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Landgericht Braunschweig Urteil vom 23.05.2013 - 7 S 380/12 - Zum Ersatzanspruch auf unfallbedingte Mietwagenkosten

LG Braunschweig v. 23.05.2013: Zum Ersatzanspruch auf unfallbedingte Mietwagenkosten


Das Landgericht Braunschweig (Urteil vom 23.05.2013 - 7 S 380/12) hat entschieden:
  1. Eine Abtretung des Mietwagenkostenanspruchs an den Vermieter ist grundsätzlich zulässig. Die Abtretung verstößt regelmäßig nicht gegen das RDG, wenn die Haftung dem Grunde nach von Anfang an unstreitig war.

  2. Mietwagenkosten können grundsätzlich nur in dem Umfang verlangt werden, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte erhält im Fall mehrerer auf dem örtlichen Markt erreichbarer Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb einer gewissen Spannbreite deshalb im Grundsatz nur den objektiv, wirtschaftlich günstigeren Mietpreis ersetzt.

  3. Eine geringe Fahrleistung kann der Erstattung der Mietwagenkosten entgegenstehen, wenn bereits bei der Anmietung erkennbar war, dass der Geschädigte eigentlich ein Ersatzfahrzeug nicht benötigt.

  4. Die Schätzung der Höhe der Mietwagenkosten kann grundsätzlich anhand der Schwacke-Liste oder anhand des Fraunhofer-Mietpreisspiegels erfolgen. Im Einzelfall können dabei Zu- und Abschläge vorgenommen werden. Bestehen Zweifel an der Eignung einzelner Listen, so kann aus beiden Listen das arithmetische Mittel zur Bemessung der Höhe der Mietwagenkosten gebildet werden.

Siehe auch Der Ersatz der unfallbedingten Mietwagenkosten
und Der Unfallersatztarif und Die Abtretung der Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall an die Autovermietung


Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Ersatz von weiteren Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall, während die Beklagte den gezahlten Betrag von 811,58 Euro unter Einschluss einer Pauschale für Risiken im Unfallersatzgeschäft für ausreichend erachtet.

Wegen aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie des Verfahrensablaufs wird auf die erstinstanzliche Entscheidung nebst darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.

Das Amtsgericht hat die Klage aus Rechtsgründen abgewiesen. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das erstinstanzliche Urteil wurde dem ehemaligen Klägervertreter am 06.08.2012 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 28.08.2012, welcher am 31.08.2012 beim Landgericht Braunschweig eingegangen ist, wurde für die Klägerin Berufung eingelegt. Nach bewilligter Fristverlängerung um einen Monat wurde die Berufung durch Schriftsatz vom 24.10.2012, eingegangen beim Landgericht Braunschweig am 25.10.2012, begründet.

Die Klägerin rügt die Verletzung prozessualen und materiellen Rechts.

Sie beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des am 11.07.2012 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Wolfsburg (Aktenzeichen 12 C 622/11) zu verurteilen, an die Klägerin 1.114,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 20.02.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil in prozessualer und materieller Hinsicht und nimmt - ebenso wie die Klägerin - auf den erstinstanzlichen Vortrag einschließlich der Beweisangebote Bezug.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Bezug genommen. Die Kammer hat durch die beauftragte Richterin Beweis erhoben durch Vernehmung des Fahrers des Unfallwagens und des den Mietwagen Anmietenden, den Zeugen ..., im Termin am 04.04.2013. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll vom 04.04.2013 Bezug genommen.


II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat sie jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 398 BGB ein weiterer Ausgleichsanspruch in der festgestellten Höhe aufgrund der wirksamen Abtretung des Anspruchs des Zeugen ... an die Klägerin zu.

A.

Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Anspruchs aktivlegitimiert. Bereits die erste Abtretung, welche ausweislich der glaubhaften und nachvollziehbaren Bekundung des Zeugen ... im Termin am 04.04.2013 bereits am Unfalltag unterzeichnet wurde (Anlage zum Klagebegründungsschriftsatz, Bl. 11), ist wirksam. Diese Abtretung ist ausreichend bestimmt. Ausweislich der eindeutigen Ausführungen in der Abtretungserklärung/Mietwagenkostenübernahmebestätigung hat der Geschädigte ... den leistungsverpflichteten Versicherer unwiderruflich angewiesen, die im Rahmen der Schadenregulierung zu erstattenden Mietwagenkosten direkt an den Vermieter zu zahlen und gleichzeitig seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen das leistungsverpflichtete Versicherungsunternehmen und seine versicherten Personen zur Sicherheit an den Vermieter angetreten. Damit wurden der Klägerin nur die im Rahmen der Schadenregulierung zu erstattenden Mietwagenkosten abgetreten. Diese Abtretung hat die Klägerin angenommen. Dabei ist klar ersichtlich, welche Schadensposition genau abgetreten worden ist und werden sollte. Anders als wenn von mehreren selbständigen Forderungen ein Teil abgetreten wird, ohne das erkennbar ist, von welcher oder von welchen Forderungen ein Teil abgetreten werden soll, ist dies hinreichend bestimmt.

Die erfolgte Abtretung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig. Vorliegend ist die vollumfängliche Haftung der Beklagten dem Grunde nach von Anfang an unstreitig und die Beklagte hat die Mietwagenrechnung nach Übersendung einer Kopie der Rechnung durch die Klägerin teilweise in Höhe von 811,58 € erstattet. Die Beklagte greift die geltend gemachte Forderung allein ihrer Höhe wegen an. In einer derartigen Konstellation liegt nach der Rechtsprechung des BGH ein Fall vor, in welchem der Forderungseinzug durch das Mietwagenunternehmen als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Klägerin gehört und auch bei Annahme einer Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG jedenfalls gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist (Urteil des BGH vom 31.01.2012, Az. VI ZR 143/11, zit. nach Juris).

Wegen der wirksamen Abtretungserklärung vom 07.12.2008 kommt es nicht darauf an, was der Inhalt des Anschreibens ist, mit welchem die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter den Zeugen ... die als Anlage K 9 vorgelegte (weitere) Abtretungserklärung vom 29.05.2012/01.06.2012 mit der Bitte um unterschriebene Rückübersendung übersandt hat. Deshalb ist der Klägerin nicht gem. § 142 ZPO aufzugeben, dieses Anschreiben einzureichen.

B.

Durch die unstreitige vorprozessuale Zahlung der Beklagten an die Klägerin in Höhe von 811,58 € ist der der Klägerin wegen der Nutzung eines Mietfahrzeuges durch den Unfallgeschädigten zustehende Ersatzbetrag nicht in voller Höhe ausgeglichen. Es verbleibt eine offene Forderung in Höhe von 623,66 Euro.

1. Für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges entstandene Mietwagenkosten gehören zu den Kosten der Schadensbehebung. Der Geschädigte kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich aber nur Ersatz objektiv erforderlicher Mietwagenkosten durchsetzen. Insofern sind Mietwagenkosten vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung nur in dem Umfang zu ersetzen, in dem reale Kosten zur Herstellung des Zustandes erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde. Das ist der (Geld-​) Aufwand, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (einhellige Rechtsprechung). Der Geschädigte erhält im Fall mehrerer auf dem örtlichen Markt erreichbarer Tarife für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb einer gewissen Spannbreite deshalb im Grundsatz nur den objektiv, wirtschaftlich günstigeren Mietpreis ersetzt. Denn er muss von mehreren möglichen und zumutbaren Wegen den wirtschaftlichsten Weg wählen (Urteil des BGH vom 14.10.2008, Az. VI ZR 210/07, zit. nach Juris m. w. N.). Über den objektiv günstigsten Tarif hinausgehende Mietwagenkosten kann der Geschädigte aus dem Blickwinkel der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer (Normal-​) Tarif zugänglich war (Urteil des BGH vom 14.10.2008, Az. VI ZR 210/07, zit. nach Juris m. w. N.). Für die Annahme, dem Geschädigten sei kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich gewesen, reicht es dabei nicht schon, wenn das Mietwagenunternehmen dem Geschädigten einen Mietwagen nur zu einem Tarif angeboten bzw. präsentiert hat.

