintourismus ab, in denen lediglich pro forma ein Wohnsitz begründet werde. Das Gericht habe berücksichtigen müssen, dass aufgrund seiner familiären Bindung zu seiner Ehefrau bzw. zu seinem Kind der Kläger sich der Wahrscheinlichkeit nach in Slowenien aufgehalten habe. Auch habe der Kläger eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt und ein Konto bei einer nationalen Bank eröffnet, was einen ordentlichen Wohnsitz in Slowenien voraussetze.

Dieser Vortrag vermag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit der Entscheidung nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden und sich ohne nähere Prüfung die Frage nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 124 Rn. 7 m.w.N.). Das Erstgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats ausgeführt, dass nach deutschem Verwaltungsprozessrecht mit dem Eintrag des deutschen Wohnsitzes im slowenischen Führerschein des Klägers der volle Beweis im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO für die Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses erbracht ist, da diese Bestimmungen auch auf diese ausländische Urkunde anwendbar sind. An den nach § 418 Abs. 2 ZPO grundsätzlich möglichen Gegenbeweis sind nach der Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts strenge Anforderungen zu stellen (BayVGH, B. v. 23.11.2011 – 11 BV 11.1315 – juris Rn. 35; BVerwG, B. v. 16.5.1986 – 4 CB 8/86 – NJW 1986, 2127). Danach muss der Inhaber eines ausländischen EU-Führerscheins, in dem ein deutscher Wohnsitz eingetragen ist, substantiiert Beweis für die Widerlegung des Wohnsitzerfordernisses antreten; außerdem muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der in der öffentlichen Urkunde bezeugten Tatsache sprechen. Aus dem Vorbringen des Führerscheininhabers muss sich insbesondere ergeben, dass die Auswertung des Erkenntnismittels, auf das er sich zum Zwecke der Widerlegung des Inhalts der öffentliche Urkunde bezieht, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Unrichtigkeit der darin bezeugten Tatsache ergeben wird.

Unstreitig war der Kläger im gesamten Zeitraum, in dem er seinen führerscheinrechtlich relevanten Wohnsitz in Slowenien gehabt haben will, auch im Bundesgebiet gemeldet. Mit Schreiben vom 5. März 2008 hat er unter seiner deutschen Adresse bei der Fahrerlaubnisbehörde einen Antrag auf Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis gestellt, obwohl er nach eigenem Vortrag von 2007 bis 2009 in Slowenien gelebt haben will. Um letzteres Vorbringen auch nur ansatzweise für glaubwürdig befinden zu können, hätte der Kläger eine nachvollziehbare Erklärung dafür anbieten müssen, warum gerade in seinem Fall das Vorhalten von zwei Wohnsitzen erforderlich war. Aus dem gesamten klägerischen Vorbringen, das er mit Beweisangeboten unterlegt hat, ergibt sich jedoch kein Anknüpfungspunkt dafür, dass dies gerade in seinem Fall notwendig gewesen sein sollte. Damit spricht keine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Vorbringen des Klägers, im fraglichen Zeitraum einen führerscheinrechtlich relevanten Wohnsitz in Slowenien begründet zu haben, zutreffend ist. Eine Beweiserhebung durch das Erstgericht konnte daher insoweit unterbleiben.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Zulassungsbegründung sieht solche Schwierigkeiten unter dem Gesichtspunkt begründet, dass der Kläger die Anerkennung eines ausländischen Führerscheins beantragt habe, der in einem Zeitraum erworben worden sei, in dem die obergerichtliche Rechtsprechung keine so strengen Anforderungen an den Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis und die Nachweisführung gestellt habe. Hierauf kann es jedoch bereits deshalb nicht ankommen, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen feststellenden Verwaltungsakts entweder derjenige des Zeitpunkt des Bescheidserlasses (25. Juli 2012) oder aber – vor dem Hintergrund der Rechtsnatur der Feststellung der Inlandsungültigkeit als Dauer-Verwaltungsakt - derjenige des Zeitpunkts der gerichtlichen Entscheidung ist. Zu beiden Zeitpunkten war bzw. ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass mit der Eintragung eines deutschen Wohnsitzes in einem ausländischen EU-Führerschein der volle Beweis des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis erbracht ist.

3. Schließlich behauptet die Zulassungsbegründung das Vorliegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Der Kläger habe Zeugenbeweis für das Vorhandensein eines führerscheinrechtlich relevanten Wohnsitzes in Slowenien im fraglichen Zeitraum angeboten. Das Verwaltungsgericht habe jedoch den Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, da der Tatsachenvortrag nicht hinreichend substantiiert gewesen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr hat das Erstgericht den Beweisantrag zu Recht mit der Begründung abgelehnt, aus dem klägerischen Vorbringen, für das Beweis angeboten wurde, ergebe sich keine ausreichende Wahrscheinlichkeit für dessen Richtigkeit (vgl. oben 1.).

4. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).