2. Aktuell legt die Kammer darüber hinaus aufgrund der Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Entwicklung der Tabellen zu Mietwagenkosten in Deutschland Folgendes zugrunde:

Eine geringe Fahrleistung mit dem Mietfahrzeug kann der Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten entgegenstehen, jedenfalls dann, wenn von vornherein zu übersehen ist, dass geringe Strecken zurückgelegt werden. Die pauschale Bezugnahme auf die Kilometerleistung besagt aber nichts. Im Einzelfall kann auch bei geringer Fahrleistung die Erforderlichkeit der Anmietung zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist (vgl. Urteil des BGH vom 05.02.2013, Az. VI ZR 290/11, zit. nach Juris).

Ob eine Maßnahme des Geschädigten zur Schadensbeseitigung unwirtschaftlich ist, ist stets nur mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Amtsgerichte wie Landgerichte als Tatrichter sind weder gehindert noch gehalten, der Schadensschätzung die Schwacke-​Liste oder den Fraunhofer-​Mietpreisspiegel zugrunde zu legen. Im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens liegt es, je nach den Umständen des Einzelfalls, Abschläge oder Zuschläge auf den Normaltarif vorzusehen.

Zwar hat die Kammer in der Vergangenheit, u.a. in Urteilen im Jahr 2009, angenommen, dass der Schwacke-​Automietpreisspiegel 2006 im Landgerichtsbezirk Braunschweig keine Schätzung eines Normaltarifs im Sinne des § 287 ZPO zulässt, für die Schadensschätzung deshalb von dem Schwacke-​Automietpreisspiegel 2003 auszugehen ist und für eine Zeit danach bis zum Schadensjahr wegen der jährlichen Preissteigerung ein Zuschlag vorzunehmen ist, der für die Zeiträume 2004 bis 2006 mit 2 % pro Jahr angenommen worden ist (vgl. u.a. Urteil vom 13.01.2009, Az. 7 S 394/08; Urteil vom 15.01.2009, Az. 7 S 278/08; Urteil vom 13.01.2009, Az. 7 S 93/08).

Den Schwacke-​Automietpreisspiegel 2003 als Ausgangspunkt einer Schadensschätzung sowie die Berücksichtigung von Zuschlägen für die Zeit bis zum Schadensjahr zu nehmen, ist nun aber nicht mehr angezeigt. Im Anschluss an eine verbreitete Ansicht tritt die Kammer jetzt für eine Kombination der Schwacke-​Liste und des Fraunhofer-​Mietpreisspiegels in der Weise ein, dass aus der Summe der einschlägigen Mietpreise dieser Listen das arithmetische Mittel gebildet wird. Da die Schwacke-​Liste zu „überhöhten“ Werten, aber die Fraunhofer-​Liste zu „zu niedrigen“ Werten führen soll, fängt das arithmetische Mittel diese Aspekte auf und lässt so einen realistischen Wert erkennen (so im Anschluss u.a. an Urteil des OLG Celle vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11, zit. nach Juris; Urteil des LG Freiburg vom 23.10.2012, Az. 3 S 262/11, zit. nach Juris). Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der Listen für die Jahre 2008 und 2009.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht gehindert, eine andere Schätzgrundlage zu wählen als das erstinstanzliche Gericht, da auf der Grundlage der nach § 529 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachen ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts die Schätzung selbstständig nach allen Richtungen von Neuem durchzuführen ist. Ist die erstinstanzliche Entscheidung vertretbar, nach Ansicht des Berufungsgerichts aber letztlich bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht sachlich überzeugend, hat das Berufungsgericht nach seinem Schätzungsermessen eine eigene Bewertung vorzunehmen.

Hinsichtlich der in der Rechtsprechung streitigen Frage, welche Abrechnungseinheit für die Ermittlung des Normalpreises der gesamten tatsächlich erforderlichen Mietdauer anzuwenden ist, folgt die Kammer der Auffassung, die erforderliche Gesamtmietzeit nachträglich in entsprechende maximale Zeitabschnitte von 7 Tagen (bzw. 1 Woche), 3 Tagen und 1 Tag aufzuteilen und sodann dazu die zugehörigen Preise der Tabellen zu ermitteln (vgl. zu dieser Berechnungsmethode u.a. Urteil des OLG Karlsruhe vom 11.08.2011, Az. 1 U 27/11, zit. nach Juris; Urteil des OLG Köln vom 11.08.2010, Az. 11 U 106/09, zit. nach Juris; Urteil des OLG Saarbrücken vom 22.11.2009, Az. 4 U 294/09, zit. nach Juris; Urteil des LG Dortmund vom 19.07.2010, Az. 21 O 489/08, zit. nach Juris).

3. Für die konkrete Fallgestaltung sieht die Kammer aufgrund der Ausführungen in den klägerischen Schriftsätzen vom 05.03.2013 samt Anlage „Reparatur-​Ablaufplan“ und vom 02.04.2013 unter Berücksichtigung der in den Anmietzeitraum fallenden Wochenenden den Anmietzeitraum von 16 Tagen als nachvollziehbar und erforderlich an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge ... das Mietfahrzeug tatsächlich 17 Tage nutzte, aber nur 16 Tage in Rechnung gestellt wurden, und es damit unschädlich bleibt, dass der Zeuge ... den Mietwagen erst am 23.12.2008 zurückbrachte und nicht bereits nach Kenntnis von der Fertigstellung der Reparatur seines Fahrzeugs am Nachmittag/Abend des 22.12.2008.

Aufgrund der Anmietdauer von 16 Tagen sind damit die Preise der Tabellen für 2 mal 7 Tage (bzw. 2 mal 1 Woche) und 2 mal 1 Tag zu ermitteln und der Berechnung zugrunde zu legen. Dabei ist es entgegen den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 25.04.2013 unerheblich, wenn in diesem Zusammenhang bei der gerichtlichen Berechnung höhere Tagespreise bzw. höhere Wochenpreise (bei Schwacke) in Ansatz gebracht werden, als dem Geschädigten konkret in Rechnung gestellt worden sind. Zwar ist die Grenze, was einem Geschädigten zugesprochen werden kann, im Streitverfahren der Höhe nach gem. § 308 ZPO auf den tatsächlich eingetretenen Schaden beschränkt. Vorliegend geht die Kammer aber insgesamt nicht über den von der Klägerin eingeklagten Betrag hinaus, sondern legt der Berechnung des Normaltarifs Wertansätze bzw. Werte als „Rechenposten“ zugrunde, die als solche höher seien dürfen als der in der konkreten Rechnung ausgewiesene Betrag. Es ist allgemein anerkannt, dass das Gericht bei einheitlichem Streitgegenstand unselbständige Posten der Höhe nach ohne Überschreitung der verlangten Endsumme verschieben und auch hinsichtlich einzelner Rechnungsposten über das Geforderte hinausgehen darf (vgl. Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 30. Auflage, 2009, § 308 Rn. 3).

4. Anders als andere Tatrichter rechnet die Kammer innerhalb ihres Schätzungsfreiraums Tarifwerten der Fraunhofer-​Liste abstrahierend keine Aufschläge für Nebenkosten hinzu. Denn es ist nicht sachgerecht, solche Zuschläge für die Fraunhofer-​Liste aus der (quasi artfremden) Schwacke-​Liste zu entnehmen.

Soweit die Fraunhofer-​Liste abstrahierend Vollkaskokosten enthält, gleicht die Kammer anders als andere Tatrichter die Unterschiede zwischen den Tabellen nicht dadurch aus, dass den Schwacke-​Werten Geldbeträge zur Haftungsfreistellung (Vollkasko) hinzugerechnet werden, um die Ebene der Fraunhofer-​Liste zu erhalten. Denn zu achten ist jeweils insbesondere auch auf die Höhe von Selbstbehalten und vor allem gibt es keine abstrakten Ansätze innerhalb des Schwacke-​Systems, die dem Grundansatz entsprechen, und lässt sich nichts aus den Werten der Fraunhofer - Liste herausrechnen, um eine gleichmäßige Basis zu ermitteln. Die Listen werden nicht dadurch wirklich „angeglichen“, wenn vor der Mittelwertbildung Werte der Schwacke-​Liste um zusätzliche konkrete Beträge für eine Haftungsbefreiung unter 500 oder 1000 Euro (Vollkasko/Selbstbeteiligung) - in voller Höhe oder zur Hälfte - erhöht werden.

Anknüpfungspunkt im Rahmen der Tabellen sind jeweils der Postleitzahlenbezirk des Vermieters und für die Fahrzeugklasse das bei dem Unfall beschädigte Fahrzeug, hier PLZ 384 (Wolfsburg) und die Fahrzeugklasse 4 (Seat Leon).

Bei dem Unfallereignis und der Anmietung im Dezember 2008 ist es hier sachgerecht, Listen betreffend das Jahr 2009 heranzuziehen.

So ist das arithmetische Mittel aus den Werten, die den Listen bezogen jeweils auf das entsprechende, maßgebende Kalenderjahr zu entnehmen sind, herzuleiten, wie es als Normalwert in die Schätzung einfließt.

5. Einen Eigenersparnisabzug bezieht die Kammer auf diesen durch Mittelwertbildung eingeschätzten Normalpreis.

Im Einzelfall und je nach Lage kann es um 5% oder um 10% gehen. Da vorliegend ein zweiklassentieferes Fahrzeug (VW Polo Tour) angemietet wurde, ist ein Eigenersparnisabzug von nur 5 % vorzunehmen.

6. Abhängig vom jeweiligen Einzelfall sind konkret angefallene und abgerechnete, gezahlte Zuschläge z.B. für Vollkaskoversicherung und im Winterhalbjahr z.B. für Winterreifen hinzuzurechnen. Dies entspricht § 249 BGB und dem Gebot der subjektiven Schadensbestimmung und -abrechnung.

7. Diese Erwägungen führen zu folgender Berechnung:

 
Schwacke AMS 2009 Fraunhofer- Liste 2009      
Modus PLZ 38404 PLZ 38  
Unfallfahrzeug Klasse/Gruppe 4      
Wochenpauschale 7 Tage 530,74 € 269,89 €  
bei 2 Wochen (als 14 Tagen) 1.061,48 € 539,78 €  
1 Tag 84,48 € 93,34 €  
2 Tage (bei insgesamt 16 Tagen) 168,96 € 186,68 €  
Zwischensumme 1.230,44 € 726,46 €  
Mittelwert als Normaltarif     978,45 €
abzgl. Eigenersparnis Anmietung klassentiefer, deshalb nur 5%     - 48,92 €
      = 929,53 €
In Rechnung gestellte, nachgewiesene Zusatzkosten für Winterreifen sind im Winterhalbjahr erstattungsfähig
16 (Tage) mal 8,62 €
    +137,92 €
      = 1.067,45 €


8. Konkrete Kosten für eine angemessene Haftungsreduzierung (Vollkaskoversicherung) bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs hält die Kammer indessen regelmäßig in voller (angemessener) Höhe für erstattungsfähig - und nicht nur im hälftigen Umfang - und dies unabhängig davon, ob das bei dem Verkehrsunfall beschädigte Fahrzeug voll- oder teilkaskoversichert war. Denn grundsätzlich hat jeder Betroffene ein schutzwürdiges Interesse, für die Kosten einer eventuellen Beschädigung des Mietfahrzeugs allenfalls in geringem Umfang selbst aufkommen zu müssen, zumal Mietwagen regelmäßig neuer und insofern höherwertiger sind als das beschädigte Fahrzeug, was zu einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko des Mieters führt.

Konkrete Kosten für Haftungsbefreiung/Vollkasko ausweislich Rechnung betragen hier

+ 2 mal (2 Wochen)     + 118,10 €
+ 2 mal (2 Tage) 16,87 €     + 269,94 €
    = 1.337,39 €


9. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für die Zufuhr und Abholung des Mietfahrzeugs sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, d.h. den Bekundungen des Zeugen ... im Termin am 04.04.2013 - dass das konkrete Mietfahrzeug sich schon bei der Firma ... befand und er es nach Beendigung der Mietzeit dorthin wieder zurückbrachte - auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 22.04.2013 - nicht ersatzfähig. Die Klägerin selber führt in dem Schriftsatz vom 22.04.2013 aus, dass ihre Mitarbeiter vor jedem Wochenende vorsorglich einen Mietwagen zur Firma ... verbringen und dort nach dem Wochenende wieder abholen. Derartige Kosten, die nicht aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, sondern im Vorfeld unabhängig von einem konkreten Unfallereignis entstanden sind, weil Mitarbeiter der Klägerin generell ein Mietwagen zur Firma ... bringen, sind nicht abrechnungsfähig.

10. Ob Anspruch auf Zuschlag wegen unfallbedingter Zusatzkosten auf den errechneten beziehungsweise geschätzten „Normaltarif“ besteht, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Denn welche konkreten Bemühungen zur Ermittlung des günstigsten Mietwagentarifs von einem Geschädigten abzuverlangen sind, ist einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der konkreten Situation zu beurteilen.

Maßgebend sind hier auf der einen Seite die Notlage zur Unfallzeit am Sonntagabend gegen 21 h in einem von Wohnort etwa 115 km entfernt gelegenen Unfallort und die Tatsache, dass am nächsten Morgen ein Pkw für die Fahrt zur Arbeit benötigt wird und auf der anderen Seite die Tatsache, dass der Zeugen Ecke sich nicht in ausreichendem Umfang bei anderen Anbietern nach Alternativangeboten erkundigt hat, er auch bei den Mitarbeitern der Firma Teichmann nicht nach Kosten für die Anmietung gefragt hat, er aber zugleich über diese Kosten auch nicht aufgeklärt worden ist.

Aufgrund dieser besonderen Situation in der Anmietphase und unter Berücksichtigung aller Umstände, ist vorliegend ein Aufschlag von 10% gerechtfertigt. In anderen Fällen können bis zu 20% in Betracht kommen.

Insoweit kann die Klägerin sich nicht erfolgreich darauf berufen, dass dem Zeugen ... es nicht zumutbar war, sich nach anderen Anmietmöglichkeiten zu erkundigen und ihm bei der Vornahme von anderweitigen Erkundungen ohnehin kein günstigerer Tarif zugänglich gewesen wäre, da sämtliche Anmietstationen der Konkurrenzunternehmen zum Anmietzeitpunkt (Sonntagabend gegen 21 Uhr) geschlossen waren. Dieser Vortrag ist erstmals mit Schriftsatz vom 24.10.2012 in der Berufungsinstanz erfolgt und damit verspätet. Derartiger Vortrag hätte - gerade auch aufgrund des Hinweises des Amtsgerichts vom 04.04.2012, dass „um konkreten Vortrag gebeten werde, ob der Zedent vor Anmietung des Fahrzeugs Vergleichsangebote eingeholt habe, falls ja, mit welchem Ergebnis, falls nein, warum nicht“ - in erster Instanz erfolgen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Es verbleibt daher bei einem in diesem Einzelfall vorzunehmenden Aufschlag von 10 % auf den ermittelten „Normaltarif“.

+ 10 % von 978,45 €     = + 97,85 €
Bruttowert     1.435,24 €


11. Abzüglich bereits vorgerichtlich erfolgter Zahlung in Höhe von - 811,58 € beträgt die offene Forderung 623,66 €.

12. Hier kommt nicht darauf an, wie abgerechnet wird, wenn es sich um einen Mithaftungsfall des Geschädigten handelt.

13. Die Verpflichtung der Beklagten, Verzugszinsen auf den zuerkannten Betrag zu zahlen, folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


III.

Die Revision wird nicht zuzulassen. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Es geht ausschließlich um die Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze im Einzelfall.


IV.

Der Berufungsstreitwert war entsprechend der von der Klägerin geltend gemachten Hauptforderung gem. §§ 47, 48 GKG auf 1.114,05 Euro festzusetzen.